Читать книгу Barbaren am Rande des Nervenzusammenbruchs - Thomas Niggenaber - Страница 7
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»Sind wir bald da?«, fragte Hohlefried von Ömmerbaum mit quengelndem Tonfall.
Seine zwei Begleiter stöhnten entnervt auf. Er stellte diese Frage bereits zum dritten Mal, seit sie nach ihrer Unterredung im Langhaus aufgebrochen waren.
Nach selbiger hatte auch der Druide zunächst noch darüber nachgedacht, seinen König und die zwei Fremden auf ihrer gefahrvollen Reise zu begleiten. Doch dann war ein Stammesangehöriger in einem Frauengewand aufgetaucht – fest davon überzeugt, als Frau im Körper eines Barbaren geboren worden zu sein. Lautstark hatte dieser Irre seine Rechte als Transgender eingefordert und beharrlich hatte er darauf bestanden, in Zukunft Loretta genannt zu werden. Diesen Wahnsinnigen in seinen schrägen Klamotten durch die Gegend laufen zu lassen, wäre natürlich unverantwortlich gewesen. Damit er sich um diesen und weitere verwirrte Bewohner kümmern konnte, war Grahlum deshalb im Dorf zurückgeblieben. Der ramponierte Herold hatte es indes vorgezogen, nach Loewenehr zurückzukehren, derweil die drei anderen zur Vampirjagd aufgebrochen waren.
Das war jetzt gerade mal eine Stunde her.
Storne drehte sich auf seinem schwarz-weiß gescheckten Hengst zu dem hinter ihm reitenden Paladin um. »Ich sage es Euch jetzt ein letztes Mal: Wir werden noch bis zum späten Nachmittag unterwegs sein und jetzt ist es gerade mal kurz vor Mittag! Und nun ist es an mir, Euch eine Frage zu stellen: Seid Ihr eigentlich noch ganz dicht?«
Der gepanzerte Krieger dachte kurz nach. »Ob ich noch dicht bin? Nun, ich müsste mich in der Tat mal kurz erleichtern. Wie konntet Ihr das wissen, König Storne?«
Der Barbar wandte sich an den Erzmagier, der zu seiner Linken ritt. »Warum trägt Euer Begleiter eigentlich einen Helm? Viel Schützenswertes scheint sich darunter ja nicht zu verbergen.«
Teophus schmunzelte. »Ihr werdet es vielleicht nicht glauben, doch von all den Paladinen im Dienste König Ludebrechts ist er noch einer der Pfiffigsten.«
Wahrhaftig von Zweifel erfüllt betrachtete Storne erneut den Paladin. Hinter dessen geschlossenem Visier erklang plötzlich ein lautes Niesen, dann ein »Bäh!« gefolgt von einem leisen »Nicht schon wieder«. Hastig kramte der junge Krieger daraufhin ein Tuch aus seiner Satteltasche hervor. Mit diesem wischte er ungelenk den Rotz von der Innenseite des Visiers, nachdem er selbiges geöffnet hatte.
»Der hellste Stern am Firmament ist er aber wahrlich nicht«, gab Teophus zu. »Aber wenigstens kann er mit dem Schwert umgehen.«
Der Barbar zog die Augenbrauen zusammen und knurrte missmutig. Auch dieser Aussage des Magiers schenkte er nur wenig Glauben.
»War nicht soeben die Rede von einer kurzen Rast, damit ich mein Wasser abschlagen kann?« Der Paladin rutschte unruhig auf seinem Sattel hin und her. »Oder habe ich da wieder etwas falsch verstanden?«
»Das ist doch wohl nicht Euer Ernst, Hohlefried!«, fuhr ihn nun der weißhaarige Magier an. »Habe ich Euch nicht vor unserem Aufbruch darauf hingewiesen, dass Ihr noch einmal den Abort aufsuchen sollt? Mit Euch reisen zu müssen, ist wahrhaftig eine Marter!«
Der König sackte seufzend in sich zusammen. Sie hatten erst ein kurzes Stück ihres Weges durch die dicht bewaldeten Regionen der Nordlande hinter sich gebracht und sein Nervenkostüm zeigte jetzt schon erste Verschleißerscheinungen. Wenn sie weiter in dieser Geschwindigkeit vorankämen, würden sie ihr Ziel erst am nächsten Morgen erreichen.
»Dann lasst uns halt eine kurze Pause einlegen«, entschied er dennoch. »Ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, wenn die metallenen Beinkleider des Paladins Rost ansetzen.«
Sie zügelten ihre Pferde und während Storne und Teophus gemächlich von deren Rücken stiegen, sprang Hohlefried erstaunlich behände von seinem Gaul herunter. Danach entschwand er mit einer beachtlichen Geschwindigkeit zwischen den dicht stehenden Bäumen, die den Pfad durch den Wald säumten.
»Wie schafft er es, sich so flink zu bewegen?«, wunderte sich Storne, während er die Pferde an einer kleinen Birke in der Nähe festband. »Behindert ihn seine Rüstung denn gar nicht?«
Der Erzmagier ließ sich auf einen umgestürzten Baumstamm am Wegesrand nieder. »Natürlich nicht, er spürt sie noch nicht mal – er ist ein Paladin. Ritter und Paladine können sich mühelos in Rüstungen bewegen, deren Gewicht jedes andere humanoide Wesen in die Knie zwingen würde. Diese Fähigkeiten hat ihnen die Natur verliehen. Wie Ihr sicherlich wisst, sind die Naturgesetze Archainos vielgestaltig und sehr individuell. Deshalb sehen Amazonen ja auch immer gut aus, wächst uns Magiern schon in frühester Jugend ein langer Bart und verliert eine holde Jungfrau nie ihre Unschuld, egal wie oft und mit wem sie es schon getrieben hat.«
»Und wir Barbaren frieren darum nie in unserem Lendenschurz und unsere Körper sind immer muskulös und braun gebrannt«, fügte der König hinzu. Er setzte sich neben den Magier. »Wir nennen das alles aber nicht Naturgesetze sondern Isso.«
»Hallo?«, ertönte die Stimme des Paladins durch die Bäume. »Ich wollte nur Bescheid sagen, dass es noch etwas dauern könnte. Ich habe gerade festgestellt, dass ich auch meine Heckklappe mal kurz öffnen muss!«
»Bitte keine weiteren Details!«, rief Teophus zurück. Seine Verstimmung über diese weitere Verzögerung konnte er nicht verbergen. »Wegen dem werden wir uns dem Gegner womöglich noch im Dunkeln stellen müssen«, sagte er dann leise. »Bei einem Kampf gegen einen Vampir ist das ganz bestimmt nicht von Vorteil.«
Storne winkte ab. »Das wird sich so oder so nicht vermeiden lassen. Dort, wo wir hingehen, scheint ohnehin niemals die Sonne. Die Ruinen und der Friedhof liegen in ewiger Finsternis, dort ist es immer Nacht – seltsam, aber Isso.«
Der Weißhaarige strich sich mit der Rechten über seinen langen Bart. »Interessant, wenngleich für unser Vorhaben nicht sehr hilfreich. Dennoch sollten wir es vermeiden, unnötig Zeit zu verschwenden. Immerhin geht es um das Wohlergehen meiner Nichte.«
»Glaubt Ihr wirklich, dass sie noch unter den Lebenden weilt?« Die Skepsis in Stornes Frage war nicht zu überhören.
Der Erzmagier antwortete nicht sofort. Stattdessen holte er noch einmal Sielruds Kette mit dem Rubin daran aus seinem Gewand hervor. Mit beiden Händen umschloss er das Schmuckstück, dann schloss er seine Augen.
»Ich kann ihre Lebensenergie noch spüren«, murmelte er, während sich seine Augäpfel unter den geschlossenen Lidern deutlich sichtbar hin und herbewegten. »Der Vampirlord hat sie noch nicht zu einer Untoten gemacht. Wahrscheinlich hat er sie irgendwo eingesperrt, zusammen mit den anderen Mädchen, die er vielleicht auch noch nicht verwandelt hat.«
»Warum sollte er so etwas tun?«, fragte ihn Storne. »Wozu braucht er Gefangene?«
»Als Nahrungsquelle.« Teophus sah den Barbaren mit traurigen Augen an und ein leichter Schauder durchfuhr seinen Körper. »Manchmal halten sich Vampire ein paar willenlose Opfer wie Vieh, an dem sie ihren Durst jederzeit stillen können. Wenn sie nur geringe Mengen ihres Blutes trinken, sterben diese armen Kreaturen nicht und eine Verwandlung findet nicht statt. Nach einer Weile regeneriert sich ihr Lebenssaft und der Vampir kann sie erneut zur Ader lassen. Ich habe von Fällen gehört, in denen Menschen über Jahrzehnte hinweg unter dem Bann eines Blutsaugers gestanden und ihm als Futterspender gedient haben.«
»Abscheulich!«, befand Storne. »Blut ist zum Vergießen da, nicht zum Verzehren.«
Ein lautes Keuchen und Ächzen, das plötzlich aus dem Wald zu ihnen drang, erregte seine Aufmerksamkeit. Er sah den Magier fragend an und gemeinsam dachten sie einen Augenblick lang schweigend über die Ursache dieser Geräusche nach. Dass es für den Paladin ganz normal war, solche Laute bei der Verrichtung seines Geschäftes von sich zu geben, hielten beide für durchaus denkbar.
Erst ein gellender Hilfeschrei überzeugte sie davon, dass der junge Krieger bei seinem Stuhlgang in irgendeine Bedrängnis geraten war. Während Storne nun geschwind seine gewaltige, zweischneidige Streitaxt vom Sattel nahm, holte Teophus seinen Stab und den Zweihänder des Paladins. Dann eilten sie dem jungen Krieger zu Hilfe.
Erst nach einigen Metern entdeckten sie diesen hinter einem großen Wacholderbusch inmitten hoher Eichen. In ein grobes Netz aus Schlingpflanzen verheddert, erwehrte er sich verzweifelt zweier Gegner, die ihn scheinbar als Jagdbeute betrachteten. Wild und ungestüm drangen die dürren, grünhäutigen Zweibeiner, die gerade mal einen Meter groß waren, dabei auf den gepanzerten Jungspund ein. Einem von ihnen hielt Hohlefried die Handgelenke fest, damit dieser nicht mit seinem Beil auf ihn einprügeln konnte. Der andere grüne Bursche hockte derweil auf dem Rücken des Paladins und drosch mit einem Holzknüppel auf dessen Helm ein.
Offensichtlich hatten die Angreifer ihrem Opfer noch nicht einmal die Zeit gelassen, die metallene Klappe vor seinem Gesäß zu schließen. Auch sein Unterzeug hatte Hohlefried nicht mehr hochziehen können. Mit entblößtem Gesäß musste er sich deshalb gegen die beiden Gestalten verteidigen.
Noch bevor Storne und Teophus ihn aus dieser Bredouille befreien konnten, brachen drei weitere Kreaturen aus dem Unterholz hervor.
»Goblins!«, stellte der Magier überflüssigerweise fest.
Auch der Barbar hatte die Wesen schon längst anhand ihrer langen, spitzen Ohren und ihrer ebenso langen und spitzen Nasen identifiziert. Dass Goblins allgemein für ihre Feigheit und Scheu bekannt waren, merkte man diesen wüsten, mit Tierfellen bekleideten Radaubrüdern allerdings nicht an. Mit Krummsäbeln bewaffnet und laut schreiend stürmten sie heran.
»Die übernehme ich!«, entschied Storne. »Helft Ihr dem Paladin.«
Erfreut darüber, sich endlich wieder seiner Lieblingsbeschäftigung widmen zu können, schwang er fröhlich seine Axt hin und her. Nur einen Atemzug später lag der erste Goblin enthauptet darnieder und ein zweiter schaute erstaunt seinen Armen hinterher, die in einem hohen Bogen durch den Wald flogen. Bevor er sich wieder aus diesem übermächtigen Staunen lösen konnte, amputierte ihm Storne noch geschwind beide Beine mit einem einzigen Axthieb.
Dem Boden nun ein gutes Stück näher sah der Goblin hilflos zu, wie der Barbar den dritten Angreifer mit einem senkrechten Hieb in zwei Hälften zerteilte. Danach verließ das Leben den grünen Kerl ebenso schnell, wie es der größte Teil seines Blutes tat.
Der Magier kümmerte sich zwischenzeitlich um die zwei Quälgeister, die es auf Hohlefried abgesehen hatten. Mit der kristallbesetzten Spitze seines Stabes zeigte er auf die beiden Grünhäute, die daraufhin in die Lüfte entschwebten, als würden sie von unsichtbaren Händen emporgehoben. Jammernd und zappelnd stiegen sie höher und höher, bis sie nur noch als kleine Punkte am Himmel zu erkennen waren. Ihr Jammern verwandelte sich in panisches Kreischen, als Teophus den Stab zur Seite schwenkte und sie im freien Fall ihrem unvermeidlichen Ende entgegenrasten. Erst ihr heftiger Aufprall, der ihnen sämtliche Knochen in ihren dürren Leibern zertrümmerte, ließ diesen Lärm verstummen.
Nun war es an Hohlefried, seinen Wert im Kampf zu beweisen. Gerade als Teophus ihn aus dem Netz befreit und ihm sein Schwert überreicht hatte, tauchten zwei weitere Goblins aus dem Gebüsch zu seiner Linken auf. Überaus geschickt parierte er den von oben geführten Schlag, den einer der Kerle mit seinem Knüppel ausführte. Zeitgleich trat er dem anderen Angreifer mit seinem metallbeschlagenen Stiefel ins Gesicht, sodass dieser mit blutender, augenscheinlich gebrochener Nase nach hinten taumelte und zu Boden ging. Dies verschaffte dem Paladin ausreichend Zeit, sich weiter mit dem ersten Gegner zu beschäftigen.
Zwei weitere Attacken des grünen Keulenschwingers wehrte er noch ab, dann rammte er ihm seinen Zweihänder fast bis zum Heft in den Leib. Die Lebenslichter des Goblins erloschen binnen weniger Augenblicke. Als lebloser Klumpen Fleisch steckte der er nun auf der langen Klinge. Doch das störte Hohlefried nicht weiter. Da sich der andere Bursche wieder aufgerappelt hatte und nun angriff, musste er umgehend handeln. Ungeachtet des zusätzlichen Gewichts auf seinem Schwert schwang er selbiges kraftvoll zur Seite. Es traf den Heranstürmenden und zerschnitt ihn knapp oberhalb seines Bauchnabels in zwei Teile. Während die obere Körperhälfte samt einer unsagbar dämlich dreinblickenden Goblinfratze nun zu Boden plumpste, blieben die Beine noch ein paar Sekunden lang stehen. Unmengen an Blut in die Gegend verspritzend fielen auch sie letztendlich um.
Der Paladin stemmte seinen Fuß gegen den Leichnam auf seinem Schwert und mit einem starken Ruck befreite er es aus selbigem. Beide Hände auf dem Knauf seiner Waffe stieß er sie danach vor sich in den Boden, dabei einen Laut der Zufriedenheit ausstoßend. Hätte er all dies nicht mit blankem Hinterteil vollbracht, wäre Storne Stahlhand vielleicht sogar beeindruckt gewesen.
»So habe ich also einen Hinterhalt der Goblins vereitelt!«, lobpreiste sich der gepanzerte Krieger selbst. Er tat dies voller Inbrunst, als spräche er vor einem großen Publikum. »Wenn ich erst mal wieder in Loewenehr bin, werde ich ein Heldenlied darüber verfassen, welche Abenteuer wir auf unserer Reise erlebt haben. Dieser Kampf wird sicherlich einer der Höhepunkte darin sein.«
Storne reagierte darauf mit einem spöttischen Grinsen. »Ihr solltet in Eurem Lied aber besser verschweigen, dass Ihr beinahe von zwei Goblins beim Kacken überwältigt wurdet. Und nun bedeckt endlich Euren Poppes, Kerl!«
Der Gescholtene richtete sich etwas verschämt sein Unterzeug, bevor er das Blech vor seinem Gesäß wieder hochklappte. Mit schmalen Lederriemen befestigte er es dann wieder an seiner Rüstung.
Der Barbarenkönig vernahm währenddessen leises Rascheln und das Knacken zerbrechender Äste in den Büschen und Bäumen ringsumher. Er kannte den Wald gut genug, um zu wissen, dass diese Geräusche nicht von herkömmlichen Waldbewohnern verursacht wurden.
»Gebt Acht, die Gefahr ist noch nicht vorbei!«, warnte er seine Mitstreiter. »Die kleinen Bastarde stecken hier überall.«
Mit zusammengekniffenen Augen versuchten die drei Gefährten, ihren Feind im Unterholz ausfindig zu machen. Doch kleine grüne Wesen in dichtem Gesträuch zu finden, erwies sich selbstredend als recht schwierig. Aufgrund der Vielzahl an Geräuschen um sie herum mutmaßte Storne jedoch, dass sie es noch mit mehr als einem Dutzend weiterer Angreifer zu tun bekommen würden.
»Ich frage mich, was diese Biester antreibt«, überlegte Teophus laut. »Die trauen sich normalerweise nicht an ausgewachsene Menschen heran. Dieses miteinander abgestimmte Vorgehen gegen einen gemeinsamen Feind ist auch äußerst ungewöhnlich. Ich hatte zudem den Eindruck, dass sie Hohlefried nicht töten, sondern nur gefangen nehmen wollten.«
Ein Rascheln zu seiner Linken ließ Storne herumfahren und erwartungsvoll seine Axt heben. Er entspannte sich jedoch umgehend wieder und senkte seine Waffe.
»Nun ja, vielleicht erfahren wir ja jetzt mehr«, mutmaßte er, denn eine kleine, grüne Gestalt trat mit erhobenen Händen aus dem Buschwerk heraus.
Dass es sich bei dieser um einen weiblichen Vertreter der Goblins handelte, war unschwer zu erkennen. Untrügliche Anzeichen dafür waren die zwei schlaff herabhängenden Brüste, die auf einer weit hervorstehenden, recht wabbeligen Wampe ruhten. Selbige wurde wiederum von zwei krummen, spindeldürren Beinen getragen. Dem ästhetischen Empfinden Stornes hätte es wohl weitaus mehr entsprochen, wenn diese Gestalt mehr als nur einen Fellrock an ihrem unförmigen Leib getragen hätte. Im Optimalfall wäre dies ein Kleidungsstück gewesen, welches auch das Gesicht der Kreatur bedeckt hätte. Dieses war nämlich selbst für einen Goblin von erlesener Hässlichkeit.
»Nix mehr Haue!«, drang es über die wulstigen Lippen des grünhäutigen Pummels.
Dies versetzte die drei Menschen in enormes Staunen. Keiner von ihnen hatte jemals etwas von sprechenden Goblins gehört.
»Ich Gryxela, große Schamanin von mächtige Goblin-Stamm!« Sie deutete auf den Paladin und ein seltsam verzückter Ausdruck erschien in ihrer unansehnlichen Visage. »Das hübsch Mann-Ding. Gryxela hübsch Mann-Ding habe wolle! Goblins wolle fange hübsch Mann-Ding für Schamanin, aber böse Mensche mache Goblins tot. Nix nett!«
Der Erzmagier gab ein amüsiertes Prusten von sich. »Potzblitz!«, entfleuchte es ihm. »Jetzt wissen wir, warum die grünen Burschen Euch fangen wollten. Anscheinend habt Ihr eine Bewunderin, Hohlefried. Aber womöglich sieht sie in Euch auch nur ein üppiges Abendmahl.«
Mit einer Mischung aus Abscheu und Verunsicherung musterte der junge Krieger die Schamanin. Diese warf ihm schmachtende Blicke zu, derweil sie mit den Wimpern klimperte.
»Verzeiht mir, gnädige … äh … Frau?« Er sah hilfesuchend um sich, doch seine Begleiter grinsten ihn nur breit an. Er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie die ganze Angelegenheit nicht wirklich ernst nahmen. »Mein Name ist Hohlefried von Ömmerbaum und ich frage mich, weshalb Ihr meiner habhaft werden wollt. Wollt Ihr mich etwa verspeisen?«
Die Kreatur namens Gryxela schüttelte den Kopf und verzog den Mund zu einer Grimasse, welche wohl ein Lächeln darstellen sollte. »Nix aufesse! Gryxela mag hübsch Hohlefr… Hohlefra… Hohl-Mann-Ding. Gryxela werde Weib von hübsch Hohlmann-Ding.«
Nun konnte auch der Barbarenkönig sein Lachen nicht mehr unterdrücken. Dröhnend und schallend brach es aus ihm heraus. »Meinen Glückwunsch, edler Recke! Die liebliche Maid hat sich wohl in Euch verguckt, als sie Euch mit entblößter Kehrseite hinterm Busch hat hocken sehen. Ich bin gespannt darauf, wie diese Anekdote in Eurem Heldenlied Erwähnung finden wird.«
»Euer Humor ist mitunter recht derb«, stellte der Paladin etwas pikiert fest. Dann klappte er sein Visier herunter, da ihm die lustvollen Blicke der Schamanin allmählich unangenehm wurden.
Selbige verlor augenscheinlich die Geduld. »Ihr gebe Gryxela hübsch Hohlmann-Ding!«, verlangte sie barsch. »Ihr gebe, dann Goblins nix mehr kämpfe. Wenn Ihr nix gebe, dann wir uns einfach nehme und andere beide Mensche töte!«
Ihre Drohung vermochte es nicht wirklich, den König in Furcht zu versetzen.
»Na, dann ist ja alles klar!«, stellte er fröhlich fest. »Wir geben ihnen unseren jungen Freund, dann können wir endlich weiterziehen. Klingt nach einem prima Handel. Ein dreifach Hoch dem glücklichen Paar!«
Hohlefried sah erst ihn an, dann den Magier und dann wieder ihn. Seine Beunruhigung konnte er trotz des geschlossenen Visiers nicht verbergen.
»Aber das könnt Ihr doch nicht machen! Ich will nicht der Gemahl dieser garstigen Vettel werden. Wir sind doch Kampfgefährten, wir …«
»Beruhigt Euch«, bat ihn der Erzmagier. »König Storne hat sich nur einen kleinen Scherz mit Euch erlaubt.« Nach einem kurzen Zögern wandte er sich an den Barbaren. »Ist doch so, oder?«
Storne antwortete nicht direkt, sondern richtete sein Wort an die adipöse Schamanin. »Auch wenn ich damit vielleicht einer hoffnungsvollen Romanze den Todesstoß versetze, werde ich mich wohl kaum von so einer missgestalteten, grünen Kartoffel wie dir erpressen lassen. Also verschwinde, bevor ich deinen widerlichen, schwammigen Leib in tausend kleine Stücke zerhacke, die ich dann irgendeinem Aasfresser als Festmahl kredenze. Und besorg dir mal 'nen Büstenhalter!«
Zorn in seiner reinsten Form verunstaltete nun die Miene der Goblin-Frau. Dass sie diese Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen würde, war wohl jedem Anwesenden klar.
»Ihr tot!«, zischte sie nur noch, dann verschwand sie wieder im Gebüsch.
In Erwartung weiterer Angriffe stellten sich die drei Weggefährten nun mit erhobenen Waffen Rücken an Rücken, um sich nach allen Seiten abzusichern. Die lauter werdende Geräuschkulisse um sie herum überzeugte sie von der Notwendigkeit, dies zu tun.
»Ein sprechendes Goblin-Weib auf Partnersuche und eine ganze Armee dieser kleinen Biester als ihre Kuppler«, fasste Teophus die augenblickliche Situation in wenigen Worten zusammen. »Diese Sache wird immer abstruser.«
Der König stimmte ihm zu. »Normalerweise verwenden diese Nacktaffen noch nicht mal Waffen. Die haben eigentlich nur geringfügig mehr Verstand als eine Wildsau – gerade mal so viel, um aufrecht laufen zu können. Mit Werkzeugen können die nicht umgehen und mit Säbeln, Dolchen oder Knüppeln schon mal gar nicht.«
So als würde er die Aussage des Barbaren widerlegen wollen, stürzte sich ein besonders forscher Goblin aus einem der umstehenden Bäume auf die drei Menschen herab. Die zwei Dolche in seinen Händen wusste er dabei sehr wohl zu führen.
Der Magier stoppte seinen Fall etwa einen halben Meter über ihren Häuptern. Dort ließ er ihn einen kurzen Moment lang hilflos mit den Armen rudernd in der Luft verweilen. Dann überantwortete Teophus den Goblin wieder der Schwerkraft und er fiel auf die Spitze des Schwerts, das Hohlefried ihm in weiser Voraussicht entgegengestreckt hatte.
»Könnte dieses seltsame Verhalten nicht auch auf den Einfluss des Vampirlords zurückzuführen sein?«, fragte der Paladin, während er den kleinen, grünen und natürlich toten Körper von seiner Klinge schüttelte. Da selbige mittlerweile gut geschmiert von all dem Blut war, gelang ihm dies auch mühelos.
»Das ist gut möglich. Wer vermag schon zu sagen, wie sich die Präsenz des Blutsaugers auf niedere Wesen auswirkt. Im Gegensatz zu intelligenten Lebensformen, die durch die Aura des Vampirlords ja anscheinend eher friedlicher werden …«
Teophus Redefluss wurde von zwei heranpreschenden Störenfrieden gestoppt. Diesen hatte man wohl nicht beigebracht, dass man Gespräche unter Ehrenmännern nicht einfach so unterbrechen darf. Dieser Mangel an Erziehung sollte ihr Verhängnis werden. Die horizontal geschwungene Axt des Barbaren schlitzte ihnen ihre Bäuche auf, sodass ein Großteil ihrer Gedärme unverzüglich ihren Körper verließ. Dies mit anzusehen war freilich nicht sehr angenehm – so zu sterben wahrscheinlich noch viel weniger.
»Diese Art des Kampfes sagt mir überhaupt nicht zu!«, beschwerte sich Storne. »Wenn sich diese Feiglinge weiterhin so zieren und sie nur peu à peu hier auftauchen, wird sich dieser Unsinn hier noch über Stunden ziehen. Teophus, könnt Ihr den Wald hier nicht einfach mit ein paar Feuerbällen abfackeln oder zumindest die Goblins damit aufscheuchen?«
Der Erzmagier erhob seine freie Hand als Geste der Entschuldigung. »Tut mir sehr leid, aber Feuerbälle sind nicht so mein Ding. Ich bin auf Levitation spezialisiert und um Objekte schweben lassen zu können, muss ich diese auch sehen.«
Der König knurrte verstimmt. »Na super! Diese Verzögerung ist echt unerfreulich. Wir haben schließlich wichtigere Dinge zu erledigen und die Zeit drängt. Ich habe allerdings auch keine Lust, mich auf unserer Weiterreise ständig umdrehen zu müssen, weil uns diese Stinker im Nacken sitzen.«
Der Barbar dachte kurz nach, dann richtete er lautstark seine Worte an die Wesen, die ihn und seine Begleiter belauerten. »Hört mal, ihr Doofmannsgehilfen! Wir machen uns jetzt vom Acker! War ja ganz nett mit euch, aber wir müssen dringend weiter. Hübsch Hohlmann-Ding nehmen wir natürlich mit. Falls ihr noch irgendwas von uns wollt, solltet ihr jetzt mal in die Puschen kommen.«
Seine Axt lässig über die Schulter gelegt und unbekümmert wandte sich Storne ab, so als würde er nach einem angenehmen Einkaufsbummel heimwärts spazieren. Wie er es sich bei Grahlum abgeschaut hatte, pfiff er dabei eine fröhliche Melodie. Obwohl Hohlefried und Teophus seinen Plan nicht zur Gänze durchschauten, taten sie es ihm schulterzuckend gleich.
Lediglich einige Meter waren sie gegangen, als hinter ihnen eine ganze Horde Goblins aus den Büschen sprang. Sie schienen nicht gewillt zu sein, den vermeintlichen Bräutigam ihrer Schamanin einfach so davonkommen zu lassen. Grölend, krakeelend und ihre Waffen bedrohlich über ihren Köpfen schwenkend nahmen sie die Verfolgung der drei Menschen auf.
Storne grinste breit und zuckte mit den Augenbrauen. »Na, geht doch! Übermäßig viel Intelligenz hat ihnen die Gegenwart des Vampirs scheinbar nicht verliehen.«
Er wendete sich den nahenden Feinden zu und frohen Mutes stieg er in eine nonverbale Diskussion ein. In dieser ließ er ausnahmslos seine Axt für sich sprechen. Dieses messerscharfe, von einem kraftstrotzenden Barbaren ins Feld geführte Argument wirkte sich natürlich verheerend auf das Allgemeinbefinden der Goblins aus. Nahezu im Sekundentakt mussten sie sich von den unterschiedlichsten Körperteilen verabschieden. Da der König aber kein Freund unvollendeter Sachen war, blieb ihnen zumeist kaum die Zeit für ein Lebewohl.
Beim Anblick der vielen grünen Gliedmaßen, die nun durch die Luft wirbelten, erwachte auch in den Begleitern Stornes das Bedürfnis, sich wieder diesem kurzweiligen Spaß hinzugeben.
Wie ein Bauer mit seiner Sense, so marschierte nun auch der Paladin durch die ungeordneten Reihen der Goblins. Unzählige Leiber mähte er so nieder, unzählige Köpfe trennte er von ihren Hälsen und unzählige Innereien verteilte er auf dem Waldboden. Mit der Menge an Blut, die er dabei vergoss, hätte man leicht einen kleinen See füllen können. Bald schon musste er Acht geben, um nicht auf diesem ganzen Glibber auszurutschen.
Der Magier hingegen hielt sich von Körperflüssigkeiten jedweder Art fern. Einem Dirigenten gleich stand er da, mit seinem Stab als Taktstock mal hierhin, mal dorthin deutend. So leitete er ein groteskes Ballett mit umherschwebenden, ängstlich schreienden Goblins an. Meist endete dieser Tanz unschön für die unfreiwillig Beteiligten. Sie wurden aufgespießt von irgendwelchen spitzen Ästen oder zerschmettert von Baumstämmen, gegen die sie geschleudert wurden. Vorwiegend verloren sie ihr Leben jedoch relativ unspektakulär nach einem Sturz aus großer Höhe. Obwohl die Opfer des Magiers danach nicht annähernd so demoliert aussahen wie die seiner Kampfgefährten, waren sie dennoch ebenso tot.
Nach nur wenigen Minuten obsiegte dann das bisschen Vernunft, welches wohl seit Neuestem in den hässlichen Köpfen der Goblins hauste. Da die Zahl der toten Grünhäute die der lebenden mittlerweile bei Weitem überstieg, zog es der spärliche Rest vor, sein Heil in der Flucht zu suchen. Nur kurz konnte man die Davonlaufenden noch durch das Unterholz entschwinden hören. Dann kehrte endlich wieder Ruhe ein und überzeugte die drei Menschen davon, dass das Blutvergießen ein Ende gefunden hatte.
Storne bückte sich und nahm einem seiner toten Feinde den Säbel aus der Hand. Nachdenklich und mit einem hohen Maß an Sachverstand betrachtete er die Waffe.
»Orkische Waffenschmiedekunst«, stellte er überrascht fest. »Aber wie kann das sein? Goblins sind sehr entfernt mit den Orks verwandt, doch kein Ork würde dies freiwillig zugeben. Sie hassen ihre kleineren Vettern, sie verachten ihre schwächlichen Körper und vor allem ihre langen Nasen. Wo auch immer sie einer solchen Langnase begegnen, wird diese auf der Stelle abgeschlachtet. Kein Ork würde einem Goblin eine Waffe ohne Zwang überlassen.«
»Vielleicht haben sie die Waffen gestohlen«, gab Teophus zu bedenken, »oder bei einem Raubzug erbeutet.«
Der Barbar lachte laut auf. »Macht Ihr Witze? Goblins, die Orks berauben? Eher würde ich glauben, dass ein Wiesel einen Löwen zerfleischt. Nein, nein, diese Sache ist so mysteriös, dass ich ihr unbedingt nachgehen muss.«
Er wandte seinen Blick gen Osten. »Das Dorf der Bergorks liegt nicht weit von hier entfernt. Nachdem wir mit dem Vampirlord abgerechnet haben, werde ich auf meinem Heimweg dort vorbeischauen. Ein Gespräch mit Morack Meuchelhammer wird vielleicht ganz informativ sein. Vielleicht weiß er etwas über diese Waffen und wie sie in die Hände der Goblins geraten konnten.«
»Aber wie Ihr bereits erwähnt habt, müssen wir zunächst einmal den Blutsauger besiegen«, bemerkte Hohlefried. Er reinigte dabei die Klinge seines Schwertes mit dem großen Blatt einer Eiche. Erstaunlicherweise gelang es ihm so, sein Schwert von sämtlichen Hinterlassenschaften seiner unzähligen Opfer zu befreien.
»So ist es.« Storne Stahlhand sah noch einmal auf die unzählbar vielen Leichen herab, die zerfetzt und zerstückelt auf dem Waldboden herumlagen. »Aber wenn ich mir das hier so anschaue, wird das wohl vergleichsweise einfach.«
Während die drei Menschen nun den Ort des Geschehens verließen, sah ihnen eine untersetzte, grünhäutige Gestalt – wohl verborgen in hohem Gesträuch – traurig nach.
»Oh, hübsch Hohlmann-Ding«, seufzte sie voller Sehnsucht. »Gryxela wolle habe!«