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ANGELA SVENLAP Love Grove Basis, Forschungsstation, LV-1529, Mai 2692

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An jenem Tag vor etwas mehr als zwei Jahren, als das erste Signal eintraf, hatte Angela Svenlaps Leben plötzlich einen Sinn bekommen. Davor hatte sie ihre Tage, Monate und Jahre mit einer mysteriösen inneren Leere verbracht. Sie war hochintelligent, neugierig, und lerneifrig und hatte sich schon länger als vorausdenkende und energetische Person bewährt. Ihre Reise von ihrem Geburtsort auf dem Jupitermond Io hinaus in die Menschliche Sphäre hatte Jahre gedauert, denn wann immer sie irgendwo Halt machte, gab es etwas Neues, dass sie mehr faszinierte. Nach einer schicksalhaften Begegnung auf Addison Prime hatte sich dann jedoch ihre Neugier auf die Yautja fokussiert. Der alte Mann war ein Überlebender einer Yautja-Attacke auf ein Titan-Schiff vor über fünfzig Jahren gewesen, und sie war tagelang nicht von seiner Seite gewichen, um ihn darüber auszufragen.

Von da an hatte sich Angela Svenlap zu einer Autorität entwickelt, was Yautja-Aktivitäten durch die menschliche Geschichte hindurch anging. Der Wahrheitsgehalt dieser Berichte schwand natürlich, je weiter in der Vergangenheit sie lagen. Für die letzten Jahrhunderte gab es einigermaßen verlässliche Sichtungen, die sich auf frei zugänglichen Quantenspeichern, Streams oder sogar ein paar alten Festplatten fanden, über die sie gestolpert war oder die ihr von anderen, die ihr Interesse an diesen Dingen kannten, zugesandt worden waren. Für die Zeit davor waren immer noch ein paar wenige Bücher im Umlauf, die Ereignisse festgehalten hatten, bei denen es sich um Besuche der Yautja auf der Erde vor der Entwicklung der interstellaren Raumfahrt gehandelt haben mochte.

Für alles, was davor lag, konnte man nur Mutmaßungen anstellen.

Sie mochte es, nach diesen Berichten zu forschen. Dann fühlte sie sich lebendig. Doch auch, wenn sie in einen neuen Fall eintauchte, in jeder Minute, die sie mit Lesen und Querverweisen verbrachte und versuchte, Beweise mit anderen vielfältigen und scheinbar nicht damit zusammenhängenden Berichten zu verbinden, hielt dieses Gefühl der Leere in ihr an.

Hin und wieder versuchte sie es zu ergründen. Wenn sie es aus der Distanz heraus zu beurteilen versuchte, wich die Leere aus ihr. Wenn sie jedoch gezielt in sich hineinblickte, fühlte sie sich niedergeschlagen. Es war, als würde sie nicht wissen, wer sie eigentlich war. Ganz so, als wäre die Person, die sie glaubte zu sein – jene Angela Svenlap, die siebenundfünfzig Jahre ihres Lebens damit verbracht hatte, sich um diese Leere herum zu bilden – kaum mehr war als eine Puppe, dafür geschaffen, etwas sehr viel Bedeutsameres, aber auch Dunkleres zu kaschieren.

Und dann war da auf einmal diese Nachricht gewesen – ein paar wenige, einfache Worte, die ihre Bestimmung offenbarten.

Die Gründer haben euch nicht vergessen.

Diese Botschaft veränderte ihr Leben, von einer Sekunde auf die nächste. Und sie veränderte sie noch immer.

Es waren die älteren Sichtungen, deren Recherche sie am meisten faszinierten. Sie besaß ein eingescanntes Foto, die Aussagen mehrerer zweifelhafter Zeugen und den Bericht eines Arztes, aus dem ein Großteil der Details herausgestrichen worden war. Die Fotografie war Schwarzweiß und größtenteils unscharf. Rauch und das allgemeine Chaos auf dem Schlachtfeld verschleierten zusätzlich die Aufnahme. Die Zeugenaussagen waren aus dem ursprünglichen Russisch von einem deutschen Soldaten übersetzt, und dann, ein paar Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, von einem amerikanischen Wissenschaftler ins Englische übertragen worden. Die Sichtung fand an einem Ort des Schreckens statt, eine zerstörte und höllisch anmutende Kulisse, die alles andere als eine Szenerie für glaubhafte Augenzeugenberichte darstellte.

Und schließlich war der Bericht des Arztes von seinen Vorgesetzten noch zensiert worden. Dieser Umstand überzeugte Svenlap mehr als alles andere davon, dass sie auf einer heißen Spur war.

Sie starrte auf das Foto in dem Holo-Rahmen vor sich. Nachdem sie es durch alle ihr bekannten Schärfe- und Verbesserungsprozesse gejagt hatte – und darüber hinaus dem Computer erlaubte, eigene Ansätze zu verfolgen, die ihr selbst nie in den Sinn gekommen wären – hatte sie das Foto in seinen originalen, sieben Jahrhunderte alten Zustand zurückverwandelt.

Linkerhand befand sich der Umriss eines zerbombten Gebäudes. Eine Straße, übersät mit Schutt und Leichen und den brennenden Überresten irgendeines Militärfahrzeuges. Auf der rechten Seite ein weiteres, zerstörtes Gebäude, und in dessen Türrahmen eine Gestalt. Sie war größer als der Türrahmen, und schien sich bewusst zurückgezogen zu haben, um von dort das Chaos zu beobachten. Großer Brustkorb. Hervorstehende Kiefer. Die Silhouette einer Haarfrisur, die zu jener Zeit weder von Männern noch von Frauen getragen wurde. In seiner rechten Hand etwas, das an einen Speer erinnerte.

»Es muss so sein«, murmelte sie zum wiederholten Male vor sich hin. Trotz verschiedener Hinweise war es diese Fotografie, welche sie am meisten in ihrer Annahme bestärkte. Sie hatte die Yautja lange genug studiert, und war fest entschlossen, sich von diesem Schatten aus der Vergangenheit nicht länger verfolgen zu lassen. Es war an der Zeit, den Fall abzuschließen.

»Bestätigte Yautja-Sichtung«, diktiere sie dem Computer, der jedes ihrer Worte aufzeichnete. »Fallstudie Nummer Drei-Drei-Neun. Ort und Zeit – Stalingrad, 7. bis 11. Januar, 1943. Anzahl der Opfer …« Sie unterbrach sich und dachte wieder an die zweifelhaften, da mehrfach übersetzten Augenzeugenberichte und den stark zensierten Bericht des Arztes. »Anzahl der bestätigten Opfer, achtundzwanzig, möglicherweise aber über einhundert.« Sie machte erneut eine Pause, dann nickte sie.

Der Schatten auf dem Foto starrte zu ihr zurück, beinahe so, als würde er ihr zuhören. Er schien groß zu sein, wirkte stolz. Sie fragte sich, was aus dem Außerirdischen geworden war – ob er in dieser furchtbaren Schlacht starb, oder ob er entkommen konnte, um an einem anderen Tag erneut auf die Jagd zu gehen und zu töten.

Gerade, als sie den Holo-Schirm abschalten wollte, ging eine Nachricht für sie ein. Ihr blieb das Herz stehen. Sie rang nach Luft und griff halb im Stehen nach dem Schirm, als wollte sie die heiß ersehnte Nachricht wie eine Blume von dem Display pflücken. Sie schwitzte wie ein Phrail-Abhängiger und zwang sich, sich hinzusetzen und durchzuatmen. Seit der letzten Kommunikation waren beinahe neunzig Tage vergangen, und sie hatte sich bereits gefragt, ob sie sie vergessen hatten.

Nein, dachte sie bei sich. Sie vergessen uns nie. Niemals!

»Status der Nachricht?«, fragte sie mit zitternder Stimme.

»Privat«, antwortete der Computer. »Absender: Beatrix Maloney. Dauer: neunzehn Sekunden. Quelle der Übertragung: unbekannt.«

»Abspielen«, hauchte Svenlap.

Die Nachricht erklang.

Sie hörte die Nachricht immer und immer wieder ab, bis sie die Worte auswendig kannte und ihr Echo die Leere in ihr füllten, sie zu komplettieren schienen. Sie bildeten eine schwere, feste Masse, deren Bedeutung und Gewicht sie beinahe zu erdrücken schienen, und jene Svenlap zu erdrücken drohten, die sie anstelle der Svenlap geworden war, die sie eigentlich hätte sein sollen. Ihre Gedanken gehörten nun einzig dieser neuen Person, und doch fühlte sie sich so viel vollständiger und mit sich selbst im Reinen als jemals zuvor.

Die Gründer haben euch nie vergessen. Eure Geduld wird unsere Macht und euer Glaube unsere Stärke sein. Erbaut für uns. Erschafft für uns.

Das waren inspirierende Worte, und Svenlap klammerte sich förmlich an das Dazugehörigkeitsgefühl, das sie ihr gaben. Der letzte, sehr viel poetischere Satz brachte sie immer wieder zum Weinen.

Möge uns in der Tiefe und der Dunkelheit ein Licht erscheinen und uns den Weg nach Hause erhellen.

»Nach Hause«, flüsterte sie, als sie von Zimmer zu Zimmer durch den verlassenen Ostflügel der Basis streifte. Dieser Teil war vor einigen Jahren stillgelegt worden, nachdem ein besonders heftiger Sturm eine der Begrenzungswände herausgerissen hatte und daraufhin ein Teil des Daches eingestürzt war. Das Management der Love Grove Basis hatte entschieden, dass die verbliebenen, solideren Areale für die derzeitige Nutzung mehr als ausreichend waren. Die Atmosphärenumwandler verrichteten ihre Arbeit mittlerweile selbstständig, und die vielen Räumlichkeiten, die man für die Unterbringung der Konstrukteure, Ingenieure und Techniker gebaut hatten, waren nun ohnehin nutzlos.

So vieles hatten sie zurückgelassen.

»Nach Hause«, murmelte Svenlap erneut. Etwas verwundert runzelte sie die Stirn.

In einem der Räume hatte ein Knäuel aus Lichtdraht den Schein ihrer Taschenlampe eingefangen und konserviert. Sie formte den Draht in ihrer Hand zu einem Ball und steckte ihn sich in die Tasche. Etwas weiter im Inneren fand sie ein paar beinahe kugelförmige Objekte auf einem der mit Staub überzogenen Tische. Metallgefäße, etwa von der Größe ihrer Hand, die früher wahrscheinlich als Aufbewahrungsort für Laserbatterien gedient hatten. Zwei davon steckte sie sich ebenfalls ein, zusammen mit einer Handvoll Schrauben, welche diese ursprünglich fest verschlossen.

Während sie sich auf den zusammengestürzten östlichen Teil der Anlage zubewegte, hörte sie den Wind durch die Korridore heulen. Rinnsale von Feuchtigkeit rannen an den Wänden hinunter, und Sand und Kies waren durch Löcher hereingeweht worden und hatten in den Gängen eine seltsame Art von Landschaft gebildet. Der Strahl ihrer Taschenlampe warf skurrile, sich bewegende Schatten über die Decke.

Die Gründer haben euch nicht vergessen.

Sie wanderte allein durch jenen verwaisten Teil der Basis, atmete die schwere feuchte Luft, die nicht genug Sauerstoff enthielt, um sich hier länger als ein paar Stunden aufzuhalten, und fühlte sich dabei gleichermaßen beobachtet und gebraucht; spürte das Vertrauen der Gründer in sich. Ihr oblag eine Mission von besonderer Wichtigkeit.

Nur für einen kurzen Augenblick gelangte die alte Svenlap in ihr an die Oberfläche. Taumelnd blieb sie stehen und dachte darüber nach, was sie hier tat. Ihre Hände waren zerkratzt und zerschnitten vom Durchwühlen alter Werkzeuge und Maschinenteile. Die Geister dessen, was sie zu konstruieren erachtete, verfolgten sie.

»Möge uns ein Licht erscheinen«, wiederholte sie.

Sie schob ein paar der Paneelen beiseite, die von der Decke herabgestürzt waren, und zwängte sich in einen der entferntesten Räume der Basis. Soweit sie es sagen konnte, war seit Jahren niemand mehr hier gewesen, und die Inneneinrichtung schien zu einem Teil der äußeren Landschaft geworden zu sein. Die Seite, die den Elementen ausgesetzt war, hatte sich mit Sand gefüllt, die Wände waren eingestürzt und die Möbel über die Zeit in der giftigen Atmosphäre verrostet und verrottet.

Am hinteren Ende befand sich die schwere Tür, die zu einem Lagerraum führte. Sie war fest verschlossen, doch die Türangeln waren verfallen. Doch selbst mithilfe eines Stahlrohres benötigte sie eine halbe Stunde unter Ächzen und Stöhnen, um die obere Türangel zu lösen, und weitere zwanzig Minuten für die untere Verankerung. Sie legte eine Pause ein, um sich auszuruhen und etwas zu trinken. Das Wasser schmeckte faulig und war sandig, wie die Luft, die sie atmete. Sie machte sich Sorgen darüber, was es mit ihren Innereien anrichten würde, aber gleichzeitig wusste sie, dass sie nicht mehr lange ausharren musste, um sich deswegen den Kopf zu zerbrechen.

Keuchend und schwitzend, mit blutigen Händen, die immer wieder an dem glatten Metall abrutschten, zog Svenlap die Tür weit genug auf, um sich hindurchschieben zu können.

Mit ihrer Taschenlampe suchte sie den Raum nach dem ab, weshalb sie hergekommen war.

Es gab genug davon.

Sie war technisch nie sonderlich interessiert gewesen. Als sie jünger gewesen war, hatte sie sich kurz in Ingenieurwesen versucht, sich dann aber anderen Interessen zugewandt. Ihren wirklichen Leidenschaften, wie die Geschichte der Yautja.

Jetzt gab es also zwei tote Yautja auf dieser Basis. Am Rand ihres Schreibtisches und achtlos auf dem Boden liegend befanden sich die Rechercheergebnisse ihrer derzeitigen Arbeit. Fotografien, Ausdrucke gescannter Bücher, haptische Belege ihrer Forschung, die sie immer als sehr viel angenehmer als deren elektronische oder holografische Entsprechungen empfunden hatte.

Ganz tief in sich drin wusste Angela Svenlap, dass sie mehr als aufgeregt sein müsste. Sie hatte von den Leichen schon gewusst, noch bevor Palant von ihrem Ausflug zurückgekehrt war, und hatte sich vor lauter Aufregung kaum beherrschen können. Ursprünglich wollte sie Palants Labor später an jenem Tag noch einen Besuch abstatten, um die Leichen sehen, sie vielleicht sogar sehr genau studieren zu können. Es bestand die Möglichkeit, dass sie Trophäen bei sich trugen, die sie mit einem bestimmten Punkt in der menschlichen Geschichte in Verbindung brachten. Vielleicht ließ sich sogar ein konkreter Beweis für die Anwesenheit der Yautja auf jenem Schlachtfeld in Stalingrad finden!

Doch dann war diese Nachricht eingetroffen, und jede Begeisterung für die Yautja war verschwunden. In der Mitte ihres Schreibtisches befand sich nun das neue Objekt ihrer gesamten Aufmerksamkeit.

Die Luft stank nach heißem Metall. Lötzinn schmolz. Drähte warfen kleine Funken. Es war eine althergebrachte Technologie, aber eine, die sie plötzlich besser verstand als je zuvor. Warum, konnte sie nicht sagen.

Die Ideen dazu waren dem dunklen, leeren Ort in ihr entstiegen – ein Ort, der nun nicht länger dunkel und leer, sondern hell und voller Verheißung war.

»… und uns den Weg nach Hause erhellen«, flüsterte sie und verband zwei weitere Drähte miteinander. Die Konstruktion war ein einziges Durcheinander, aber sie wusste, dass es funktionieren würde.

In einer Tasche zu ihren Füßen befand sich der Grund, weshalb sie sich zu dem zerstörten Raum aufgemacht hatte. Zurückgelassen von den Erbauern der Atmosphärenwandler, obwohl sie es nicht hätten zurücklassen sollen. Sie wusste schon immer, dass es dort lag, aber es schien ihr nie wichtig gewesen zu sein. Und wieso sollte es auch?

Die alte Angela Svenlap hatte sich nie für Sprengstoffe interessiert.

PREDATOR: ARMADA

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