Читать книгу Sammelband 3 Thriller: Neue Morde und alte Leichen - Thomas West - Страница 12
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So kerzengerade lief er die Treppe zur Butler Library hinauf, als hätte er vor Jahren die Messlatte verschluckt, mit der sein Kinderarzt einst die Fortschritte seines Wachstums kontrollierte.
Mit seinem blonden Oberlippenbärtchen und dem schütteren, in der Mitte gescheiteltem Haar, schätzten ihn die meisten Kommilitonen in der Regel fünf bis acht Jahre älter ein, als er tatsächlich war.
Wenn sie überhaupt dazu kamen, eine Schätzung abzugeben – Ronald A. Lighthouse unterhielt nicht viele Kontakte zu Studenten der Columbia University. Und die wenigen, die er pflegte, hatte er unter sehr strengen Gesichtspunkten ausgesucht.
Ronald A. Lighthouse war siebenundzwanzig Jahre alt.
Am Haupteingang der Bibliothek gaben sich die Studenten die Türgriffe der großen Glastüren in die Hand. Das ging den ganzen Tag so – ein einziges Kommen und Gehen bis zum späten Abend, wenn die Hauptbibliothek der Columbia University ihr Pforten schloss.
Ronald A. Lighthouse sah nicht nach rechts und nicht nach links, während er die Treppe hinaufstieg. Kaum jemand beachtete ihn. Hin und wieder warf ihm eine der älteren Studentinnen einen verstohlenen Blick zu. Vermutlich, weil er seriös wirkte und korrekt gekleidet war, ein wenig nostalgisch fast.
Lighthouse trug einen Zweireiher aus sandfarbenem Cord mit Lederknöpfen, einen schwarzen Rollkragenpullover und eine schwarze Cordhose mit akkuraten Bügelfalten.
Ein paar Schritte vor der mittleren Tür standen zwei farbige Studenten und plauderten mit einem weißen Mädchen. Die Bibliotheksbesucher strömten an ihnen vorbei und betraten das Foyer durch die Mitteltür, ohne sich um die kleine Gruppe zu kümmern. Nicht so Lighthouse – obwohl er direkt auf die mittlere Tür zugegangen war, schlug er einen Bogen um die farbigen Studenten und benutzte die rechte Tür.
Die beiden Afros waren die einzigen Studenten, denen er einen Blick gönnte, bevor er hinter der Tür verschwand. Einen kalten, geringschätzigen Blick.
Vor den Schwarzen Brettern im Bibliotheks-Foyer drängten sich Menschentrauben und studierten die zahllosen Zettel und Plakate auf den Tafeln. Veranstaltungen, Bücher-, Job-, Auto- und Zimmerangebote oder -gesuche. Die Schwarzen Bretter im Vorraum der Butler Library dienten als Börse für alles Mögliche.
Ronald A. Lighthouse interessierte sich nicht dafür. Noch nie war er vor einer der Tafeln stehen geblieben. Schon deswegen nicht, weil er verabscheute, sich in größeren Menschenansammlungen aufzuhalten.
Mit raschen Schritten steuerte er die Bibliotheksräume an. Wie ein Mann, der ein Ziel hatte.
Wie meistens um diese Zeit – es war kurz nach der Mittagspause – war die Butler Library, gelinde gesagt, gut besucht. Hunderte von Studenten tummelten sich zwischen den Bücherregalen, an den Lesetischen auf den Emporen, und vor den langen Tresen der Ausgabestellen.
Lighthouse ging zu den Stehpulten mit den Terminals, an denen man die Bestände der Butler Library nach benötigten Büchern durchsuchen konnte. Er hatte Titel und Autoren der beiden Bücher, die er für seine Doktorarbeit brauchte, im Kopf. Er gab die Daten ein, erhielt die Standortnummern, notierte sie, und machte sich auf den Weg ins Regal-Labyrinth.
Ein paar Minuten später fand er die Bücher: Ein neueres Werk über die Indianerkriege und einen Doppelband über die deutsche Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts. Ronald A. Lighthouse studierte europäische Geschichte und Deutsch.
Mit den drei Wälzern unter dem Arm stieg er die Empore hinauf. Dort standen die Computer-Terminals, an denen man online recherchieren konnte. Er sah sich kurz um, bevor er sich vor einen freien Bildschirm setzte. Die Bücher legte er mit dem Buchdeckel nach unten neben die Tastatur.
Er gab eine Codenummer ein – nicht seine eigene – und rief die E-Mail-Software auf. In die Empfängerzeile tippte er die E-Mail-Adresse der New York Times, in die Zeile für die Kopieempfänger die Adressen der New York Post und der Daily News. Sämtliche Adressen hatte er im Kopf.
Auch den Text, den er an die Zeitungsredaktionen schicken wollte, hatte er sorgfältig auswendig gelernt. Trotzdem zögerte er einen Augenblick, bevor er ihn in die Tastatur hämmerte. Wieder blickte er sich um. Der Platz rechts neben ihm war leer. Links neben ihm hockte eine Inderin. In ihren Bildschirm vertieft beachtete sie ihn nicht.
Lighthouse rümpfte die Nase. Dann zog er die Tastatur heran und schrieb:
„Der Kampf ist eröffnet! Wir übernehmen die Verantwortung für die Versenkung der Yacht des zionistischen Finanzhais und die Vernichtung des Wochenendhauses des Niggerarztes! Beides verstehen wir als erste Warnschüsse! Der Kampf geht weiter!
Weißer Widerstand zur Befreiung von Gottes eigenem Land‟