Читать книгу BLACKOUT - Im Herzen der Finsternis - Tim Curran - Страница 10
Kapitel 6
ОглавлениеIch setzte mich in meinen Chevy und drehte den Zündschlüssel um. Der Wagen sprang sofort an. Meine Paranoia hatte mir eingeredet, mein schöner Pick-up würde überhaupt nicht starten, denn das, was die Stromleitungen lahmgelegt hatte, hätte ja auch die Batterie erledigen können. Meine Sorgen waren unbegründet. Ich fuhr die Ausfahrt herunter auf die Straße und gab so viel Gas, wie ich mir in dieser Dunkelheit überhaupt nur zutraute. Was nicht sehr viel war.
Ich schaltete das Fernlicht ein und war absolut ergriffen – und voller Entsetzen – über die Qualität der Nacht um mich herum. Wieder war es die Dunkelheit selbst, die mich berührte; eine Dunkelheit, die perfekt und unnatürlich war. Sie war zu dicht, zu vollständig, zu nahtlos, wenn das irgendeinen Sinn ergibt. Normalerweise ist die Dunkelheit der Nacht unbeständig, es gibt dunkle, schattige Ecken, die in hellere Grautöne übergehen. Es ist nie vollkommen dunkel. So etwas gibt es wahrscheinlich nicht einmal auf diesem Planeten, außer in einer tiefen Höhle oder in einem Ozeangraben. Auch wenn das elektrische Licht ausgeht und alle Kerzen und Campinglampen erloschen sind, leuchten noch der Mond und die Sterne. Selbst wenn es bewölkt ist, kommt ein wenig Licht immer noch durch.
Aber nicht heute.
Es war, als wäre eine von diesen Hauben, die man nachts auf Vogelkäfige setzt, über die Welt gestülpt worden. Es war vollkommen schwarz.
Ich sah die weißen Schwerter der Taschenlampen, während die Menschen herauszufinden versuchten, was los war. Anfangs waren eine ganze Menge Menschen zu sehen, aber je mehr ich mich der Innenstadt näherte, desto weniger wurden es. Ich bog um eine Ecke und stieß fast mit einem Auto zusammen, das quer mitten auf der Straße stand und offensichtlich hastig verlassen worden war. Es war eine Limousine, ein Lexus, das Auto reicher Leute. Beide Türen standen offen. Im Inneren war niemand zu sehen.
Verdammt.
Ich stieg aus und ging auf den Lexus zu, während die Scheinwerfer meines Pick-ups meinen Schatten groß auf den Asphalt malten. Die Szene wirkte wie aus einem Film noir. Der Lexus lief noch, die Scheinwerfer waren an. Ich schaute mich um. Niemand zu sehen.
»Hey!«, rief ich. »Fahrt das verdammte Auto weg!«
Meine Stimme hallte wider und erstarb dann, aber es kam keine Antwort. Scheiß drauf. Ich sprang hinter das Lenkrad und setzte zurück, wobei der Lexus gegen den Bordstein knallte. Ich würgte den Motor ab und rannte zurück zu meinem Pick-up. Es wurde unglaublich still, als ich mich der Innenstadt bis auf eine Querstraße näherte. Ich fuhr die Straße entlang, als plötzlich eine Gestalt hervorsprang. Ich machte mir vor Schreck fast in die Hose. Aber es war nur ein Typ, der wild mit den Armen fuchtelte.
Ich fuhr an die Seite, um anzuhalten, und er kam näher. Es war ein junger Mann, vielleicht im Collegealter, und er trug einen Beutel mit allen möglichen Lebensmitteln. Oben ragte ein Brot heraus.
»Mann!«, sagte er. »Hier kannst du nicht weiterfahren! Du musst umdrehen! Da hinten ist was passiert, alle Leute sind weg, sie sind sie einfach … weg! Es ist niemand mehr da! Sogar in der Polizeiwache ist niemand mehr! Du musst zurückfahren!«
»Was ist passiert?«, fragte ich ihn. Ein kalter Schauer lief meine Wirbelsäule herunter. »Wo sind alle hin?«
Er schüttelte den Kopf. »Frag mich doch nicht, verdammt noch mal! Ich bin aufgewacht und habe sie schreien gehört, und als ich rausging, waren alle weg! Hast du mich verstanden? Sie waren alle weg, Kumpel!«
Auf einmal rannte er fort, und ich rief ihm nach, aber er reagierte nicht. Alles, was ich hörte, war seine immer leiser werdende Stimme: »Hau ab, Kumpel! Hau ab!« Dann war er verschwunden. Ich war verwirrter denn je und meine Angst wuchs. Irgendetwas war geschehen, und es geschah weiterhin. Und ich war mir ziemlich sicher, dass es nichts mit einem seltsamen Gewitter zu tun hatte. Eher war das Gegenteil der Fall – das Gewitter war eine Folge davon und nicht umgekehrt. Das ergab keinen Sinn, aber das galt für alles in dieser Nacht.
Ich probierte wieder mein Handy, empfing aber nur das gleiche schrill jammernde Geräusch.
Ich schlug alle Vorsicht in den Wind und fuhr langsam weiter.
Dann hörte ich Schreie. Ich trat auf die Bremse, und das Schreien kam wieder, diesmal lauter. Es steigerte sich in ein hohes, hysterisches Kreischen, das abrupt aufhörte. Ich wartete. Es war nichts mehr zu hören. Ich schnappte mir die Taschenlampe und sprang aus dem Wagen. Ich hatte keine Zweifel: Das musste der junge Kerl sein, mit dem ich gerade gesprochen hatte. Die Frequenz der schreienden Stimme war dieselbe. Ich machte Lichtbögen mit der Taschenlampe, um die Gegend auszuleuchten. »Hey!«, rief ich. »Hey! Wo bist du? Ruf, wenn du kannst!« Aber niemand antwortete. Da war nur diese vertraute Totenstille, die lediglich vom Brummen meines Pick-ups im Leerlauf durchbrochen wurde. Ich ging hinaus in die Dunkelheit und zog immer weitere Kreise, um ihn zu entdecken.
Ich habe ihn nie gefunden.
Dafür fand ich seine Lebensmittel. Sie waren über den ganzen Bürgersteig verstreut – das Brot, einige Energydrinks, ein paar Dosen Chef-Boyardee-Spaghetti, Beef Jerky, ein paar Äpfel, ein zerschmettertes Glas Pizzasoße. Ich suchte und suchte, aber er blieb einfach verschwunden. In meinem Kopf hörte ich immer noch seine Stimme: Ich habe sie schreien gehört, und als ich rausging, waren alle weg! Hast du mich verstanden? Sie waren alle weg, Kumpel! Es war genug. Ich musste zusehen, dass ich hier wegkam. Was auch immer da draußen war, was auch immer die Menschen in die Nacht riss, ich wusste ganz genau, dass ich kaum dafür gerüstet war, damit fertig zu werden.
Ich ging zurück zum Wagen.
Dann, die Hand am Türgriff, hielt ich inne.
In der Ferne sah ich etwas, das aussah wie ein riesiges Auge.
Es war kein Auge, natürlich nicht. Zumindest hoffte ich, dass es kein Auge war. Es war eine große, perfekt runde Kugel aus hellblauem Licht, die nur ein paar Straßen von mir entfernt über den Dächern schwebte. Sie sah wie der Suchscheinwerfer eines Hubschraubers aus, und für einen Moment war ich mir sicher, dass es das war. Das Problem war nur, dass Hubschrauber Lärm machen, und dieses Ding, was auch immer es sein mochte, war vollkommen still, während es über die Dächer trieb und sich allmählich nach Westen bewegte.
Ich stand da und zitterte.
Etwas daran – eine ganze Menge, um genau zu sein – machte mir eine Höllenangst. Hier stimmte etwas nicht, ganz und gar nicht. Die Lichtkugel hatte etwas damit zu tun, was hier vor sich ging, und ich vermochte mich nicht vom Gegenteil zu überzeugen. Ich stieg wieder in meinen Pick-up und warf den Rückwärtsgang ein. Ich fuhr ein ganzes Stück rückwärts, bevor ich den Wagen wendete. Ich schwitzte. Ich zitterte. Mir grauste vor dieser unheimlichen Kugel und mein Überlebensinstinkt übernahm das Kommando. So schnell ich es sicher konnte, fuhr ich zurück in Richtung Piccamore Way. Immer wieder schaute ich in den Rückspiegel, aber die Kugel folgte mir nicht. Sie bewegte sich immer noch in Richtung Westen, wie eine sehr große und sehr langsame Sternschnuppe.
Ich stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
Ich hielt an und versuchte, mich zu beruhigen. Was ich jetzt brauchte, war eine Zigarette, aber ich hatte keine. Zum Glück, denn ich hätte sofort an Ort und Stelle wieder mit Rauchen angefangen. Es war unausweichlich, und das wusste ich. Der Stress verlangte geradezu nach einer Zigarette. Tatsächlich war ich kurz davor, in einen Laden einzubrechen und mir einen Karton unter den Nagel zu reißen. Aber ich bekam meine Nerven in den Griff und legte wieder den Gang ein.
Kaum hatte ich das getan, sah ich ein suchendes bläuliches Licht aus der Straße vor mir auf mich zukommen. Sofort machte ich den Motor und die Scheinwerfer aus. Augenblicklich überflutete die Schwärze der Nacht meinen Pick-up und ich war fast dankbar dafür. Auf dieselbe Art und Weise, auf die eine Maus dankbar ist, wenn sie für die Eule nicht sichtbar ist. Und Eule ist durchaus das passende Wort, denn die Kugel näherte sich über die Dächer und sah dem Auge einer Eule sehr ähnlich.
Als es sich die Straße heraufbewegte, kauerte ich mich, soweit es ging, nach unten.
Die Nacht war so schwarz, dass ich nicht sehen konnte, was es war. Ich hatte das ziemlich deutliche Gefühl, dass ich es gar nicht sehen wollte. Ich bekam nur mit, dass sich hinter der Kugel ein dunkles, sehr groß wirkendes Gebilde befand. Die Kugel kam näher und näher. Im Gegensatz zu einem Suchscheinwerfer erhellte ihr Licht kaum die Umgebung. Es wirkte eher wie das taktische Licht, das Spezialeinheiten verwenden. Als sie über den Pick-up hinweg schwebte, stand ich kurz vor einem Herzinfarkt, so heftig und unregelmäßig klopfte meine Pumpe. Die Kugel war riesig und sah metallisch aus, sehr glänzend, und sie hatte die Größe eines Traktorreifens. Sie erfüllte den Innenraum mit einem totenbleichen Nachleuchten.
Wenn sie mich bemerkt hatte, veranlasste sie das nicht zu einer Reaktion.
Sie trieb über mir, vielleicht zwanzig Fuß in der Luft, und etwas – eigentlich hörte es sich an wie viele Dinge – schabte über das Autodach wie Fingernägel. Dann war es verschwunden. Ich wartete noch fünf Minuten, bis ich sicher war, dass sie nicht zurückkommen würde. Dann startete ich den Pick-up und fuhr zurück zum Piccamore Way.