Читать книгу Prickelnde Taufe - Thomas Riedel, Susann Smith - Страница 3
Оглавление»Große Seelen fühlen immer edelmütige Unterwerfung, Verehrung gegen das, was über ihnen ist; nur kleine, niedrige Seelen fühlen anders.«
Thomas Carlyle (1795-1881)
Kapitel 1
Paige hatte dem Jungen eine Hafenrundfahrt versprochen, bevor sie sich gemeinsam mit Arco auf den Heimweg machen wollten. Allerdings war das nicht gerade ihre beste Idee gewesen, doch wie hätte sie ahnen können, dass der Bobtail alles war … nur nicht seefest! Anfangs war die Fahrt durch den Londoner Hafen ja noch einigermaßen normal verlaufen. Sie hatten sich ein schönes Schiff ausgesucht, auf dem noch ausreichend Plätze frei waren, die Sonne schien und sie waren noch voller Tatendrang.
Arco betrat die Planken und hatte gleich zu Anfang schon ein komisches Gefühl unter seinen dicken Pfoten. Aber als er die ältliche Dame erspähte, mit ihrem gebratenen Fisch, zog ihn der Geruch wie magisch an.
Gleich darauf sah sie sich zwei treuherzig und hungrig dreinschauenden Hundeaugen gegenüber.
Als Arco bemerkte, dass sie nicht bereit war, ihm auch nur eine Krume abzugeben, wurde er direkter.
Paige und der Junge bekamen davon nichts mit. Sie standen an der Reling, genossen das Auf und Ab der Wellen und die herrliche Aussicht, die sich ihnen von hier aus auf die Londoner Skyline bot.
Als die Wellen stärker wurden rutschte Arco sogleich unter die nächste Bank. Er konnte sich kaum richtig auf den Pfoten halten. Wie auf Schmierseife rutschte und wankte er umher.
Paige und der Junge bogen sich vor Lachen. Es sah einfach zu komisch aus.
Mit Vollgas zog das Boot ab, während Arco weiterhin bemüht war Halt zu finden. Doch plötzlich macht das Boot vor einem riesigen Ozeandampfer eine rasante Kurve und er prallte gegen die essende Dame. Das war zu viel für sie, und sie kreischte auf. Wenige Augenblicke später lagen beide zu einem Knäuel verwickelt auf dem Boden und wälzten sich auf den Planken. Abgesehen von den beiden hatten die Zuschauer ihren Spaß daran – und bis der Schiffsführer etwas bemerkte, war schon die Hölle los. Als er einen seiner Leute schickte, schnappte der sich den Hund und warf ihn einfach über Bord.
Kaum, dass er sich an dem Rüden vergriffen hatte, fielen auch schon Paige und ihr junger Begleiter über ihn her.
Der Junge riss ihm die Beine unterm Hintern weg, und wieder war ein raufendes Menschenknäul zu sehen. »Arco geht unter!«, schrie er lauthals. »Er ertrinkt!«
Paige war jetzt in solcher Rage, dass sie nicht mehr an sich halten konnte. Sie packte den Mann und stieß ihn über die Reling. »Wenn der Hund ersäuft, bringe ich Sie um, Sie widerliches Mistschwein!«, schrie sie ihm hinterher.
Der Matrose fluchte wie es nur ein Seemann konnte, und sein Kapitän nicht minder. Von einer normalen Hafenrundfahrt war in diesem Moment keine Rede mehr.
Als der Matrose in Paiges böse funkelnde Augen sah, begriff er langsam, wie ernst sie es meinte. Also sprang er in das kalte Wasser und kraulte er auf den Bobtail zu, griff nach dessen Halsband und zerrte den Vierbeiner hinter sich her. Und Arco wäre vermutlich in der Tat abgesoffen, schließlich hatte er eine dicke Wampe und war derlei Anstrengungen nicht gewohnt.
Dem Kapitän blieb nichts anderes übrig, als zur Anlegestelle zurückzuschippern. Kaum forderte er von Paige Schadensersatz für die misslungene Tour, wusste er, dass er damit auf Granit biss.
»Ich an Ihrer Stelle würde ganz kleine Brötchen backen!«, belehrte sie ihn bissig. »Wir haben für die Fahrt ordnungsgemäß bezahlt und sind unschuldig! Ihr Bootsmann hat doch alles vermasselt! Ganz ehrlich? … Ich überlege, ob ich Sie nicht sogar verklagen sollte! Das war Tierquälerei!«
Jetzt kam auch der Leichtmatrose am Kai an. Er keuchte, dass ihm die Lungen pfiffen.
Um Arco über die Hafenmauer zu ziehen, musste Paige sich hinknien. Krampfhaft versuchte sie das Halsband des Hundes zu erwischen, während der Junge sie an ihren Beinen festhielt, damit sie nicht in das Hafenbecken fiel.
Ob es Zufall war, oder der Matrose ein wenig nachgeholfen hatte, vermochte Paige später nicht mehr zu sagen. Jedenfalls verlor sie plötzlich das Gleichgewicht und stürzte zu ihm ins Hafenbecken – gefolgt vom Jungen, der sie immer noch krampfhaft an den Beinen festhielt.
Die Menschen auf den umliegenden Booten kreischten vor Vergnügen und amüsierten sich köstlich – allen voran der Matrose.
»Na, ein bisschen nass geworden, wie?«, feixte er. »Tja, jetzt sieht die Lady nicht mehr so ganz piekfein aus, nicht wahr?«
Paige fluchte wie ein Rossschinder und belegte ihn mit allen möglichen Schimpfnamen, was ihr bei ihm einen gewissen Respekt einbrachte.
»Meine Fresse!«, lachte er. »Sie haben ja richtig Haare auf den Zähnen!«
Sie reagierte nicht weiter auf ihn, sondern kümmerte sich um den Nachbarsjungen. »Kannst du noch?«, rief sie ihm zu. »Dort hinten, siehst du? Da ist eine kleine Treppe! Schwimm' hin!«
Für den Bobtail war das alles ein großer Spaß. Er war als erster an den Treppenstufen und dann auch gleich oben. Dort stellte er sich direkt neben das feixende Volk und schüttelte sich das Wasser so gründlich aus dem Fell, dass es in hohem Bogen nach allen Seiten spritzte.
Gleich darauf war auch der Junge, gefolgt von Paige aus dem Wasser. Wie ein begossener Pudel stand sie neben ihm und sah ihn an. »Damit ist unser Ausflug wohl ins Wasser gefallen, nicht?«
»Na, wenn schon«, grinste er. »Lassen wir die doofen Leute doch grinsen. Komm!«
»Und ich?«, schrie der Matrose ihnen hinterher.
»Hau ab! Zieh' Leine!«, rief Paige zurück. »Wir kommen gut allein zurecht.« Sie nahm den Nachbarsjungen an die Hand, hielt Arcos Leine in der anderen und ging auf den nächsten Taxistand zu. Aber als sie einsteigen wollten, wurden sie vom Fahrer abgewiesen.
»Ich will hier fort, kapiert?!«, knurrte Paige ihn an, die jetzt so schnell wie nur möglich ins ›Pleasers‹ zurückwollte. »Hier hast du zwanzig Pfund! Besorg' eine Plastikplane! Aber pronto!« »Kann ich den Rest behalten?«, wollte der Fahrer wissen. »Was denn sonst?!« Das ließ sich der Mann nicht zweimal sagen – schon flitzte er davon. Wenig später breitete er eine Malerfolie über dem Rücksitz aus und ließ die drei einsteigen. Paige und der Junge bibberten inzwischen schon vor Kälte und klapperten mit den Zähnen. »Hoffentlich haben wir uns nichts weggeholt«, sagte sie und rieb sich die Arme warm. Arco lag zu ihren Füßen und schien mit sich mal wieder völlig im Einklang zu sein. »Wir können von Glück sagen, dass unsere Taschen nicht auch ins Wasser gefallen sind«, stellte der Junge fest. »Mensch, dafür hätte ich in der Schule richtig fiesen Ärger bekommen.« »Ach, hör auf!«, murmelte sie müde. »Ich bin fix und fertig.« »Unser Lehrer sagt immer, kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort! Ist da was dran?« »Dein Lehrer hat die Weisheit auch nicht mit Löffeln gefressen«, knurrte Paige. »Wir sind da!«, meldete sich der Taxifahrer und stoppte den Wagen. Paige drückte ihm ein ordentliches Fahrgeld in die Hand. Dann kletterten sie und der Junge, gefolgt von Arco aus dem Fond. Wo sie auch gingen, überall hinterließen sie eine breite Wasserspur – und riechen, auch das taten sie nicht mehr sonderlich gut.
*
Schon auf der Straße vor dem ›Pleasers‹ brachen die Leute in ein schallendes Gelächter aus. Man kannte sich zur Genüge und natürlich waren jetzt einige schadenfroh. »Ist das dein neues Parfüm?«, meinte grinsend ein junger Mann. »Damit lockst du aber keine Kunden an!« »Hat dich die Themse ausgespuckt?«, kommentierte ein Anderer. »Du siehst aus wie Braunbier und Spucke«, erdreistete sich ein Weiterer. »Ihr Spinner! Ihr seid ja nur schadenfroh!«, gab der Nachbarsjunge bissig zurück. »Morgen hau' ich euch die Nasen blutig!« Paige lächelte darüber, dass er ihr so zur Seite stand und legte ihm ihren Arm um die nasse Schulter. »Lass' gut sein, mein kleiner Kavalier! Das schaffe ich schon ganz alleine. Die können mich nicht ärgern.« »Ich kann das trotzdem nicht vertragen«, erwiderte er verärgert. »Die sind so gemein!« Als sie mit ihm auf den Eingang des Wohnhauses zuschlenderte in dem der Junge wohnte, bekam sie ein mulmiges Gefühl in der Magengrube. »Au Backe!«, murmelte er und hielt sich an Paiges Hand fest. »Jetzt setzt es gleich was! Wir hätten meine Mutter besser mal angerufen. Du weißt ja, wie sie sein kann. Sie wird sich riesige Sorgen gemacht haben!« »Ich bin ja bei dir«, versuchte Paige ihn zu beruhigen und lachte. »Wenn sie auf wild macht, nehme ich dich mit zu uns.« »Da wird sie aber nicht mitspielen!«, grinste er.
***