Читать книгу Auf Wiedersehen, Bastard! (Proshchay, ublyudok!) 3 – Showdown in Kroatien - Tino Hemmann - Страница 7

Leipzig 16. August

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»Und das kommt tatsächlich von der NSA?« Sorokin blickte abwechselnd den alten Herrn und die Papiere in der offenen Mappe an.

»So ist es.« Dieser Herr berlinerte unüberhörbar.

»Das sind aber private E-Mails und Telefonate.«

Der Mann vom Bundesnachrichtendienst lief einmal durch den Raum, schob die altmodische Brille zurecht und raunte: »Warum nicht? Nichts spricht dagegen, dass die Nationale Sicherheitsbehörde der Amerikaner so etwas tut. Würden sie darauf verzichten, hätten wir diese Warnung jedenfalls nicht erhalten.«

Die Worte dieses Mannes klangen wie die eines Politikers in den Nachrichten, der die amerikanische Spionage in Schutz nehmen wollte. »Und was habe ich mit der Sache zu tun?« Sorokin war nicht wohl zumute bei der Sache.

»Sie? Sie sind doch aus Russland.«

»Was bitte hat Russland damit zu tun?« Erst schüttelte er das Haupt, dann hob Sorokin die Top-Secret-Mappe an und ließ sie zurück auf den Tisch fallen. »Das hier …«, er schaute abermals auf den oberen Zettel, »… spielt in Jugoslawien.«

»In Kroatien«, verbesserte der BND-Mann. »Jugoslawien gibt es bekanntlich nicht mehr. Kroatien können wir getrost als unser Handlungsgebiet bezeichnen. Und außerdem … Wir haben keinen besseren Mann als Sie gefunden. Das sollte Ihnen eine Ehre sein.« Er drehte wieder eine Runde durch das Büro. »Davon abgesehen: Die Ameise hat eine Familie, ein leicht südländisches Aussehen und reichlich Erfahrung.«

Die Ameise – das war Sorokins Pseudonym in SEK-Kreisen – beobachtete den alten Herrn, dem es dem Aussehen nach nicht schlecht zu gehen schien. »Was soll das heißen? Sie wollen meine Familie benutzen?«

»So ist es«, antwortete der Mann skrupellos.

»Das kann ich nicht zulassen.« Sorokin erhob sich jetzt. »Tut mir leid.«

»Nehmen Sie sofort wieder Platz!« Die tiefe Stimme schlug zu wie ein Befehl. Eine kurze Pause entstand, während dieser Mann in einem Kalender blätterte, ohne etwas finden zu wollen. Die Luft im Raum stand still. Sorokin ließ sich zurück auf den Stuhl fallen und wartete. Jetzt setzte sich der alte Herr ebenfalls auf einen Stuhl, allerdings auf der anderen Seite des Schreibtisches, drehte die Mappe zu sich herum und entnahm ihr einige Dokumente. »Vertrauen Sie mir. Ihre Familie hat damit nichts zu tun. Sie wird in Kroatien Urlaub machen wie tausende andere Familien, die dafür viel Geld bezahlen müssen. Sie fliegen gemeinsam mit Frau und Kindern nach Zadar, wohnen in einem erstklassigen Hotel und nehmen ganz allein Kontakt zu einem Mittelsmann auf, welcher Sie in die Nähe des Verdächtigen bringen wird. Sie werden sehen, Ihre Familie wird Ihnen für die schönen Tage dankbar sein. Und außerdem sind Sie der Bundesrepublik Deutschland noch einen Gefallen dafür schuldig, dass wir Sie und Ihre eingewanderte Familie so nett aufgenommen haben. In anderen Nationen zählen Ameisen zu den unerwünschten Parasiten.«

Während ihm das zuletzt Gesagte sauer aufstieß, starrte Sorokin das Bild an, das ihm der BND-Mensch unter die Nase hielt und schließlich auf den Tisch legte.

»Das Zielobjekt ist männlich, etwa neunundzwanzig Jahre alt. Einen Namen haben wir noch nicht. Er nennt sich selbst Pilot und ist kroatischer Serbe.«

»Pilot?«

»Nun ja. Auf Kroatisch Pilot.«

»Und was heißt Pilot auf Deutsch?«

»Pilot.«

Die Ameise fühlte sich veralbert. »Ist er etwa ein Flieger?«, fragte Sorokin erstaunt, doch der Mann zuckte nur mit den Schultern.

Er tippte stattdessen auf einen der Zettel. »Hier hatte er Telefonkontakt mit einem gewissen Božidar. Es ist von Saksonija die Rede und von MANPADS. Sie wissen, was das bedeutet?«

»MANPADS? Das sind schultergestützte Kurzstrecken-Boden-Luft-Lenkwaffensysteme.«

Der alte Mann nickte. »MANPADS sind handlich und können von einem einzigen Mann bedient werden. Oder natürlich auch von einer Frau. Das Erstellen der Feuerbereitschaft dauert rund dreißig Sekunden. Das Ziel wird mit dem Laser angestrahlt und die Rakete fliegt anhand des Laserstrahls direkt hinein. Kabumm!« Er erhob sich wieder. »Afghanistan, Irak und Nordafrika haben uns gezeigt, dass man nicht unbedingt nur Luftziele anvisieren muss. Bei festen Zielen am Boden funktionieren die Dinger viel besser. Unsere Spezialisten gehen davon aus, dass es durchaus möglich ist, dass der Pilot einen terroristischen Anschlag in Sachsen plant. Ich verrate Ihnen wahrlich kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, dass alle eingeweihten Leute – sowohl bei unserer Gefahrenabwehr als auch in den Gremien auf Bundesebene und in der sächsischen Staatsregierung – von einem gewissen Unbehagen befallen sind.« Jetzt stand der Mann hinter Sorokin, der dessen rechte Hand auf seiner rechten Schulter spürte. »Selbstverständlich kann es möglich sein, dass dieses Unbehagen unbegründet ist und dass hinter all dem nur ein übler Scherz steckt. Die uns vorliegenden Informationen wurden allerdings über einen Zeitraum von acht Wochen gesammelt. Sollte da etwas dran sein, dann muss es nicht zwingend ein Hubschrauber sein, der abgeschossen wird, was allerdings von allen erdenklichen Zielen noch das angenehmste wäre. Das Ziel könnte nämlich auch ein sächsischer Kindergarten oder eine Leipziger Schule sein. Mit den schwedischen RBS 70-Boliden kann man Ziele aus acht Kilometern Entfernung treffen. Die Rakete erreicht eine höhere Geschwindigkeit als Mach Zwei und funktioniert auch im Dunkeln ganz gut. Der Schütze hätte auf jeden Fall das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Nähert sich die Rakete dem Ziel und erreicht sie den Ansprechradius des Näherungszünders, dann wird der Splittergefechtskopf gezündet. Bei einem Direkttreffer hingegen wird der Sprengkopf durch den Aufschlagzünder gezündet. Wie auch immer, sie explodiert. Selbst wenn Sie, wie dieser Superman aus dem Kino, die Rakete fangen würden, sie würde Sie oder ihn in viele kleine Teile zerfetzen oder wie ein Sieb durchlöchern.« Er klappte die Mappe zu. »Bei Gelegenheit zeige ich Ihnen gern ein paar unschöne Aufnahmen aus unseren Lieblingskrisengebieten. Glauben Sie mir, guter Mann, ich spaße nicht. Niemand macht irgendwelche Späße mit solchen Dingen.« Erneut nahm er Platz, schwieg und starrte Sorokin an.

»Mit dem Flugzeug?«, fragte der Hüne schließlich.

»So ist es. Sie fliegen mit einer Passagiermaschine. Vor Ort erhalten Sie alle notwendigen Ausrüstungsgegenstände.«

Sorokin zwang sich ein winziges Grinsen ins Gesicht. »Das klingt eher nach James Bond als nach einem durchdachten Auftrag.«

»James Bond? Dass ich nicht lache.« Der Mann blieb ernst. »Wir befinden uns in der Realität, mein Lieber, nicht in einem Roman oder gar in einem Film. Und die Gegenseite schon gar nicht.«

Erneut versank Sorokin in Schweigen. Er sah den Kindergarten von Anton und Natascha. Er sah weinende Kinder zwischen Trümmern.

Ruckartig erhob sich der Hüne und streckte die rechte Hand aus. »Okay. Ich übernehme den Auftrag.«

Der alte Herr schlug ein. »Nach allem, was ich über Sie gehört und gelesen habe, habe ich nichts anderes erwartet. Morgen früh neun Uhr findet eine geheime Dienstbesprechung im Sächsischen Landtag statt. Fragen Sie nach der Kulturausschuss-Tagung. Zu keinem ein Wort. Ihrer Familie erzählen Sie am besten, dass Sie in Dresden eine dienstliche Anerkennung in Form einer Auszeichnung erhalten haben, verbunden mit einer Urlaubsreise. Alle Unterlagen erhalten Sie morgen früh. Und seien Sie pünktlich.« Nun erst ließ der Mann Sorokins Pranke los. Und er lächelte.

*

»Was ist denn passiert?« Fedor lauschte. Er hatte seiner Stiefmutter die Frage abgenommen.

Die fünfköpfige Familie saß beim Abendessen am Tisch. Gerade noch rechtzeitig war Sorokin aufgekreuzt. Der kleine Anton kniete auf einem dicken Kissen und stützte den Kopf mit der linken Hand ab. Hin und wieder fielen ihm die Augen zu oder er gähnte herzhaft.

»Ich muss morgen früh ziemlich zeitig nach Dresden in den Landtag.«

»Und warum?«, fragte Fedor, dessen Finger vorsichtig ertasteten, was es zum Abendbrot gab.

Jekaterina Sorokin schob einen Becher zu Fedors Hand. »Das ist der Fleischsalat, den du so gern isst.« Vor einem Jahr noch hieß die Mutter Wolkowa. Nach der Hochzeit hätte sie in Russland den Nachnamen Sorokina geführt. Doch in Deutschland wollte man das nicht zulassen. Das weibliche »a« am Namensende wurde ihr genommen, im Ausweis stand lediglich Jekaterina Sorokin.

»Danke«, flüsterte Fedor und wartete auf eine Antwort des Vaters.

Der aber kaute erst zu Ende.

In der Zwischenzeit schmierte Jekaterina Sorokin dem kleinen Anton ein Schnittchen und ließ ihn abbeißen. »Du kannst dann gleich ins Bett gehen«, sagte sie.

Doch Anton protestierte, allerdings sehr leise und weinerlich: »No ya khochu televizor.«

»Rede bitte deutsch, Antoschka. Und ganz bestimmt wirst du heute nicht mehr fernsehen. Deine Augen fallen ja schon zu.« Erneut ließ Jekaterina Sorokin den Jungen von der Schnitte abbeißen. Die Häppchen wurden allerdings immer kleiner.

»Mir scheint, als hätten sie eine Überraschung für mich geplant«, sagte Sorokin in diesem Moment. »Vielleicht eine Auszeichnung.«

»Das wäre ja prima. Verdient hast du sie längst«, meinte Jekaterina Sorokin.

»Wir sind hier nicht in Sowjetrussland. In Deutschland ist eine Belobigung die Ausnahme.«

»Und wofür?«, fragte Fedor. »Wofür solltest du eine Auszeichnung bekommen?« In seiner Frage schwang eine gewisse Häme mit.

Sorokins Antwort war für den blinden Jungen äußerst unbefriedigend. »Keine Ahnung.« Er biss in sein Brot und sprach nun doch mit vollem Mund: »Morgen weiß ich jedenfalls mehr.«

Auf Wiedersehen, Bastard! (Proshchay, ublyudok!) 3 – Showdown in Kroatien

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