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Der „Club of Rome “ ist ein durch den italienischen Industriemanager Aurelio Peccei (1908-1984) und den englischen Wissenschaftler Alexander King (1909-2007) gegründeter und gemeinwohlorientierter Zusammenschluss unabhängiger Denker aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, welcher sich seit Beginn seiner Existenz mit den wichtigsten Problemen der Menschheit und deren nachhaltiger Zukunft beschäftigt.[1]

Peccei im Speziellen war es, den beunruhigende Beobachtungen während seiner internationalen Geschäftsreisen zum Nachdenken anregten. Seine zunehmende Besorgnis über weltweite Krisenerscheinungen motivierte ihn dazu, diese Beobachtungen während eines 1968 von ihm in Rom organisierten Treffens erstmalig in einem kleinen Kreis ausgewählter Personen zu thematisieren. Der daraus hervorgehende Club of Rome hatte neben Peccei und King knapp zwei Jahre später bereits 73 weitere Mitglieder und legte eine Liste bestehend aus 66 besonders kritischer sozialer, politischer, technologischer, umweltpolitischer, psychologischer und kultureller Probleme fest, gegen welche die Gesellschaft offensichtlich unzureichend gerüstet scheint.[2]

Thematiken wie beispielsweise Armut, Krieg, Umweltverschmutzung, Terrorismus, Kriminalität, Unterdrückung, Rohstoffverbrauch oder wirtschaftliche Instabilität standen dabei, und stehen auch heute noch, im Mittelpunkt.[3] Ziel des Club of Rome ist es dabei, innovative Perspektiven und ganzheitliche Denkansätze durch interdisziplinäre Dialoge zu erarbeiten. Vielmehr sollen komplexe Probleme der Menschheit identifiziert und verstanden werden, um mit Hilfe langfristiger und zielgerichteter Analysen entsprechende Lösungsansätze zu definieren.

Eine besonders bahnbrechende Arbeit des Club of Rome ist die 1972 erschienene Studie „Limits to Growth“ (LtG). Eine Veröffentlichung über die vermeidlichen Grenzen des Wachstums, die auch heute noch von vielen Wissenschaftlern als grundlegendes Werk der modernen Umweltbewegung und der nachhaltigen Entwicklung bezeichnet wird.[4]

Grundstein dieses Projektes war die Zusammenarbeit zwischen dem Club of Rome und dem amerikanischen Informatiker Jay Wright Forrester (1918-2016).[4] Der als Pionier der Computertechnik geltende Systemwissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology entwickelte bereits seit den 60er Jahren kybernetische Modelle und Berechnungsmethoden zur Untersuchung dynamischer Probleme. 1970 schlug Forrester dem Club of Rome die von ihm entwickelte Methode der „Systemdynamik“ als angemessenes Instrument zur Analyse der von Ihnen betrachteten Probleme vor.[5]

Nachdem der Club of Rome diesen Vorschlag angenommen hatte, kam es unter der Leitung des Ehepaares Donella (1941-2001) und Dennis (1942-heute) Meadows zur Zusammenstellung eines Teams aus 17 Wissenschaftlern, welches anschließend das computerbasierte Modell „World3“ entwickelte. Ein Modell, das verschiedene Regelkreise zwischen globalen Prozessen erstellte, um die Wechselwirkungen zwischen beispielsweise Industrialisierung und Populationsentwicklung, Nahrungsmittelressourcen und Rohstoffreserven oder Kapital und Energieverbrauch zu untersuchen.[6,7] Hierzu wurden Parameter wie Populationsgröße, Umweltverschmutzung, Vermögen oder die Produktion von Lebensmitteln in unterschiedlichen Kombinationen miteinander in Abhängigkeit gebracht und nach einem „Was wäre, wenn…?“-Prinzip analysiert. Man testete quasi, was passiert, wenn sich einer oder mehrere der zusammenhängenden Faktoren in die eine oder andere Richtung verändern. Resultierend aus der Simulation dieser Kombinationen ergaben sich zwölf verschiedene Zukunftsszenarien, die LtG schlussendlich als ihre Resultate veröffentlichte. Bevor wir uns die Ergebnisse dieser Studie ansehen, sollten wir den strukturellen Aufbau und Analyseweg von „World3“ allerdings zunächst grundlegend verstehen.

Obwohl „World3“ für Laien sehr komplex wirkt, sind seine Struktur und integrierte Arbeitsabläufe dennoch recht einfach nachzuvollziehen. Grundlegend kommt es zu einer über die Zeit stattfindenden Ermittlung verschiedener Bestände (Nahrung, Kapital, Verschmutzungsgrad etc.), welche folglich eine Hochrechnung für künftige Ereignisse zulässt. Dabei wurde „World3“ so konzipiert, dass es unter Verwendung von mehr als 200 mathematischen Formeln noch immer eine vereinfachte Form der realen Welt simuliert. Es fließen also nicht alle, sondern nur besonders wichtige und stark einflussnehmende Faktoren ein. Die LtG-Studie vergleicht und rechtfertigt die Nutzung dieses vereinfachten Aufbaus mit einer Landkarte, die auch dann am hilfreichsten und übersichtlichsten ist, wenn sie nur die wichtigsten Orientierungspunkte und nicht jedes kleine Detail enthält.[8]

Abbildung 4 zeigt den beispielhaften Aufbau einer Simulation, welche die primären Verbindungen zwischen den vier Parametern Bevölkerungsgröße (1), Landwirtschaft (2), industrielles Kapital (3) und Umweltverschmutzung (4) zeigt. Populationsgröße und industrielles Kapital stellen dabei sich selbst regulierende Kreisläufe dar, sogenannte „Feedback-Loops“. Diese ermöglichen sowohl der Population als auch dem industriellen Kapital 1) ein exponentielles Wachstum, wenn positive Geburtenrate (5) und Investment (6) dominieren, 2) einen drastischen Rückgang im Falle einer überwiegenden Todeszahl (7) oder Abnutzung und Wertminderung von industriellen Maschinen oder Kapital (8) und 3) das Potential zur konstanten Aufrechterhaltung, falls die Loops sich gegenseitig ausgleichen.[8] Der weitere Verlauf des Diagrammes ist mehr oder weniger selbsterklärend. Die Fruchtbarkeit (9) ist beispielsweise einflussnehmend auf die Geburtenrate, während die Lebenserwartung einer Population (10) deren Sterblichkeit (7) reguliert. Sowohl die vorhandene Menge an Nahrungsmitteln (11) als auch die gewünschte oder benötigte Menge an Nahrungsmitteln pro Person (12) bestimmen darüber, welche landwirtschaftlichen Betriebsmittel (13) in welcher Menge gebraucht werden, um den benötigten Bedarf zu decken. Wird mehr Nahrung benötigt als vorhanden ist, so kommt es zum Einsatz von mehr Maschinen und entsprechenden Arbeitsmaterialien (13), was schluss endlich nicht nur zu einer gewünschten Erhöhung der Bereitstellung von Nahrungsmitteln (14) führt, sondern auch zu einer erhöhten Umweltverschmutzung (4).


Abbildung 4. Simulation der Zusammenhänge zwischen Bevölkerungsgröße (1), Landwirtschaft (2), industriellem Kapital (3) und Umweltverschmutzung (4). Die Pfeile stellen die jeweiligen Zusammenhänge dar, welcher sich in Abhängigkeit der im jeweiligen Modelllauf verwendeten Annahmen unmittelbar oder verzögert, groß oder klein, positiv oder negativ auswirken können.[8]

Wird die Umwelt beispielsweise durch Abgase oder sonstige Abfallprodukte zunehmend belastet (4), wirkt sich dies wiederrum negativ auf die Lebenserwartung (10) und die Qualität der Nahrungsmittel (14) selbst aus. Kommt es aufgrund einer zu hohen Umweltverschmutzung (4) zu einer starken Verminderung der Lebenserwartung (10) einer Population, so resultiert daraus eine erhöhte Sterberate (7) , welche die Populationsgröße (1) schlussendlich minimiert. Folglich wird nun wieder weniger Nahrung (14) benötigt, um den pro-Kopf Konsum (11) der Menschen zu decken. Betriebsmittel (13) werden nun teilweise oder gar nicht mehr benötigt, sodass die Produktionsmaßnahmen reduziert werden können und folglich auch die Umweltbelastung (4) wieder sinkt.

Neben diesen Parametern spielen aber auch finanzielle Aspekte eine große Rolle. So sind Betriebsmittel (13), wie die notwendigen Maschinen zum Anbau, Abbau und Weiterverarbeitung von Nahrungsmitteln davon abhängig, wie viel Geld zur Verfügung steht, um diese zu kaufen und/oder instand zu halten. Die gesamte industrielle Produktion (15) hängt also in großem Maße vom verfügbaren Kapital (3) einer Gesellschaft ab. Ist wenig oder kein Geld zur Verfügung, so veralten Maschinen (8) und notwendige Standards der Produktion können ggf. nicht mehr eingehalten werden. Es kommt zu einer unzureichenden Produktion und damit einhergehenden Gewinneinbußen. Folglich steht nun weniger Geld zur Verfügung, um die ohnehin überholungsbedürftige Technik zu erneuern. Die Folge ist eine unzureichende Industrieproduktion (15), welche sich auch auf alle bisher beschriebenen Parameter (1, 2, 4, 5, 7, 9, 10, 11, 12, 14) auswirkt. Ein Missstand, der dann nur noch durch Investments (6) ausgeglichen werden kann.

Es soll an dieser Stelle lediglich verdeutlicht werden, dass zu jedem gegebenen Zeitpunkt alle Faktoren miteinander zusammenhängen und die Veränderung eines einzigen Parameters ausreicht, um das gesamte Gleichgewicht des Kreislaufes dramatisch zu beeinflussen.

Auch können wir gedanklich kurz eine Brücke zurück zum boserupianischen Modell schlagen. Denn spätestens jetzt wird klar, dass nicht nur die von Boserup beschriebene menschliche Erkenntnis im Rahmen einer innovativen landwirtschaftlichen Entwicklung eine Rolle spielt, sondern auch die verfügbaren finanziellen Mittel für deren Umsetzung enorm wichtig sind. Gerade in Entwicklungsländern, und über solche redet Boserup in ihrem Beispiel ja hauptsächlich, stehen Investments oft an erster Stelle, um überhaupt erst einen halbwegs standardisierten und effizienten Arbeitsablauf ermöglichen zu können. Während die Entwicklung von Hacke zu Pflug noch nachvollziehbar einfach scheint und ohne große Kosten möglich ist, so erweist sich die Einführung von beispielsweise komplexen Maschinen oder chemischen Düngemethoden ohne entsprechendes „Kleingeld“ als eher schwierig.

Genau solche von Boserup ausgelassenen Zusammenhänge sind es, die im Rahmen der LtG-Studie erstmalig in entsprechendem Detail berücksichtig wurden. Ausgangspunkt, oder besser gesagt Referenz aller Auswertungen von „World3“, ist das sogenannte „Szenario 0“ (Abbildung 5 A). Diese Simulation prognostiziert den Verlauf aller gemessenen Faktoren unter der Annahme, es würde keinerlei limitierenden Eingriffe von Seiten der Menschheit geben - quasi also eine Prognose des Zustandes, der resultiert, wenn alles so bleibt, wie es ist (Status Quo), oder besser gesagt, das, was passiert, wenn alles so bleibt, wie es zum Zeitpunkt der Studie damals war.

Für jeden der zwölf Simulationsdurchläufe liefert „World3“ Datentabellen, welche die numerischen Werte jeder Variable im Intervall von sechs Monaten zwischen den Jahren 1900 und 2100 darstellen. So zeigt „Szenario 0“ beispielsweise, dass die Weltbevölkerung im Jahr 2065 mit 8.876.186.000 Menschen ihr Maximum erreicht und sich der Index der anhaltenden globalen Verschmutzung zwischen 2000 und 2026 von 3,15 zu auf 6,8 grob verdoppelt.[8] Da solche detaillierte Zahlenwerte aber nicht zum grundsätzlichen Verständnis beitragen, wird im Rahmen der LtG-Studie auf deren Verwendung größtenteils verzichtet. Vielmehr sollen sich Leser auf die Verlaufskurven der Diagramme konzentrieren. Für die beiden soeben verwendeten Zahlenbeispiele lautet die Aussage also folglich, dass die globale Population im Jahre 2070 mit ca. neun Milliarden Menschen ihr Maximum erreicht und dass sich der Index der globalen Verschmutzung zwischen 2000 und 2030 verdoppelt.[8] Sehen wir uns hierzu nun eine kurze Zusammenfassung der Interpretationen von Szenario 0 (Abbildung 5 A) und Szenario 1 (Abbildung 5 B) an.


Abbildung 5. Vergleich der LtG-Szenarien 0 (A) und 1 (B). A: „Szenario 0“ beschreibt, was passieren würde, wenn alles unverändert so weiterlaufen würde, wie es zum Zeitpunkt der Studie beobachtet wurde. B: „Szenario 1“ beschreibt eine „Krise durch den nicht einkalkulierten und erwarteten Wegfall nichterneuerbare Energien“.

Szenario 0 (Abbildung 5 A): Während des 20. Jahrhunderts kommt es zunächst zu einem extrem starken Anstieg von Nahrungsmittelherstellung und industrieller Produktion. Die globale Population erreicht ihr Maximum von knapp neun Milliarden Menschen im Jahr 2070 (Pfeil).[8] Aufgrund der Tatsache, dass die gesamte Weltbevölkerung an dieser Stelle einen gewissen Grad an Wohlstand erreicht hat, führt der dadurch entstehende demografische Wandel zu einer langsamen und stetigen Abnahme der Population.[8] Da es im Jahr 2070 viermal so viel Industriekapital aber nur 1,5-Mal so viele Menschen gibt wie im Jahr 2000, wird der starke Anstieg der Industrieproduktion durch einen Arbeitskräftemangel gestoppt. Während der ersten sieben bis acht Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts hat die Gesellschaft 40-Mal so viel Industriekapital angesammelt wie sie es während des gesamten 20. Jahrhunderts tat. Die landwirtschaftliche Produktion ist am Ende nicht mehr länger signifikant durch die Umweltverschmutzung vermindert.[8]

Szenario 1 (Abbildung 5 B): Dieses Szenario beschreibt eine durch erneuerbare Ressourcen induzierte Krise.[8] Wie auch in „Szenario 0“ kommt es zunächst zu einem Anstieg von Populationswachstum, Industrieproduktion und Herstellung von Nahrungsmitteln. Während der ersten Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts stoppt das wirtschaftliche Wachstum dann aber abrupt. Aufgrund des vorangehenden steigenden Trends kommt es zu einer raschen Erhöhung der Kosten für erneuerbare Ressourcen, welche sich in verschiedenen Wirtschaftssektoren durch ausbleibende Investmentfonds bemerkbar macht. Zum Zeitpunkt des Jahres 2000 hätten alle noch natürlich vorliegenden Ressourcen für 60 weitere Jahre gereicht, im Jahr 2020 allerdings nur noch für 30 Jahre.[8] Zwischen 2000 und 2020 steigt die Bevölkerungszahl um 20 % und die industrielle Produktion um 30 % an. Mensch und Industrie verbrauchen in diesen 20 Jahren fast so viele Rohstoffe wie sie es während des gesamten Jahrhunderts davor getan haben. Die Beschaffung von erneuerbaren Ressourcen wird nun immer schwieriger, sodass hierzu mehr Kapital benötigt wird. Folglich werden Gelder für diese Zwecke umgeleitet, fehlen dafür aber an anderer Stelle. Fehlende Gelder in der Industrie führen zu mangelnder Instandhaltung, was eine Verschlechterung der Qualität von Anlagen und Maschinen mit sich bringt. Dies führt dann zu einer Abnahme der Produktivität und Nahrungsmittelherstellung. Die Umweltverschmutzung nimmt durch Rückgang der industriellen Arbeit wieder ab und die Populationsgröße gleicht sich langsam wieder den verfügbaren Ressourcen an.

Nachdem sich der Club of Rome insgesamt zwölf solcher Szenarien angesehen und ausgewertet hat, kommt er zu der Erkenntnis, dass alle der verwendeten Simulationen zu einem ähnlichen und gleichermaßen alarmierenden Ergebnis führen, aus dem sich die folgenden drei zentralen Schlussfolgerungen ergeben:

1) Wenn die gegenwärtigen Wachstumstrends der Weltbevölkerung, Industrialisierung, Umweltverschmutzung, Nahrungsmittelproduktion und Ressourcenverknappung unverändert bleiben, werden die Grenzen des Wachstums auf diesem Planeten irgendwann innerhalb der nächsten 100 Jahre erreicht sein. Das hierbei wahrscheinlichste Ergebnis wird ein plötzlicher und unkontrollierbarer Rückgang von sowohl der Bevölkerung als auch der Industriekapazität sein.[8-11]

2) Es ist möglich, diese Wachstumstrends zu ändern und einen Zustand ökologischer und wirtschaftlich nachhaltiger Stabilität zu schaffen. Der Zustand des globalen Gleichgewichts könnte beispielsweise so gestaltet werden, dass die materiellen Grundbedürfnisse jedes Menschen auf der Erde befriedigt werden und jeder Mensch die gleiche Chance hat, sein individuelles und menschliches Potenzial auszuschöpfen. [8-11]

3) Entscheidet sich der Mensch für die Durchführung dieses zweiten Weges, so sind die Chancen auf Erfolg umso größer je früher er damit beginnt. [8-11]

Die Kernaussage von LtG ist also ebenso einfach wie beängstigend: Ändern wir nichts an dem was wir tun, so wird die Bevölkerungsgröße dieses Planeten irgendwann im Laufe des 20. Jahrhunderts ihr Maximum erreichen. Aber warum ist diese Prognose eigentlich „beängstigend“? Wäre ein Wachstumsstopp nicht sogar begünstigend hinsichtlich der Vermeidung einer Überpopulation? Wäre es nicht genau das, was wir eigentlich wollen? Theoretisch natürlich schon, aber wir sprechen hier ja nicht von einer bewussten Entscheidung der Menschheit, sondern von der Konsequenz unserer Ignoranz. Am Ende spielt es keine Rolle, welches der limitierende Faktor sein wird, der zu einem Wachstumsstopp der globalen Bevölkerung führt. Das Resultat wird ein Einschnitt in unsere gewohnte Lebensqualität sein. Das Beispiel der Nahrung ist auch hier wieder ein gutes. Ob in der Mittagspause, unterwegs im Auto oder am Ende einer durchzechten Nacht. Mit ein paar Euro in der Tasche haben wir dauerhaften Zugang zu Nahrungsmitteln aller Art und können es uns nicht im Geringsten vorstellen, wie es wohl sein könnte auf diese allgegenwärtige Verfügbarkeit nicht mehr zurückgreifen zu können. Doch was wäre, wenn eines Tages nicht mehr alles für uns zur Verfügung stünde? Laut LtG wird nämlich genau das auf uns zukommen. Und zwar schon sehr bald.

Kommt uns diese „Schränkt man ihn nicht ein, so wird der Mensch leiden“-Prognose nicht bekannt vor? In der Tat erinnert die grundlegende Aussage der LtG-Studie stark an die der malthusianischen Populationstheorie. Auch wenn die Meinungen der Menschen bezüglich LtG zwar weit auseinandergehen, so wird das Werk von Donella und Dennis Meadows von fast allen als neo-malthusianische Projektion eines möglichen Bevölkerungszusammenbruches durch weltweite Engpässe von Ressourcen oder landwirtschaftlicher Anbaufläche im 21. Jahrhundert interpretiert.[12]. Sowohl Malthus als auch der Club of Rome beschreiben in ihren Studien, dass eine ausbleibende Regulierung der Wirtschaft zur Sprengung globaler Grenzen führt. Der Unterschied liegt nur darin, dass der Club of Rome diese Aussage mit entsprechenden Daten stützt, während Malthus sich größtenteils auf einen rein theoretischen Ansatz ohne Einbeziehung eines stabilen empirischen Datensatzes beruft. Rückblickend kann man ihm dabei natürlich keinen Vorwurf machen. Immerhin war die Datendichte und Zugänglichkeit von Informationen damals eine ganz andere als heute.

LtG weist allerdings eine weitere Besonderheit auf. Im Vergleich zur malthusianischen Populationstheorie, welche lediglich vor einer drohenden Überschreitung verfügbarer Ressourcen warnt, beschreibt LtG erstmalig die Idee der Nachhaltigkeit als Lösungsansatz. Ein Prinzip, welches darauf abzielt, die Nutzung von Ressourcen so zu optimieren, dass unter Aufrechterhaltung ihrer natürlichen Regenerationsfähigkeit die Bedürfnisbefriedigung aller Menschen, nicht nur zum gegenwärtigen Zeitpunkt, sondern auch in Zukunft, gewährleistet wäre. Erwähnenswert ist hierbei auch, dass der Begriff der Nachhaltigkeit 1972 noch völlig unbekannt war und erst durch Meadows' Arbeit internationales Interesse weckte. Erst 1987 wurde der Begriff dann durch die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (WCED) im sogenannten „Brundtland-Bericht“ erwähnt und wie folgt definiert:

„Nachhaltige Entwicklung ist eine solche, die den Bedürfnissen der Gegenwart entspricht, nicht aber die Fähigkeit künftiger Generationen beeinträchtigt, ihre eigenen Bedürfnisse zu erfüllen“ [13-15]

Nicht die Definition der „Nachhaltigkeit“ alleine ist hier von besonderer Bedeutung, sondern auch die Tatsache, dass der Brundtland-Bericht ebenfalls erstmalig essentielle Ideen zur Erschaffung einer solchen liefert. Er beschreibt darüber hinaus sogar die grundlegenden Probleme, die unsere Gesellschaft von einer erfolgreichen Umsetzung abhalten. Gemäß des Brundtland-Berichts beinhaltet die Entwicklung der Nachhaltigkeit zwei grundlegende Konzepte: Zum einen das Konzept der „Bedürfnisse“, insbesondere der Grundbedürfnisse armer Menschen, welchen Priorität eingeräumt werden müsse und zum anderen das Konzept einer „Einschränkung“, welche den Menschen durch technologische Entwicklung und soziale Organisation auferlegt werden müsse, um die Sicherstellung zukünftiger Bedürfnisse zu gewährleisten.[16]

Im Vergleich zu Malthus und Boserup stellt LtG eine qualitativ sehr fortgeschrittene Arbeit dar, die ihre Leser*innen und vor allem Befürworter*innen insbesondere durch die Existenz und Berücksichtigung eines adäquaten Datensatzes überzeugt. Das Vorhandensein eines solch komplexen Aufbaus bietet natürlich aber auch eine große Angriffsfläche für Kritik. So stellt sich beispielsweise die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Beschaffung von Daten zur Extrapolation von Zukunftsszenarien. Nehmen wir hier das Beispiel der Umweltverschmutzung: Das in LtG beschriebene exponentielle Wachstum der Verschmutzungsbelastung basiert auf vorangehenden Studien, die den Anstieg von beispielsweise Kohlenstoffdioxid und Abwärme in Los Angeles, den Sauerstoffgehalt der Ostsee oder den Bleigehalt der grönländischen Eiskappe beschreiben.[8] Diese Beispiele wurden im Rahmen der LtG-Studie aber willkürlich gewählt und umfassen ausschließlich Regionen, in denen es damals keinerlei Kontrollprogramme hinsichtlich einer Verschmutzung gab.[17] Hätte man aber Regionen einbezogen, in denen aufgrund verschiedener Regulatoren bereits optimierte Bedingungen vorlagen, hätten sich einige Zahlen im Laufe der Hochrechnungen sicher anders entwickelt. Mit anderen Worten: Man hat sich genau die Regionen ausgewählt, in denen es zum Zeitpunkt der Studie im Vergleich zu anderen Regionen bereits eher „schlechter“ aussah. Extrapoliert man diesen Zustand hoch, gelangt man unter Umständen zu einer falschen Annahme.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die simplifizierte Umsetzung von „World3“ zur Darstellung und Imitierung einer in Wirklichkeit viel komplexeren Welt.[18,19] Auch wenn LtG diese Vereinfachung als absichtlich und deshalb zielführend beschreibt, so teilen Kritiker diese Stellungnahme nicht immer. Das Hauptproblem ergäbe sich laut ihnen aus einer ungleichen Verteilung des Konsums. Demnach wäre der Grad der Umweltverschmutzung beispielsweise nicht von der Gesamtzahl der weltweit lebenden Menschen abhängig, sondern von der Anzahl reicher und verschwenderischer Personen.

Interessanterweise lässt LtG die hier beschriebene Ungleichverteilung von Wohlstand aber auch nicht gänzlich unerwähnt. So wird beispielsweise aufgeführt, dass 20 % der Weltbevölkerung mehr Reichtum besitzen als die restlichen 80 % dieser Erde (Abbildung 6 A). Darüber hinaus verbrauchen die reichsten 20 % unserer Weltbevölkerung knapp 60 % der global verfügbaren kommerziellen Energie. Um die Tragweite dieses Ungleichgewichtes noch deutlicher zu machen, möchte ich an dieser Stelle den vom „Credit Suisse Institut“ im Jahr 2019 veröffentlichten „Global Wealth Report“ zitieren, der sogar beschreibt, dass das reichste 1 % der Menschheit knapp 44 % des gesamten globalen Reichtums besitzt. Knapp die Hälfte des globalen Wohlstandes ist also im Besitz von ca. 1 % unserer reichsten Mitbürger (Abbildung 6 B).


Abbildung 6. Darstellung des Ungleichgewichts der globalen Wohlstandsverteilung. A: Laut LtG besitzen die 20 % der reichsten Menschen knapp 80 % des gesamten verfügbaren Wohlstandes. B: Gemäß des „Credit Suisse Institutes“ besaß das reichste 1 % der Menschheit im Jahr 2019 knapp 44 % des gesamten kommerziell verfügbaren Wohlstands.[8]

Zuletzt sehe ich folgenden auf alle drei der bisher erwähnten Populationstheorien zutreffenden Punkt als kritisch an: Das Auslassen von Auswirkungen eines etwaigen technischen Fortschrittes. Malthus hatte die Möglichkeit, dass technischer Fortschritt die Bereitstellung von Konsumgütern über ein lineares Maß hinaus steigern könnte, komplett ignoriert. Boserup stützt sich in ihrer Aussage zwar sogar auf genau diesen Aspekt, ignoriert aber alle damit zusammenhängenden Faktoren, wie zum Beispiel die Tatsache, dass ein Fortschritt zuerst erarbeitet werden muss und ab einem gewissen Punkt stark von verfügbarem Kapital abhängig ist. Und auch der Club of Rome hat seine Chance vertan, diesen bisher fehlenden Aspekt miteinzubeziehen.

Wir sehen also, je komplexer eine Theorie, desto größer ihre Angriffsfläche für Kritik. Auch wenn der Club of Rome beschriebt, dass ein Populationswachstum nicht unbegrenzt möglich zu sein scheint, so bleibt noch immer die Frage nach einem tolerierbaren Maximum. Denn unabhängig davon, wie detailliert die LtG-Studie aufgearbeitet zu sein scheint, konnte man einen konkretisierten Lösungsansatz auch hier leider nicht beschreiben. Interessanterweise hatte man sich über die offensichtlich brennende Frage, nämlich was denn nun eine maximale oder optimale Populationsgröße sein könnte, bereits lange vor der Entstehung des Club of Rome Gedanken gemacht.

Gehen wir hierzu in der Geschichte noch einmal ein paar Schritte zurück und schauen uns die Theorie der optimalen Population an.

Literaturverzeichnis

1. Levallois C. Can de-growth be considered a policy option? A historical note on Nicholas Georgescu-Roegen and the Club of Rome. Ecological economics, volume 69, 2271-2278, 2010.

2. Kuei CH and Madu CN. Handbook of Sustainability Management, 2012.

3. Meadown DH. The history and conclusions of the limits to growth. System dynamics review, volume 23, 191-197, 2007.

4. Sypien M. Der Club of Rome und die Grenzen des Wachstums: Anmerkungen zur Zukunft der Menschheit, 2009.

5. Bardi U. Jay Wright Forrester (1918–2016): His Contribution to the Concept of Overshoot in Socioeconomic Systems. Bio-Physical Economics and Resource Quality, volume 1, 2016.

6. Bobiatynski E and Gehrmann U. Wachstumskonzepte im Dienstleistungsmarkt: Wie Unternehmen mit Dienstleistungen nachhaltiges Wachstum erreichen, 2005.

7. Kirschten U. Nachhaltiges Personalmanagement: Aktuelle Konzepte, Innovationen und Unternehmensentwicklung, 2017.

8. Meadows DL, Meadows D, Randers J, Behrens WWIII. The limits of growth, 1972.

9. Dabelko GD and Conca K. Green Planet Blues: Critical Perspectives on Global Environmental Politics, 2014.

10. Wheeler SM and Beatley T. Sustainable Urban Development Reader, 2004.

11. Meadows DL, Meadows D, Randers J. Beyond the limits of growth, 1992.

12. Randers J. The Real Message of The Limits to Growth. A Plea for Forward-Looking Global Policy. GAIA - Ecological Perspectives for Science and Society, volume 21, 102-105, 2012.

13. Blowers A and Glasbergen P. 7 The search for sustainable development. Environmental policy in an international context, volume 1, 163-183, 1995.

14. Bhattacharyya SC. Energy Economics: Concepts, Issues, Markets and Governance, 2011.

15. World Commission on Environment and Development. Our common future, 1987.

16. Barkenmeyer R, Holt D, Preuss L, Tsang S. What Happened to the ‘Development’ in Sustainable Development? Sustainable development, volume 22, 15-32, 2014.

17. Sandbach F. The Rise and Fall of the Limits to Growth Debate. Social Studies of Science, volume 8, 495-520, 1978.

18. McCormick J. Reclaiming Paradise: The Global Environmental Movement, 1989.

19. Smil V. Review: Limits to Growth Revisited: A Review Essay. Population and Development Review, volume 1, 157-164, 2005.

Die Überbevölkerung

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