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Das Licht der Gnade

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Aber wie kann dieses Licht unser Licht werden? Man beachte, dass es bei Jesaja nicht nur heißt: „Denn es ist uns ein Kind geboren“, sondern der Prophet fährt fort: „Ein Sohn ist uns gegeben.“ Gegeben – es handelt sich um ein Geschenk. Dieses Licht können wir nur dann bekommen, wenn wir bereit sind, es als Geschenk entgegenzunehmen.

In diese Richtung weist auch der vorangehende Vers 4: „Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.“ Hier ist von einem großen Kampf die Rede, aber das Bild, das der Prophet hier malt, zeigt, dass der große Sieg über das Böse nicht mit unserer Kraft geschieht. Wir brauchen keine Soldatenstiefel, auch keine Rüstung oder Schwert. Verbrennt sie, lasst sie im Feuer schmelzen. Den Kampf übernimmt jemand anderes für uns. Wer ist dieser andere?

Hier sagt Jesaja uns das noch nicht. Wir müssen warten, bis wir zu den „Gottesknechtsliedern“ in Kapitel 42–55 kommen, wo der Prophet uns einen geheimnisvollen Erlöser vorstellt, der einst kommen wird und der „um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen“ ist. „Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt“ (Jesaja 53,5). Als Jesus ans Kreuz ging, bezahlte er die Strafe für unsere Sünde. Wenn wir unser Vertrauen nicht mehr auf unsere eigenen moralischen Bemühungen setzen, sondern auf das, was Christus für uns getan hat, vergibt Gott uns, nimmt uns als seine Kinder an und gibt uns seinen Heiligen Geist, damit dieser uns von innen heraus neu macht. Diese große Erlösung, dieses Licht, das über uns aufstrahlt mit all seinem neuen Leben, seiner Wahrheit und Schönheit, ist ein Geschenk, das ich nur dann empfangen kann, wenn ich mir darüber klar werde, dass es reine, unverdiente Gnade ist.

Weihnachten ist bekanntlich ein Fest der Geschenke. Aber manchmal bekommt man Geschenke, auf die man auch verzichten könnte. Bei manchen muss man geradezu seinen Stolz hinunterschlucken. Stellen Sie sich vor, Sie öffnen das Weihnachtspäckchen einer guten Freundin – und es ist ein Abnehm-Ratgeber. Dann reißen Sie von dem nächsten Paket das Papier ab und es ist ein anderes Buch, von einer anderen Freundin; der Titel: Wie man selbstlos wird. Wenn Sie den großmütigen Schenkern sagen: „O, danke schön, das ist aber echt lieb!“, geben Sie indirekt zu: „Ja, ich bin ein bisschen übergewichtig und manchmal bin ich ein richtiges Ekel.“ Mit anderen Worten: Manche Geschenke nehmen wir nur ungern an, weil wir damit indirekt zugeben, dass wir gewisse Charakterschwächen und Fehler haben und Hilfe brauchen. Waren Sie schon einmal in finanziellen Schwierigkeiten und auf einmal kam ein Freund, der um Ihre Lage wusste, und bot Ihnen eine größere Summe an, um Ihnen finanziell unter die Arme zu greifen? Wenn ja, dann mussten Sie wahrscheinlich, um dieses rettende Geschenk anzunehmen, zuerst einmal Ihren Stolz hinunterschlucken.

Aber Sie haben mit Sicherheit noch bei keinem Geschenk so viel Stolz hinunterschlucken müssen wie bei dem Geschenk, das Jesus Christus uns anbietet. Weihnachten bedeutet, dass wir so verloren sind, so unfähig, uns selbst an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen, dass es nichts weniger brauchte als den Tod des Sohnes Gottes persönlich, um uns zu retten. Das bedeutet, dass wir nicht in der Lage sind, ein gutes, anständiges, moralisches Leben zu leben, wenn wir uns nur ein bisschen anstrengen.

Um das wahre, das ursprüngliche Weihnachtsgeschenk annehmen zu können, muss ich zugeben, dass ich ein Sünder bin – jemand, der dringend Gnade braucht, um erlöst zu werden, jemand, der nicht in der Lage ist, das Ruder seines Lebens selber in der Hand zu halten. So tief erniedrigen will sich eigentlich keiner von uns. Aber die Größe Jesu Christi zeigt sich gerade darin, in welche Tiefen er hinabstieg, um uns zu lieben. Es ist dieser Weg nach unten, den wir gehen müssen, wenn wir geistlich wiedergeboren und erneuert werden und das Ziel erreichen wollen. Christus ging ganz nach unten, um ganz nach oben zu kommen, und die Bibel sagt uns, dass wir nur über die Buße in sein Licht kommen können. C. S. Lewis bringt es auf den Punkt, wenn er Folgendes über die Inkarnation schreibt:

Ein neues Grundprinzip tut sich uns auf: das Vermögen des Höheren, soweit es wahrhaft höher ist, hinabzusteigen; das Vermögen des Größeren, das Kleinere einzubeziehen. … Überall dringt das Große in das Kleine ein – und die Fähigkeit dazu ist geradezu der Prüfstein für die Größe des Großen.

Nach der christlichen Überlieferung steigt Gott herab, um wieder hinaufzusteigen. Er kommt herab von den Höhen des absoluten Seins, hinein in Zeit und Raum, herab in die Menschlichkeit; ja, sogar noch weiter herab, in den Mutterleib, um dort – wenn die Embryologen recht haben – alte und vormenschliche Lebensphasen zu durchlaufen; herab zu den tiefsten Wurzeln, zum Urboden der von ihm geschaffenen Natur. Doch er kommt herab, um wieder aufzusteigen und die ganze zerfallene Welt mit emporzuheben. … Man stellt sich einen Taucher vor, der sich zunächst bis zur Nacktheit entblößt, einen Blick in die Luft wirft und dann mit einem Aufspritzen fort ist, verschwunden, hinunterstößt durch grünes und warmes Wasser, hinein in schwarzes und kaltes, hinunter durch zunehmenden Druck in die todesgleiche Region von Schlick, Schlamm und Verwesung; und dann gleitet er wieder hinauf, zurück zu Farbe und Licht, mit fast berstenden Lungen, bis er plötzlich die Wasseroberfläche durchstößt und in der Hand das tropfende, kostbare Ding hält, das zu retten er in die Tiefe gedrungen war.9

Als Jesus am Kreuz starb, fiel eine Finsternis über das Land (Matthäus 27,45). Das Licht der Welt stieg hinab in die Finsternis, um uns in Gottes wunderbares Licht zu bringen (1. Petrus 2,9). Wir können die Verheißung von Weihnachten erst dann erkennen, wenn wir zugeben, dass wir uns nicht selber erlösen können, ja dass wir uns noch nicht einmal selbst erkennen können ohne das Licht von Gottes unverdienter Gnade in unserem Leben. Dies ist die fundamentale Wahrheit, die wir brauchen, wenn wir darangehen wollen, die verborgenen Bedeutungen von Weihnachten zu entdecken.


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