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Der Wagen stieß rückwärts in eine Parklücke. „Ein blauer Mercury‟, sagte Milo. „Das ist er.‟

Ich griff zum Mikro. „Trevellian an Zentrale, kommen.‟

Auf der anderen Straßenseite stieg ein bärtiger Mann mit schwarzem Haarzopf aus dem Mercury. Er zog sich die Kapuze seines Parkas über den Kopf. Im Schein der Straßenbeleuchtung studierte er irgendeinen Zettel. Danach steuerte er den Eingang des Spielsalons an.

„Zentrale hört.‟ Clives Stimme aus dem Funkgerät.

„Curseley ist da. Er geht ins Tivoli.‟

„Okay. Wir sagen Orry Bescheid. Ende.‟

Kollege Medina war schon vor zwei Stunden in dem Spielsalon verschwunden. Er beschattete Curseleys Kontaktmann, einen ägyptischen Staatsbürger, dem wir allerhand Übles zutrauten. Zum Beispiel das Bombenattentat auf die Yacht eines Börsenmaklers, das zwei Wochen zuvor Schlagzeilen im Big Apple gemacht hatte.

Das Schiff war an einem der Piers am Hudson-Hafen gesunken. Sein Besitzer war jüdischen Glaubens und unterhielt gute Kontakte zur israelischen Botschaft in Washington.

Die Explosion hatte sich mitten in der Nacht ereignet. Verletzt wurde niemand, nur war es nicht die erste Bombe, die in jenem Oktober in New York City explodierte.

„Gehen wir ’rein.‟ Ich zog den Zündschlüssel ab. Wir stiegen aus meinem Sportwagen und überquerten die Mott Street. Bunte Lichter blinzelten uns aus den Schaufenstern des „Tivoli‟ entgegen. Drinnen konnte man Männer an Spielkonsolen sitzen sehen. Wir betraten die aus mehreren Räumen bestehende Spielhalle. Milo ging voran.

Für einen Sonntagabend war es ziemlich voll. Curseley und der Ägypter standen an den beiden einzigen Flipperautomaten. Nicht weit von ihnen, in Ledermantel und Wollmütze, hockte Orry vor dem Steuerrad eines virtuellen Rennwagens. Kopfhörer eines Walkmans steckten in seinen Ohren. Jedenfalls sahen die Ohrstöpsel aus wie Kopfhörer eines Walkmans. Orry hörte aber keine Musik – er stand in Verbindung mit der Zentrale.

Wir beachteten weder unseren Kollegen, noch Curseley und den Ägypter. Scheinbar zielstrebig gingen wir zu einem freien Billardtisch und bewaffneten uns mit Queues.

Ich warf ein paar Münzen ein. Die Kugeln polterten in den Ausgabeschlitz. Aus den Augenwinkeln beobachteten wir Curseley und den Ägypter. Jeder von ihnen schien einzig und allein Augen für seinen Pinball zu haben. Aber sie bewegten die Lippen. Also sprachen sie miteinander.

Ein V-Mann hatte uns den Tipp mit Curseley gegeben. Ein Dealer, der sich in hier Little Italy in unseren dunkelsten Kundenkreisen bewegte.

Nach den Bombenanschlägen hatten wir sämtliche Kontakte in die Unterwelt angezapft. Und jener Dealer eben wusste von einem Sprengstoffspezialisten, der sich teuer für seine Dienste bezahlen ließ. Sogar den Namen des Sprengstoffspezialisten kannte er – Curseley.

„Der Ägypter steckt ihm ein Kuvert zu.‟ Milo visierte die weiße Kugel an. Das Queue schoss zwischen seinen Fingern hindurch. Die Weiße prallte an die Bande, streifte eine von Milos Kugeln und versenkte sie im Seitenloch.

Ich spähte zu den Flipperautomaten. Curseleys Hand verschwand gerade in der Innentasche seines Parkas. Als sie wieder auftauchte, hielt sie einen Autoschlüssel fest. Der Ägypter nahm den Schlüssel und wandte sich vom Flipperautomaten ab. Ohne Eile schritt er auf den Ausgang zu.

Ich zückte mein Handy und rief die Zentrale an. Kurz darauf stand Orry auf. Er ging an eines der beiden Schaufenster. Von dort aus blickte er auf die Straße hinaus.

Ich behielt ihn im Auge. Irgendwann drehte er sich um und nickte. Das konnte nur bedeuten, dass der Ägypter sich an Curseleys Wagen zu schaffen machte. So ähnlich hatten wir uns das vorgestellt.

Clives Anruf ließ nicht lange auf sich warten. „Wir greifen zu.‟ Noch während ich mit Clive sprach, sah ich Orry den Spielsalon verlassen.

Wir stellten die Queues ins Regal. Curseley starrte noch immer in seinen Flipperautomaten. Verbissen drückte und schüttelte er an dem Automaten herum. Entweder die Silberkugel unter dem Glas oder das, was der Ägypter draußen bei seinem Mercury zu erledigen hatte, fesselte seine Gedanken so sehr, dass er Milo und mich erst im letzten Augenblick bemerkte.

Alle Farbe wich aus seinem Gesicht, als wir plötzlich rechts und links von ihm auftauchten.

„’n Abend, Mr. Curseley.‟ Milo hielt ihm seine Dienstmarke unter die Nase. „Sie haben das Recht zu schweigen. Alles, was Sie sagen, kann gegen Sie verwendet werden – und so weiter, Sie kennen das ja.‟

„Was soll das?‟, stieß Curseley heiser aus. Ich sah, wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat. Ein gutes Zeichen. Für uns, nicht für Curseley.

„Nichts weiter.‟ Ehe er sich versah, hatte ich ihm schon die Handschellen angelegt. „Wir schauen nur mal eben, was der Gentleman aus Nahost in Ihrem Auto sucht. Danach unterhalten wir uns eventuell ein bisschen.‟

Von allen Seiten trafen uns verstohlene Blicke. Polizei im Spielsalon – eine solche Nachricht verbreitet sich ungefähr so schnell wie Erreger von Maul- und Klauenseuche.

Zwei Männer schlenderten Richtung Ausgang. Drollig, wie sie sich um Gelassenheit bemühten. Einer der Geschäftsführer verließ seinen Platz hinter der Theke und verschwand durch eine Tür zu irgendeinem Hinterzimmer. Vermutlich, um eine illegale Pokerrunde zu sprengen. Wir kümmerten uns nicht darum. Curseley hieß unser Mann.

Milo griff in Curseleys Parka. Er zog einen Zettel aus der Tasche. „Tivoli, Mott Street‟, las er laut. „Ägypter, eins-achtzig, schwarzhaarig, am Flipperautomaten.‟

Er lächelte den zerknirschten Curseley an. „Sie sind also das erste Mal hier? Und den Ägypter sehen Sie auch zum ersten Mal?‟ Wieder griff er in den Parka. Diesmal holte er das Kuvert heraus. Es sah groß und prallgefüllt aus.

„Dafür vertraut er Ihnen aber eine Menge Geld an.‟ Milo mimte den Erstaunten. „Sie wissen ja – falls Sie mittellos sind, wird Ihnen ein Anwalt gestellt.‟ Er grinste, während er die Banknoten durchblätterte. „Das sind gut und gern zehntausend Dollar. Die Geschäfte scheinen zu laufen, Curseley, oder versteh’ ich da was falsch ...?‟

In dem Moment fiel draußen auf der Straße der erste Schuss.

Ich überließ den Mann in Handschellen meinem Partner. Mit gezogener Waffe stürzte ich auf die Mott Street. Mündungsfeuer von rechts zwang mich zu einer Bauchlandung auf dem Bürgersteig. Ein Schuss pfiff über mich hinweg in die Dunkelheit und schlug in Blech oder Kunststoff ein. Ich rollte gegen die Beifahrerseite eines parkenden Wagens.

„Sie sind zu dritt!‟ Orrys Stimme irgendwo hinter mir. Auch er schien zwischen den Autos in Deckung zu liegen. So hatte ich mir den Einsatz nicht vorgestellt. Die Sache war anders geplant gewesen.

Wieder Schüsse, diesmal von der anderen Straßenseite. Jay Kronburg und sein Partner Leslie Morell. Hoffte ich wenigstens.

Meine SIG-Sauer mit beiden Fäusten umklammernd robbte ich an der Parkkolonne vorbei rückwärts. Bis ich Orrys Deckung erreichte. „Was ist passiert?‟

Wieder ein Schuss. Diesmal eindeutig das Gebell von Jays Smith & Wesson. Eine ganze Salve antwortete ihm. Jemand schoss mit einer Maschinenpistole durch die Gegend.

„Sie haben sofort das Feuer eröffnet‟, flüsterte Orry. „Der Ägypter hat den Kofferraum des Mercurys geöffnet, ein Mitsubishi Pick-up hielt neben ihm, und sie begannen die Ladung umzuräumen. Jay hat sie aufgefordert, die Hände zu heben. Der eine hatte eine Maschinenpistole unter der Jacke versteckt. Und schon ging das Feuerwerk los.‟

Polizeisirenen näherten sich. Ich zog mein Handy heraus und rief die Zentrale an. „Trevellian hier. Du weißt, was hier abgeht?‟ Clive bestätigte. „Jay und Leslie sollen uns Feuerschutz geben. Wenn die Cops die Mott Street abriegeln, gehen sie uns nicht durch die Lappen.‟

Ein paar Sekunden lang hörte man nichts. Dann Jays Stimme von der anderen Straßenseite. „Hier spricht das FBI! Zum letzten Mal: Werfen Sie Ihre Waffen weg, und treten Sie mit erhobenen Händen aus Ihrer ...‟

Das Geratter der Maschinenpistole unterbrach ihn. Und gleich darauf peitschten die Schüsse im Sekundentakt über die Straße – Jay und Leslie erwiderten das Feuer.

Eng an die Karosserien gepresst arbeiteten wir uns an den Mercury und den Pick-up heran. Bremsen und Reifen schrien hinter uns. Vor uns sah ich das Geflacker von Rotlicht über die Fassaden streifen. Die Kollegen vom New York City Police Departement sperrten die Straße ab.

Immer wieder das Gebell der Maschinenpistole. Ein Winkel meines Hirns machte sich allen Ernstes Sorgen um mein rotes Prachtstück. Ich hoffte, Jay und Leslie würden sich nicht ausgerechnet den Sportwagen als Kugelfang ausgesucht haben.

Kaum zu glauben, was einem alles durch den Kopf gehen kann, während man sich an die Möglichkeit eines frühen Todes heranpirscht.

An den Rücklichtern eines nagelneuen Chryslers vorbei spähte ich auf die Straße: Drei Männer klemmten zwischen Curseleys Mercury und dem in zweiter Reihe parkenden Pick-up. Mehr als ihre Umrisse konnte ich der Dunkelheit wegen nicht sehen.

Das Mündungsfeuer ihrer Waffen – das sah ich allerdings deutlich. Sobald der mit der Maschinenpistole durchzog, tauchten die anderen beiden kurz auf und schossen über die Ladefläche des Pick-ups hinweg auf die Deckung unserer Kollegen.

Die Flanke der drei Männer war frei.

„Bullshit‟, zischte ich. „Die Idioten lassen uns keine Wahl.‟ Orry schob sich neben mir über den Asphalt ein Stück auf die Straße hinaus. Wir zielten auf die Beine.

Und gleich der erste Schuss traf. Zum Glück auch noch den Maschinenpistolenschützen. Er schrie und kippte nach hinten weg gegen Curseleys Mercury. Seine MP knallte gegen den Kotflügel und dann auf die Straße. Der zweite Schütze wollte nach der großkalibrigen Waffe greifen. Orrys Schuss streckte ihn nieder.

Der dritte Mann gab auf.

Die plötzliche Ruhe hatte was Gespenstisches. Für Augenblicke kein Schuss, kein Geschrei, nicht mal Verkehrslärm.

Schließlich ein metallener Aufschlag auf dem Asphalt. Der dritte Mann hatte seine Waffe auf die Straße geworfen. „Nicht schießen! Nicht schießen!‟ Ein Ausländer, sein Akzent war nicht zu überhören. Mit erhoben Armen schob er sich aus der Deckung. Es war der Ägypter.

Ein paar Minuten später fuhren zwei Ambulanzwagen mit den Angeschossenen Richtung St. Vincents Hospital davon. Der Ägypter in Handschellen stand mit gesenktem Kopf zwischen Jay und Leslie neben dem Pick-up. Orry öffnete eine der beiden Aluminiumkisten, die sich noch im Kofferraum von Curseleys Wagen befanden.

„Plastiksprengstoff.‟ Orry machte sich daran, auch das Schloss der zweiten Kiste zu knacken. „Genug um einen Turm des World Trade Centers zu sprengen.‟ Auch die zweite Kiste enthielt Plastiksprengstoff.

Ich war enttäuscht. Wir hatten etwas anderes erwartet: Nitroglycerin!

Sammelband 3 Thriller: Neue Morde und alte Leichen

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