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Weg der Gesundung

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Viele Monate nach der Flucht aus der Klinik saß ich im Behandlungsstuhl eines Ulmer Heilpraktikers und wurde gegen meinen Willen über das segensreiche Wirken der Zeugen Jehovas aufgeklärt.

Mein Vater war mitgekommen – er hatte mich schließlich den weiten Weg im Auto hergebracht – und saß wie paralysiert daneben. So hatte er sich die Gesundung seines Sohnes nicht vorgestellt: Statt handfester Medikamente mit definierten Nebenwirkungen gab es nun wissenschaftlich fragwürdige Bachblüten, Homöopathie, Elektroakupunktur und Gespräche über die Philosophie der Religionen.

Und doch hatte der ›Filius‹ bereits wieder Haare auf dem Kopf und strahlte eine fröhliche Ruhe aus. Der Heilpraktiker war für mich eine reine Gefühlsentscheidung gewesen, denn auch bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich nur sporadisches Wissen über Krankheit und Gesundheit angesammelt. Die esoterische Beraterin hatte ihn empfohlen. Und es ging mir gut damit. Obwohl ich wusste, dass er Mitglied dieser seltsamen Religionsgemeinschaft war, vertraute ich ihm.

Vielleicht waren auch tatsächlich diese Gespräche das Heilsamste dabei. Und natürlich der Mensch selbst, der liebevoll und respektvoll sich einfach Zeit für mich nahm. Jahre später gestand er mir, dass er nach meinen ersten Besuchen oft mit schweißnassen Händen im leeren Zimmer gestanden und sich gefragt hatte, ob er mir überhaupt je helfen könne, so bedenklich hatte es in dieser Zeit noch um meine Gesundheit gestanden.

Aber alles wurde gut. Noch einmal gab es jedoch einen kritischen Zeitpunkt: Ich bekam Gürtelrose. Wochenlange, schubweise auftretende Schmerzen auf Höhe der Taille. Nässende Haut, Ausschläge. Die Angst, dass alles nicht helfen würde, kam noch einmal zurück – aber als Spätwirkung der Chemotherapie verschwand sie nach einiger Zeit und mithilfe des Heilpraktikers wieder.

Monate später kam ich wieder auf die Beine und überlegte bereits, was ich beruflich machen wollte. Immer wieder probierte ich alternative Massagen und unterstützende Therapien aus. Manchmal noch kam ich wie von selbst wieder in jenen nicht beschreibbaren Zustand der Klarheit.

Eines Tages stieg ich aus der U-Bahn und hatte auf dem Weg zu einer Fußreflexzonenmassage einen derart klaren Blick, der ließ keinen Zweifel offen: Ich hatte mich verändert. Heller und klar sah ich die Autos und Menschen, so als wäre alles durch eine Intensivwäsche gegangen und würde nun von innen heraus strahlen.

Stand ich etwa kurz vor der Erleuchtung? Diese Überzeugung hielt nicht lange an. Eine junge, sympathische Fußreflexmassage-Therapeutin, der ich, immer noch ergriffen, von meiner Geschichte erzählte, verstand ... nichts. Sie schüttelte nur verwundert den Kopf.

Viel später begriff ich, dass mir ein erstes Erwachen geschenkt worden war. Zu naiv hatte ich gedacht, dass dies nun so bleiben würde. Wie enttäuscht war ich daher, als all die schönen Effekte und Bewusstseinszustände nach und nach wieder dem profanen Alltagsdenken und -fühlen gewichen waren. Und doch: Ich war ein anderer. Oder: Ich war endlich wirklich ich selbst geworden.

Die Stille in mir – war sie mir zufällig geschenkt worden oder war sie seit jeher Bestandteil, ja, Zentrum meines Seins gewesen?

Ich wollte auf die Reise gehen, um zu verstehen, was es mit jenen geheimnisvollen, wunderbaren Bewusstseinszuständen auf sich hatte. Und so begann meine Liebe zu spirituellen Themen, die bis heute anhält.

Die Stille in mir

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