Читать книгу Das weiße Schneckenhaus - Thomas Propp - Страница 7

4. Kapitel:
Das Schiff mit den Tausend Augen fliegt los und hängt bald darauf wieder fest.

Оглавление

Sandomir nahm Emma bei der Hand und führte sie in das Tausend-Augen-Schiff hinein. Er verschloss das kleine Loch am Boden mit einem kleinen Deckel, und vor die große Luke, durch die sie hineingestiegen waren, schob er eine große Platte. Das Schiff begann zu zittern, hob sich und flog mit ihnen davon.

"Sieh durch eins der tausend Augen", sagte Sandomir.

Emma ging vorsichtig an die Wand des Schiffes heran. Die Wand war glänzend poliert und schimmerte in zarten violetten Farbtönen. Sie leuchtete auch, und dadurch war es im Schiff sehr hell. Emma rückte an eines der Augen heran, und es war wie ein Fernglas. Sie sah unten auf die Erde, und was sie sah, schien ganz nahe zu sein. Das Auge folgte immer dem, was es gerade sah. In dem einen Auge sah sie einen kleinen Laden, an dem Eis verkauft wurde. Einige Leute saßen auf Stühlen davor, und jeder hatte einen Becher oder eine Tüte Eis. "Ich will ein Eis!" entfuhr es Emma.

"Später", kam es von Sandomir, "du siehst übrigens immer gerade das, was du suchst. Denk doch mal an deinen Papa und sieh in ein anderes Auge!"

Da sah sie ihn wirklich sitzen an seinem Schreibtisch. Er popelte gerade ganz tief in seiner Nase. In einem anderen Auge sah sie ihre Mama, wie sie gerade im Büro bei der Arbeit war. Ihr Papa und ihre Mama saßen ganz still und bewegten sich nicht.

Emma wunderte sich: "Warum bewegt sich niemand?"

Sandomir antwortete sofort: "Nichts bewegt sich da unten. Die Zeit steht still, damit deine Eltern dich nicht suchen, während wir hier auf der Reise sind."

"Kann man eigentlich auch sehen, wo wir wirklich sind?", wollte Emma wissen.

"Aber ja", sagte Sandomir, "Warte, ich mache mal die Luke auf. Aber du musst dich gut am Rand festhalten, damit du nicht hinausfliegst."

Emma suchte schnell einen Halt.

Sandomir probierte, die große Luke zu öffnen, aber er schaffte es nicht. "Da klemmt irgendetwas", sagte er. Er drückte mit aller Kraft, aber er bekam die Luke nur einen Spalt auf. Er sah hinaus, schrie auf und ließ die Luke wieder zufallen. "Mist!" sagte er. "Wir hängen in einem Baum fest, und ein Ast drückt unsere Luke zu. Daran ist sicher der Schwarze Rabe schuld. Er muss uns entdeckt haben!"

"Warum macht er das?" wollte Emma wissen.

"Der Schwarze Rabe will nicht, dass wir das Weiße Schneckenhaus finden, denn er mag die Musik nicht und hat es lieber, wenn alle Leute sich langweilen. Hole mal Mondstein heraus und drücke ihn mit deiner rechten Hand! Ich glaube, wir brauchen Hilfe."

Emma wühlte in ihrer Tasche und erschrak: "Ich finde den Stein nicht", aber endlich, nach einer Weile atmete sie auf: "Ach doch, da ist er!" Sie drückte ihn ganz fest mit der rechten Hand.

Es blitzte & donnerte ein wenig, und da war wieder Wischwisch, der grüne Mann mit dem roten Bart. Während er schnell auf und nieder hüpfte, stieß er immer an die niedrige Decke des Schiffes. "Au!" schrie er da,


"Au! Wischwisch heiß’ ich,

Au! Bin der gute Geist.

Au! Sag’ was du willst, ganz schnell!

Au! Ich bin in Eile, au! bin in Eile!"

"Schon wieder Wischwisch", seufzte Sandomir. "Dann können wir wirklich noch nicht weit gekommen sein! Na, egal, er muss uns helfen.

Wischwisch, mach’ doch bitte unser Schiff hier los, damit wir weiterfliegen können!"

"Plupp" machte es, das Schiff war frei, es roch ein bisschen schlecht, und Wischwisch war verschwunden.

Sandomir öffnete nun die Luke, und Emma schaute vorsichtig über den Rand hinaus. Sie flogen hoch über dem Land. Emma sah Felder, Wiesen, kleine Häuser und auf den Straßen ein paar Autos. Der Wind blies ihr in die Augen, denn das Schiff flog sehr schnell. Sandomir holte inzwischen etwas zu Essen aus seiner großen Tasche. "Komm herunter, Emma!" rief er. "Es gibt etwas zu Essen und zu Trinken."

Emma merkte, dass sie großen Hunger hatte und rutschte schnell herunter auf den Boden. Hier hörte sie Sandomir sagen:

"Es gibt das beste Essen der Welt! Himmelsbrei mit Sonnentropfen. Das hast du bestimmt noch nicht bekommen."

Emma sah etwas misstrauisch in die Schüssel, in der ein gelbliches Mus war und auf die Flasche mit einer wasserhellen Flüssigkeit. "Ich glaube, das schmeckt mir nicht", sagte sie.

"Probier’!" sagte Sandomir.

Emma nahm vorsichtig einen Löffel voll und spuckte gleich wieder aus. "Pfui!" Sie steckte einen Finger in das Glas, das Sandomir ihr hingestellt hatte und kostete. "Ekelhaft!" prustete sie heraus.

"Also hör mal!" Sandomir schaute ihr in die Augen. "Jeder weiß, dass Himmelsbrei mit Sonnentropfen das beste Essen der Welt ist."

"Ich weiß das nicht", befand Emma. "Ich will etwas anderes."

Sie holte Mondstein aus ihrer Tasche und drückte ihn fest. Es gluckste ein wenig, und ... nichts passierte.

"Wir fliegen wohl gerade in einem toten Winkel", bemerkte Sandomir, der ihr zugesehen hatte, "dann ist kein guter Geist zu erreichen. Versuch’ es später noch einmal." Er nahm sich Emmas Teller und aß ihren Brei und trank ihr Glas leer. "Mmm!" sagte er. "Das war gut!" Dann legte er sich hin und machte die Augen zu. "Schlaf’ auch ein bisschen!" murmelte er.

"Ich habe Hunger und Durst", maulte Emma, "und ich muss kacken und pullern!"

"Du kannst den kleinen Deckel da unten aufmachen. Das ist unser Klo", erklärte Sandomir.

"Und wenn das unten jemand auf den Kopf fällt - was dann?" wollte Emma wissen.

"Dann hat er Pech gehabt", lachte Sandomir.

Emma nahm den Deckel ab und sah erst einmal hinunter. Zum Glück flogen sie gerade über einen großen Wald. Da machte es wohl nichts. Als sie fertig war, schnarchte Sandomir schon ganz laut. Emma fühlte sich etwas alleine. Sie kannte Sandomir ja erst ganz kurz, und sie wusste auch nicht, ob die Geschichten, die er erzählte, wirklich stimmten. Auf der anderen Seite gefiel ihr, dass sie etwas ganz Wichtiges tun sollte, etwas, worüber sich alle freuen würden, und dass es dann immer genug Spiele für alle geben würde, die nie langweilig wurden. Mit dem Gedanken schlief sie ein.

Das weiße Schneckenhaus

Подняться наверх