Читать книгу PREDATOR: ARMADA - Тим Леббон - Страница 11

ISA PALANT Love Grove Basis, Forschungsstation auf LV-1529, Mai 2692

Оглавление

Immer wieder suchte Isa Palant die unwirtliche und brutale Atmosphäre von LV-1529 mit ihren wilden Gewitterstürmen auf, um sich ins Gedächtnis zu rufen, wo sie sich eigentlich befand.

In Wirklichkeit gab es für sie keinerlei Grund, hier draußen zu sein. Terraforming war ein langsamer, gefährlicher Prozess, und kein Planet wollte die erzwungenen Veränderungen einfach so hinnehmen. Sie hätte sicher und ungestört in der Love Grove Basis sitzen und die Annehmlichkeiten der Lebenserhaltungssysteme genießen können, eingeigelt in ihrem Laboratorium mit ihrer antiken Kaffeemaschine und den eigens aus Weavers World importierten gerösteten Kaffeebohnen, und ihrer Pritsche, die es ihr ermöglichte, an ihrem Arbeitsplatz zu schlafen.

Die Arbeit bedeutete ihr alles, genau wie ihren Eltern. Sie füllte beinahe ihren ganzen Tag und einen Großteil ihrer Träume aus, und genau das war auch der Grund, warum es gut war, einmal rauszukommen.

»Wird gleich etwas holperig werden«, sagte Rogers.

»Ich habe absolutes Vertrauen in Ihre Fahrkünste.«

»Ich auch. Nur bei diesem beschissenen Rover bin ich mir nicht so sicher.«

»Bislang hat er ganz gut zusammengehalten.«

Palant, die wusste, dass das nicht so ganz der Wahrheit entsprach, überprüfte noch einmal, ob ihre Gurte festsaßen, und klammerte sich an den Griff über ihrem Sitz. Zweimal hatten sie auf ihrem Weg über die Begrenzung der Station hinaus angehalten, und beide Male hatte Rogers seinen Schutzanzug anlegen müssen, um auszusteigen und den Auspuff zu reparieren. Beim ersten Mal hatte der herumwirbelnde Staub ihn verstopft, und beim zweiten Mal war er direkt geplatzt. Seitdem röhrte er wie eine zornige Katze. Gern hätte sie ihm dabei geholfen, doch was mechanische Gerätschaften anging, musste sie sich ihre komplette Ahnungslosigkeit eingestehen. Das war einfach nicht ihr Fachgebiet. Keith Rogers hingegen war Ingenieur bei den Colonial Marines gewesen und wusste, was er tat. Jetzt arbeitete er auf der Station, und war hier kaum mehr wegzudenken. Ursprünglich als Teil der Sicherheit angestellt, half er aber die meiste Zeit den Technikern dabei, die Station am Laufen zu halten.

»Wir haben noch ein paar Meilen vor uns«, sagte er. »Wollen Sie, dass ich etwas langsamer fahre?«

»Versuchen Sie immer noch, mich zu überreden, dass wir zwei irgendwohin fahren, wo wir ungestört sein können, Corporal Rogers?«, zog sie ihn auf.

»Miss Palant, mir war von Anfang an klar, dass Sie und der Prügel zwischen meinen Beinen nicht kompatibel sind.«

»Meine Güte, Sie sind immer so wunderbar feinfühlig.«

»Ich darf Sie daran erinnern, dass ich beim Militär war. Dort frisst man Feinfühligkeit mit Löffeln.«

Palant lachte. Jenes tiefe, kehlige Lachen, von dem sich so viele Leute angezogen fühlten. Sie genoss es, zu lachen; lachte, so oft sich die Gelegenheit dafür bot, und Rogers hatte sich als unerwartete Quelle der Inspiration dafür herausgestellt. Sie hätte es nie für möglich gehalten, dass sie einmal mit jemanden derart gut befreundet sein würde, der im Grunde ein Söldner war, doch er hatte ihre Erwartungen Lügen gestraft. Als Wissenschaftlerin wusste sie jede Art von Lektion zu schätzen, und Lektionen des Lebens ganz besonders. Das hatten ihre Eltern ihr beigebracht.

»Trotzdem, gegen einen netten Handjob …«, begann er murmelnd, und sie beugte sich in der Kabine zu ihm hinüber und verpasste ihm einen Schlag auf den Oberarm. »Autsch!«

»Oh, Sie großer starker Soldat.«

»Sie sind kräftiger als Sie aussehen!«

Palant bemerkte, dass er den Rover verlangsamt hatte. Sie lächelte. Er wusste, wie sehr sie es liebte, einmal aus der Basis herauszukommen. Nicht nur, weil sie die reine Schroffheit dieses Ortes liebte, den sie ihr Zuhause nannte, sondern auch, weil es ihr half, einen klaren Kopf zu bekommen. Sie verbrachte so viel Zeit mit ihrer Arbeit, dass sie manchmal etwas Abstand dazu benötigte – nicht nur von ihrem Labor mit seinen Proben und Computern und Theorien, sondern auch von der Basis selbst. Es half ihr, die Synapsen zu entstauben und einen frischen Blick auf ihre Arbeit zu bekommen.

Und doch … wann immer sie die Augen schloss, sah sie die Yautja vor sich.

»Atmosphären-Wandler«, sagte Rogers.

»Wo?« Sie spähte durch die Windschutzscheibe. Das selbstreinigende Plexiglas lief auf Hochtouren, verschmiert vom schmutzigen Regen und zerkratzt und von all den Jahren, in denen staubige Winde und die gelegentlichen Wirbelstürme, die selbst groben Kies mit sich tragen konnten, in die Anlage geweht waren. Sie kniff die Augen zusammen, und dann, zwischen den ruckartigen Bewegungen der Scheibenwischer, sah sie die ersten blinkenden Lichter ganz oben auf dem westlichsten der drei Umwandlungstürme.

Das Design der Atmosphären-Umwandler hatte sich in den letzten hundert Jahren nicht wesentlich geändert – es waren immer noch die gleichen riesigen, pyramidenartigen Bauwerke, angetrieben von nuklearen Fusionsreaktoren, deren Funktionsweise ihr völlig fremd war. Obwohl offiziell eine Wissenschaftlerin, hatte sie immer die Einstellung vertreten, dass man als Paläontologin eher eine künstlerische Ader haben musste. Manch einer empfand die Umwandler als beeindruckende Bauwerke, doch für sie waren sie nichts weiter als klobige, von Menschen errichtete Gebäude, mit denen man versuchte, gegen die Natur vorzugehen. Jeder Fortschritt, den sie erzielten, war hart erkämpft, und sie waren nicht immer erfolgreich. Trotz allem aber ließen aktuelle Analysen darauf hoffen, dass LV-1529 in den nächsten fünfzehn Jahren zu einem Klasse-2-Planeten werden würde, und in sieben Jahrzehnten zu einem Klasse-1-Planet.

»Werden Sie sich heute Nachmittag wieder ihren Monstern widmen?«, fragte Rogers.

»Klar, wieso nicht. Ich habe da ein paar Ideen.«

»Woran arbeiten Sie denn gerade?« Er hatte die Proben in ihrem Labor gesehen, die eingefrorenen Überreste von Yautjas, die bei verschiedenen Kontakten über die letzten zehn Jahre hinweg gesammelt werden konnten. Eine Hand, an der ein Finger fehlte, und die kurz hinter dem Handgelenk von dem Schuss aus einem Lasergewehr, der sie abgerissen hatte, verkohlt worden war. Ein Unterkiefer mit den langen und scharfen Fangzähnen und einer inneren Zahnreihe, die sich gelockert hatte, um einen neuen Satz Zähne nachzuschieben. Außerdem die verschiedenen Blutproben und Körperflüssigkeiten. Manchmal machten sie ihn traurig. An anderen Tagen empfand er sie wiederum einfach nur als furchteinflößend.

»Ich versuche herauszufinden, welchen Einfluss ihr Blut auf ihre Wundheilung hat«, sagte sie. »Das ist etwas, das wir erst kürzlich bei Eve beobachten konnten.«

»Ah, ja, der einzige Yautja, der lebend gefangen werden konnte. Hat es sich nicht selbst umgebracht?«

»Darüber streiten wir noch. Ich persönlich denke, dass es sich umgebracht hat. Man fand es tot in seiner Zelle, und ich glaube, es hat mit bloßer Willenskraft sein Herz angehalten.« Palant wünschte sich nichts sehnlicher, als dass sie eine Chance gehabt hätte, Eve persönlich zu treffen. Um zu reden, es nach seinem richtigen Namen zu fragen. Ihre Sprache zu entschlüsseln war ein weiterer Teil ihrer Forschung, wenn auch jener, der die wenigsten Fortschritte machte. Die Wissenschaftler der Company betrachteten das Ganze eher als Experiment am lebenden Objekt als das, was es eigentlich war – der Kontakt mit einer intelligenten, hochentwickelten außerirdischen Spezies.

»Ursprünglich dachte ich, dass es sich mit Nano-Tech umgebracht hat, und ich habe einige Zeit darauf verwendet, danach zu suchen. Zuerst synthetische Spuren, und als das ergebnislos blieb, versuchte ich mein Glück mit Bio-Technologie.«

»Hä?«

»Natürlich geschaffene Nano-Bots. W-Y forscht seit Jahren auf diesem Gebiet, ohne wirklichen Erfolg. Im Grunde braucht man dafür nur die Erbanlagen entsprechend zu modifizieren, damit aus dem bereits im Körper befindlichen biologischen Material Nano-Bots gezüchtet werden, die man dann für bestimmte Aufgaben programmieren kann.«

»Verstehe«, sagte Rogers. »Ich frage mich ja, was es heute zum Abendessen gibt.«

Sie lächelte, denn sie wusste, dass er nur scherzte. Rogers war aufgeweckter, als es den Anschein hatte, und sie waren schon so lange miteinander befreundet, dass er mehr von den Dingen verstand, von denen sie erzählte, als manch anderer. Manchmal dachte sie darüber nach, ihm vorzuschlagen, ihr Assistent zu werden, aber andererseits mochte sie diese Art von freundschaftlicher Beziehung, und diese beruhte zu großen Teilen auf Abstand.

In ihrem Labor könnte sie sich viel zu sehr intensivieren.

»Aber die Sache ist die: Nachdem ich lange genug in dieser Richtung Untersuchungen angestellt hatte, begann ich zu verstehen, dass das zu einfach gedacht war. Zu altmodisch. Ich zollte ihrer Biologie nicht den Respekt, den sie verdienten. Ich suchte verbissen nach Technologie, statt nach natürlich entwickelten Fähigkeiten. Also fange ich jetzt wieder von vorn an und vergleiche ihr Blut mit dem anderer Kreaturen, die über regenerative Fähigkeiten verfügen. Wie Molche, Seesterne oder Plattwürmer. Oder dem Axolotl, einer wirklich faszinierenden Kreatur. Aber es gibt auch Säugetiere, Hirsche zum Beispiel, die ihr Geweih nachwachsen lassen können, oder bestimmte Fledermausarten, die in der Lage sind, ihre verletzten Flügel zu reparieren.«

»Und die Company pumpt weiter Ressourcen in Ihre Forschung?«

»Klar tut sie das. BioWeapons und ArmoTech lieben mich.«

Rogers schwieg. Sie hatten diese Gespräche schon oft geführt, und er wusste, dass ihre Intentionen sehr viel ehrbarer waren. Die Yautja faszinierten sie über alle Maßen. Sie träumte davon, in einen bedeutsamen Kontakt mit ihnen treten zu können, und der beste Weg, das zu erreichen, war, ihren Vorteil aus den anhaltenden Bestrebungen der Company zu ziehen, von den verschiedenen Kriegstechnologien der Yautja profitieren zu können.

»Macht es Ihnen denn nichts aus, das Spiel mitzuspielen, nur um Ihre Ziele zu erreichen?«, fragte er schließlich. Die Company bezahlte natürlich auch sein Gehalt, und es war ungewöhnlich, dass er sie Dinge fragte, von denen sie ohnehin wusste, dass sie ihm im Kopf herumspukten.

»Ich sehe es nicht auf diese Art«, antwortete sie. »Ich denke da einfach in größeren Dimensionen. Es ist immer noch eine großartige Zeit für Abenteurer.«

»Das sollten Sie sich auf ein T-Shirt drucken lassen.«

»Sie sind wirklich eine beeindruckende Spezies«, fuhr Palant fort und ignorierte seinen Einwand. Wie so oft, wenn sie sich von ihrem Labor entfernt hatte, konnte sie es kaum erwarten, wieder dorthin zurückzukehren. Ihr Leben schien von Gegensätzen beherrscht zu sein. Sie schätzte diese zeitlich begrenzten Zerstreuungen, und doch sehnte sie sich wieder zurück. Sie dürstete nach Wissen und träumte von einer Art friedlichem, für beide Seiten gewinnbringenden Austausch, arbeitete aber zugleich für eine Firma, deren erklärtes Ziel die Förderung dessen war, was sie die »Wissenschaft des Krieges« nannten.

Ihr Vater hatte es ihr einmal zu erklären versucht, damals, als sie noch ein verträumter Teenager war.

Die Company hat Angst, hatte er gesagt. Wir dringen in die Galaxie vor, unglaublich langsam zwar, und doch wissen wir bereits jetzt, dass wir alles andere als allein dort draußen sind. Wir trafen auf andere intelligente Lebensformen, traten mit ihnen in Kontakt. Hin und wieder kam es zum Kampf. Da sind die Yautja, die uns vielleicht bereits seit Jahrhunderten besuchen, und je weiter wir in den Weltraum vorstoßen, umso mehr erregen wir ihre Aufmerksamkeit. Die Xenomorphs stellen das düstere Extrem des Alls dar. Und es ist unvermeidlich, dass wir noch auf andere, vielleicht sogar noch todbringendere Zivilisationen treffen werden. Je weiter wir vordringen, umso mehr werden wir entdecken, und umso mehr wird man uns bemerken.

Das weiß Weyland-Yutani, und sie tun ihr Möglichstes, um die Menschheit vor jeder Art von Gefahren zu beschützen. Das einzige Problem dabei ist, dass … selbst gute Absichten schnell korrumpiert werden können. Wenn so viel auf dem Spiel steht, und man gleichzeitig enorme Gewinne daraus ziehen kann, bleiben Wohltätigkeit und Güte schnell auf der Strecke.

Sie hatte seine Worte und die Lektion in ihnen nie vergessen. Und jetzt, wo sie für Weyland-Yutani arbeitete, bedeuteten sie ihr noch mehr.

»Und da sind wir auch schon wieder«, sagte Rogers. Sie näherten sich der Love Grove Basis und Isa konnte die mit schweren grauen Schilden verkleideten Fenster und Türen erkennen. Die Basis, die in einem kleinen Tal etwa eine Meile vom nächsten Atmosphärenwandler entfernt lag, und von der aus man weitere Ableger anbauen und versorgen konnte, war vor etwa fünfzig Jahren errichtet worden. Nach der Fertigstellung der Umwandler war der Stützpunkt in den letzten zwanzig Jahren von ArmoTech erweitert und umgebaut worden, einer Abteilung von Weyland-Yutani, die sich mit der Erforschung außerirdischer Waffen und Technologien befasste. Die Basis war dabei nur ein weiteres Beispiel für effektive Kostenersparnis. Sie lag nur ein Sprungtor vom Outer Rim entfernt, und galt damit als idealer Ort für die Erforschung der Yautja.

Der Name der Basis stammte von einem der Vorarbeiter, der beim Bau der Umwandler-Anlagen dabei gewesen war. Eine bittersüße Erinnerung an seine Kindheit, an bessere Zeiten. Es hieß, dass er die Kolonie nach dem Ort Love Grove benannt hatte, in dem er aufwuchs – eine religiöse Kommune auf Triton, dem größten Mond des Neptun.

»Ein Sturm zieht auf«, sagte Palant.

Die Anlage mochte ein hässliches Konstrukt mit nur wenigen ästhetischen Highlights sein, doch sie war jedes Mal aufs Neue froh, sie zu sehen. Immerhin war es ihr Zuhause. Palants Eltern waren vor siebzehn Jahren auf ihrem Weg hierher ums Leben gekommen. Die Berichte hatten es einen tragischen Unfall genannt. Als ihre Landefähre von einem Militärschiff aus zu der Station hinabflog, prallten zwei Wetterphänomene aufeinander, was zu starken Gewittern und Orkanböen führte. Das Schiff wurde wie ein Spielzeug herumgewirbelt und zerschellte auf der Oberfläche. Alle achtzehn Insassen starben. Ein großer Verlust, doch jeder von ihnen wusste, dass der Weltraum ein gefährlicher Ort war.

Fünf Jahre später war Palant ihren Eltern zur Love Grove Basis gefolgt, sicher gelandet, und hatte sie seither nur wenige Male verlassen.

Rogers lenkte den Rover zwischen den Gebäuden hindurch. Eine äußere Schleuse öffnete sich und er steuerte das Gefährt in eine Tiefgarage hinab. Die Schleuse schloss sich sofort wieder hinter ihnen. Die Luft in unmittelbarer Nähe der Umwandler war atembar, doch aufgrund der unwirtlichen Wetterbedingungen waren längere Aufenthalte außerhalb der Gebäude selten. Und gefährlich.

Rogers schaltete den Motor des Rover ab.

»Nehmen wir heute Abend noch einen Drink?«, fragte er.

»Sicher doch. Im O‘Malleys, gegen acht?«

»Wir haben ein Date.« Er brachte diesen Witz immer wieder, seitdem sie das erste Mal zusammen ausgegangen waren.

»Danke für die Spritztour. Das hatte ich gebraucht.«

»Zurück an die Arbeit mit Ihnen, Yautja-Frau!«

Sie trennten sich in der Garage und Palant machte sich auf den Weg in die Hauptebene der Basis. Im Zentralbereich traf sie auf Angela Svenlap. Sie lehnte an dem Geländer der großen Treppe und hielt einen Kaffee in ihren Händen. Palant wusste sofort, dass sie dort auf sie gewartet hatte.

»Hey Isa! Gerard Marshall hat versucht, Sie zu erreichen.« Sie überreichte ihr den Kaffee.

»Hat er das?«

»Oh, nur drei Mal.« Svenlap lächelte. Sie sah müde und abgespannt aus, aber war trotzdem her gekommen, um ihr diese Nachricht zu überbringen. Und wer hätte das nicht? Schließlich passierte es nicht alle Tage, dass einer der Geschäftsführer von Weyland-Yutani und einer der großen Dreizehn, persönlich einen seiner Angestellten anrief.

»Okay, ich werde sie mir ansehen und ihm antworten.«

»Es ist eine Direktverbindung.« Svenlap schien aufgeregt zu sein und lächelte ein wenig, als sie Isas Überraschung bemerkte.

»Aus dem Solsystem?«

»Ja. Sie wissen doch, dass er es nie verlässt. Ich habe gehört, dass die Dreizehn eine Technologie entwickelt haben, mit der Echtzeit-Unterhaltungen durch den Subraum möglich sein sollen.«

»Was das an Energie kosten muss …«

»Schätze, er will wirklich dringend mit Ihnen sprechen.«

Palant hob die Kaffeetasse dankend in Svenlaps Richtung und nahm einen Schluck. Svenlap blieb kurz stehen, unschlüssig, ob sie noch mehr erzählen sollte, doch dann lächelte sie und bummelte davon. Palant blieb noch einen Moment stehen und inhalierte die ihr wohlbekannte, sterile Atmosphäre der Basis.

Marshall. Er war schon immer an ihren Forschungen interessiert gewesen und bei ihren Gesprächen mit ihm hatte sie sich stets unwohl gefühlt. Persönlich war sie ihm nie begegnet, doch allein sein Anblick auf dem Holo-Schirm ließ es ihr jedes Mal kalt den Rücken hinunter laufen. Er bemühte sich sichtlich, das attraktive, menschliche Gesicht der Firma zu repräsentieren, aber sie kannte einige Aspekte seines Lebenslaufes. Und die waren hässlich.

Der Kaffee war brühend heiß und bitter, genau so wie Palant ihn überhaupt nicht mochte, aber Svenlap hatte sich extra die Mühe gemacht, ihn ihr zu bringen, zusammen mit der Nachricht. Das hätte sie nicht gemusst. Sie war eine ruhige Person, so bescheiden wie klug, und ihr blasses, trauriges Gesicht verbarg einen scharfen Verstand.

Ihr Fachgebiet war die Geschichte der Yautja, und deshalb profitierten ihre Forschungen und Analysen oft voneinander. Vieles von dem, was Svenlap aufarbeitete, entstammte der menschlichen Geschichte – uralte Texte, die von vermutlich früheren Begegnungen mit ihnen berichteten – ihren Interaktionen mit den Menschen und ihren Einfluss auf historische Ereignisse. Palant fand das alles überaus faszinierend, und obwohl deren Geschichte einen wichtigen Aspekt darstellte, bevorzugte sie selbst jedoch eher den praktischeren Ansatz.

Während sie sich auf den Weg in ihr Labor machte, fragte sie sich, weshalb Marshall versucht haben mochte, sie zu erreichen. Er hatte sie drei Mal angerufen. Es musste also dringend sein. Nichtsdestotrotz war sie von ihrem Zwanzig-Stunden-Trip mit ihrem Freund erholt und ihr Kopf wieder frei. Sie vertiefte sich viel zu lange in ihre Studien, in einem der drei Räume, die ihr Labor bildeten, atmete stets die gleiche Luft, sah die gleichen Dinge und aß das gleiche Essen. Hin und wieder konnte einen die Leere ringsum erdrücken. Die unregelmäßigen Ausflüge, die sie mit Rogers unternahm, halfen ihr in der Regel, Kraft für die nächsten Arbeitswochen zu sammeln. Die Basis wirkte nach diesen Trips frischer auf sie, und der Blick in ihre Zukunft erschien aussichtsreicher.

Sie hatte Geschichten von Menschen gehört, die im Weltall verrückt geworden waren. Die Daten darüber waren unzuverlässig und wahrscheinlich unzureichend, aber ein gewisser Prozentsatz von denen, die ein solches Leben führten, litten unter bestimmten Geisteskrankheiten, angefangen von leichten Persönlichkeitsstörungen bis hin zu Selbstmordabsichten. Die Evolution hatte Mühe, mit dem Fortschritt der Menschheit Schritt zu halten. Palants Eltern hatten oft darüber gejammert, dass der Mensch nicht dazu bestimmt war, in einer feindseligen, fremdartigen Umgebung wie dieser zu leben, die man gewaltsam durch Technik in Form brachte, oder in der niederschmetternden grauenhaften Unendlichkeit des Alls. Der Mensch war ihrer Ansicht nach für grüne Auen und einen blauen Himmel geschaffen.

Sie blieb vor der Tür ihres Labors stehen, atmete den Duft ihres sich abkühlenden Kaffees ein, schloss die Augen und strich mit der Hand über den Türsensor.

Hinter der Tür war nichts mehr so, wie sie es zurückgelassen hatte.

»Verfluchte Scheiße.«

Palant fluchte nur äußerst selten.

»Verfluchte, verdammte Scheiße.«

Im Hauptraum waren mehrere schwere Tische in der Mitte zusammengeschoben worden. Das, was sich zuvor auf den Tischen befunden hatte, lag zusammengeworfen in einer der hinteren Ecken des Labors auf einem Haufen. Wie können sie es wagen, war das Erste, was ihr in den Sinn kam. Dieser Haufen bestand in der Hauptsache aus all ihren Forschungsergebnissen der letzten Monate.

Ein Computertablet war auf den Boden gefallen. Eine Ecke davon war eingedellt und auf seinem Holo-Schirm flackerte ein gefangenes Bild. Ein Ständer mit Glaspipetten war von einem der Tische gefegt worden und lag zerbrochen zwischen Scherben. Eine der Sicherheitsdrohnen des Labors hatte sofort Sicherheitsschaum auf die Scherben gesprüht, der zu einer durchsichtigen, blasenförmigen Masse ausgehärtet und dafür entwickelt worden war, jedes gefährliche oder giftige Element sofort zu isolieren.

Die Pipetten waren leer gewesen, obwohl sie sich die ganze Zeit über gewünscht hatte, sie mit etwas füllen zu können.

So wie es aussah, war ihr dieser Wunsch nun Wirklichkeit worden.

Die beiden Yautja-Leichen befanden sich noch immer in ihren vakuumversiegelten Leichensäcken und unter dem schweren, weißen Material, das fester als Stahl war, zeichneten sich ihre Konturen ab. Obwohl sie nicht wirklich sichtbar waren, war offensichtlich, um welche Art von Körper es sich handelte. Palant kannte sie nur allzu gut.

Einer der beiden war größer als der andere und beinahe so lang wie der drei Meter messende Tisch, auf dem er lag. Ihre Körper waren kräftig, die Beine muskulös und mit großen, klauenbewehrten Füßen. Beide hatten ihre Arme verschränkt auf der Brust liegen, doch dem Rechten der beiden schien dort irgendetwas zu fehlen. Ihre großen und markanten Kopfformen ließen sich zumindest bei einem von ihnen ausmachen, dessen lange Fangzähne das weiße Material wölbten. Der andere schien noch seinen Helm zu tragen, auch wenn damit etwas nicht zu stimmen schien. Auf dessen linker Seite befand sich eine Vertiefung, ganz so, als wäre der Schädel nicht mehr komplett.

Wahrscheinlich haben sie den Helm auf der Leiche gelassen, damit er dem, was von seinem Kopf noch übrig ist, Halt gibt, mutmaßte sie.

Jetzt wusste sie, weshalb Marshall sie so dringend erreichen wollte. Palant sah ihn förmlich vor sich, wie er ihr auf seine schmierig-selbstbewusste Art das Geheimnis persönlich mitteilen wollte, nur um zu sehen, ob sie die Fassung behielt. Sie war froh, ihm die Überraschung vermasselt zu haben.

Schwer atmend betrat sie das Labor und schloss die Tür hinter sich, schloss sich zusammen mit den beiden majestätischen Leichen ein.

Sie hatte eine Menge Körperteile vor sich gehabt, hatte die Daten anderer Wissenschaftler studiert und so viele Aufnahmen von Yautja-Angriffen gesehen – von denen die meisten von den Sensoren von Kampfanzügen der Colonial Marines stammten und daher sehr undeutlich waren – dass sie beinahe selbst der Ansicht war, sie gut zu kennen.

Doch im Prinzip wusste sie gar nichts. Die Yautja blieben rätselhaft, und je mehr sie sie studierte und über sie herausfand, umso mehr Fragen türmten sich auf. Vielleicht konnten aber nun einige dieser Fragen beantwortet werden.

»Computer, wie ist der Status dieser Leichen?« Sie hatte nie den Drang verspürt, ihrem Laborcomputer eine Persönlichkeit zu geben, geschweige denn einen Namen. Ihr Verhältnis schien davon zu profitieren.

»Guten Tag, Isa. Sie sind seit drei Stunden nicht mehr in Stasis. Verfallsraten – Probe Eins, vier Prozent. Probe zwei – sechs Prozent.«

»Das ist zu viel«, sagte sie. »Bereite die Pods vor.« Ihr Herz klopfte. Mit einem Mal war sie hellwach. Sie glaubte, bereits erste Spuren von Verwesung riechen zu können, auch wenn das unmöglich war. Sie blinzelte und für einen Moment schien es ihr, als hätte sich einer der Leichensäcke bewegt.

»Nachricht an die Zentrale, sie sollen drei Techniker herschicken, die mir dabei helfen, sie umzulagern. Funktionieren die Pods?«

»Aber natürlich. Sie werden regelmäßig von mir gewartet, und ich lasse täglich Tests laufen. In sieben Minuten stehen sie zur Verfügung.«

»Danke.« In einem kleinen Raum hinter dem Labor befanden sich drei Stasispods, zwei große und ein kleinerer, die für Momente wie diesen in Betrieb gehalten wurden. Sie waren speziell dafür umgebaut worden, der Physiologie der Yautja gerecht zu werden, und es war schon immer ihr Wunsch gewesen, sie eines Tages genau dafür benutzen zu können.

Was gab es noch zu tun? Palant atmete schneller und klopfte sich gedankenverloren mit der linken Hand gegen ihr Bein, während sie darüber nachdachte, welche Auswirkungen diese beiden Leichen auf ihr künftiges Leben haben würden. Sie schloss die Augen und versuchte, ihre Atmung zu beruhigen; dachte an ihre Eltern und was sie dazu sagen würden. Wahrscheinlich nichts, was man in einer Anlage der Company laut aussprechen sollte. Sie hatten Weyland-Yutani stets als korrupt und moralisch verdorben angesehen, und Palant hatte sich immer ein wenig dafür geschämt, als sie nach dem Tod ihrer Eltern begann, für die Company zu arbeiten.

»Aber ich kann so vieles lernen«, erfüllte ihr hoffnungsfrohes Flüstern den Raum.

»Eine Subraum-Übertragung von der Charon Station für Sie. Es ist Gerard Marshall.«

»Blockieren. Ich möchte nicht mit ihm …«

»Es tut mir leid. Die Übertragung lässt sich nicht abbrechen.« Der mobile Holo-Rahmen löste sich von seiner Wand und schwebte durch das Labor auf sie zu, während gleichzeitig das Innere des Rahmens verschwamm, einige Male aufflackerte und schließlich das Bild einer Person zeigte.

Gerard Marshall lächelte sie an. Er war von den Schultern aufwärts zu sehen und saß zurückgelehnt in seinem Sessel. Hinter ihm prangte eine künstlich wirkende Projektion mit wogendem Gras, sonnigem Himmel und flatternden Vögeln. Subraumstörungen ließen das Bild leicht verzerrt wirken und verliehen ihm zu beiden Seiten ein geisterhaftes, zeitversetztes Echo. Sie fand es schon immer seltsam, mit jemandem zu sprechen, der sich so weit entfernt befand. Wie in diesem Fall beinahe fünfhundert Lichtjahre. Die scheinbare Unmöglichkeit dessen ließ die Distanzen, die dabei überbrückt wurden, nur noch furchterregender erscheinen.

»Isa Palant«, begrüßte er sie mit einer gespielter Freundlichkeit, bei der sich ihr die Nackenhaare aufrichteten. »Wie stehen die Dinge denn so, so ganz weit draußen am Rand des Universums?«

Isa wartete auf weitere Worte, die vielleicht noch folgen würden.

»Sie können mir ruhig antworten«, sagte er. »Wie Sie wissen, haben die Dreizehn Subraum-Kanäle für Echtzeit-Unterhaltungen öffnen können.«

»Richtig«, sagte Isa. »Nun, die Dinge stehen …« Sie warf einen flüchtigen Blick auf die beiden Leichen, dann lächelte sie. »Nun, Sie wissen doch ganz genau, wie sie stehen.«

Das dreidimensionale Bild von ihm beugte sich näher an sie heran. »Ich hoffe, Sie mögen die Überraschung. Ist das nicht aufregend? Ich habe versucht, Sie schon eher zu erreichen, um Ihnen die Nachricht höchstpersönlich mitzuteilen.«

»Ich war nicht in der Basis«, antwortete Palant.

»Ja, leider, aber nun sind Sie ja wieder zurück.« Seine Antworten trafen leicht zeitversetzt bei ihr ein, und passten daher nicht zu seinen Bewegungen. Sie empfand diese Form der Kommunikation als überaus verwirrend.

Sie hatte versucht, so viele Nachforschungen wie möglich über Marshall anzustellen, ohne dass es zu offensichtlich und nachvollziehbar aufdringlich wurde. Obwohl er die Position eines Geschäftsführers der Weyland-Yutani-Corporation begleitete, hatte er das Sol-System nie verlassen und reiste nur selten an Orte, die nicht über eine entsprechende Atmosphäre verfügten, so wie die Erde, der Titan, der Mars und die anderen Monde des Systems, die man noch immer bewohnbar zu machen versuchte. Ob es die Angst oder der Mangel an Komfort waren, die ihn davon abhielten, ein regelmäßiger Weltraumreisender zu sein, konnte sie nicht in Erfahrung bringen.

Jetzt befand er sich auf der Charon Station, einem riesigen Weltraumhabitat, welches das heimatliche Sonnensystem etwa in der Entfernung des Pluto umkreiste. Die Station war bekanntermaßen das Hauptquartier der Colonial Marines und Aufenthaltsort von General Paul Bassett, des Commanders der Marines.

Es war einfach seltsam, sich über eine solch unglaublich große Distanz hinweg direkt unterhalten zu können. Und noch seltsamer, dass die Dreizehn eine solche Technologie für sich behielten und nur ein paar wenige Eingeweihte davon profitieren konnten.

»Sie sind wirklich außergewöhnlich«, sagte Palant. Sie konnte sich nur schwer auf das Gespräch konzentrieren. Die Körper lenkten sie viel zu sehr ab.

»Ich hoffe, Sie werden imstande sein …« Das Bild begann zu flackern. Sein Gesicht verschwamm zu mehreren Abbildern, die teilweise jünger oder älter als er selbst aussahen. Dann stabilisierte sich die Übertragung wieder. »… sehr schwer beschädigt? Man sagte mir, das sei nicht der Fall.«

»Das kann nicht noch nicht genau sagen, aber sie scheinen annähernd vollständig zu sein. Ich kann Ihnen später einen genauen Bericht zukommen lassen, nach meinen ersten Untersuchungen.« Das war ihr Versuch, ihn taktvoll dazu zu bringen, sie an die Arbeit gehen zu lassen, doch Marshall war noch nicht fertig.

»Ich bitte darum. Die beiden wurden von einer Abordnung der Excursionists im Outer Rim getötet. Sie griffen eine medizinische Forschungsstation an, was zu einigen beklagenswerten Todesfällen führte.« Er seufzte und klang alles andere als betroffen. »Isa, wir haben schon öfter darüber gesprochen, was wir uns von Ihnen versprechen. Mehr als je zuvor müssen sich diese Erwartungen jetzt erfüllen.«

»Natürlich«, antwortete sie.

»Natürlich«, wiederholte er. Sein Lächeln schwand. »Ich weiß, wie sehr Sie Ihre Arbeit lieben. Ich weiß auch, dass Ihre Absichten überaus ehrbar sind – aber es hat in der letzten Zeit vermehrt Angriffe gegeben, in verschiedenen Regionen des Outer Rim, aber auch darüber hinaus. Unsere größte Sorge und unsere oberste Priorität ist es, so viel wie möglich über die Waffen der Yautja und ihre kämpferischen Fähigkeiten herauszufinden.«

»Ja«, sagte sie.

»Wir werden Ihnen jemanden schicken, der Sie in Ihrer Arbeit unterstützen wird.«

Sie hob die Augenbrauen. Nun galt ihre gesamte Aufmerksamkeit wieder Marshall.

»Milt McIlveen.« Wieder verzerrte sich das Bild. Eines seiner Bilder schien ein anderes Abbild von ihm höhnisch anzugrinsen. Isa wollte den Blick abwenden, die Übertragung beenden, aber das konnte sie nicht. »… ein guter Mann. Genauso sehr von den Yautja fasziniert wie Sie.«

»Aber?«

»Aber …« Wieder erschien dieses falsche Lächeln in seinem Gesicht. «Er steht voll und ganz hinter unseren Zielen.«

»Das tue ich auch, Mr. Marshall.«

»Ja. Natürlich tun Sie das.« Er schien die Übertragung schon beenden zu wollen, doch dann hielt er inne. »Isa, ich weiß, Sie sehen mich als Firmenboss an, und das bin ich auch, durch und durch. Meine Beweggründe in dieser Sache aber sind ebenso ehrbar. Können Sie sich vorstellen, was passieren würde, wenn die Yautja einen wirklich großen Angriff starten würden?«

»Das sähe ihnen nicht ähnlich. Ihre Gesellschaft ist nicht darauf ausgelegt. Im Kern sind sie Einzelgänger, die sich gelegentlich zusammenfinden, für Zeremonien, zur Paarung oder aus Gründen, die wir noch nicht kennen. Aber sie sind keine Eroberer. Sie hegen keine finsteren Pläne. In ihren Taten liegt eine gewisse Ehrbarkeit.«

»In dieser ehrbaren Art und Weise haben sie auf der Southgate Station 12 über zwanzig Stationsmitarbeiter und zwei Excursionists getötet«, sagte Marshall. »Und wenngleich ich Ihre Ansicht zur Kenntnis nehme, dürfen wir hier nichts dem Zufall überlassen. Ich gebe Ihnen einfach nur den guten Rat, sich Ihrer Prioritäten zu besinnen. Ihr neuer Assistent wird in siebzehn Tagen bei Ihnen eintreffen.«

Palant lächelte und nickte – und lächelte auch noch, als Marshalls Gesicht langsam verschwand. Der Holo-Rahmen schwebte zu einem Dock an der hinteren Wand zurück, und der Raum erschien plötzlich unnatürlich still.

»Hilfe ist eingetroffen«, meldete sich die Computerstimme. Hinter ihr öffneten sich die Türen und drei Personen traten ein.

Palant schritt auf die Leichen zu und legte zum ersten Mal ihre Hand auf einen der Leichensäcke.

Er fühlte sich kalt an. So kalt wie der Weltraum.

PREDATOR: ARMADA

Подняться наверх