Читать книгу Die Hexe und die Orks - Lehrjahre | Erotischer Fantasy Roman - Timothy Morgan - Страница 6
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Das Gefühl der Betäubung und des Schocks hielt noch lange vor. Während der Fahrt, die etwa einen halben Tag in Anspruch nahm, spürte Anna kaum etwas, nur ein dumpfes, entferntes Pochen in ihrer Brust. Auch nach ihrer Ankunft im Lager der Banditen, tief in dem goldenen Wald, ließ sie sich ohne Widerstand von den Räubern in einen geräumigen Käfig stecken, um dann, als die Nacht hereinbrach, plötzlich in Schluchzen und heiße Tränen auszubrechen. Das Pochen in ihrer Brust war zu einem Feuer geworden. Verraten und verkauft! Die Verzweiflung suchte sich ihren Weg wie ein reißender Strom, der sie erbarmungslos mit sich fortriss. Zuletzt fühlte sie sich noch leerer als zuvor, aber ihre Tränen waren versiegt. Sie schlief auf einem Bündel stinkenden Strohs ein.
Der nächste Tag brach gräulich herein. Anna war bereits kurz vor der Dämmerung aufgewacht. Das Lager schien schon länger auf den Beinen zu sein; niemand schenkte ihr Beachtung. Neugierig blickte sie sich um. Ihrem Gefängnis gegenüber sah sie ein großes Zelt mit rechteckiger Grundfläche, geschmückt mit militärischen Fahnen, aber sie konnte die Farben nicht zuordnen, obwohl sie ihr bekannt vorkamen. Direkt neben dem großen Zelt erhob sich ein nur wenig kleineres, rundes Zelt, aus dessen Spitze sich ein Schornstein erhob. Das musste das Küchenzelt sein. Wiederum rechts vom Küchenzelt plätscherte ein Bach, der das Lager in dieser Richtung abschloss. Die übrigen Seiten waren mit einer stabilen Palisade gesichert. Zu Annas Linken zogen sich kleinere Versionen des großen Zelts in ordentlichen Reihen, und vor diesen wiederum eine Menge bedeutend weniger ordentlicher Zelte verschiedenster Machart. Zwischen den Zelten konnte sie ein Tor sehen, das zwar bewacht wurde, aber scheinbar nicht zu streng. Die Räuber hatten sich offenkundig eingerichtet und rechneten nicht mit Angriffen. Trotz Annas hoffnungsloser Situation arbeitete ihr Verstand wie wild, verschlang und prüfte alles. Was sollte sie auch sonst tun? Ihre Tränen waren geweint und da sie nicht unmittelbar in Gefahr war, war es nur klug, sich, so gut sie konnte, mit ihrer neuen Umgebung vertraut zu machen.
Es herrschte rege Aktivität im Lager. Einige Männer holten Wasser, das zu einem allgemeinen Waschplatz bei den Zelten gebracht wurde, außerdem in Teilen zu dem großen Zelt, in dem sicher der Hauptmann Hof hielt. Es wurde Feuerholz aus dem Wald gebracht und in handliche Scheite gehackt, welche neben dem Küchenzelt gestapelt wurden. Außerdem wurde die Palisade ausgebessert, und unter Jubel trugen zwei Männer einen erlegten Hirsch durchs Tor. Einer der beiden hatte sie gestern aus dem Versteck gezerrt! Jetzt, wo ihm seine Kumpanen gratulierten, wirkte er, trotz der wilden Haare, viel weniger erschreckend.
Anna gewann, während sie den Männern bei der Arbeit zusah, mehr und mehr den Eindruck, dass zwei ganz unterschiedliche Gruppen im Lager lebten. Obwohl sie sich äußerlich ähnelten, aussahen wie verwahrloste Räuber, verhielten sich nur etwa ein Dutzend von ihnen auch wie solche. Die übrigen knappen zwei Dutzend erledigten ihre Aufgaben gemeinsam und schnell und scherzten dabei gut gelaunt miteinander. Sie alle hatten etwas Rohes, Gefährliches an sich, aber bei der größeren Gruppe hatte diese Rohheit Lenkung und Schliff erfahren. Anna musste, wieder, an das Militär und Soldaten denken. Was für eine merkwürdige Räuberbande, was für ein merkwürdiger Ort, an den sie hier gekommen war!
Die Mittagszeit kam und einer der zivilisierteren Räuber brachte Anna einen Teller mit Essen.
»Stell dich nach hinten, an die Zellenwand, greif durch die Gitterstäbe und verschränk deine Arme.« Der Mann wirkte nicht bösartig, sondern eher wie einer der Schreiber aus dem Rathaus, mit denen ihr Vater immer so viel zu tun gehabt hatte; er wirkte routiniert in dem, was er tat, und vielleicht ein klein wenig gelangweilt, aber vor allem desinteressiert. Anna tat, was er verlangte, er öffnete die Käfigtür, stellte einen Teller Eintopf und einen Kanten Brot ab, verließ den Käfig und verschloss ihn wieder. Er sagte nichts weiter zu Anna, also setzte sie sich zu ihrem Essen. Es war heiß und herzhaft. Sie war überrascht, zu merken, dass es ihr schmeckte, und sie aß mit Appetit.
***
Der Tag streckte sich mehr und mehr. Nachdem man ihr das Mittagessen gebracht hatte, tat sich nichts weiter. Sie beobachtete das geschäftige Lager, langweilte sich aber bald, da nichts Interessantes geschah. In der Dämmerung glaubte sie, ein Mädchen mit zu dicken Zöpfen geflochtenen, schwarzen Haaren zu sehen, das das Küchenzelt verließ und dann hinter ihm verschwand. Als auch diese kurzfristige Ablenkung verschwunden war, begann Annas Kopf erneut, drängende Fragen zu stellen, Fragen danach, was aus ihr werden sollte, jetzt, wo sie zu einer Gefangenen geworden war. Natürlich hatte sich alles als bedeutend weniger schlimm herausgestellt, als sie erwartet hatte – aber sie war auch noch kaum einen Tag hier. Niemand hatte bisher unaussprechliche Dinge von ihr verlangt, sie bedrängt oder auch nur herumkommandiert. Aber was wollten die Räuber von ihr? Vielleicht gegen Lösegeld eintauschen? Aber hatte der Hauptmann nicht gesagt, sie hätten etwas Besseres als das Gold ihres Vaters gefunden? Was konnte er nur mit ihr vorhaben?
Wie schon öfter an diesem Tag wanderte ihr Blick zum größten Zelt des Lagers. Nichts rührte sich, nur der Wind spielte mit den Bannern, die an der Zeltplane angebracht waren. Anna wusste nicht, ob sie den Hauptmann wirklich sehen wollte. Die Unsicherheit nagte an ihr, aber solange er nicht auftauchte, würde sie wohl weiter in Ruhe gelassen werden – aber erst wenn er sich zeigte, würde sie erfahren, was schlussendlich mit ihr passieren würde. Die heiße Verzweiflung der letzten Nacht hatte sich in kalte Ängstlichkeit verwandelt. In dieser Nacht schlief Anna ohne Tränen ein, aber lag noch lange wach.
Mitten in der Nacht schreckte sie hoch, jemand hatte nach ihrem Bein gegriffen. Sie schrie auf, zog ihr Bein zu sich und wich so weit zurück, wie ihr Käfig es zuließ.
»Nein, nein, Mädchen, komm doch her, ich habe hier etwas für dich …« die Stimme des Räubers war so ölig wie seine Augen gierig. Er trug eine Laterne bei sich, die aber kaum Licht gab. Anna war selbst überrascht von sich, aber sie verstand sofort, was zu tun war. Sie rief laut um Hilfe.
»Nein, nein, Mädchen, was tust du denn!«
Der Mann mit der Laterne versuchte, sich davonzumachen, schaffte aber kaum die Hälfte der Strecke zu den Zelten, als er von einem anderen Räuber abgefangen wurde. Es war derselbe, der Anna das Essen gebracht hatte. Er packte den mit der Laterne an der Kehle und riss ihn zu Boden. Er sagte irgendetwas zu ihm, das Anna nicht verstand, stand dann auf und lief, ohne sich umzublicken, zum Käfig zurück.
»Bitte entschuldige das, Mädchen, er ist alt, und es fehlt ihm an Disziplin. Ich bin Martin, wenn sich so etwas wiederholt, mach es genauso wie eben. Dann komme ich zurück.«
Sein Ton war freundlich, und sehr viel aufmerksamer als noch vor wenigen Stunden.
»D-, danke Martin«, hörte sich Anna sagen. Obwohl er ihr Zellenmeister war, hatte er sie gerettet – mehr oder weniger.
»Oh, da habe ich doch ganz vergessen, dass du auch eine Decke bekommen solltest. Warte kurz.«
Wenige Augenblicke später war Martin zurück und reichte Anna eine Wolldecke durch die Gitterstäbe. Sie war etwas rau, aber sie würde die Nacht sehr viel weniger unangenehm machen. Sie nickte Martin zu und lächelte etwas. Er lächelte zurück und verschwand nach einem Augenblick in Richtung seines eigenen Zelts.
Eingerollt in die Decke fühlte sich Anna schon viel wohler, wenn auch nicht weniger verwirrt. Der neue Tag würde ihr, vielleicht, Antworten bringen, vielleicht auch nicht. Aber wenigstens hatte sie es jetzt warm.
***
Der nächste Morgen kam so früh wie der letzte, auch mit der Decke konnte Anna nicht länger schlafen. Der Tag begann genau wie der letzte: Wasser wurde vom Fluss geholt, Banditen krochen aus ihren Zelten, Geschäftigkeit um das Küchenzelt, Frühstücksausgabe. Neu war, dass ihr Martin diesmal auch ein Frühstück brachte. Er folgte wieder dem Prozedere des gestrigen Tages. Dass er sich ihr in der letzten Nacht mit Namen vorgestellt hatte, schien er vergessen zu haben. Es gab Brei mit einer Scheibe Brot, Anna aß lustlos. Sie lauschte den groben Scherzen der Männer, die ihren jeweiligen Tätigkeiten nachgingen. Anna blieb ungestört in ihrer immer weiter anwachsenden Unruhe und Unsicherheit, bis ihr Martin das Mittagessen brachte. Er gebrauchte dieselben Worte, und als Anna versuchte, ein Gespräch mit ihm zu beginnen, ignorierte er sie.
Den Rest des Tages verbrachte Anna mit ihren Augen auf das Küchenzelt gerichtet, aber das Mädchen, das sie glaubte, gesehen zu haben, zeigte sich nicht noch einmal. Als die Dämmerung hereinbrach, kehrte Martin zurück, aber Anna, die sich zuerst gefreut hatte, erstarrte: Denn diesmal trug Martin einen Eimer bei sich, in dem seifiges Wasser schwappte – und außerdem eine Armbrust. Er trug denselben neutralen bis gelangweilten Gesichtsausdruck wie zuvor, als er sagte:
»Du weißt ja, wie es funktioniert.«
Anna starrte ihn an.
Martin hob die Armbrust leicht und gestikulierte.
»Arme durch die Gitterstäbe und verschränk sie. Wir hatten das doch schon.«
Zögerlich gehorchte Anna. Die Zellentür wurde geöffnet und der Eimer abgestellt. Als die Tür wieder verschlossen war, sagte Martin:
»Du wirst dich ausziehen und dich waschen.«
»Gründlich«, fügte er hinzu, als er Annas geschockten Blick bemerkte.
»Aber … aber …«, stammelte Anna, aber Martin unterbrach sie.
»Schau, Mädchen, ich mache die Befehle nicht, ich leite sie nur weiter. Und jetzt fang an.«
Er hob die Armbrust.
Der Schock saß tief. Mit zittrigen Fingern begann Anna, die Schnürung ihres Kleids zu öffnen. Sie hatte keine Wahl.
Gerade hatte sie, mit geschlossenen Augen, das Kleid über ihre Schultern geschoben, als sie den Schrei hörte, vor dem sie sich am meisten gefürchtet hatte.
»Hey, Jungs, es geht los!«
Es war nicht Martin gewesen, der gerufen hatte, sondern einer der wilderen Räuber. In Windeseile war der Käfig von schmutzigen Gestalten umstellt, und Kommentare und Anzüglichkeiten hagelten auf Anna herab.
»Na komm, die Titten haben wir doch schon gesehen, zeig uns mehr!«
»Komm doch ein bisschen näher, das wird dir gefallen, glaub mir!«
»Was glaubt ihr, wie lange, bis wir sie haben dürfen?«
Anna warf einen flehenden Blick zu Martin, der immer noch desinteressiert zusah.
»Na los, Mädchen«, sagte er, »bring es hinter dich, mach es gründlich, und die ganze Sache ist schneller vorbei, als du denkst.«
Anna hatte Schwierigkeiten, ihn über das Gegröle der Banditen überhaupt zu verstehen. Aber die Armbrust war noch immer auf sie gerichtet, und sie wollte gar nicht wissen, was mit ihr passieren würde, wenn sie sich widersetzen sollte. Immerhin war die Käfigtür verschlossen. Unter dem tiefsten Erröten, das sie jemals gespürt hatte, ließ Anna das Kleid zu Boden fallen und stand nun nackt vor den gierigen Männern. Ein Johlen erscholl zur Antwort. Sie schämte sich bis zu den Knochen, und tiefer. Anna wagte kaum, die Augen zu öffnen, musste aber, um den Eimer finden zu können. Sie sah ein Meer aus weit aufgerissenen Augen, die jede ihrer Bewegungen verfolgten und auf ihren geheimsten Orten ruhten. Sie sah Hände, die sich ihr hungrig entgegenstreckten, oder um steife Penisse geschlungen waren. Ekel überkam sie. Sie griff schnell in den Eimer, fand einen Schwamm und begann, sich zu waschen. Es war sinnlos, zu versuchen, sich vor den widerlichen Männern verstecken zu wollen: Sie hatten den gesamten Käfig umstellt. Unter das Johlen und die bösartigen Kommentare mischte sich das Grunzen derjenigen, die ihren Höhepunkt fanden.
Als sie sich beugte, um ihr Kleid aufzuheben, hörte sie wieder Martins Stimme.
»Du sollst dich komplett waschen. Auch dort.«
Widerwillig ließ sie das Kleid wieder fallen.
»Bitte, Martin, bitte … alles, nur nicht das!«
Aber Martin ließ sich nicht erweichen. Er schüttelte nur den Kopf.
Sie hatte also keine Wahl. Sie griff sich den Schwamm, ging leicht in die Hocke, spreizte die Beine … und wusch sich auch zwischen den Beinen. Beinahe schrie sie auf. Unmöglich! Hatte die Situation sie etwa – sie war empfindlich, viel empfindlicher, als sie gedacht hätte, und die Berührung des Schwamms – nein, unmöglich, sie würde nicht einmal darüber nachdenken. Martin schien zufrieden zu sein, also presste sie den Schwamm ein letztes Mal aus und entfernte mit ihm die Reste des seifigen Wassers von ihrer Haut. Dann zog sie, endlich, ihr Kleid wieder über ihren Körper und rollte sich in der Mitte des Käfigs zusammen, reduziert zu einem Häuflein Elend. Langsam verschwand ihr Publikum, und während es verschwand, wurde ihr Weinen heftiger. Zuletzt war alles still, nur der Bach plätscherte und einige Vögel sangen, um die herabsinkende Sonne zu verabschieden. Martin öffnete die Käfigtür; die Armbrust hielt er noch immer in der Hand.
»Komm, Mädchen. Der Hauptmann will dich sehen.«
***
»Jetzt haben wir also endlich Zeit, uns eingehender miteinander zu beschäftigen«, sagte der Hauptmann zu Anna. Sie trug das einfache, blaue Hauskleid mit den roten Stickereien, das sie auch bei ihrer Entführung getragen hatte, aber unter dem Blick des Hauptmanns fühlte sie sich noch viel nackter, als sie es bei ihrer erzwungenen Waschung getan hatte. Sie konnte seinen Blick nicht erwidern und starrte zu Boden. Sie schämte sich so! Aber da war noch etwas anderes in ihr, ein wildes Feuer der Entrüstung, dass man so mit ihr umging. Aber sie fürchtete sich zu sehr, also hielt sie den Blick gesenkt.
»Ich sagte: Jetzt haben wir also endlich Zeit, uns miteinander zu beschäftigen. Sieh mich an, wenn ich mit dir spreche!«
Mit einer Hand an ihrem Kinn zwang der Hauptmann Anna, ihn anzublicken. Er hatte sich verändert. Der ungewaschene, bärtige Hüne war jetzt glatt rasiert. Statt zerschlissener Felle trug er ein gut sitzendes Wollhemd. Seine schwarzen Haare fielen bis knapp auf die Schultern und seine Augen funkelten stahlblau. Anna stellte gegen ihren Willen fest, dass er ein attraktiver Mann war. Seine Brutalität ihrem Vater gegenüber hatte sie schockiert – doch festzustellen, dass er nicht das Monster war, für das sie ihn gehalten hatte, dass er die Brutalität bewusst eingesetzt hatte, schockierte sie noch viel mehr. Damals hatte sie ihn als ein wildes Tier gesehen – jetzt war er ein Mensch. Einem tollwütigen Fuchs konnte man sein Verhalten nicht vorhalten, er wusste nicht, was er tat. Der Hauptmann aber wusste es ganz genau.
Er nickte. Konnte er etwa Gedanken lesen?
»Du siehst, ganz so unzivilisiert wie ich mich vor einigen Tagen präsentiert habe, bin ich nicht. Und was meine Ankündigung angeht, dich meinen Männern zu überlassen: Dafür bist du viel zu schade.«
Anna schaute den Hauptmann verwirrt an. Was für ein Spiel spielte er? Er hatte doch seine Männer bereits … dann verstand sie.
»Was … was habt Ihr mit mir vor? Wollt Ihr Lösegeld?«
Der Hauptmann lachte. Das Gelächter schüttelte seine massigen Schultern; er warf den Kopf in den Nacken und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch vor sich. Aber genau so plötzlich, wie sein Lachen gekommen war, verschwand es auch wieder. Er fokussierte Anna mit forderndem Blick.
»Wie heißt du, Mädchen?«
»Ich … ich heiße Anna.«
»Anna. Du bist einem Theaterstück auf den Leim gegangen. Einer Schmierenkomödie. Wir sind keine albernen Strauchdiebe, die es auf die zusammengerafften Groschen von reisenden Händlern abgesehen haben. Nun. Einige der Männer sind Strauchdiebe, aber der größte Teil diente schon in der Armee Mortekias unter mir.«
Anna erinnerte sich kaum an den Krieg, der in ihrer Kindheit ausgefochten worden war, hatte aber oft in der Schule von ihm gehört. Das Königreich Andobas hatte dem Fürstentum Mortekia aufgrund von Zolldisputen den Krieg erklärt; die Ritter Andobas’ hatten das unterlegene Militär Mortekias allerdings schnell überwunden und das Fürstentum zum Protektorat erklärt. Statthalter wurden eingesetzt, die Armee aufgelöst. Der mortekianische Widerstand, Reste der Armee, hatte geschworen, für die Freiheit ihres Landes zu kämpfen.
»Du kennst die Geschichte? Ja, du kennst sie. Ausgezeichnet. Willst du wissen, warum ich deinen Vater habe entkommen lassen?«
Anna nickte. Sie schien in einen verdeckten Krieg hineingeraten zu sein! In ihrem Kopf drehte sich alles.
»Ganz einfach. Er wird noch mehr Gerüchte über blutrünstige Banditen an der Westgrenze in Umlauf bringen. Das destabilisiert in erster Linie das Königshaus. Das nutzt nicht nur Mortekia, sondern auch einem Auftraggeber, der mich fürstlich für meine Rolle als Banditenhauptmann entlohnen wird. So gewinnen wir alle. Außer den machtgierigen Fürsten Andobas’ natürlich, die nichts können, als sich hinter Mauern zu verstecken.«
»Aber«, fragte Anna den Hauptmann, »wer ist ihr Auftraggeber? Wer außer Mortekia will Andobas schaden?«
Der Hauptmann lächelte. Es war ein gemeines, ein sadistisches Lächeln, das Anna einen Schauer über den Rücken jagte.
»Andobas hat mehr Feinde – und mächtigere Feinde –, als du ahnst, Mädchen. Aber du bist nicht hier, um mit mir die politische Lage zu diskutieren.«
Er stand auf, füllte einen Kelch mit Wein und reichte ihn Anna.
»Trink das. Ich habe dir von all dem erzählt, damit du verstehst, in welcher Lage du dich befindest.«
Der Wein war bitter, aber Anna wagte es nicht, sich dem Befehl des Hauptmanns zu widersetzen.
»Ich bin kein Barbar, wie du inzwischen sicher bemerkt haben wirst. Mein Land wurde geknechtet und ich in die Verbannung getrieben, gezwungen, mich in Wäldern zu verstecken. Mir fehlt eine Frau, Anna.«
Annas Augen weiteten sich.
»Ich habe dir zugesagt, dich vor den weniger zivilisierten Männern unter meinem Kommando zu beschützen. Martin hat dir bereits gezeigt, dass du dich auf mein Wort verlassen kannst. Damit du dies aber zu schätzen lerntest, ließ ich dich ihre groben Gelüste kennenlernen.«
Voller Scham senkte Anna ihren Blick, als sie an die peinliche Situation zurückdachte. Ganz gewiss wollte sie nichts mit diesen Bestien zu tun haben.
Der Hauptmann sprach weiter.
»Aber natürlich bin auch ich ein Mann. Meine Bedürfnisse unterscheiden sich völlig von denen der Strauchdiebe, aber eines haben sie mit ihnen gemeinsam: Du sollst sie stillen.«
Anna wollte protestieren, aber der Hauptmann hob drohend die Hand.
»Oder ich werde dich eben jenen Strauchdieben übergeben. Es wäre Verschwendung eines wundervollen, jungen Körpers, aber du würdest mir keine Wahl lassen.«
Anna spürte Tränen in ihre Augen steigen. Er hatte recht, sie hatte keine andere Wahl. Besser, sich einem halbwegs zivilisierten Mann hinzugeben, als sich von einer Meute Wilder schänden zu lassen.
Sie nickte.
Der Hauptmann lächelte.
»Trink aus, Anna. Es wird ein langer Abend werden.«
***
Das Zelt des Hauptmanns war selbstverständlich nicht eingerichtet wie das Zelt eines Räubers. Der Boden war dick mit Sägespänen bestreut und vor der weißen Leinwand des Zelts hingen dicke, handgeknöpfte Wandteppiche, auf denen Szenen aus der Erschaffung der Welt durch Myrus, den Lichtgott, dargestellt waren. Kohlebecken und dicke Kerzen verbreiteten weiches Licht. Im privaten Bereich stand ein großes Himmelbett mit vier gedrechselten, breiten Pfosten. Die Laken waren aus roter Seide und glitten sanft über Annas Beine. Sie kniete am hinteren Rand des Bettes, nackt und an die Pfosten gefesselt, das Gesicht zur Wand. Der Hauptmann stand hinter ihr. Sein Blick war auf Annas perfekt gerundetes Hinterteil gerichtet. In seinen Händen lag eine lange, dünne Weidenrute, die er mehrere Male an Annas Po vorbeisausen ließ.
»Bitte«, wimmerte Anna, »ich verstehe das nicht! Ich will doch alles tun, was Ihr verlangt!«
»Du wirst alles tun, was ich verlange«, entgegnete der Hauptmann mit fester Stimme. Die Rute fuhr schnell herab, traf Annas Hinterteil erst links, dann rechts, dann wieder links. Anna zog scharf die Luft ein und versuchte, nicht zu schreien.
»Aber … aber warum tut Ihr mir dann weh?«, jammerte sie. Tränen stiegen ihr in die Augen, die nicht vom Schmerz herrührten. Sie fühlte sich schwach, hilflos und durch ihre herabwürdigende Position aufs Tiefste gedemütigt.
Wieder sauste die Rute herab, diesmal mit mehr Schwung. Anna spürte, wie sie aufschlug, dann das heiße Brennen des Schmerzes und zuletzt, wie ihr Blut zurück an die getroffene Stelle strömte. Es fühlte sich merkwürdig an, eine Mischung aus unangenehmer Hitze und sanfter Wärme. Aber sie konnte nicht lange darüber nachdenken, denn der Hauptmann ließ die Rute schon wieder auf ihren ungeschützten Po herabsausen.
»Weil ich dir wehtun will«, war seine lapidare Antwort. Er malträtierte sie ausgiebig. Immer wieder sauste der flexible Zweig schneidend auf Annas Po nieder. Sie wand sich in ihren Fesseln. Sie glaubte, dass die Schläge immer härter wurden, war sich aber nicht sicher. Manchmal tanzte die Rute förmlich ihren Po herab zum Ansatz ihrer Schenkel, manchmal traf sie sie mit voller Härte. Entweder es war nur die Spitze, die besonders tief in Annas Fleisch drang, oder der etwas breitere Teil, der ihre Haut der Länge nach traf. Tränen strömten über Annas Gesicht. Alles Betteln, Flehen und Bitten war sinnlos, und schien den Hauptmann nur noch weiter in Rage zu bringen. Sie verstand nicht, wie er so grausam sein konnte.
»Anna, Anna, Anna«, sagte er schließlich in der ersten Pause, die er ihr gönnte. Ihr junger Körper hing schlaff in den Seilen. Sie fühlte sich leer, absolut leer. Ihre Haut schien in Flammen zu stehen.
»Du verstehst das alles nicht, nicht wahr?« Plötzlich streichelte er sanft ihre Oberschenkel.
»Nein! Nein, ich verstehe das nicht! Das ist doch … krank, das ist doch falsch! Warum müsst Ihr mir so wehtun? Was habe ich denn falsch gemacht?«
Anna konnte nicht mehr an sich halten. Die letzten Worte schrie sie und verfiel danach in hilfloses Schluchzen. Der Hauptmann streichelte weiter ihre Schenkel, dann ließ er seine Hand auch über ihre schmerzenden Pobacken gleiten. Jetzt erst spürte Anna wirklich, wie heiß ihr Fleisch durch die grobe Behandlung mit der Rute geworden war. Gegen ihren Willen zitterte sie. Was tat dieser Mann nur mit ihr?
»Ich will dir etwas zeigen, Anna.«
Der Hauptmann zog einen der Wandteppiche am Kopfende des Betts zur Seite, sodass Anna in einen Spiegel blicken konnte. Sie sah ihr verweintes Gesicht, ihre geröteten Wangen. Nein! Jetzt sollte sie also auch noch zusehen, wie diese Bestie sie zerstörte? Sie wandte den Kopf ab.
»Nein, Anna. Du wirst hinsehen. Aber nicht in dein Gesicht.«
Der Hauptmann griff sie grob am Kinn und drehte ihr Gesicht in Richtung des Spiegels. Jetzt erst sah sie, dass auch hinter ihr ein Spiegel stand, der Anna einen Blick auf ihren zerschundenen Po erlaubte. Er glühte in tiefstem Rot. Jetzt ging der Hauptmann wieder in Position. Er verschwendete diesmal keine Zeit an Probeschläge, er drosch sofort auf Annas wehrloses Hinterteil ein. Ein Schlag, zwei Schläge, drei Schläge … Anna schrie schon beim ersten, beim zweiten zuckte ihr Kopf nach hinten, beim dritten schloss sie die Augen und wimmerte leise. Zuerst schmerzte nur der getroffene Teil ihrer Haut, dann sank der Schmerz tiefer und breitete sich aus. Zuletzt schien jeder Schlag ihr den Schmerz zäh wie halb geronnenes Blut ins Fleisch zu treiben.
»Nein. Öffne deine Augen. Sieh zu.« Die Stimme des Hauptmanns duldete keinen Widerspruch; sie versprach noch Schlimmeres als Schmerzen, würde sie nicht gehorchen. Anna öffnete ihre Augen und sah voll Horror zu, wie er sie weiter malträtierte. Manchmal konnte sie einen Blick auf das Gesicht des Hauptmanns erhaschen. Er lächelte, als wäre er in Trance, sein Blick war auf Annas Po fixiert. Sie verstand noch immer nicht, warum er sie so quälte, aber sie verstand in diesem Augenblick, dass er es tat, weil er Freude an ihrer Qual empfand. Und plötzlich, halb übermannt von den Schmerzen, spürte Anna selbst eine Art Trance über sich kommen. Ihr Verstand wurde ungewöhnlich klar und sie nahm die rauen Fesseln, die sie hielten, den seidigen Stoff unter ihren nackten Beinen, das sanfte Glimmen der Kerzen anders, intensiver wahr.
Und als der nächste Schlag kam – Anna wusste selbst nicht, warum –, stöhnte sie auf. Und diesmal war es kein halbes Schreien, kein unterdrücktes Wimmern. Das Stöhnen kam tief aus ihrem Inneren wie die Antwort auf ein Bedürfnis, von dem Anna bisher nicht gewusst hatte, dass sie es besaß. Sie hatte den Schlag … genossen. Nicht den Schmerz, das wusste sie ganz genau, denn dieser letzte Schlag hatte nicht wehgetan, nein, nicht im üblichen Sinne. Plötzlich war der Schmerz … keine Liebkosung, aber etwas Ähnliches. Wie ein Stempel, der mit Druck in eine genau für ihn passende Form gepresst wurde. Nicht angenehm, aber auf eine schwer zu fassende Art richtig, befreiend und – befriedigend.
Die Schläge hörten auf.
»Jetzt, Anna, hast du es verstanden.« Der Hauptmann brummte zufrieden.
»Sag mir, soll ich dich weiterschlagen?«
Anna errötete, denn, ja, sie wünschte sich jetzt tatsächlich, dass der Hauptmann sie weiterschlagen würde. Aber das würde sie ihn auf gar keinen Fall wissen lassen.
»Nein, bitte …«
Der Hauptmann griff nach Annas Haaren und zog ihren Kopf mit einem brutalen Ruck zurück.
»Lüg mich nicht an! Öffne noch einmal deinen Mund, um zu lügen, und ich werfe dich, wie du bist, den Männern vor!«
Anna konnte, trotz des plötzlichen Schocks, klar sehen, dass er es ernst meinte. Seine Augen funkelten wie Dolche, kalt-blau glänzend und in mondheller Nacht aus der Scheide gerissen. Sie senkte den Blick: Ihr Widerstand war, für den Augenblick, gebrochen.
»… Ich möchte geschlagen werden.«
Ihr Flüstern war kaum hörbar, aber es genügte ihm. Der Hauptmann lächelte. Dann trat er einen Schritt zurück, griff seine Rute fester und gab Anna, was sie verlangte.
***
Anna wurde von leichten Schritten geweckt. Jemand trat an das Lager heran, auf das der Hauptmann sie geworfen hatte, nachdem er seine perverse Lust an ihr befriedigt hatte. Er hatte sie nicht angerührt, aber ihren Po hatte er regelrecht zerfleischt. Es war immer noch Nacht, sie konnte nicht lange geschlafen haben.
Anna hatte keine Angst, denn sie hatte das Gefühl, dass ihr das Schlimmste bereits geschehen war. Nicht ihre Gefangenschaft, nicht, dass ihr Vater sie im Stich gelassen hatte, nicht, was man ihrem Fleisch angetan hatte. Nichts davon, sondern dass es dem Hauptmann gelungen war, ihr die Demütigung und den Schmerz schmackhaft zu machen. Dass er sie gezwungen hatte, dass sie sich hatte zwingen lassen, ihm zuzustimmen. Mit nur einer Frage.
»Bitte, junges Fräulein, mein Name ist Merle. Ich wurde geschickt, um mich um Euch zu kümmern.«
Anna schlug die Augen auf und erkannte, im dürftigen Licht einer kleinen Talglampe, ein Mädchen etwa in ihrem Alter mit großen, verschüchterten Augen und zu dicken Zöpfen geflochtenen, schwarzen Haaren auf beiden Seiten ihres kalkweißen Gesichts. Sie hatte sich also nicht geirrt und tatsächlich ein weiteres Mädchen im Lager gesehen. Merle setzte die Lampe mit zittrigen Händen neben Annas Bett ab und knickste.
»Ich weiß, was der Hauptmann getan hat. Ich …« verschämt sah das Mädchen zur Seite. Anna wurde klar, dass auch sie ein Opfer des Hauptmanns war. Trotz der bleiernen Schwere in ihrer Brust und ihren Gliedern setzte Anna sich auf.
»Nein, Fräulein!«, rief Merle aus, aber es war zu spät. Anna hatte sich bereits auf ihren lädierten Po gesetzt und Schmerz zuckte über ihr Gesicht. Aber sie würde nicht schreien! Sie würde stark sein. Sie würde dem Hauptmann nie wieder erlauben, Befriedigung aus ihrer Qual zu ziehen!
»Bitte legt Euch wieder hin, Fräulein, ich werde mich um Euch kümmern. Ich habe Kamillensud mitgebracht …«
Immer noch schweigend ließ Anna zu, dass Merle sie sanft wieder auf den Bauch legte, die Decke unter vielen Entschuldigungen und Beteuerungen, es nur gut zu meinen, hob, um dann Annas Po sanft mit einem Schwamm einzureiben. Immer wieder tauchte sie ihn in eine kleine Schüssel, in der die dunkelgelbe Flüssigkeit sanft schaukelte.
Der Sud war angenehm warm und ein Segen für ihre Haut, die in den letzten Stunden so viel hatte erdulden müssen. Wieder und wieder, führte Merle den Schwamm über das zerschundene Fleisch, immer wieder sprach sie sanfte, halb unsinnige Sätze, die aber einen unendlich beruhigenden Effekt auf Anna hatten. Sie erlaubte sich ein Seufzen, das aber schnell in Schluchzen umschlug, als ihre furchtsame Anspannung einer furchtbaren Erkenntnis in ihrem Kopf wich. Es war nur das erste Mal gewesen. Sie war die Gefangene des Hauptmanns, und sie bezweifelte, dass ihres Vaters Rettungsexpedition, sollte er überhaupt eine solche ausschicken, dass Lager des Hauptmanns finden würde.
Merle schien ihre Gedanken erraten zu können.
»Fräulein, macht Euch keine zu großen Gedanken.« Sie breitete das Leinentuch über Annas zerschundenem Po aus und kniete sich neben das Lager. Dann, zögerlich, griff sie nach Annas Hand. Die sanfte Berührung, so schien es Anna, schien ihr Kraft einzuflößen. Sie griff Merles Hand fester.
»Der Hauptmann … er … er ist sehr beschäftigt. Er wird Euch nicht zu oft zu sich nehmen. Und ich werde nach jedem Mal für Euch da sein. Das ist ein Versprechen.«
Anna merkte, dass plötzlich die Angst aus der Stimme des Mädchens verschwunden war. Zum ersten Mal seit ihrem fatalen Satz an den Hauptmann versuchte sie, wieder zu sprechen; zweimal brachte sie nur ein Krächzen hervor, beim dritten Mal gelang es ihr, einigermaßen sicher zu sagen:
»Hat er … hat der Hauptmann dich auch zu sich genommen?«
Merle nickte.
»Er und seine Männer haben den Hof meines Vaters vor zehn Monaten überfallen.«
Trauer, unüberwundene, noch immer frische Trauer stahl sich in ihre Stimme, aber das Mädchen sprach tapfer weiter.
»Meine Eltern … immerhin sie konnten entkommen. Und meine kleine Schwester. Und der Hauptmann hat bald aufgegeben. Ich sei einfach nicht das, was er brauche, meinte er. Aber versucht … versucht hat er es …«
Eine Mischung aus Mitgefühl, Dankbarkeit und Verlorenheit ergriff plötzlich Anna, während sie in die großen, traurigen Augen ihrer Leidensgenossin blickte. Ohne zu überlegen, beugte sie sich nach vorn und küsste das Mädchen. Merle reagierte nicht direkt. Erstaunen stand in ihren weichen Gesichtszügen geschrieben, dann etwas wie Schüchternheit. Zuletzt aber hob sie den Blick wieder, schaute Anna in die Augen und streichelte zärtlich ihre Wange. Vorsichtig küsste Anna sie erneut, und mit unendlicher Zärtlichkeit erwiderte Merle den Kuss.
***
Mit einem letzten Flackern erlosch die Talglampe. Anna spürte die Wärme ihrer Freundin, eng gepresst an ihren nackten Körper. Eine Freundin an der Seite – viel besser als ein Licht in der Dunkelheit.