Читать книгу K.L.A.R. - Taschenbuch Dann bleib ich eben sitzen! - Thorsten Steffens - Страница 8

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4. VIN DIESEL

Da bist du ja endlich!“ Ihre Stimme klingt irgendwie erleichtert, aber auch ein bisschen vorwurfsvoll.

Kati kommt auf mich zugelaufen und umarmt mich. Sie drückt ihren Kopf ganz fest an meine Brust.

„Nicht wegrennen!“, sagt sie. Und so, wie sie’s sagt, nehme ich mir auch vor, es nicht mehr zu tun. Zumindest nicht so, dass sie es mitbekommt.

„Hier! Für dich!“, sage ich und halte ihr das Einhorn hin.

Kati kreischt vor Freude. „Für mich? Aaaaahhhh! Danke, danke, danke … Guck mal, Mami. Tim hat mir Einhorn mitgebracht!“ Stolz hält sie das Stofftier hoch und ich sehe, wie meine Mutter kurz lächelt.

„Wir müssen noch zur Schule“, sagt sie. „Dich anmelden. Die Sekretärin hat gesagt, dass wir noch bis 16 Uhr vorbeikommen können.“


Entweder ist es bis zur Schule tatsächlich ganz schön weit oder meine Mutter hat sich auf dem Weg dorthin hundert Mal verfahren.

Wir steigen aus dem Auto und ich schaue mir kurz das Gebäude an.

Das ist also meine neue Schule. Komisch, von einem auf den anderen Tag ist auf einmal alles neu: neue Stadt, neues Zuhause, neue Schule.

Im Sekretariat müssen wir warten, weil der Direktor mich kennenlernen möchte. Na super! „Sei ja nett zu ihm“, ermahnt mich meine Mutter, während wir uns auf zwei Holzstühle setzen.

„Ja, ja.“ Ich nehme mein Handy aus der Hosentasche.

„Steck das weg! Das ist unhöflich!“, zischt meine Mutter von der Seite.

„Aber …“ Ich will gerade protestieren und sagen, dass der Direx doch noch gar nicht hier ist, als neben der Sekretärin die Tür aufgeht. Ein Mann kommt heraus und mir bleibt erst mal der Mund offen stehen: Der Typ ist geschätzte zwei Meter groß, bepackt mit Muskeln und sieht auch frisurentechnisch aus wie Vin Diesel.

„Guten Tag! Ich bin Herr Angel.“ Er reicht meiner Mutter die Hand.

„Guten Tag, Linda Jenssen. Ich danke Ihnen, dass wir so spät noch vorbeikommen können. Wir sind heute erst nach Köln gezogen.“

Dann reicht er mir die Hand.

„Hallo.“ Ich schließe schnell den Mund.

Er quetscht ganz schön zu mit seiner Hand. „Und hast du auch einen Namen?“

„Ja“, sage ich.

Meine Mutter schreitet ein. „Das ist Tim.

Bitte entschuldigen Sie sein Verhalten!“

Wir gehen in sein Büro.

„Bitte schön!“ Er deutet auf zwei Stühle, die vor einem riesigen Schreibtisch stehen. Der ist vollgepackt mit Papier, Büchern, einer Kaffeetasse, Briefen und Aktenordnern. Das totale Chaos. Fast so schlimm wie in meinem Zimmer. Aber hier beschwert sich meine Mutter nicht lauthals.

„So so, umzugsbedingter Schulwechsel also“, sagt er und lässt sich in seinen Chefsessel nieder. Er klingt auch ein wenig wie Dominic Toretto aus The Fast and the Furious. Tiefe, brummige Stimme. „Haben Sie ein Überweisungszeugnis dabei?“

Meine Mutter gibt ihm das Zeugnis. Er wirft einen kurzen Blick darauf.

„Was ist das denn?“, fragt er und schaut mich an.

„Mein Zeugnis.“

„Das sehe ich! Aber was sind das für Noten? Also, mit solchen Leistungen schaffst du das Schuljahr hier aber nicht! Da musst du dich schon mehr anstrengen!“

Ich seufze genervt. Immer dasselbe! Von allen Seiten. Ich hab’s ja kapiert!

„Tim!“, ermahnt mich meine Mutter.

„Ja, was?“, schnauze ich sie an. „Ich hab’s verstanden. Das hör ich heut ja nicht zum ersten Mal.“

Ich stehe auf und verlasse das Büro. Mir reicht’s langsam!

„Tim!“, ruft meine Mutter hysterisch hinter mir her. Mit total hoher Stimme. Dann höre ich sie noch was faseln von wegen: „Normalerweise ist er nicht so. Sie müssen verstehen, er macht gerade eine schwierige Zeit durch und …“ Dann bin ich schon im Foyer und kann sie zum Glück nicht mehr hören.


Es dauert eine Ewigkeit, bis meine Mutter endlich zum Auto kommt. In der Zwischenzeit habe ich was im Netz gesurft.

„Was fällt dir eigentlich ein?“

Jetzt geht der Shitstorm los.

„ES REICHT!“, brülle ich sie stattdessen an. Merkwürdig, denn ich brülle so gut wie nie! „Ich will nichts mehr hören! Ja, ich weiß, dass meine Noten Kacke sind. Ja, ich weiß, dass ich mit dem Zeugnis sitzengeblieben wäre.

Ja, ich weiß, dass ich mich mehr anstrengen muss. Ja, ich weiß, dass ich mich gerade danebenbenommen hab.“

Ich hole kurz Luft. „Das musst du mir also nicht mehr sagen!“

Das tut sie dann auch nicht. Sie fährt los und redet kein Wort.

Na super! Jetzt kommt sie wieder mit dieser Tour. Schweigen als Bestrafung! Das macht sie immer dann, wenn ich mich entschuldigen soll. Aber heute spiele ich da nicht mit.

Ich schweige ebenfalls.

Wir fahren gute zehn oder 15 Minuten bis nach Hause. Die Straßen sind alle dicht.

Ich sehe, dass meine Mutter immer noch wütend ist.

Aber ich bin auch sauer! Sie ist nicht die Einzige, die ein Recht darauf hat, wütend zu sein. Ich bin sauer auf meine Mutter, die immer nur nörgelt, auf die Schule, die so beschissen langweilig ist, auf die Lehrer, die einem nur schlechte Noten reindrücken wollen, auf diese Scheißstadt, in die ich gar nicht wollte … ich bin einfach auf alles sauer.

Dann, gerade als meine Mutter in unserer neuen Straße geparkt hat, sagt sie doch noch etwas. Den Motor hat sie schon ausgeschaltet. „Weißt du was? Ich bin langsam wirklich mit meinem Latein am Ende. Daher sage ich dir nur eines: Wenn du dieses Schuljahr wieder sitzenbleibst, kannst du zu Papa ziehen! Verstanden?“

Dann steigt sie aus, wartet ungeduldig, bis ich auch ausgestiegen bin, schließt den Wagen ab und stiefelt zur Haustür, ohne auch nur auf mich zu warten.

K.L.A.R. - Taschenbuch Dann bleib ich eben sitzen!

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