Читать книгу Prickelnde Taufe - Thomas Riedel, Susann Smith - Страница 4
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Kapitel 2
Die Tagesschicht hatte sich bereits in der Bar des ›Pleasers‹ eingefunden. Ivy traute ihren Augen nicht, als sie Arco aus dem Fenster heraus gemütlich über die Wiese des Gartens traben sah. Maddison, Stella und Milou waren gerade mit Kunden beschäftigt und knüpften zarte Bande, als Ivy aufkreischte: »Schaut mal! Das muss eine Fata Morgana sein!« Sie schauten hinaus und erkannten den vermissten Bobtail. Augenblicklich ließen sie Freier Freier sein, liefen hinaus in den Garten und stürzten sich auf den Hund. Das passte einem der Kunden ganz und gar nicht. »Was ist das denn für eine Art?«, beschwerte er sich lauthals. »Bloß, weil ich feilschen will, haust du ab? Also ehrlich, das habe ich nicht gern! Da gehe ich doch lieber in ein anderes Bordell!« Maddison ging als erste vor Arco auf die Knie und umarmte ihn stürmisch. »Igitt, ist der nass«, schrie sie direkt, »und wie der stinkt!« Ivy und Milou hatten noch so viel Anstand gehabt, ihren Kunden zu sagen, dass sie gerade ein Päuschen einlegen müssten – und wenn ihnen das nicht passe, sie ruhig verschwinden dürften. Mit offenstehenden Mündern blieben die Männer zurück. »Das ist starker Tobak«, knurrte der Größere der beiden. Lachend umringten nun auch Ivy und Milou den Bobtail. Paige hörte das Geschrei um Arco und glaubte schon, dass der Hund wieder etwas angestellt hatte. »Ich lasse ihn von Beatrice wegsperren!«, murmelte sie und rannte auch schon los. Doch gleich darauf sah sie ihre Kolleginnen und war baff über deren kindisches Benehmen. »Das verstehe ich nicht«, murmelte sie kopfschüttelnd. »Das ist echt zu hoch für mich. Seit wann werden die nur so hysterisch, bloß weil Arco im Garten ist. Ehrlich!« Sie grübelte und dachte: Hier muss irgendwas passiert sein. Milou blickte auf und entdeckte Paige, die immer noch voll durchnässt war. »Was ist denn mit dir passiert?«, erkundigte sie sich lachend. »Ich habe eine Hafenrundfahrt gemacht«, knurrte Paige. »Hast du sehr kämpfen müssen?!« Ivy konnte sich ein freches Grinsen nicht verkneifen. »Mein Gott, du siehst aus, als hättest du es mit einer ganzen Horde aufgenommen. Wie hast du herausgefunden, wo sich Arco aufhält?« Gefühlte tausend Fragen schwirrten durch die Luft, und Paige verstand immerzu nur Bahnhof. »Gott sei es gedankt, du hast ihn wieder! Ach, Arco, du bist der Beste!«, schrie Maddison und küsste dem nassen Bobtail auf die feuchte Nase. Paige starrte die drei ungläubig an, während Arco die Zuwendungen genoss. »Mensch, was bin ich froh, dass er wieder da ist!«, murmelte Milou glücklich. »Wir müssen ein Wiedersehensfest feiern! Ehrlich! Das haben wir uns verdient!«, meinte Ivy. Was haben die denn bloß? Paige war völlig irritiert. »Ich verstehe nicht …! Sagt mir endlich mal eine von euch, was …« Jetzt kam auch Stella zu ihnen herübergelaufen, die sich gerade von einem ihrer Kunden verabschiedet hatte und fiel ihr ins Wort. »Da seid ihr ja! Herrlich! Da kann ich ja endlich in Ruhe weitermachen. Ich habe mir schon echt Sorgen gemacht.« »Wir müssen sofort Beatrice Bescheid geben! Dann kann sie endlich wieder mit der Kocherei anfangen!«, bemerkte Milou. »Jetzt reicht es aber! Halt!«, schrie Paige lauthals dazwischen. »Ich will jetzt erstmal wissen, was hier eigentlich los ist! Ich will wissen, warum ihr alle derart verrückt spielt!« Maddison blickte Paige treuherzig an. »Da fragst du noch? Ja, hast du denn nicht gewusst, dass wir uns alle die Füße wund gelatscht haben? Echt, Paige, du bist eine Heldin!« Noch ehe sich die ›Heldin‹ wehren konnte, wurde sie auch schon von ihren Kolleginnen auf die Schulter genommen. Im Triumphzug durchs Wohnhaus in die Küche gebracht, während Arco treu hintendrein trottete und das Schlusslicht machte.
*
»Au, Mist! Wir machen überall Pfützen!«, fluchte Milou, als sie die Wasserlachen im blitzblanken Flur bemerkte. »Beatrice wird schimpfen!«
Kaum hatten die anderen Mädchen den Lärm und die aufgeregten lauten Stimmen vernommen, liefen sie aus ihren Zimmern und kamen neugierig hinunter in die Küche.
Beatrice hockte noch immer auf ihrem Stuhl und grämte sich fürchterlich.
Tamora hatte es sich nicht nehmen lassen und hatte noch einmal im ›Pleasers‹ vorbeigesehen. Sie kümmerte sich gerade um Beatrice, als die Tür mit einem Ruck aufgestoßen wurde und sich sämtliche Mädchen in die Küche drängelten. Dann erblickte sie Paige und den Hund. Beatrice brauchte mehrere Sekunden, um zu begreifen, dass sich alles wieder zum Guten gewendet hatte. Hastig wischte sie sich die Tränen ab und stürzte auf den Hund zu. Gleich darauf musste Paige pausenlos erzählen, wenngleich sie immer noch nicht wusste: Warum? Also begann sie erst einmal von ihrem netten Kunden zu berichten. Als sie dann an dem Punkt ankam, von Arco und seiner Rolle zu erzählen, machten die Mädchen dumme Gesichter. »Aber warum ist er denn nun entführt worden?«, wollte Maddison wissen. »Was? Wie bitte?« Paige riss erstaunt die Augen auf. »Ich wäre verteufelt froh gewesen, wenn mir jemand den verdammten Hund abgenommen hätte«, presste sie fassungslos heraus. »Und warum siehst du dann so abgekämpft aus?«, setzte Ivy nach. Paige erklärte jetzt kurz und bündig, warum Arco und sie so schön rochen. Tamora, Beatrice und die anderen Mädchen starrten die beiden an. »Soll das etwa heißen, der Hund ist gar nicht verschleppt worden?« »Arco?« »Ja!« »Der ist mir doch nachgelaufen!«, erklärte Paige. »Damit hat doch überhaupt erst alles angefangen!« Einige Sekunden herrschte Totenstille in der Küche. Dann hatten es alle begriffen. Sie hatten sich die ganze Zeit umsonst Sorgen um Arco und den Nachbarsjungen gemacht, bloß weil Letzterer und Paige es versäumt hatten anzurufen. Und jetzt kam das Donnerwetter, von dem der Junge gesprochen hatte, als Paige ihn bei seiner Mutter ablieferte. Aber so ein Donnerwetter hatte sie nun auch wieder nicht verdient, fand Paige, und als sie dann auch noch erfuhr, dass Beatrice sogar Chief Inspector Whitehead her zitiert hatte, konnte sie nicht anders: Sie musste einfach lachen. Beatrice, die natürlich wieder ihr weiches Herz verbergen musste, drohte ihr alle möglichen Strafen an. »Ein Rausschmiss wäre richtig!«, schrie sie aufgebracht. »Das ist ja wohl die Höhe! Was hast du uns allen nur angetan!« Paige musste niesen und Arco schüttelte sich. Erst jetzt sah Beatrice, dass die beiden pitschnass waren und hörte auf, ihr den Kopf abzureißen. »Die müssen beide sofort unter die Dusche und trocken gerubbelt werden, … und Paige gehört augenblicklich ins Bett! Die beiden werden uns sonst noch todkrank! Na los, jetzt beeilt euch schon! Ab in die Dusche, und dann ins Bett! Paige muss ordentlich schwitzen! Ich werde was Heißes zusammenbrauen, was sie wieder munter macht.« Sie sah in die Runde. »Los, helft mir!« Jetzt gerieten Paige und Arco ins andere Extrem. Jetzt taten alle plötzlich so, als könnte ihre pudelnasse Kollegin nicht einmal mehr gehen, geschweige denn sich ausziehen und allein unter die Dusche. Stella und Beatrice kümmerten sich um den Bobtail, während sich Milou liebevoll um Paige kümmerte. Paige durfte gar nichts mehr tun, und als sie dann endlich in ihrem Bett lag, kam auch schon Beatrice mit einem Getränk, das es in sich hatte. Es war heiß und schmeckte teuflisch! Keine Minute später glaubte sie zu schielen und zu schweben. Dann brach ihr der Schweiß aus. Sie meinte vollkommen zu zerfließen, und ehe sie sich versah, versank sie in einen tiefen Schlaf.
*
Als sich die Lage im ›Pleasers‹ wieder beruhigt hatte, betrat Tamora noch einmal die Küche, ehe sie sich wieder auf den Heimweg machen wollte und sah Arco, der vor der Tür zur Speisekammer vor sich hin schnarchte. Auf der Suche nach etwas Fressbarem hatte sich der Bobtail über alles hergemacht, was er finden konnte. Beatrice, die nach Tamora, in die Küche gekommen war, sah sich fassungslos um. Sämtliche geschälte Kartoffeln lagen auf dem Boden verstreut und auch die Schnapsflasche war ausgelaufen. Tamora sah sich Arco genauer an und weigerte sich trotz Beatrices Aufforderung, sie mit dem Hund zum Tierarzt zu fahren. Sie hatte dessen Schnapsfahne gerochen. »Der pennt die nächsten Stunden«, erklärte sie lächelnd. »Dann gehe ich morgen mit ihm zum Arzt«, sagte Beatrice bestimmt und streichelte dem Bobtail durchs Fell. »Ach was! Wenn er wieder wach ist, ist alles ausgestanden.« Sie holte ihr Smartphone aus der Handtasche. »Ich muss jetzt erstmal telefonieren, Bea.« »Mit wem denn?« »Whitehead Bescheid geben!« »Oh ja! Stimmt!« Jetzt wurde die Köchin sogar ein wenig rot. »Und das nächste Mal rufst du vorher besser Violett oder mich an, Bea! Ist besser so, hörst du?!« »Aber es hat doch wirklich so ausgesehen als wären beide entführt worden«, verteidigte sich Beatrice. »Ja, ich weiß!«, lächelte Tamora und machte sich auf den Heimweg.
***