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Lovecraft und ich

Ein Vorwort von Tobias P. M. Bachcraft

(Erstveröffentlichung, 2019)

Das erste Mal erfuhr ich von Lovecraft durch ein Schulreferat, das einer meiner Klassenkameraden über ihn hielt; und ich weiß noch, wie ich bei mir dachte: »Was für ein Scheiß.«

Dieses vorschnelle Urteil änderte sich jedoch grundlegend, als mir besagter Klassenkamerad (der zu einem späteren Zeitpunkt ein wichtiger, unersetzlicher Freund für mich wurde) ein Buch von ihm auslieh, wodurch ich mit dem Lovecraft-Virus infiziert wurde.

Zur damaligen Zeit (ich musste so um die 14 Jahre gewesen sein) schrieb ich bereits, orientierte mich jedoch überwiegend an E. A. Poe und Stephen King und machte erste Bekanntschaft mit Clive Barker. Außerdem lernte ich die Surrealitäten eines Kafka kennen und lieben. Und dann: Lovecraft.

Lovecraft änderte alles. Die Sichtweise auf das Universum, der Umgang mit Büchern, die Herangehensweise an die eigenen Texte. Er war mein Lehrer und ich wurde sein begieriger Schüler, was zunächst vor allem dadurch geschah, dass ich nach und nach alle bei Suhrkamp erschienenen Werke kaufte und buchstäblich verschlang. Als ich damit fertig war, begab ich mich auf die Suche nach mehr. Wir schrieben das Jahr 1996 und ich trat erstmalig in Kontakt mit Jörg Kleudgen, der mir im Laufe meines Lebens zum wichtigen literarischen Weggefährten und vor allem zum guten Freund wurde. Der Rest ist – wie man so schön sagt – Geschichte.

Zu Beginn schrieb ich meine ersten Kurzgeschichten und Erzählungen auf einer Schreibmaschine. Die ersten Manuskripte, mit denen ich mich über Schülerzeitungen hinaus an die Öffentlichkeit wagen wollte, schickte ich Jörg mit der Post. Wenige Tage später erhielt ich sie handschriftlich korrigiert und mit unzähligen Anmerkungen versehen, zurück. So entstanden die Erzählungen des Bandes »Steine« (Goblin Press, 1998), nebst den Beiträgen für die beiden Goblin Press Anthologien »Liber XIII und andere unerwünschte Nachlässe« und »Arkham und andere Orte des Grauens«.

Durch das Nachahmen des großen Meisters Lovecraft, sowie das Einfühlen in sein Werk und das Herausarbeiten eigener Stoffe innerhalb des lovecraftschen Kosmos kristallisierte sich nach einigen Jahren etwas heraus, das man wohl als meinen eigenen Stil bezeichnen könnte. Dies gipfelte schließlich in dem Kurzroman »Dagons Erben« (Basilisk Verlag, 2009), der mir den Vincent Preis für den besten deutschsprachigen Horrorroman bescherte.

Seitdem versuche ich, mich primär auf eigene Stoffe zu konzentrieren. Das habe ich vorher zuweilen auch schon getan, nur habe ich erst mit »Dagons Erben« begriffen, wie man das macht: in dem man sich als Autor von seinen literarischen Ikonen losschreibt. Das heißt jedoch nicht, dass man sie verleugnet. Zumindest bei mir nicht. Eher im Gegenteil habe ich mitunter das Bedürfnis zurückzukehren. So wie man immer wieder mal zu seinen Eltern nach Hause kommt, sei es nur auf eine Tasse Kaffee oder gleich auf ein leckeres Abendessen. In diesem Buch habe ich die gelungensten dieser Besuche bei Papa Lovecraft zusammengestellt. Sie entstammen unterschiedlichsten literarischen Phasen und wurden zumeist für Genre-Anthologien geschrieben, die aber allesamt bereits vergriffen sind (darunter meine Beiträge für die begehrte Reiseführer-Reihe der Edition Arkham des Basilisk Verlages). Für mich war das Zusammensuchen der Texte wie das durchforsten alter Fotosammlungen für ein Sammelalbum, dass man zu einem Familientreffen mitbringt. Daher ist es mir eine Freude, die bislang verstreuten Geschichten hier noch einmal in dieser Form zur Verfügung zu stellen. Manches mag den Lesern bekannt sein, anderes vielleicht nicht. Gewiss schadet auch das erneute Lesen einer bereits vertrauten Geschichte nicht.

Nehmt Platz. Darf ich ein wenig Gebäck reichen? Das macht man doch bei einem Familienbesuch.

Ein gemeinsamer Urlaub mit Papa Lovecraft steht übrigens noch aus. Der wird dann geschehen, wenn ich meine schon oft angekündigte Rahmenhandlung um die Novelle »Dagons Erben« herumgeschrieben habe. Vielleicht habe ich mich dann endlich wirklich losgeschrieben von meinem Lehrmeister, mit dem ich zu Beginn nichts anzufangen wusste.

Bis dahin wünsche ich wohlige Unterhaltung bei den nun folgenden dreizehn Schauern der Vorwelt.

Schauer der Vorwelt

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