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Vorwort

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Johannes Keplers Leben und Werk sind aus der Geschichte der Neuzeit nicht wegzudenken. Viele Beispiele aus unserer heutigen Lebenswelt zeigen dies. Jede Digitalkamera verfügt über ein – wenn auch stark modifiziertes – Keplersches Fernrohr. Tausende künstliche Satelliten bewegen sich auf „Kepler-Bahnen“ um die Erde. Die Erde selbst folgt auf ihrem jährlichen Umlauf um die Sonne den Keplerschen Gesetzen. Die Sonne ist einer von Milliarden Sternen, deren Rotation um das Zentrum unserer Milchstraße darauf untersucht werden kann, ob und wie sie von einer „Kepler-Rotation“ abweicht. Kein Zweifel: Der im 16. Jahrhundert in Weil der Stadt geborene Naturforscher wirkte bahnbrechend auf viele Bereiche der modernen Naturwissenschaft und Technik ein. Doch er hinterließ auch Spuren als Naturphilosoph und ökumenischer Theologe. Sie sollten ebenfalls in Erinnerung gebracht werden, weil sie vergleichsweise weniger greifbar und doch nicht minder bedeutsam sind. Wie seine Forschungsergebnisse reichlich Stoff für eine große Zahl von Spezialuntersuchungen bieten, so fordert Keplers bisweilen abenteuerlicher Lebenswandel immer wieder zur Beschäftigung heraus.

Schon seit knapp 300 Jahren gibt es Kepler-Biographien: Als Michael Hansch im Jahre 1718 in Leipzig einen 800 Seiten starken Folioband mit Briefen von und an Kepler herausgab, versäumte er nicht, diesem Werk einen kurzen lateinischen Lebensabriss des deutschen Astronomen voranzustellen. Seither haben sich zahlreiche Autoren in verschiedenen Sprachen darin versucht, Keplers Leben darzustellen.

Weshalb wird hier ein neuer Anlauf dazu genommen? Erstens: Es ist gegenwärtig keine ausführliche deutschsprachige Kepler-Biographie am Markt verfügbar, die auf dem aktuellen Stand der Forschung und der Edition beruht. Zweitens und vor allem: Der Verfasser ist seit seiner Studienzeit von der bleibenden Bedeutung des Lebens und Schaffens Johannes Keplers, von dessen Vorbildfunktion als Mensch und als Forscher überzeugt und möchte dies vermitteln. Wem es gelang, so viele Schicksalsschläge zu überwinden wie Kepler, wer dabei den Enthusiasmus für seine wissenschaftliche Arbeit, das Vertrauen in die Sinnhaftigkeit der Schöpfung nicht verlor, der verdient es, mehr als durch Erfindungen und mathematische Gleichungen in die Geschichte einzugehen.

Bei der Abfassung der vorliegenden Biographie wurde versucht, so umfassend wie möglich auf primäres Quellenmaterial zurückzugreifen. Denn Berichte aus zweiter und dritter Hand – die nicht immer stimmen – gibt es viele. Es erwies sich dabei als hilfreich, dass zu Keplers Leben und Schaffen reichlich Originalquellen vorhanden sind und dass Keplers „Gesammelte Werke“, herausgegeben unter der Schirmherrschaft der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Forschungsgemeinschaft, nun geschlossen vorliegen. In erster Linie sind dabei die Werke und Briefe von und an Kepler zu nennen, wobei allein die letzteren in der Werkausgabe vier Bände füllen. Kepler und seine Zeitgenossen sprechen aus ihren Briefen in einer Weise zu uns, die nicht nur die Genese seiner Erkenntnisse außergewöhnlich stark erhellen, sondern auch Einblicke in das Innenleben des Forschers geben. Spätmittelalterliche und frühneuzeitliche, aber auch neuere Naturforscher treten in aller Regel weitgehend hinter ihre Schriften zurück. Was sie ihr Leben lang antrieb, was ihr jeweils persönlicher Zugang zur Natur war, bleibt meist verborgen. Anders ist es bei Kepler. Als Renaissance-Mensch, als schillernde, kantige Gestalt tritt er uns in seiner Korrespondenz und in seinen Werken entgegen.

In zweiter Linie erwiesen sich die Dokumente zu Keplers Leben und Werk als hilfreich, die seit 1975 ebenfalls im Rahmen der Akademieausgabe gedruckt zur Verfügung stehen und minutiös verzeichnen, wann Kepler wohin reiste, welche – meist geringen – finanziellen Zuwendungen er für seine Kalender und Bücher, für seine Haushaltsführung, selbst fürs Beheizen seiner Wohnung erhielt, wo manche seiner Kinder getauft und begraben wurden, wieviel man ihm jeweils schuldete, welches Zeugnis ihm seine Vorgesetzten über seine Forschungs- und Unterrichtstätigkeit gaben, was der Kriegsherr Wallenstein zugunsten des Astronomen anordnete und vieles mehr.

Drittens gibt es zu Keplers Leben auch Quellen aus Stein, Holz und Metall, die nur in einem übertragenen Sinne „lesbar“, aber in hohem Maße lebensnah sind: Häuser, in denen der Forscher wohnte und arbeitete, eine hochpräzise Globusuhr aus Silber und Gold, die der Schweizer Künstler Jost Bürgi, mit Kepler gleichzeitig in Prag weilend, schuf, schließlich sogar ein kleiner Sextant, mit dem der Astronom wahrscheinlich selbst Messungen durchführte. Diese kostbaren Dinge – von denen keineswegs selbstverständlich ist, dass sie sich trotz des Dreißigjährigen Krieges und über mehrere Jahrhunderte bis heute erhalten haben – sind gleichsam materialisiertes Wissen und materialisierte Geschichte. Es wurde versucht, einige dieser Dinge im vorliegenden Buch zum Sprechen zu bringen: teils durch anschauliche Beschreibungen, teils durch Abbildungen, in der Hoffnung, eigenes Nacherleben anzuregen.

Wien, im Oktober 2016

Johannes Kepler

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