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New Yorks South Bronx stellt Ende der 1970er Jahre eines der deprimierendsten afrikanisch-amerikanischen Ghettos dar. Eine besorgte Mutter, Helen Scroggins, nimmt Entbehrungen auf sich, um ihren Töchtern Renee, Deborah, Valerie und Marie Musikinstrumente kaufen zu können, um sie vor den dunklen Verlockungen des Straßenlebens zu bewahren. Bald traktiert Renee die Gitarre, Deborah den Baß, Valerie das Schlagzeug, Marie und Tito, ein Junge aus der Nachbarschaft, setzen auf Congas Akzente, alles sehr durchsichtig und ungemein funky. Sie nennen sich ESG, für Emerald, Sapphire and Gold, ihre Glückssteine und das Gold der Goldenen Schallplatte. Von ersten Gagen werden weitere Perkussionsinstrumente angeschafft, alles basiert auf sparsamsten Formen: Wir hören in erster Linie Schlagwerk und Baß, dazu einzelne Slogans, eher rezitiert als gesungen. ESG klingt wie vom Himmel gefallen, wie Art Brut, wie selbst ausgedacht, was natürlich in der das Vordiskursive nicht kennenden Geschichte der Popmusik undenkbar ist. Die Musikerinnen kennen logisch den spröden Funk James Browns, die Polyrhythmen des nördlichen Manhattan, auch die ersten Rapper unten an der Straßenecke; sonntags frönen sie vom Heiligen Geist beseelter Gospel Music. Aber ahnen sie auch nur, wie hochaktuell ihre Songs klingen? Wie kommen sie dazu, auf einem Wettbewerb im subkulturellen Dunstkreis der Lower Eastside einen Gig als Vorgruppe einer britischen Indie Band zu gewinnen und mit ihrer ersten Single 1981 auf dem Factory Label in Manchester zu landen? Dort die Eröffnung des weltberühmten Rave Clubs Haçienda live zu bespielen? Und in New York den letzten Abend der Disco aller Discos, Paradise Garage? Wann bekommen sie mit, daß ihre funky Patterns zu den meistgesampelten der aufbrechenden HipHop Music geworden sind? (Erst Ende der 1980er Jahre werden sie einen Song namens Sample Credits Don’t Pay Our Bills veröffentlichen.) Stoisch spielen sie ihre unschuldig grandiose Musik weiter, veröffentlichen auf kleinsten Labels, Mutter Helen stirbt, Töchter der Töchter, Chistelle und Nicole, übernehmen Gitarre und Baß. Jetzt ist mit Keep On Moving (Soul Jazz Records SJRLP 138) ein weiterer Geniestreich der Familienkapelle erschienen, der abermals jeden Club, aber auch manches Wohnzimmer in wärmste Schwingungen versetzen wird.

Thomas Meinecke hört

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