Читать книгу Quantumdrift - Tilo Linthe - Страница 7
Flug
ОглавлениеZwar war die akute Gefahr vorbei, doch die Probleme an Bord waren noch lange nicht gelöst. Die Elektronik der meisten Bordsysteme funktionierte nicht mehr und auch die Panzerung der Arkanos war schwer angeschlagen. Ob das Schiff überhaupt wieder fliegen würde, war ungewiss, und Sam fragte sich, wohin sie eigentlich flogen. Er wandte sich um, aber der Sessel des Captains war leer - er hatte die Brücke offenbar verlassen. Stattdessen kam ein Mann auf Sam zu, dessen breites Grinsen an einen Frosch erinnerte. Es wirkte genauso kalt wie seine Stimme klang.
"Mein Name ist Damian McQuire. Ich bin Koordinator in Point Alpha und organisiere die Reparaturarbeiten."
Ein Schauder erfasste Sam, als er die Stimme wiedererkannte. Die eiskalten Augen des anderen musterten ihn … Wie eine Hyäne, die ihre verendende Beute beobachtete. Sam bekam einen Kloß im Hals.
"Wir bilden Zweierteams, um die defekte Elektronik zu ersetzen. Ich habe bereits fast alle Teams zusammengestellt. Allerdings", McQuire hob den schmalen Zeigefinger an die Lippen, als müsste er überlegen, "weiß ich nicht, wer mit einem Zivilisten zusammenarbeiten wollen würde."
Wie ein durch Watte gezogenes Messer entfalteten die kalten Worte erst allmählich ihre schneidende Wirkung. Wie so oft in der Vergangenheit fühlte sich Sam hilflos und mit der Situation überfordert. Warum musste er immer an solche Leute geraten? McQuires Lächeln wurde noch breiter, als er die Verunsicherung in Sams Gesicht bemerkte.
"Ich glaube, ich habe eine angemessene Aufgabe für Sie." Mit seinen unnatürlich langen, knotigen Fingern holte er eine Zahnbürste hinter dem Rücken hervor und hielt sie Sam hin.
Was sollte er tun? Protestieren? Stattdessen nahm er sie wortlos entgegen. Die peinlich berührten Blicke der Brückenbesatzung, die ihn gelegentlich streiften, brannten wie Feuer auf seiner Haut.
"Bis jemand bereit ist, mit einem Zivilisten zusammenzuarbeiten, kommen Sie mit den Latrinen auch allein klar, oder sollte selbst das eine zu schwierige Aufgabe für Sie sein?"
Scham und Zorn wüteten in Sam, aber sein Kopf war leer. Er fühlte sich so schwach, als wäre er gerade einen Marathon gelaufen, seufzte innerlich und wollte sich in seinem Schicksal schon fügen, als eine entrüstete Stimme ertönte.
"Was bilden Sie sich eigentlich ein?!" Mit funkensprühenden Augen kam Theresa auf sie zu.
Sam fühlte sich an Larianas Entrüstung erinnert, wenn er ihr wieder einmal von den neuesten Gemeinheiten berichtete, die seine Arbeitskollegen gegen ihn ausgeheckt hatten.
"Wie kommen Sie dazu, die Leute zu schikanieren?!", fragte sie herausfordernd.
McQuire wandte sich irritiert um. Mit Widerspruch hatte er nicht gerechnet. Als er auf die kleine, gedrungene Gestalt hinabsah, gewann er seine Selbstsicherheit sofort zurück.
"Nun, Miss ..."
"Snow", antwortete Theresa angriffslustig und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust.
"Nun, Miss Snow … Wie ich ihrem Freund hier gerade erklärt habe, koordiniere ich die Reparaturarbeiten auf dem Schiff. Wenn Sie dem Zivilisten nicht zugeteilt werden wollen, rate ich Ihnen, ganz schnell das fortzusetzen, was auch immer Sie hier zu tun haben."
Doch so leicht gab sich Theresa nicht geschlagen.
"Sogar Gäste müssen sich an den Reparaturarbeiten beteiligen?"
Inzwischen war es auf der Brücke still geworden. McQuire bemerkte, dass die gesamte Brückenmannschaft den verbalen Schlagabtausch verfolgte. Seine Augen traten noch weiter aus ihren Höhlen.
"Gäste?!"
"Wenn ich Sie daran erinnern darf: Sam Njuman gehört nicht zur Besatzung dieses Schiffes. Also ist er Gast hier an Bord. Wollen Sie einen Gast des Captains die Latrine putzen lassen?"
Verunsichert blickte McQuire auf Theresa hinab, die ihm angriffslustig ihr Kinn entgegen reckte.
"Mh … Vermutlich hätte diese Aufgabe den Zivilisten sowieso überfordert …", beschied der Froschartige nach einer kurzen Denkpause. "Aber Sie gehören zur Besatzung dieses Schiffes, oder?"
Sein spindeldürrer froschähnlicher Zeigefinger stach in Theresas Richtung, als wollte er ihre Brust durchbohren.
"Lassen Sie nur. Ich putze die La..." Aber weiter kam Sam nicht, denn Theresa überging das Friedensangebot einfach.
"Ich bin schon vom Cheftechniker in den Maschinenraum beordert - tut mir echt leid. Außerdem würde es dem Captain sicher nicht gefallen, wenn Techniker die Klos putzen, obwohl es Wichtigeres zu tun gibt." Sie machte einen übertriebenen Knicks und wandte sich dann Sam zu, während sie über die Schulter hinweg zu McQuire sagte: "Und ich brauche noch jemanden, der mir hilft. "
"Nun gut." McQuire blieb nichts anderes übrig, als einzulenken. Mit einem Lächeln, das keineswegs gewinnend wirkte, wandte er sich zum Gehen.
"Haben Sie nicht etwas vergessen?" Immer noch das vorgereckte Kinn.
Sam musste sich eingestehen, dass er diese angriffslustige Pose ausgesprochen sexy fand. Sie nahm ihm die Zahnbürste aus der Hand und hielt sie McQuire entgegen. Das sicher muskelkaterverursachende Lächeln verschwand aus seinem Gesicht. Mit einer herrischen Geste riss McQuire die Zahnbürste an sich und stakste davon. Sein Gang hatte etwas von einem Taucher mit Flossen, der über den Strand zum Wasser watschelte.
"Danke. Du hast mir das Leben gerettet." Sam atmete auf.
Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Auf der Brücke wurde es augenblicklich ein paar Grad wärmer, so schien es Sam.
"Komm schnell, wir müssen in den Maschinenraum. Wie ich McQuire einschätze, rennt der gleich zum Captain und der duldet keine Faulpelze an Bord. Vor allem nicht jetzt, wo jede helfende Hand gebraucht wird."
"Zum Maschinenraum? Ich hab zwei linke Hände." Zudem freute sich Sam nicht gerade auf eine erneute Begegnung mit dem Cheftechniker.
"Wenn ich Horst überzeugen kann, dass ich dich brauche, kann McQuire gar nichts machen."
Und so stakste Sam hinter Theresa her.
Am Eingang zum Maschinenraum kam Reiniger energisch auf sie zugepflügt. Den Kopf leicht gesenkt und mit zitternden Hängebacken und Doppelkinn wirkte er, als wollte er sie gleich auf die Hörner nehmen. Sicherheitshalber blieben Theresa und Sam stehen. Als Reiniger schließlich vor Theresa anhielt, ging eine wundersame Veränderung mit ihm vor. Seine Miene hellte sich auf, die Augenbrauen schossen nach oben und er brachte etwas zustande, das Ähnlichkeit mit einem Lächeln hatte. Theresa schenkte ihm ein strahlendes Lächeln zurück, mit dem man ein ganzes Heizkraftwerk hätte ersetzen können.
"So, da bin ich. Was soll ich machen?"
"Sehr schön, sehr schön. Du kennst dich mit den Energiekupplungen und Magnetspulen für die Wandler aus - es wäre schön, wenn du dich darum kümmern könntest."
"Aber selbstverständlich, Horst. Du weißt doch: Für dich würde ich fast alles tun." Wieder ihr strahlendes Lächeln.
Misstrauisch blickte Reiniger zu Sam, den er an Theresas Seite erst jetzt wahrzunehmen schien. Sein Blick verdüsterte sich wieder.
"Für dich ist der Maschinenraum Sperrgebiet. Zivilisten haben hier keinen Zutritt."
Theresa machte einen Schmollmund.
"Seit wann denn das? Bisher hatten wir doch gar keine Zivilisten an Bord."
"Aber jetzt schon, und ich entscheide, wer in meinen Maschinenraum darf und wer nicht. Und Zivilisten haben keinen Zutritt."
"Lass nur", winkte Sam ab. Er wollte keinen Streit provozieren. "Ich gehe schon … Ich kann mich auch woanders nützlich machen."
Aber Theresa hielt ihn am Arm fest, ohne ihre Aufmerksamkeit von Reiniger abzuwenden.
"Horst, unser Zivilist hier", und als sie das Wort Zivilist aussprach, knurrte Reiniger, "war in seinem früheren Leben Maschinentechniker. Er könnte eine wertvolle Hilfe dabei sein, den Antrieb wieder zum Laufen zu bringen."
Sam sah, wie es hinter der vorgewölbten Stirn des Mannes arbeitete. Theresa schien genau zu wissen, wo dessen Schwachpunkt lag: bei seinen Maschinen. Den letzten Ruck gab ihm ihr freundschaftlicher Klaps auf die Schulter, mit der sie ihm die Entscheidung förmlich aus der Hand nahm. "Danke, Horst! Wir machen uns gleich an die Arbeit."
"Also gut … Aber du bist für den Neuling verantwortlich!", erwiderte Reiniger und pflügte davon.
"Du darfst es ihm nicht übelnehmen", entschuldigte sich Theresa. "Im Grunde ist er ein anständiger Kerl."
"Nur dass er seine Maschinen mehr liebt als Zivilisten", erwiderte Sam. "Außerdem stimmt es doch gar nicht, dass ich Techniker bin. Ich hab dir doch schon auf der Brücke gesagt, dass ich zwei linke Hände habe. Reiniger bringt mich um, wenn er das herausfindet."
Theresa wischte Sams Bedenken mit einer resoluten Geste beiseite.
"Ach was. Wer soll das hier oben schon überprüfen? Wir machen es wie auf der Brücke: Ich sage dir, was du tun musst, dann läuft das schon. Und zu zweit sind wir auf jeden Fall schneller, als ich allein."
Sie betraten den Maschinenraum. Sam schlug der typisch metallische Geruch entgegen, wie er ihn aus der Halle seiner Autowerkstatt kannte. Allzu oft hatte er seinen verbeulten Polo dort hinbringen müssen. Mit einem Anflug von Genugtuung dachte er daran, dass er sich mit dieser alten Kiste nie wieder würde herumschlagen müssen.
"Riecht für dich nicht gerade nach dem Stoff, aus dem Träume sind, oder?" fragte Theresa, die einmal kräftig einatmete. "Aber für mich gibt es keinen schöneren Geruch." Sie führte Sam durch den Raum - er war vollgestopft mit Maschinen, deren Funktion Sam nicht einmal erraten konnte. Von allen Seiten her drang metallisches Hämmern und Klopfen. Hier wurde intensiv gearbeitet. Er sah Funken regnen, und der Lärm eines Schleifgeräts drang vom anderen Ende der Halle zu ihm herüber.
Theresa führte ihn in eine Nische mit einem mannshohen Aggregat, von dem sie zielstrebig die Verblendung entfernte. Dahinter kam eine riesige Spule zum Vorschein, deren Kupferdrahtwindungen verkohlt und an manchen Stellen miteinander verschmolzen waren. Stechender Rußgeruch ließ Sam die Nase rümpfen.
"Ah, da haben wir ja das Problem. Deshalb kommt da kein Strom mehr an."
Neben dem Aggregat stand eine Rolle mit frischem Kupferdraht. Sam brauchte nicht viel von Technik zu verstehen, um zu wissen, was sie damit zu tun hatten. Und so machten sich die beiden daran, die zerstörten Drahtreste zu entfernen.
"Wohin fliegen wir eigentlich?", fragte Sam irgendwann.
"Hat dir das noch niemand gesagt? Die Reise geht nach Batox, das ist ein erdähnlicher Planet, um dich dort abzusetzen … vorausgesetzt, wir bringen das Schiff wieder zum Laufen."
Sam hielt inne und schaute Theresa an.
"Ihr fliegt wegen mir dorthin?"
"Du bist natürlich nicht der einzige Grund: Wir müssen sowieso nach Batox. Da gibt es eine Station wie Arrival, die heißt Batox' Jewel. Und dort sind die Zentrale vom Konsistorium und die Raumdocks für die Flotte. Nach diesem EMP hat die Arkanos eine Überholung dringend nötig. Siehst du ja." Sie ließ ihre Zange mehrmals auf- und zuschnappen.
"Es gibt noch eine Station wie die, auf der ich aufgewacht bin?"
"Ja, sogar noch viele mehr."
"Habt ihr die selbst gebaut?"
Theresa lachte über Sams Unwissenheit. Aber es klang freundschaftlich und Sam konnte ihr nicht böse sein.
"Nein. Die sind uns von der Konvergenz zur Verfügung gestellt worden."
"Dann hat die Konvergenz diese Stationen gebaut und euch dann einfach so ihre Technik überlassen?"
"Das ist nicht sehr gefährlich, glaub mir. Erinnerst du dich an das Beispiel mit den Smartphones und den Neandertalern? Unsere Wissenschaftler haben die Stationen untersucht und höchst komplizierte Aufsätze darüber geschrieben."
"Mit anderen Worten: Sie haben keine Ahnung."
"Ganz genau. Je weniger man versteht, desto komplizierter wird die Sprache, hinter der man seine Unwissenheit versteckt."
Inzwischen hatten sie die letzten Drahtreste entfernt und in die dafür vorgesehene Box gelegt. Sie schlossen den Deckel, obwohl noch ein paar Kupferdrahtreste im Raum umherschwebten, doch es waren nicht die einzigen Bauteile. Wenn die Maschinen wieder liefen und die Arkanos beschleunigte, würde es hier drin heftig scheppern.
Jetzt nahm Theresa den übriggebliebenen Eisenkern aus seiner Verankerung. Er hatte zwar kein großes Eigengewicht, war aber sehr massig. Er verhielt sich wie ein Boot auf dem Wasser - er ließ sich bewegen, aber schwer kontrollieren. Zu zweit bugsierten sie den Eisenstab zur Kupferdrahtrolle, ehe sie unter Theresas Anleitung begannen, ihn vorsichtig damit einzuwickeln.
"Was ist eigentlich so wichtig an diesen Stationen?", nahm Sam den Faden wieder auf.
"Das hängt mit ihrer Funktion zusammen. Man kann von einer Station zur anderen reisen, ohne ein Raumschiff benutzen zu müssen."
"Wie soll das denn gehen?"
"Erinnerst du dich noch, wo du aufgewacht bist?"
"Ich lag auf einem runden Podest."
"Und das Portal?"
"Was für ein Portal?"
"Na, das Feld in der Mitte."
Sam schüttelte den Kopf.
"Da war kein Feld."
Theresa hielt inne und machte plötzlich ein ernstes Gesicht.
"Kein Feld? Das ist merkwürdig."
Sam verstand nun gar nichts mehr, und sein Gesichtsausdruck schien das deutlich zu spiegeln, denn Theresa erklärte ihm unaufgefordert: "Diese Portale erlauben es einem, von einer Station zur anderen zu reisen. Du betrittst es und kommst im gleichen Augenblick im Feld der Gegenseite wieder heraus. Ein einziger Schritt - du sparst dabei mehrere Wochen Flugzeit. Wir nennen es 'Sprung'." Noch einmal fragte sie: "Und du bist sicher, dass du dich nur einfach nicht erinnerst?"
"Da war kein Feld", insistierte Sam. "Das wäre mir doch aufgefallen."
"Okay, dann ist die Sache ernster als ich bisher angenommen hatte. Die Vinculan müssen eine Möglichkeit gefunden haben, das Transportnetz zu stören. Wenn Arrival abgeschaltet ist, kommen keine Neuen von der Erde mehr hier an."
Eine Weile wickelten sie schweigend den Draht auf den vor ihnen schwebenden Eisenkern. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, wobei Sam versuchte, das, was er gerade gehört hatte, zu verarbeiten. Portale, die Menschen in wenigen Augenblicken über kosmische Distanzen transportierten? Wie konnte das möglich sein? Warum war Arrival so wichtig? Warum war er selbst so wichtig? Er wollte nicht wichtig sein, sondern nur einen Ort, an dem er nicht wie ein Fremdkörper behandelt wurde, wie jemand, der nicht dazugehörte.
"Vorsicht!", rief Theresa plötzlich.
Der Eisenkern driftete auf die benachbarte Maschine zu. In seine Gedanken vertieft hatte Sam die Bewegung gar nicht bemerkt - nun ließ sie sich nicht mehr stoppen. Gemeinsam stemmten sie sich gegen den Eisenzylinder, der auf der Erde mehrere Hundert Kilo wiegen musste. Aber die Massenträgheit schob ihn unerbittlich weiter, als hätte der seelenlose Eisenstab plötzlich einen eigenen Willen. Mit einem lauten Knall durchstieß er die Verkleidung der Maschine und drang bis in ihre Eingeweide vor. Lichtbögen elektrischer Entladungen tanzten aus der gezackten Öffnung hervor.
"Was treibt ihr denn da?!", ertönte hinter ihnen auch schon Reinigers Stimme.
Hatte er die ganze Zeit dagestanden und sie beobachtet? Er schoss einen vorwurfsvollen Blick auf Sam ab, als wäre sonnenklar, dass nur der Zivilist für diese Panne verantwortlich sein konnte.
"Beruhig dich wieder, Horst. Der Generator war sowieso hinüber und wäre bis zur Generalüberholung ohnehin nicht mehr repariert worden." Sie zeigte lässig auf die gezackte Öffnung, aus der immer noch vereinzelt elektrische Blitze zuckten.
Der Eisenstab schwebte wieder auf sie zu.
"Ach, und uns geht es auch gut. Danke der Nachfrage", fügte sie sarkastisch hinzu.
Als Antwort knurrte Reiniger nur etwas vor sich hin. Sam bewunderte Theresas Selbstbewusstsein, mit dem sie jetzt in die Offensive ging.
"Es wäre übrigens schön, wenn du mit anpacken könntest. Der Stab ist ganz schön schwer."
"Du meinst wohl: Er hat eine ganz schön große Masse. Schwer kann er in der Schwerelosigkeit schließlich nicht sein", belehrte Reiniger sie, wenn auch in versöhnlichem Tonfall.
Zu dritt stoppten sie die Bewegung des Eisenkerns. Theresa drehte sich zu Sam und rollte verschwörerisch mit den Augen, Reiniger warf ihm einen letzten vorwurfsvollen Blick zu und zu dritt stoppten sie die Bewegung des Eisenkerns. Dann verschwand der Cheftechniker wieder. Die Wickelarbeit ging weiter, jetzt noch vorsichtiger.
"Also, wo waren wir?", fragte Theresa, ehe ihr wieder einfiel: "Ach ja. Die Stationen. Wie gesagt - durch sie kann man bequem und komfortabel im Big-Five-System herumreisen."
"Außer neuerdings von Arrival aus …", bemerkte Sam.
"Ja, und das ist ein echtes Problem. Hier kommen sämtliche neuen Rekruten von der Erde an. Soweit wir wissen, ist das auf Arrival das einzige interstellare Portal - das Tor zu diesem Sonnensystem. Wenn das nicht mehr funktioniert, können wir bald einpacken."
"Kann man das Portal nicht wieder in Betrieb nehmen?"
"Wenn das nur so einfach wäre … Wir verstehen nicht einmal das ihm zugrunde liegende Prinzip. Die Portale widersprechen den Gesetzen der Natur, die wir von der Erde kennen. Wie willst du so etwas wieder in Betrieb nehmen? Keine Chance."
"Lass mich raten: Es gibt viele komplizierte Aufsätze darüber."
"Ganz genau. Aber es muss zumindest Warnzeichen dafür gegeben haben, denn in den letzten Tagen wurde Arrival überstürzt evakuiert."
"Und die Konvergenz? Von ihr stammt die Technik doch. Kann die nicht helfen?"
"Die hüllt sich in Schweigen. Wie immer." Theresa machte ein nachdenkliches Gesicht. "Vielleicht stecken die Vinculan dahinter … Das würde auch ihre Anwesenheit hier erklären. Und du bist offenbar aufgetaucht, kurz bevor sich das Portal abgeschaltet hat."
Sam begann zu schwitzen. Es gefiel ihm gar nicht, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen, und Theresas nächste Bemerkung steigerte sein Unwohlsein nur noch mehr.
"Du kannst dich schon mal darauf gefasst machen, dass dir der Hohe Rat eine Menge Fragen stellen wird."
Sam war verunsichert. Er hatte keine Antworten auf diese Fragen, die ihn nicht einmal wirklich betrafen. Konnte ihn dieses Universum nicht einfach in Ruhe lassen?
"Pass auf! Der Kern dreht sich schon wieder zu schnell!", drang Theresas Stimme in sein Bewusstsein. "Sonst haben wir gleich wieder Reiniger am Hals … und beim nächsten Mal beißt er wirklich zu."
Sam riss sich zusammen und konzentrierte sich auf die Arbeit.
"Aber eins verstehe ich immer noch nicht. Wie ist es möglich, mit einem Schritt von einer Station zur anderen zu gelangen? Es gehört doch schon zur Allgemeinbildung, dass sich nichts schneller bewegen kann als das Licht ."
"Das fragen wir uns auch." Sie knipste den Kupferdraht mit einer Zange von der Rolle und vollendete die Wicklung. "Es gab Experimente dazu. Man hat einem Menschen einen Sender umgeschnallt und ihn von Batox' Jewel nach Arrival und wieder zurück geschickt. Man kannte ja die Entfernung dazwischen. Das Funksignal breitete sich mit Lichtgeschwindigkeit aus, und schon konnte man ausrechnen, wie lang die Reise von Portal zu Portal gedauert hat."
"Und?"
"Es ist keine Illusion. Bei einer Portalreise vergeht keine Zeit, denn die Lichtgeschwindigkeit wird außer Kraft gesetzt. Aber wir haben keine Ahnung, wie." Ein letztes Mal prüfte sie die Qualität ihrer Arbeit. "So. Dann wollen wir die Spule mal wieder einsetzen."
Ganz langsam setzten den umwickelten Eisenkern wieder an seinen Platz. Nachdem die Verkleidung wieder angeschraubt war, legte Theresa einen Schalter um und ein Brummen ertönte.
"Na also, wer sagts denn. Wieder wie neu."
In diesem Moment kam Reiniger um die Ecke. Zufall? Entweder hatte er wirklich die ganze Zeit hinter der nächsten Ecke gelauscht oder er hatte einen Siebten Sinn.
"Gut gemacht", sagte er, nachdem er ihre Arbeit kontrolliert hatte.
Sam war klar, dass dieses Lob allein Theresa galt.
"Jetzt fehlt nur noch die Energiekupplung und dann kannst du Pause machen, Theresa." Sam ignorierte er völlig, was dieser als Kompliment auffasste, da Reiniger nichts fand, um ihn, den Zivilisten, zu kritisieren.
Zum Glück war bei der Energiekupplung nur eine Kleinigkeit zu reparieren. Nur ein Steuergerät war dem EMP zum Opfer gefallen, und das war schnell ausgetauscht.
Nach getaner Arbeit verließen die beiden den Maschinenraum und Sam stand ratlos da. Er wusste nicht, wohin er nun gehen sollte. Hatte er eine Kabine? Gab es eine Gemeinschaftsunterkunft? Wo musste er langgehen?
"Wir haben Gästeunterkünfte, da bist du während dieser Reise untergebracht. Ich bring dich hin. Und unterwegs kann ich dir auch gleich noch erklären, wo die Kantine ist und wie du dich auf dem Schiff am besten zurechtfinden kannst." Sie hakte sich bei ihm ein und zusammen schlenderten sie los. Überall auf dem Schiff zeugten Brandflecken von elektronischen Geräten, die in Flammen aufgegangen waren. Kabel hingen von der Decke, ganze Paneele waren aus der Wand gerissen worden. Überall arbeiteten Besatzungsmitglieder fieberhaft daran, die Elektronik zu tauschen.
Sam bekam sofort ein schlechtes Gewissen, weil er hier wie auf einer Strandpromenade mit Theresa am Arm entlang flanierte, während die anderen arbeiteten.
"Sollten wir ihnen nicht helfen?"
"Nein. Im Moment besteht keine unmittelbare Gefahr und wir müssen zwischendurch Pausen machen. Wir sind schließlich keine Maschinen. Also mach dir keine Sorgen."
Nach einer Tour durch das Schiff blieben sie schließlich vor einer der Türen auf einem langen Gang stehen. Theresa schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, das selbst die Eiseskälte des Weltraums auf Zimmertemperatur gebracht hätte. Sam stutzte, als er sie ansah. Sie betätigte den Türöffner, und zum ersten Mal wirkte sie leicht verlegen. Sam trat ein und warf sich aufs Bett - zumindest so gut es mit der Schwerelosigkeit möglich war. Hinter sich hörte er das Zischen der sich automatisch schließenden Tür. Er war hundemüde. Doch als er sich auf den Rücken drehte, war er schlagartig wieder hellwach. Er war nicht allein im Raum.
"Es gibt eine Theorie", sagte Theresa. Selbst wenn sie verlegen war, blieb sie ihrem Naturell getreu offensiv. "Ich weiß nicht genau, ob sie wirklich stimmt, aber angeblich erhöht sich die Libido, wenn man in Lebensgefahr war. Psychologen behaupten, das sei die unbewusste Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit, die einen veranlasst, mit Nachwuchs dafür zu sorgen, dass das Leben weitergeht."
Sam richtete sich auf, als sie ihren Technikeroverall langsam aufknöpfte. Wieder stieg die Hitze in seinen Lenden auf, heißer als zuvor.
Er erwiderte mit belegter Stimme: "Da könnte was dran sein …"
Der Overall glitt an ihr herab und sie bewegte sich langsam auf Sam zu, begann ihn vorsichtig aus seiner Kleidung zu schälen - bei Schwerelosigkeit kein leichtes Unterfangen. Daher dauerte es eine Weile, bis sie wirklich zueinanderfanden. Doch nachdem sie es einmal raushatten, war es eine interessante Erfahrung für Sam.