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ОглавлениеI Grundsätzliche Fragen zur ALS
1 Was ist ALS?
Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine schwere neurologische Erkrankung, die zu fortschreitenden Lähmungen der Betroffenen führt. Es handelt sich um eine neurodegenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems. Darunter ist der fortschreitende Abbau (Degeneration) derjenigen Nervenzellen in Gehirn und Rückenmark zu verstehen, die für die Steuerung der Muskulatur verantwortlich sind. In der Folge der ALS entstehen fortschreitende Lähmungen (Paresen) oder eine unkontrollierte Muskelanspannung (Spastik) der Willkürmotorik. Diejenigen Muskelgruppen, die bewusst vom Menschen angespannt werden können, werden als Willkürmotorik bezeichnet. Die Zunge, die Schlundmuskulatur, die Rumpf- und Atemmuskulatur, aber vor allem die Extremitätenmuskeln gehören zur Willkürmotorik. Alle Muskelgruppen, die keiner willkürlichen Kontrolle des motorischen Nervensystems unterliegen, sind bei der ALS ausgespart. Dazu gehören die Herzmuskulatur sowie sämtliche Muskelgruppen der inneren Organe (z. B. Magen-, Darm- und Gefäßmuskulatur). Durch die gemeinsame Betroffenheit des Nerven- und Muskelsystems wird die ALS auch als eine neuromuskuläre Erkrankung bezeichnet.
2 Was bedeutet der Begriff »Amyotrophe Lateralsklerose«?
Die Abkürzung ALS steht für den medizinischen Begriff »Amyotrophe Lateralsklerose«. Es handelt sich um den medizinischen Namen, den der Erstbeschreiber der ALS für diese Erkrankung im Jahre 1874 vorgeschlagen hat. Dieser medizin-historische Begriff beschreibt Grundelemente der Erkrankung. »Amyotroph« lässt sich mit der Formulierung »ohne Muskeln« übersetzen. Das Wort »Lateralsklerose« steht für eine »seitliche Verkalkung«. Diese Formulierung zielt auf den Abbau des Seitenstranges im Rückenmark, der die zentrale motorische Nervenbahn im Rückenmark verkörpert und bei der ALS degeneriert. Eine freie Übersetzung des Begriffes der Amyotrophen Lateralsklerose bedeutet »Muskelschwund durch einen Abbau der Seitenstränge im Rückenmark«. Dieser Begriff ist ausschließlich historisch zu verstehen, da in der Begrifflichkeit nur die Veränderungen auf Rückenmarksebene beschrieben werden und auch der Lähmungscharakter im Wort nicht beschrieben wird. Der ALS-Begriff ist damit inhaltlich nicht »korrekt«, aber ein weltweit verbindlicher Name der zugrunde liegenden Erkrankung. Der weite Gebrauch eines historischen Krankheitsbegriffes ist nicht nur für die ALS typisch, sondern betrifft die gesamte Medizin. Beispiele für weitgenutzte historische Begriffe sind »Multiple Sklerose«, »Krebs«, »Arteriosklerose«, »Schlaganfall« und zahlreiche Bezeichnungen anderer schwerer Erkrankungen.
3 Was bedeutet »Motoneuron-Erkrankung«?
Der Begriff »Motoneuron-Erkrankung« lässt sich als »Erkrankung der motorischen Nervenzellen« übersetzen. »Moto« steht für das Wort »motorisch«, während das »Neuron« der medizinische Begriff für »Nervenzelle« darstellt. Motoneuron-Erkrankungen sind damit die Gesamtheit aller Erkrankungen, bei denen motorische Nervenzellen abgebaut werden Bei Motoneuronen-Erkrankungen können die folgenden Symptome auftreten: unvollständige Lähmungen (»Parese« genannt), vollständige Lähmungen (»Plegie« oder »Paralyse« genannt), Muskelschwund (»Myatrophie« genannt) oder eine unkontrollierte Muskelanspannung, die sich als Muskelsteifigkeit darstellt (»Spastik« genannt). Die ALS ist die häufigste Motoneuron-Erkrankung. Neben der ALS gehören auch andere Erkrankungen dazu, die diagnostische und prognostische Unterschiede zur ALS-Erkrankung aufweisen. Zur Gruppe der Motoneuron-Erkrankungen, die keine ALS verkörpern, gehören die Spinale Muskelatrophie (SMA, Frage 60), die Spinobulbäre Muskelatrophie (SBMA; auch Kennedy-Erkrankung genannt, Frage 61) sowie die Spastische Spinalparalyse (SSP, Frage 65), die unter bestimmten Umständen auch als Hereditäre Spastische Paraparese (HSP) bezeichnet wird. Die Symptomverteilung, der Schweregrad und die Dynamik der Symptomentwicklung zwischen diesen Erkrankungen sind sehr unterschiedlich. Für einen Spezialisten ist die Unterscheidung zwischen diesen Diagnosen möglich. In bestimmten Kliniken wird der Begriff der »Motoneuron-Erkrankung« auch synonym für die ALS benutzt, da sie die häufigste Motoneuron-Erkrankung des Erwachsenenalters darstellt. In Großbritannien und britisch-geprägten Gesundheitssystemen wird der Begriff Motoneuron-Erkrankung (Motor Neuron Disease; MND) anstelle des Wortes der ALS benutzt.
4 Seit wann ist die ALS bekannt?
Die ALS wurde erstmalig im Jahr 1874 vom französischen Neurologen Jean-Martin Charcot am Pariser Universitätskrankenhaus Hôpital de la Salpêtrière beschrieben. Er bezeichnete die Erkrankung als »Amyotrophe Lateralsklerose«. Bereits im Jahr 1850 hat der französische Neurologe François Aran die progressive Muskelatrophie (PMA, Frage 38) entdeckt. Zum damaligen Zeitpunkt ging man davon aus, dass die PMA und ALS unterschiedliche Erkrankungen seien. Heute ist bekannt, dass die PMA eine spezifische Variante der ALS darstellt. Damit wurde die ALS im weiteren Sinne erstmalig von Aran bereits 1850 charakterisiert. Die Namensgebung, die bis heute Gültigkeit hat, folgte dann 24 Jahre später durch Charcot.
5 Wer bekommt ALS?
Die ALS ist eine schicksalshafte Erkrankung, für die nach dem heutigen Stand der Medizin keine äußeren Ursachen bekannt sind. Damit ist die ALS in jedem Fall ohne »Eigenverschulden« zu betrachten. Bestimmte Erkrankungen sind mit einem Risikoverhalten verbunden (z. B. bestimmte Krebserkrankungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch Rauchen, Alkoholgenuss, körperliche Inaktivität usw.). Diese beeinflussbaren Risikofaktoren liegen bei der ALS nicht vor. Daher ist der Begriff der »Schicksalshaftigkeit« der ALS gerechtfertigt. Die Mehrheit der Betroffenen war vor der Diagnose einer ALS gesund und ohne wesentliche Vorerkrankungen. Die ALS tritt daher ohne Vorboten auf. Die Mehrheit der Betroffenen erkrankt im Alter zwischen 50 und 60 Lebensjahren. Männer und Frauen sind fast gleichermaßen betroffen: das männliche Geschlecht überwiegt geringgradig (1,5 : 1). Verschiedene Studien haben versucht, ein bestimmtes Profil von Menschen mit ALS zu identifizieren. Verschiedene Untersuchungsserien zeigen, dass Menschen mit ALS vor Erkrankungsbeginn schlanker und sportlicher sind als entsprechende Vergleichsgruppen. Weitere Studien haben nachgewiesen, dass Menschen mit ALS – in einer statistischen Betrachtung – einen höheren Bildungsstatus und ein überdurchschnittliches Einkommen aufweisen. Für viele Studienergebnisse zu Persönlichkeitsmerkmalen von ALS-Patienten liegen auch gegenteilige Untersuchungsergebnisse vor. Insgesamt lässt sich damit kein »Persönlichkeitsprofil« für Menschen mit ALS festlegen. Insgesamt kann grundsätzlich jeder Mensch im Verlauf des Lebens an ALS erkranken. Das Risiko für eine ALS ist erhöht, wenn eine familiäre (erbliche) Form der ALS vorliegt ( Frage 130).
6 Warum ich?
Die Frage »Warum hat mich die ALS getroffen?« beschäftigt fast alle Menschen mit ALS. In dieser Frage liegt die Vermutung oder Sorge, dass möglicherweise ein Ereignis in der eigenen Biografie als Krankheitsursache zugrunde liegt, das einem bisher nicht bewusst war. Die Sorge oder Vermutung ist jedoch medizinisch nicht begründet: Für die ALS liegen auch keine Ursachenfaktoren vor, die an einen Lebensstil oder andere biografische Ereignisse gebunden sind. Bestimmte Berufe, Ernährungsgewohnheiten, die Belastung mit Toxinen (Holzschutzmittel, Farben, Lacke und andere Chemikalien), Fremdkörper (Zahnfüllungen, Implantate) oder Infektionen (Borreliose) sind keine Ursachenfaktoren der ALS. Die Frage »Warum ich?« lässt sich vereinfacht so beantworten, dass die ALS »zufällig« entsteht. Hinter diesem »Zufall« sind bisher unverstandene molekulare Fehler zu vermuten, die zu einer schädlichen Ereignisabfolge auf zellulärer Ebene führen und die Degeneration der motorischen Nervenzellen einleiten. Zu einem geringeren Teil der ALS-Patienten sind bereits heute genetische Faktoren (Mutationen in »ALS-Genen«) bekannt, die von vorangehenden Generationen übertragen wurden oder in der eigenen Embryonalentwicklung entstanden sind ( Frage 130).