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Vorwort

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In seinem Aufsatz Über die Mysterien der Indier, erschienen 1784 im Journal für Freymaurer, herausgegeben von den Brüdern der Loge Zur wahren Eintracht im Orient von Wien, schreibt der wohl bedeutendste Wiener Freimaurer, Br. Ignaz von Born, über die „weisern Eingeweihten Indiens“: „Wahrheit, Weisheit, Kenntnisse von Gott, der Natur, und den Seelenkräften, Mittheilung der dem rohen Volke unverdaulichen Kenntnisse an Menschen, die hiezu empfänglich sind, ist das Licht, welches hier jeden in gleichem Maaße erleuchtet, und ihn über die Bemühungen kleinerer Seelen erhebt, die nur jene für weise und gottgefällige Menschen halten, die zu ihrer Sekte gehören, und aus diesem Grundsatze jeden, dessen Stirne nicht mit Kuhmist, sondern mit Kreide oder mit Sandelholz bemalt ist, mit Mitleid und Verachtung ansehen.“ An seine Brüder gerichtet fährt er dann fort, dass auch „unserm Bunde die vereinten Bemühungen unsrer erleuchteten Obern … eine eben so edle Ordenslehre vorbereitet“ hätten, „die des Strebens weiser Männer würdig ist; die Aufklärung, Weisheit und Wahrheit zum Endzwecke hat; die ihr Licht auch auf das übrige Menschengeschlecht wohltätig verbreiten soll; die den Aberglauben und die Schwärmerey aus den Schlupfwinkeln vertreiben wird …; die endlich die Brüder alle, die sich von der großen Maurerkette abrissen, um in abgesonderten Kreisen Licht zu finden, und ihren Durst nach außerordentlichen Geheimnissen zu stillen, wieder in einen gemeinschaftlichen Bund zusammenbringen wird, um nicht nur an ihrer eignen Aufklärung, sondern auch an dem Glück der Menschheit überhaupt mit vereinten Kräften zu arbeiten.“

In seinem Buch Das Wiener Logenbild. Ein altes Geheimnis neu betrachtet, legt Tjeu van den Berk dem Leser auf überzeugende Weise nahe, dass einer der auf dem Bild Innenansicht einer Wiener Freimaurerloge um 1790 abgebildeten Freimaurer Ignaz von Born sei. Da das Bild dokumentarischen Charakter hat, hätte Ignaz von Born also an der dort festgehaltenen Tempelarbeit teilgenommen. Das Gleiche gilt für die andern Gestalten auf dem Bild; auch in ihnen glaubt der Autor berühmte Freimaurer, vor allem aus Wien, aber auch aus anderen Städten des Kaiserreichs, erkennen zu können, die alle in dieser Arbeit mitgewirkt hätten. Plausibel ist dies; einen Beweis dafür gibt es aber nicht. Auch alles andere an diesem Bild ist rätselhaft: Wer es gemalt hat, weiß man nicht; darüber, wann genau und wo die abgebildete Tempelarbeit stattgefunden hat, in welchem Ritus und nach welchem Ritual gearbeitet wurde, gibt es nur Mutmaßungen. In seiner höchst interessanten und packenden Investigation versucht Tjeu van den Berk nun, nicht nur herauszufinden, wer hier abgebildet ist, sondern auch all die anderen Fragen zu klären. Zu welchen Antworten er dabei gelangt, sei hier nicht vorweggenommen. Worüber es aber im Ganzen gehen soll, darüber darf man ruhig etwas sagen und facht damit die Neugier auf dieses Buch nur an. Tjeu van den Berk kommt zum Schluss, dass in der abgebildeten, viele Traditionen gezielt vermischenden, irregulären Tempelarbeit von Eingeweihten unterschiedlicher Grade und sozialer Herkunft nichts weniger versucht wurde, als Österreich auf den Übergang zu einer konstitutionellen Monarchie vorzubereiten. Weil der Absicht nach auf ein historisches Ereignis von höchster Bedeutung für die Öffentlichkeit angelegt, sei die geheime Zusammenkunft, gleichsam als Memorandum, durch einen dafür beauftragten, aber anonym bleibenden Maler im Bilde festgehalten worden. Das Bild zeigt also, so die nicht beweisbare, aber einleuchtende These van den Berks, den Versuch der prominentesten, in unterschiedlichsten Bereichen wirkungsmächtigen Freimaurer, in die politische Wirklichkeit umzusetzen, was Ignaz von Born aus seiner Studie über die Mysterien der Indier als Auftrag für die Freimaurer abgeleitet hat, nämlich „zum Glück der Menschheit überhaupt mit vereinten Kräften zu arbeiten“. Unternommen wurde dieser Versuch in der kurzen Hochzeit der Regentschaft Leopolds II. Danach kehrte unter Franz II. der Autoritarismus mit grausamer Verfolgung der Freimaurer zurück. – Dieses Buch ist ein kühner, aber äußerst sorgfältig recherchierter und klug argumentierender Wurf, dessen Lektüre auch dann, wenn nicht alles im strengen Sinne den Tatsachen entsprechen sollte, begeistert.

Christoph Meister

Quatuor Coronati, im Oktober 2019

Das Wiener Logenbild

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