Читать книгу Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit - Tilman Wetterling - Страница 9
1.2 Fallvignetten Fallvignette 1 (körperliche Folgeerkrankungen):
ОглавлениеDer 56-jährige alleinlebende Herr H. ging auf Anraten seiner Tochter nach längerer Zeit wieder einmal zu seinem Hausarzt. Dort berichtete er, der Tochter sei aufgefallen, dass er bei den wenigen Kontakten abgeschlagen und müde wirke. Dem Hausarzt fiel in dem Gespräch eine Gelbfärbung der Skleren auf. Bei der körperlichen Untersuchung stellte der Arzt eine gering vergrößerte und verhärtete Leber sowie abgeschwächte Reflexe an den Beinen und einen breitbeinigen Gang fest.
Auf Nachfragen gab Herr H. an, Alkohol in Maßen zu trinken, so wie andere auch. Rauschzustände wurden verneint. Der Zigarettenkonsum wurde mit einer Packung pro Tag angegeben. Auf weitere Nachfrage negierte Herr H. gesundheitliche Probleme bei seiner Arbeit als selbstständiger Versicherungsvertreter. Die Konkurrenz durch die Online-Versicherungen sei allerdings sehr hart und er erreiche kaum noch die Anzahl der geforderten Neuverträge. Abends brauche er dann immer häufiger etwas zur Entspannung. Er trinke dann gern ein oder zwei Bier. Der Hausarzt äußerte daraufhin seinen Verdacht, dass Herr H. einen gesundheitsschädlichen Alkoholkonsum betreibt, der schon zu einer Leberschädigung geführt hatte. Er schlug Herrn H. daher vor, sich in einer internistischen Klinik eingehend untersuchen zu lassen. Herr H. bat um einige Tage Bedenkzeit.
Drei Wochen später erscheint er wieder in der Praxis seines Hausarztes. Diesmal hat er eine deutlich sichtbare gelbliche Verfärbung der Haut und der Skleren. Der Hausarzt weist ihn umgehend in eine internistische Klinik ein. Dort wird sonografisch ein zirrhotischer Umbau der Leber sowie ein leichter Aszites festgestellt. Im Labor weist Herr H. eine deutliche Erhöhung des Bilirubins und der Leberenzyme auf.
Nach der Aufklärung über diese Diagnose bittet ihn der Stationsarzt, zu einem Gespräch über das weitere Vorgehen auch Familienangehörige hinzuzuziehen. Zwei Tage später kommt die Tochter, die berichtet, dass ihr Vater seit mindestens 30 Jahren regelmäßig Alkohol trinkt. Deshalb sei es zu Auseinandersetzung mit ihrer Mutter gekommen, die sich vor etwa 15 Jahren von ihrem Vater getrennt habe. Seitdem lebe er allein. In dem Gespräch gibt Herr H. nur einen vermehrten Alkoholkonsum seit seiner Trennung von der Ex-Ehefrau zu. Am Ende des Gesprächs stimmt Herr H. nach Zögern und auf Drängen der Tochter dem Vorschlag des Arztes zu, mithilfe der Sozialarbeiterin eine Rehabilitationsbehandlung zu beantragen.