Читать книгу Zombie Zone Germany: Fressen oder gefressen werden - Thomas Williams - Страница 9

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Kapitel 6

Solch einen Wagen hatte Natalie noch nie gesehen. An den Fenstern waren Drahtgitter montiert, der zerkratzte Lack und mehrere Beulen machten deutlich, dass er schon einiges mitgemacht hatte. Auf der Ladefläche befand sich ein Käfig. Kaum höher als ein ausgewachsener Mann, doch es hätten etwa zehn solche Personen in ihm Platz gehabt.

Als sie über die Ladefläche hinweg zum Parkplatz spähte, entdeckte sie das kleine Feuer, an dem mehrere Männer und Frauen standen. Ihre Kleidung war dreckig, ihre Haare verfilzt. Was aber besonders auffiel, waren die Stacheldrahtkränze auf ihren Köpfen. Auch das hatte Natalie noch nie gesehen.

Einer der Männer kratzte sich die Stirn und den Hinterkopf. Diese Dinger mussten einen wahnsinnig machen, denn schließlich kratzten einem die Dornen ununterbrochen in die Haut und irgendwann ins Fleisch. Doch außer ihm zeigte niemand irgendeine Reaktion darauf.

Die Aufmerksamkeit der Leute galt der Frau, die zwischen ihnen kniete und eine Hand auf den blutenden Stumpf presste, der einmal ihr linkes Knie gewesen war. Sie starrte ihr halbes Bein an, als könnte sie noch gar nicht glauben, dass da etwas fehlte. Dunkle Haarsträhnen hingen in ihr kreidebleiches Gesicht.

Einer der Männer war dabei, das abgetrennte Bein über dem Feuer zu braten, und brachte die anderen zum Lachen, als er sagte: »Weglaufen kann sie jetzt jedenfalls nicht mehr.«

Natalie versteckte sich wieder hinter dem Wagen, um nicht länger hinsehen zu müssen. Der Wind wehte ihr den Geruch von verbranntem Fleisch entgegen, sodass ihr übel wurde.

Sie holte das Magazin aus der P9. Noch vier Kugeln. Zu wenige, um alle Kannibalen auszuschalten. Sie musste also bluffen. Und zwar schnell. Die Frau würde nicht mehr lange durchhalten. Entweder starb sie am Blutverlust oder am Schock. Oder was auch immer die Menschenfresser als Nächstes mit ihr vorhatten.

Natalie schob das Magazin in die Waffe, entsicherte sie und stand auf. Als Soldatin in der Bundeswehr hatte sie viel gesehen und erlebt, aber ihre Beine zitterten dennoch, als sie den Wagen hinter sich ließ. Sie hoffte, entschlossen zu wirken. Und dass der Doc irgendwo lauerte, um einzugreifen, wenn es brenzlig werden sollte.

Mit der P9 auf die Menschenfresser gerichtet ging sie vorwärts, ließ sich ihre Ausbildung, ihre Zeit in Afghanistan, die Auferstehung der Toten in Deutschland und das darauffolgende Chaos durch den Kopf gehen, um sich einzureden, dass sie nach all dem Wahnsinn auch diesmal überleben würde. Oder wenigstens vier von diesen Mistkerlen mitnehmen konnte, sollte etwas schiefgehen.

Als einer der Männer auf sie aufmerksam wurde, reagierte er anders als erwartet. Er nickte in ihre Richtung und sagte gelassen: »Wir kriegen Besuch.«

Sogar die verletzte Frau sah in ihre Richtung. Doch es wirkte eher so, als blickte sie durch sie hindurch.

»Lasst sie gehen«, befahl Natalie, als sie stehen blieb und auf die Gruppe zielte.

Zuerst passierte gar nichts. Niemand erwiderte etwas oder machte Anstalten, zu gehorchen.

Dann begann eine der Menschenfresserfrauen zu lachen und die anderen stimmten mit ein.

»Sie kann aber gar nicht mehr gehen«, spottete die Kannibalin.

Natalies Finger schloss sich etwas fester um den Abzug, doch jetzt abzudrücken, wäre Selbstmord gewesen. Sie hatte keine Deckung und die umgebauten Fahrzeuge standen zu weit entfernt, um sich hinter ihnen in Sicherheit zu bringen.

Einer der Männer wollte auf sie zugehen, aber Natalie schrie: »Stehenbleiben!«

Der andere gehorchte, grinste jedoch: »Und wenn nicht?«

Er war etwas kleiner als die anderen und lag trotz der geringen Nahrungsmittel immer noch gut im Futter. Sein Bauch ragte über den Hosenbund, das Hemd spannte sich über seinem Oberkörper, da es ihm zwei Nummern zu klein sein musste.

Natalie richtete die Waffe auf ihn. »Dann gehst du als erster drauf.«

Er zeigte sich immer noch unbeeindruckt. »Du hast eine ganz schön große Klappe. Vielleicht erwischst du zwei von uns, aber bestimmt nicht alle.«

Während er redete, hoben drei Männer und eine Frau ebenfalls Pistolen. Die Frau hielt einen Colt in den Händen, der aussah, wie aus einem Westernfilm. Das Ding war auf Hochglanz poliert, aber bestimmt nicht, weil sie es so gerne hatte, sondern weil gepflegte Waffen einfach länger hielten. Ohne Waffe war man heutzutage aufgeschmissen. Und schließlich gab es sie nicht an jeder Ecke.

Die anderen hatten Polizeiwaffen, vermutete Natalie. Die einfachste Art, an Gewehre und Pistolen zu kommen, war es, ein Präsidium zu plündern oder in den Krisengebieten zu suchen, wo die Bundeswehr versucht hatte, die Toten zurückzudrängen. Einen Moment blitzte das Bild eines völlig zerstörten Straßenzugs vor Natalies Augen auf. Zerbombte Häuser, brennende Autos und Tote, die sich weiter auf sie zubewegten, egal wie viele von ihnen Natalie und ihre Kameraden mit ihren Maschinengewehren niedermähten. Umgeben von schwarzen Rauchsäulen, die den Himmel verdunkelten, und den Schreien Verwunderter. Und mit Verstärkung im Rücken.

Ihr kam eine Idee. »In diesem Moment sind Gewehre auf euch gerichtet. Wenn ich das Zeichen gebe oder ihr auf mich schießt, eröffnen meine Freunde das Feuer.«

Der Kerl im Hemd grinste immer noch, machte zwei weitere Schritte auf Natalie zu und sagte: »Schätzchen, wir können das hier auf die schnelle oder die langsame Tour machen. Ich empfehle dir die schnelle. Sie ist nicht schmerzlos, aber dafür kurz. Die andere siehst du da hinten.« Er deutete mit dem Daumen auf die verletzte Frau, die nur deswegen noch aufrecht saß, weil einer der Männer seine Hand in ihrem Haar vergraben hatte. Als dieser nun auf sie herabsah, stellte er überrascht fest: »Ich glaube, sie ist tot.«

Der Mann im Hemd drehte sich halb um. Als er sich wieder Natalie zuwandte, schien er eine Sekunde zu überlegen. Und dann lächelte er erneut. »Siehst du, was passiert, wenn ...«

Sie schoss ihm ins Gesicht und wirbelte herum, bevor er zu Boden gegangen war. Die anderen würden das Feuer eröffnen, sobald sich ihre Überraschung gelegt hatte. Natalie rechnete nicht damit, schnell genug hinter einem der Fahrzeuge Deckung zu finden, musste es aber versuchen. Noch unterwegs bereute sie, abgedrückt zu haben, aber früher oder später wäre die Situation ohnehin eskaliert.

Der erste Schuss schlug dicht neben ihren Füßen ein und zwang sie, nach rechts zu laufen. Weg von dem SUV, hinter dem sie vorhin gehockt hatte. Die Menschenfresser wollten ihr nicht erlauben, sich zu verstecken. Sie musste etwas anderes finden und hielt auf einen kleineren Wagen zu. Hinter ihm standen zwei Geländemotorräder. Wenn es ihr gelang, eines zu erreichen und den Motor zu starten, hatte sie vielleicht eine Chance.

Doch die zweite Kugel ließ sie die Idee sofort wieder verwerfen und noch weiter nach links rennen. Der dritte Schuss verfehlte nur knapp ihre Beine und schlug vor ihr ein. Entweder spielten die Menschenfresser mit ihr, oder sie waren verdammt schlechte Schützen.

Natalie überlegte, kurz stehenzubleiben, um zurückzuschießen, aber dann würden sie sie mit Sicherheit treffen. Sie rannte weiter, hielt nach Deckung Ausschau und merkte endlich, in welche Richtung sie sich bewegte. Vor ihr lag einer der Eingänge zum Einkaufszentrum. Die Tür musste schon vor langer Zeit zerstört worden sein.

Ein weiterer Schuss ließ Natalie zusammenzucken. Sie wusste nicht, wo er eingeschlagen war, doch als sie versuchte, dem Eingang auszuweichen, verfehlte sie der nächste so knapp, dass sie den Luftzug der Kugel spüren konnte. So viel dazu, dass die Menschenfresser schlechte Schützen waren. Sie wollten sie gar nicht treffen, sondern zwangen sie, in das Gebäude zu rennen.

Dort drinnen würde es dank Trümmern und verschiedenen Geschäften genug Verstecke geben.

Doch nach ein paar Metern im Inneren des Gebäudes, verlangsamte sie ihre Schritte, sah sich im Halbdunkel um, und begann zu überlegen, warum sie hierher gelotst worden war. Ihr rasender Herzschlag verhinderte, dass sie auf Geräusche achtete. Dennoch glaubte sie, etwas zu hören. Schritte. Oder Stimmen. Sie konnte es einfach nicht erkennen. Nach ein paar weiteren Metern hatte sie die Wahl, nach links oder rechts zu gehen. Links musste die verstopfte Hauptstraße liegen, doch als sie draufzugehen wollte, begann sich dort etwas vor dem Ausgang zu bewegen. Mehrere Gestalten kamen plaudernd aus einem der Läden und blieben erst nach mehreren Schritten stehen. Ihre Augen ruhten auf Natalie, die sich, ohne zu zögern, herumdrehte und in die andere Richtung rannte. Vorbei an eingeschlagenen Fensterscheiben und im Weg liegendem Schrott. Obwohl ihr Herz immer noch wie wild schlug, konnte sie die Geräusche in ihrem Rücken nun deutlicher hören.

Es handelte sich um schnell näherkommende Schritte und schrilles Gelächter. Letzteres war heutzutage nur noch selten zu hören, doch diese Leute schienen sich wahnsinnig über etwas zu freuen.

Als hätten sie Spaß daran, zu jagen.

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