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Konsequenz muss bewusst sein
ОглавлениеBevor wir nun tiefer einsteigen, stelle ich Ihnen noch ein Modell vor, das auf den Entwicklungspsychologen Noel Burch zurückgeht und beschreibt, wie die Entwicklung von Kompetenzen abläuft. Ich nutze es sehr gerne für meine Arbeit, und weil sich damit mein Weg umso besser nachvollziehen lässt, stelle ich es auch zentral in diesem Buch heraus. Tatsächlich veranschaulicht es bereits 99 Prozent aller Herausforderungen, die in einem Unternehmen auftreten können. Burch beschreibt die situative Kompetenzentwicklung in vier Reifegraden. Die erste Stufe ist die unbewusste Inkompetenz. Ich beschreibe sie gerne spaßeshalber mit: »Ich weiß nicht, dass ich dumm bin!« – das trifft ziemlich den Kern des Ganzen. Auf diesem Reifegrad verstehen wir nicht, worum es geht, oder wissen nicht, wie wir etwas bewirken sollen. Eigene Defizite erkennen wir nicht. Eigenartigerweise halten sich die meisten Menschen mit diesem Reifegrad für kompetent und handeln häufig intuitiv falsch.
Erhalten wir bei diesem Reifegrad ausreichend ernstzunehmendes Feedback, erreichen wir die zweite Stufe, die bewusste Inkompetenz. Das ist natürlich verheerend, denn übersetzt bedeutet es: »Ich weiß, dass ich dumm bin!« – das tut weh. Hier verstehen oder wissen wir nicht, wie wir etwas erreichen können. Wir kennen zwar unsere Defizite und wie diese sich auswirken, aber einen Ausweg sehen wir nicht. Menschen mit diesem Reifegrad handeln möglicherweise intuitiv richtig, sind jedoch nicht in der Lage, ihr Handeln zu analysieren.
Sobald wir uns unserer Inkompetenz bewusst sind, wollen wir diesen Reifegrad verlassen – wer will schon wissen, dass er dumm ist? An dieser Stelle scheiden sich die Geister: Viele Menschen fühlen sich mit dem ersten Reifegrad sehr wohl, weil sie sich dann vor der Wahrheit verstecken können. Sie neigen dazu, wieder in die unbewusste Inkompetenz zurückzufallen, eine klassische Verdrängungsstrategie. Andere dagegen entscheiden sich für das Lernen. Dafür, sich weiterzuentwickeln und die eigenen Kompetenzen auszubauen.
Wer das schafft, erreicht den dritten Reifegrad: die bewusste Kompetenz oder auch »Ich weiß, was ich kann«. Sind wir hier angelangt, fragen wir uns, wie wir vorher mit der Situation klarkommen konnten. Bei diesem Reifegrad verstehen oder wissen wir, wie wir die Dinge anpacken müssen, um unser Ziel zu erreichen. Authentisch, selbstbewusst und gleichzeitig kooperativ zu zeigen, was man kann und weiß, ist nicht so einfach. Es verlangt Konzentration und die Fähigkeit, sich und das eigene Vorgehen zu analysieren und zu reflektieren.
Wir haben so viel praktische Erfahrung mit unseren Fähigkeiten, dass sie uns irgendwann in Fleisch und Blut übergehen und jederzeit abgerufen werden können. Wenn wir Auto fahren, denken wir über das Schalten nicht mehr nach; es läuft unbewusst ab, eine höhere Konzentration ist nicht mehr notwendig, um die Fähigkeit anzuwenden. Diese Routine hilft unserem Gehirn dabei, Ressourcen zu sparen. Ist dieser Grad erreicht, sprechen wir von der unbewussten Kompetenz, die – weil sie unbewusst abläuft – nicht mehr problemlos weitervermittelt werden kann. Wir können sie zwar anwenden, sind uns aber der Regelhaftigkeit dahinter nicht (mehr) bewusst. Daher besteht auf dieser Stufe die Gefahr, dass sich Fehler einschleichen, weil sich im Umfeld Dinge entwickelt haben, die bei der Anwendung unserer Kompetenz nicht berücksichtigt werden. Wir drohen, wieder auf den ersten Reifegrad zurückzufallen. Hier hilft nur ständige Selbstreflexion!