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GENERAL MASHIMA

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Verschiedene Sprungtore im Gamma-Quadranten, November 2692

Zu Beginn eines jeden neuen Tages nahm sich General Mashima stets die Zeit, auf die Knie zu fallen und seinen Gott anzubeten.

Zuerst nahm er sich in seiner Kabine an Bord der Aaron-Percival einen Moment Zeit, um sich selbst für die Übertragung vorzubereiten. Er war kein eitler Android, doch bestand stets darauf, vorzeigbar auszusehen, bevor seine Mitteilungen an Mistress Maloney ausgesandt wurden. Immerhin war es ihr zu verdanken, dass er überhaupt am Leben war. Er existierte, weil sie ihm erlaubt hatte, zu existieren, und erachtete es deshalb als notwendig. Sie war das, was für ihn an einer Mutter am nächsten kam, und wenn eine Mutter schon nicht dem Bild einer Gottheit entsprach, was dann?

Seine Kabine war klein und spärlich eingerichtet. Sie enthielt einen bequemen Stuhl, eine Kommunikationseinrichtung und einen Spiegel in Lebensgröße an einer der Wände. Mashima schlief nie, aber hin und wieder verbrachte er eine gewisse Zeit auf seinem Stuhl, dachte über seine Mission nach und vergewisserte sich, dass alles nach Plan verlief.

Nun stand er vor dem Spiegel und überprüfte sein Erscheinungsbild.

Seine Uniform saß perfekt und war makellos gearbeitet. Sein Gesicht war ebenso makellos und nichtssagend. Mashima erkannte sich im Spiegel, aber er war sich bewusst, dass nichts an diesem Gesicht besonders war. Seine Gesichtszüge waren funktionell und spiegelten nur wenig Persönlichkeit wider.

Ich selbst erfülle es mit Persönlichkeit, dachte Mashima. Er lächelte. Die Falten, sie sich an seinen Wangen bildeten, wirkten wie tiefe Einschnitte in seine Haut.

Seine Existenz dauerte nun schon beinahe fünfzig Jahre an. Seine Geburt war eine getrübte Ahnung in den Tiefen seiner Erinnerungsdatenbank, eine Zeit, in der sich sein physisches Ich gebildet und gewartet hatte und sein Geist von Maloney und ihren Wissenschaftlern der Rage in ihn überspielt wurde. Es gab keinen Zeitpunkt, den er als erste wirkliche Erinnerung hätte benennen können. Vielmehr war es ein Prozess gewesen, ein immer größer werdendes Bewusstsein, das sich zu dem entwickelte, was er nun war.

In diesen verschwommenen, sich manchmal aufklarenden Visionen war Beatrix Maloney stets bei ihm gewesen.

Ihm und seinen synthetischen Gefährten – von denen einige Generäle, andere aber niederere Schöpfungen waren, die man auf der Macbeth oder einem der Eskortschiffe einsetzte – war die Fähigkeit der freien Entscheidung und des Reifens gegeben worden, und jeder von ihnen sah Maloney als einzige und wahre Führerin an. Mashima war sich unschlüssig, ob diese Sichtweise der Programmierung eines unsicheren Anführers entsprang oder eine natürliche Folge seines freien Willens war.

Im Falle der ersten Möglichkeit würde diese Programmierung jedoch nie zulassen, dass er die Wahrheit erkennen würde, weshalb er die zweite Theorie als die richtige annahm.

Sein größter Wunsch war es, Maloney und ihren Rage so gut wie möglich zu dienen oder bei dem Versuch sein Leben zu lassen. Kaum etwas anderes schien ihm von Wichtigkeit zu sein. Die Ziele der Rage waren seine eigenen Ziele, obwohl sie hinter der Wichtigkeit zurücktreten mussten, seiner Mistress zu dienen.

Mashima war auf eine Mission von größter Wichtigkeit ausgesandt worden, und er widmete jeden einzelnen Moment seiner Existenz, sich auf ihren Erfolg vorzubereiten.

Er rief die Brücke und sprach mit seinem Kommunikationsoffizier.

»Jacobs, ich wäre dann soweit.«

»Danke, General. Alle Systeme bereit.«

Allein in seiner Kabine nahm Mashima vor seiner Kommunikationseinheit Haltung an und zeichnete einen Statusbericht auf.

»Mistress Maloney, es freut mich, Ihnen mitteilen zu können, dass wir gute Fortschritte machen«, begann er. »Sieben Tage, nachdem wir sie verlassen haben, passierten wir Sprungtor Gamma 123. Es konnte bereits von General Rommel erobert werden, deshalb konnten wir es ungehindert passieren. Sechzehn Tage später näherten wir uns Gamma 114. Dieses Sprungtor wurde von einem nahegelegenen Mond aus kontrolliert, der von einem Kontingent Colonial Marines bewacht wurde. Ich entsendete drei meiner sechs Angriffsschiffe, um die Marines zu neutralisieren, während ich mit der Aaron-Percival in einem Orbit um den Mond Stellung bezog.

Sie leisteten erbitterten Widerstand, waren unseren Soldaten aber in keiner Weise gewachsen. Wir verloren mehr als einhundert Xenomorphs, aber keine Schiffe und auch keine Rage-Besatzung. Der Sieg war unser allein. Einen Tag später durchquerten wir das Sprungtor und nähern uns nun Gamma 98. Laut unseren Sensoren wird es von einer Orbitalstation aus betrieben und von einer unabhängigen Militäreinheit bewacht. Da wir es dieses Mal nicht mit Colonial Marines zu tun haben, verspricht dieses Gefecht eine neue, interessante Erfahrung zu werden. Ich freue mich schon auf einen weiteren Kampf, und rechne innerhalb der nächsten zwei Stunden mit unserem vollständigen Sieg.

Ausgehend von den Fortschritten, die wir derzeit machen, rechne ich außerdem damit, dass wir nach zwei weiteren Sprüngen innerhalb von achtzehn Tagen auf Weavers World eintreffen werden. Dort wird meine eigentliche Mission beginnen. Wir bereiten unterdessen unsere Ankunft dort vor, und nach unserer Einnahme von Gamma 98 werde ich eine vollständige Inspektion unserer Truppenstärke vornehmen.

Ich stehe zu Ihren Diensten, Mistress, zum Ruhme der Rage.«

Er legte eine Pause ein, denn er spürte das Verlangen, seiner Liebe und Ergebenheit noch mehr Ausdruck zu verleihen. Aber er wusste, dass Mistress Maloney das nicht wünschte. Sie würde es als Schwäche seiner künstlichen Psyche bewerten. Pflichterfüllung und Hingabe, was die Mission anging, würden genügen. Deshalb deaktivierte er die Aufnahme, bevor er hinzufügte: »Mein Herz und meine Seele gehören Ihnen, Mistress.«

Schweigen erfüllte Mashimas Kabine. Ein grüner Lichtschein auf der Kommunikationseinheit zeigte an, dass seine Nachricht gespeichert worden war, und er wusste, dass Jacob sie nun für die Subraumübertragung vorbereitete.

»Senden Sie sie unverzüglich«, befahl er.

»Jawohl, Herr General.«

»Und sagen Sie Kilmister, dass er mich auf der Brücke treffen soll.«

»Er ist bereits hier.«

»Gut. Ich bin auf dem Weg.«

Mashima unterbrach die Verbindung, überprüfte sich ein letztes Mal im Spiegel, und verließ seinen kleinen, leeren Raum.

Es war Zeit für einen weiteren Kampf.

Kilmister erwartete ihn bereits auf der geräumigen Brücke. Weitere schiffsgeborene Angehörige der Rage saßen vor einer Reihe von Kontrollpulten, auch wenn die Aaron-Percival sich praktisch selbst flog.

Jacobs behielt die Kommunikation zwischen dem Schiff und den sechs Angriffskreuzern im Auge, die es begleiteten, während die anderen Personen sich um die Schiffssysteme, die Navigation und die Einsatzbereitschaft von Truppen und Waffen kümmerten. Es gab nur sehr wenig für sie zu tun. Der Faze hatte das jahrhundertealte Fiennes-Schiff angepasst und verbessert, verändert und umgebaut, und es in ein fortschrittliches Kriegsgerät verwandelt.

Niemand, der damals eines der originalen Fiennes-Schiffe gebaut oder geflogen hatte, hätte dieses Schiff wiedererkannt. Äußerlich war die glatte, funktionale Hülle seltsamen Formen und Ausbuchtungen gewichen, die dem Schiff den Eindruck verliehen, eher gewachsen als konstruiert worden zu sein. Im Inneren waren die meisten Kontrollsysteme entfernt oder modernisiert worden, und der Warpantrieb und die Treibstoffsysteme arbeiteten nun jenseits von Mashimas technischem Verständnis.

Aber er brauchte es auch nicht zu verstehen. Das sich selbst wartende, selbst reparierende Schiff war beinahe lebendig. Und sie seine Passagiere.

»General«, begrüßte ihn Kilmister nickend. Er war einer der Schiffsgeborenen, aber älter als die meisten anderen. Er ging auf die einhundert Jahre zu und war so Feuer und Flamme für den Krieg wie eh und je. Mit seinen Narben und Wunden, die er sich über die Jahrzehnte hinweg in unzähligen Gefechten zugezogen hatte, war Kilmister der beste menschliche Commander der Rage. Als solcher war ihm aber die Fähigkeit der Androiden nicht vergönnt, die Armee der Xenomorphs zu kontrollieren, die sie im Lagerraum der Aaron-Percival mit sich führten. Stattdessen war er ein Pilot und Kommandeur der sechs Angriffskreuzer, die im Umkreis von eintausend Meilen Mashimas Flaggschiff eskortierten.

»Captain. Sind alle Vorbereitungen getroffen?«

»Natürlich. Ich bin bereit, auf Ihr Kommando hin den Befehl zu geben. Gamma 98 scheint unseren Anflug noch nicht bemerkt zu haben. Wenn sie es tun, werden ihre Verteidigungssysteme bereits funktionsunfähig sein und wir können unsere Truppen landen lassen.«

Mashima nickte und ließ seinen Blick über die Brücke schweifen.

»General …«, begann Kilmister, unterbrach sich aber sofort.

»Captain? Wenn Ihnen etwas auf dem Herzen liegt, sollten Sie es aussprechen.«

»Ich würde gern den Angriff leiten.«

Mashima hob eine seiner Augenbrauen. »Natürlich würden Sie das gern.« Er lächelte. »Und natürlich sollten Sie das auch dürfen.«

Kilmister nickte einmal. »Ich danke Ihnen.«

»Machen Sie mich stolz, Captain.«

Kilmister eilte von der Brücke und Mashima nahm seinen Platz auf der großen, kreisrunden Plattform in deren Zentrum ein. Von hier konnte er alles überblicken – die gesamte Brücke, eine Anordnung von Bildschirmen und die Übertragungen von jedem einzelnen der sechs Angriffskreuzer. Wenige Minuten, nachdem Kilmister die Brücke verlassen hatte, lösten sich drei der Angriffsschiffe aus der Formation, beschleunigten in den Hyperraum und verschwanden.

Fünfzig Minuten später flackerten die Bildschirme erneut hell auf und eine vergrößerte Ansicht von Sprungtor Gamma 98 erschien. Die vertraute Kreisform der Konstruktion funkelte im Licht der Sterne, und in einigen hundert Meilen Entfernung erwachten die Orbitalstationen – die Kontrollstellen des Tores und ihr Ziel des Tages – zum Leben. Mehrere kleine, schlanke Schiffe starteten aus den Landebuchten, und ein größeres Kriegsschiff entfernte sich von der Basis und begann, eine Reihe hochentwickelter Waffen abzufeuern.

Sie müssen mit einem Angriff gerechnet haben. Die Rage hatten bereits einige Sprungtore erobert und davor hatte es sporadische Angriffe von Yautja gegeben, die vor den Rage in die Menschliche Sphäre geflohen waren. Kilmister und seine Piloten waren auf ein gewisses Maß an Gegenwehr eingestellt, aber niemand hätte ahnen können, wie heftig dieser hier ausfallen würde.

Nur für einen kurzen Moment machte sich Mashima Sorgen.

Die Schlacht war kurz, erbittert und verwirrend. Die Übertragungen jedes Rage-Schiffes tanzten und wirbelten über die Bildschirme, Sterne zogen sich wie Schlieren darüber und immer wieder flammten Explosionen zu kurzen, grell lodernden Sonnen auf. Laserfeuer schien das streifenförmig in die Länge gezogene Licht der Sterne zu imitieren. Immer wieder ließen heftige Einschläge die Bilder verschwimmen.

Mashima stand auf seiner Beobachtungsplattform und seine Hände krallten sich in das halbhohe Geländer, das diese umschloss. Die Möglichkeit des Scheiterns zog er aber kaum in Betracht, und vielleicht war blindes Vertrauen eine seiner Schwächen. Aber in all den Jahren, in denen er den Rage diente, war Scheitern nie eine Option gewesen. Er war der Ansicht, dass ihm diese Einstellung Stärke verlieh. In Wahrheit jedoch machte es ihn vielmehr naiv.

Die Übertragung von einem der Rage-Angriffskreuzer flammte unvermittelt auf, so grell, dass die immense Helligkeit den Holo-Schirm knistern ließ. Dann wurde das Bild schwarz, und der Holo-Schirm fiel in sich zusammen.

»Ist das Schiff verloren?«, erkundigte sich Mashima. Keiner auf der Brücke antwortete ihm. Sie waren damit beschäftigt, die Informationen auszuwerten, und es dauerte einige Augenblicke, bis Jacobs die Schiff-zu-Schiff-Kommunikation überprüft hatte.

»Ein Schiff zerstört«, bestätigte er. »General, es befinden sich dort Yautja-Schiffe, die die Station zusammen mit den Söldnern verteidigen.«

»Yautja?« Dieser Umstand bereitete ihm keine Sorgen, denn sie hatten die Yautja in den letzten Jahrzehnten schon öfter angegriffen und besiegen können. Aber es überraschte ihn.

Die Raumstation schwoll auf einem der Bildschirme auf einmal riesig an, als Kilmister sein Schiff nahe an sie heranbrachte. Eine Salve aus Laserfeuer zerstörte einen der Andockarme und die Explosion und der urplötzliche Druckabfall brachten die Station ins Trudeln.

Die Schlacht tobte weiter. Datenströme rannen durch Jacobs' Kontrollpult, doch Mashima nahm den Blick nicht von den Bildschirmen. Dort boten sich ihm die ehrlichen und ungefilterten Darstellungen der Verwirrung und des Chaos der Schlacht.

Das große feindliche Kriegsschiff wurde von einem Ionenstrahl der Rage getroffen. Durch die Schäden auf subatomarer Ebene begann die Hülle sich beinahe sofort aufzulösen. Die Ausbreitung dieses Effekts war nicht aufzuhalten. Einige seiner Geschütze mussten in dem letzten, verzweifelten Versuch, noch weitere Feinde mit in den Tod zu reißen, detoniert sein, doch all das trug nur noch mehr zu der spektakulären, beinahe wunderschön anzusehenden Explosion bei, die sich über dutzende Meilen hin erstreckte, weiß und hellgelb in ihrem Zentrum, rot und purpurn an den Rändern, wie bei einem sich schnell ausbreitenden Bluterguss auf der Haut der Unendlichkeit.

Danach waren Mashimas Bedenken wie weggefegt, und für den Rest der Schlacht genoss er es, der unübertroffenen Fertigkeiten und der Effektivität seiner Rage-Piloten, Schiffe und Waffentechnik zuzusehen.

Es dauerte fünfzehn Minuten.

»Die Station ist gesichert«, meldete Kilmister von seiner Position aus. »Alle mobilen Verteidigungseinrichtungen wurden zerstört, die Waffensysteme der Station sind außer Betrieb. Die Sensoren zeigen über einhundert Überlebende an Bord an. Ich bin dabei, mich der Rotation der Station anzupassen, um dann die Truppen zu landen.«

»Gute Arbeit, Captain«, sagte Mashima. »Entsenden Sie Ihre Truppen sofort. Wir wollen nicht, dass das Sprungtor in irgendeiner Weise beschädigt oder deaktiviert wird.«

Das war der Moment, auf den Mashima gewartet hatte. Der Moment, da er seinen Kindern bei der Arbeit zusah.

Sie fluteten das All. Von einem kurzen Luftstoß angetrieben, der sie aus dem Angriffsschiff stieß, trieben mehr als einhundert Xenomorphs auf die Station zu, rollten sich sofort nach ihrer Landung auseinander, kletterten über die Oberfläche und suchten nach einem Eingang. Einige von ihnen krochen durch die zerstörten Bereiche des Andockarms und der Waffenphalanxen, während andere nach Luken und Fenstern suchten und sich durch diese gewaltsam Zugang verschafften.

Vielerorts entwich Luft aus der Station, wenn Versiegelungen aufgebrochen wurden, und hier und da konnte man verzweifelt mit den Armen rudernde Menschen sehen, die von der Station abtrieben.

Trotz der tausend Meilen, die zwischen ihnen lagen, konnte Mashima jeden einzelnen Xenomorph spüren, der mit ihm verbunden war, ihre Raserei und Aufregung, und er bündelte seine Gefühle, um sie damit zu instruieren und zusätzlich zu ermutigen. Sie kannten ihre Mission – die Station entern, jagen und töten. Als er seine Augen schloss und seinen Sinnen erlaubte, noch mehr mit den ihren zu verschmelzen, begann seine unmittelbare Umgebung in den Hintergrund zu treten und seine Wahrnehmung öffnete sich. Heiß und kalt existierte nicht länger, Bewegung und Stillstand wurden zu Facetten ein und desselben Daseinszustands. Er war nicht länger ein künstlicher Mensch.

Er war ein Xenomorph.

Das Gemetzel war schnell vorüber. Nachdem sie sich erst einmal Zutritt zur Station verschafft hatten, gab es kaum noch Gegenwehr. Die meisten Menschen an Bord waren bereits durch die Dekompression der Explosion ums Leben gekommen, und die wenigen, die es noch rechtzeitig in Schutzanzüge geschafft hatten, wurden schnell von den Horden der Xenomorphs überwältigt. Anzüge wurden zerfetzt, aus denen der Sauerstoff in Wolken aus diamantenem Eis entwich. Blut spritzte und gefror in dem Vakuum zu dunklen Kügelchen. Bald waren die einzigen lebenden Lebewesen an Bord jene todbringenden Soldaten der Rage.

»Die Station wurde eingenommen«, meldete Kilmister.

»Ja«, antwortete Mashima. »Ich weiß. Wir werden sofort da sein. Beordern Sie die Truppen zurück und errichten Sie einen Verteidigungsring im Orbit.« Er öffnete einen Kanal. »An die Mannschaft, bereiten Sie sich auf einen Sprung in den nächsten fünfzehn Stunden vor.«

Zufrieden über eine weitere erfolgreich geschlagene Schlacht sah sich Mashima auf der Brücke um. Der Verlust eines Angriffskreuzers war beunruhigend, besonders da sie nach diesem noch einen weiteren Sprung vor sich haben würden, und sich dann Weaver's World nähern würden, welche sicherlich stark verteidigt würde.

»General Mashima an Berlioz, ich komme in die Brutkammer hinunter.«

»Natürlich, General«, antwortete die Frau. Hinter ihrer sanften Stimme vernahm er die Geräusche seiner Soldaten, die geboren wurden.

Schreie. Knacken, Reißen.

Es gab Tage, da genügte es Mashima vollkommen, eine Gruppe Nachkommen im Leben willkommen zu heißen, um glücklich zu sein.

Berlioz erwartete ihn im Eingangsbereich, der zu der Brutkammer führte. Dabei handelte sich um eine von drei riesigen Lagerhallen an Bord der Aaron-Percival, von denen jede mit tausenden Menschen gefüllt war, die seit Jahrhunderten im Kälteschlaf lagen. Diese Menschen teilten eine unglaubliche Geschichte, und wahrscheinlich auch eine sehr traurige, wenn Mashima sich solchen Überlegungen hingegeben hätte. Doch obwohl er die Tragik ihres Schicksals verstand, wurde jeder Anflug von Traurigkeit von dem Ruhm erstickt, was sie hier schufen, was diese schlafenden Körper bargen, und was sie gebären würden.

Diese Körper waren in Cryo-Pods eingeschlossen worden, Jahrhunderte bevor die heute Lebenden überhaupt geboren worden waren – selbst noch vor der Geburt von Mistress Maloney, deren Alter nach menschlichen Maßstäben bereits biblisch erschien. Ohne sie hätten die Rage nie ihrer Bestimmung folgen können.

Die Entdecker, die von ihrer Heimatwelt ausgesandt wurden, um die Sterne zu bevölkern, brachten nun den Tod zurück, der unter ihren Rippen und zwischen ihren Organen schlummerte. Einen glorreichen, wundersamen Tod.

»General, wie ich hörte, sind wir unserem Ziel wieder einen Schritt näher gekommen«, begrüßte ihn Berlioz. Sie war eine seltsame Frau, die sich inmitten ihrer Schlafkapseln immer sehr viel wohler als zusammen mit anderen fühlte. Mashima empfand die Unterhaltungen mit ihr immer als schwierig. Einmal hatte er Jacobs befragt, ob das daran liegen konnte, dass er ein Android war, und dessen Antwort hatte ihn überrascht. Jacobs hatte schallend gelacht und ihm dann versichert, dass es jedem an Bord so mit ihr erging.

»Sie ist noch weniger menschlich als Sie, General.«

»Wir stehen kurz vor unserem Sprung«, sagte Mashima. »Ich bin nur gekommen, um nach dem Rechten zu sehen.«

»Nach dem Rechten …«, wiederholte Berlioz. Ihr ständiges, unterkühltes Lächeln zuckte nur ein klein wenig.

»Ist alles in Ordnung?«, erkundigte er sich.

»In bester Ordnung«, versicherte sie ihm. »Besser als … je zuvor.«

Ein unangenehmes Schweigen schloss sich an. Dann sagte Mashima: »Ich würde es gern sehen.«

»Natürlich!« Berlioz trat einen Schritt beiseite und gab ihm mit einer Handbewegung zu verstehen, einzutreten. Ihr Lächeln verschwand dabei. Mashima konnte sie verstehen. Schließlich war es offensichtlich. Diese Lagerräume waren ihr Reich und jeder Besucher hier war ein Eindringling. Selbst er.

»Ich hätte mir nie erträumt, dass es so wundervoll sein würde«, sagte sie. »Ich hätte nie damit gerechnet, so viele auf einmal ausbrüten zu können, und … es ist herrlich. Ich habe seit drei Tagen nicht mehr geschlafen. Es gibt so viel zu tun!«

Mashima betrat eine der schwebenden Plattformen, die hinter der Tür standen, und ließ sie in die Luft steigen. Berlioz betrat die Plattform ebenfalls, und als sie schließlich der Decke näher als dem Boden waren, betrachtete er ihr Werk. Sie hatte recht. Es gab noch so viel zu tun.

Für ihren bevorstehenden Angriff auf Weaver's World würden sie jeden Xenomorph benötigen, den sie bis dahin ausbrüten konnten, und Berlioz nahm ihre Aufgabe sehr ernst. Der Lagerraum hatte sich in eine Produktionslinie aus Geburt und Tod verwandelt, und erst seit Beginn dieser Mission hatte Mashima sie in dieser Größenordnung in Betrieb gesehen.

Zu seiner Linken befanden sich die Wirte, Reihen über Reihen bleicher, nackter Körper, auf deren Haut noch immer immer das Cryo-Gel schimmerte. Ihre Pods wurden in einem der angrenzenden Räume aufbewahrt. Nachdem man die schlafenden Insassen aus ihnen entfernt hatte, wurden sie durch ein Eindämmungsfeld geschickt, bis sie schließlich sanft gegen die aufgereihten Körper stießen, die vor ihnen lagen. Sie befanden sich noch im Kälteschlaf, auch wenn einige von ihnen sich bereits langsam regten, Arme und Beine bewegten, sich ihre Bäuche nach innen zogen, wenn ihre Organe langsam wieder ihre Funktion aufnahmen und ihre Gehirne langsam, ganz langsam aus dem tiefsten und längsten Schlummer erwachten, den sie je erlebt hatten.

Nur wenige von ihnen hatten die Chance, vollständig aufzuwachen.

Noch in den Schlafkapseln war jedem von ihnen ein Xenomorph-Embryo eingepflanzt worden. Und diese erwachten nun ebenfalls.

Unter und vor der Position, über der Mashima und Berlioz nun schwebten, lag die Brutzone. Ein großes Areal, welches man freiräumte, als das erste Schiff geentert und seine schlafenden Bewohner geerntet wurden. Die Umbauten und Verformungen der Bauten wurden von dem Faze vorgenommen. Wenn das vorprogrammierte Eindämmungsfeld einzelne Individuen in das Areal entließ, schwebten Roboterdrohnen heran, die geringfügige Entladungen auf ihre Brustkörbe abgaben. Jedes einzelne leise Zischen brachte die Schlafenden dabei dem vollen Wachsein ein Stück näher, und zwang, was noch wichtiger war, die Kreaturen, die sie in sich trugen, hinaus ins Freie, ins Licht.

Neun von zehn der Aliens schlüpften, bevor der Wirt vollständig bei Bewusstsein war. Nur hin und wieder öffnete einer von ihnen vorher die Augen.

Mashima sah zu, wie in jeder Minute weitere Xenomorphs geboren wurden. Die welken menschlichen Körper erzitterten, wenn die Rippen von innen zerbrochen wurden, die Brustkörbe sich ausdehnten und aufrissen und sich blutige Fontänen zu schaurigen Blüten auf den rotgetränkten Boden ergossen. Manche von ihnen stöhnten, und einer oder zwei schrien, bevor sie starben. Eine immer gleiche Symphonie, welche diesen wundervollen Moment der Geburt begleitete.

Seufzen, stöhnen, knacken, reißen, schreien, keuchen, sterben … und dann das sanfte Kreischen der Neugeborenen, die der Welt geschenkt wurden.

Mashima spürte ihre Ankunft. Sie kamen als seine Diener, seine Soldaten auf diese Welt. Die sie kontrollierende Nanotechnologie, die jeden dieser Xenomorphs mit ihm verband, war bereits in sie eingepflanzt worden. Manche von ihnen schienen sich sogar zu ihm umzudrehen, so als würden sie seine Anwesenheit spüren, und vielleicht war das sogar der Fall.

»Meine Kinder«, flüsterte er und war alles andere als schockiert, als Berlioz seine sentimentale Bemerkung wiederholte.

Die jungen Xenomorphs wurden von einer größeren fliegenden Drohne eingesammelt und quer durch die Halle zu speziellen Pferchen transportiert, die sich abseits an jenen dunklen, feuchtwarmen Orten befanden, wo die Kreaturen schnell zu ihrer vollen Größe heranwachsen konnten. Diese einzelnen, blasenförmigen Gehege waren darauf ausgelegt, zusammen mit ihren Bewohnern zu wachsen und sie mit Nährstoffen zu versorgen. Wenn sie ausgewachsen waren, bekamen die Xenomorphs das Zeichen in ihr Exoskelett gebrannt, das sie als sein Eigentum auswies.

»Wie viele sind es bisher?«, fragte er.

»Seit wir die Macbeth verlassen haben, habe ich beinahe siebentausend zur Welt bringen können«, erklärte Berlioz.

»Ja«, entgegnete Mashima. »Ich kann ihre Macht spüren. Sie sind stark und gesund.«

»Natürlich sind sie das«, sagte sie. »Ich kümmere mich um sie und füttere sie gut.«

Mashima konnte hören, wie ihr Futter zubereitet wurde. Nachdem die Aliens geschlüpft waren, wurden die toten Menschen durch Abflussschächte im Boden in darunter liegende große Mischbehälter gespült. Dort machten sich Mahlwerke an die Arbeit und zerkleinerten die Überreste zu einer fleischigen Masse, die mit Vitaminen angereichert wurde und dann in die Pferche zur Aufzucht gepumpt wurden. Nichts wurde verschwendet.

»Zum Zeitpunkt unseres Eintreffens erwarte ich noch viertausend weitere«, sagte Mashima. »General, ich beabsichtige, alle Xenomorphs binnen der nächsten fünfzehn Tage auf die Welt gebracht zu haben.«

Mashima hob eine Augenbraue.

»Noch einmal zwölftausend«, fügte sie hinzu. »Eine Armee von insgesamt sechzehntausend Soldaten.«

»Und alle unter meinem Kommando«, ergänzte Mashima. Er schloss die Augen und stellte sich für einen kurzen Moment die Zukunft vor, in der Wellen von Xenomorphs über die Oberfläche von Weaver's World einbrachen und alles und jeden umbrachten, der sich ihnen in den Weg stellte.

Diese Zukunft war ruhmreich.

Und blutrot.

ALIEN VS PREDATOR: ARMAGEDDON

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