Читать книгу Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit - Tilman Wetterling - Страница 11
Fallvignette 3 (rechtliche Probleme durch Alkohol, Stigmatisierung)
ОглавлениеNach einem schweren Verkehrsunfall mit Verletzten ordnete die Polizei bei dem 24-jährigen Fahrer, Herrn A., der den Unfall durch seinen zu schnellen und riskanten Fahrstil verursacht hatte, eine Blutuntersuchung auf Alkohol an. Die Bestimmung ergab 1,9 ‰. In der Gerichtsverhandlung kam der Gerichtsmediziner aufgrund der Angaben von Herrn A. zu einem errechneten Ausgangswert von 2,1 ‰. Herr A. gab an, auf einer Betriebsfeier getrunken zu haben. Er sei nicht betrunken gewesen. Das Gericht verurteilte Herrn A. wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen und verhängte ein dreimonatiges Fahrverbot.
Acht Jahre später wurde bei Herrn A. bei einer Polizeikontrolle wegen eines auffälligen Fahrverhaltens eine Atemalkoholbestimmung durchgeführt. Sie ergab 1,7 ‰. Herr A. behauptete wiederum, dass er nur bei »besonderen Gelegenheiten« Alkohol trinke, er habe kein Problem mit Alkohol. Herrn A. wurde von der Polizei wegen Fahrens in alkoholisiertem Zustand der Führerschein für ein Jahr entzogen.
Ein halbes Jahr später wurde die Polizei von einem Busfahrer alarmiert, weil in seinem Bus gerade eine heftige Auseinandersetzung zwischen mehreren Fahrgästen stattfand. Bei Eintreffen der Polizei hatten sich zwei von ihnen gegenseitig ins Gesicht geschlagen. Der eine der Kontrahenten war Herr A. Er war sehr erregt und konnte von den Polizisten kaum gebändigt werden. Er gab an, der neben ihm Sitzende hätte ihn mit der Bemerkung provoziert: Er sei wohl Alkoholiker, wenn er schon gegen 18 Uhr eine deutliche Alkoholfahne habe. Er solle sich auf einen anderen Platz setzen. Andere Fahrgäste hätten sich ebenfalls abfällig geäußert. Daraufhin habe er sich zur Wehr gesetzt, denn er lasse sich so etwas nicht nachsagen. Er sei kein Alkoholiker.
Da der andere wegen seiner Gesichtsverletzungen Anzeige erstattete, wurde bei beiden Kontrahenten eine Blutprobe angeordnet. Die des anderen ergab eine BAK von 0 ‰, während Herr A. 2,3 ‰ hatte. Die Polizisten hatten in dem Protokoll notiert, dass Herr A. außer einem leicht geröteten Gesicht mit zwei Prellmarken und der Alkoholfahne keine Auffälligkeiten zeigte. Vor Gericht gab Herr A. wiederum an, nur gelegentlich viel zu trinken, dann oft bis zum Rausch. Es kam zu einer Strafe von einem halben Jahr Haft auf Bewährung. Die Richterin hatte in ihrem Urteil ausdrücklich betont, dass bei einer erneuten Straftat unter Alkoholeinfluss eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB erwogen werden müsse. Sie habe allerdings Zweifel, ob diese Maßnahme Erfolg hätte, da Herr A. offensichtlich Rauschtrinker sei und trotz der Konflikte mit dem Gesetz keine Veränderungsbereitschaft zeige.