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1.7.1Vormoderne: Die Entwicklung bis zum
18. Jahrhundert
ОглавлениеIn der Vormoderne wurde der Grundstein gelegt für die Entwicklung des heutigen Siedlungssystems. Historische Handelswege oder Lagen an Flüssen (z. B. auch an Furten) begünstigten die Entstehung von Siedlungen und beförderten Handel. So ist die Entstehung fast aller Städte in Deutschland auf das Mittelalter zu datieren, nur wenige Städte reichen bis in die Römerzeit zurück, wie z. B. Köln oder Augsburg. Auch moderne Stadtgründungen sind selten, wie z. B. die Industriestädte Wolfsburg oder Eisenhüttenstadt. Mittelalterliche Städte waren nicht allein durch ihre hohe Bedeutung für Handel und Handwerk geprägt, im Hochmittelalter entwickelte sich eine rechtliche Trennung von Stadt und Land. Der Städter – als Bürger – verfügte über weitergehende Selbstverwaltungs- und Freiheitsrechte (Ennen 1987), wohingegen weite Teile der ländlichen Bevölkerung weitgehend einer fremden Verfügungsgewalt unterlagen. Zum Symbol für diese Trennung der Rechtsräume wurde die Stadtmauer (‚Bürger und Bauer trennt die Mauer‘). Von zentraler Bedeutung für das mittelalterliche Stadtrecht sind das Zollrecht, das Marktrecht und das Münzrecht sowie das Stapelrecht, das die Pflicht von Händlern begründet, seine Waren in der Stadt anbieten zu müssen. Die Ausrichtung auf Handel und Handwerk bedeutete eine gesteigerte Bedeutung von überörtlichen Erfahrungen und eher abstrakten Kompetenzen, wodurch u. a. die Gründung von Universitäten ihren Anfang nahm (Simmel 2000 [1901], s. auch Ennen 1996).
Mit den gesellschaftlichen Veränderungen ging eine Veränderung von räumlich-materiellen Mustern einher. In der Vormoderne kam der Verfügbarkeit von Holz eine zentrale Bedeutung für die Gesellschaft zu. Die Nutzung von Holz war nicht auf seinen Brennstoffgehalt – z. B. zum Heizen von Gebäuden und zur Herstellung von Glas und Metallen – beschränkt, Holz wurde zum Gebäudebau, den Schiffsbau und den Bau von Maschinen eingesetzt. Holz wurde über große Entfernungen transportiert – aufgrund seines hohen Gewichtes bevorzugt mithilfe von Wasser (in Triften oder als Floß auf großen Gewässern). Infolge dieser großen Bedeutung von Holz lässt sich diese Zeit mit Radkau & Schäfer (1987) als „hölzernes Zeitalter“ beschreiben. Die Folge der starken Holzzentrierung der Wirtschaft waren regionale Übernutzungen und Degradierungen des Waldes. Diese erfolgten insbesondere in Regionen mit hohem Nutzungsdruck, z. B. durch die Erzverhüttung. Nach dem Spätmittelalter, das sich insbesondere für ländliche Siedlungen als ein „Zeitalter der Krisen“ (Schreg & Schenk 2008: 198) beschreiben lässt, wurden zwischen der Mitte des 14. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts zahlreiche Siedlungen teilweise oder sogar gänzlich aufgegeben, wuchs die Zahl der Bevölkerung (von dem Einschnitt infolge des Dreißigjährigen Krieges abgesehen) bis zum 18. Jahrhundert. Damit „sank der Waldanteil in den meisten deutschen Landschaften auf einen Tiefststand ab“ (Küster 1999: 233). Der zunehmende Nutzungsdruck auf die landwirtschaftlichen Flächen zur Nahrungsmittelerzeugung wirkte sich zudem auf die verbliebenen Wälder aus: Waldweiden und die Entnahme von Streu und Plaggen schränkten die Regenerationsfähigkeit der Wälder ein (Radkau & Schäfer 1987, Urmersbach 2009). Im Zuge der Landgewinnung seit dem 17. Jahrhundert wurden auch unwirtschaftliche Flächen in Wert gesetzt: Moore, Heiden und Wälder wurden urbar gemacht und die entstandenen Flächen landwirtschaftlich genutzt.
Die Vormoderne wies nur eine geringe technische, politische und soziale Innovationsfähigkeit auf: Ländliche Räume unterlagen Feudalordnungen, die Bauern nur wenig Spielraum für eigene Initiativen ließen. In den Städten galten für Händler und Handwerker Gilde- und Zunftordnungen, die u. a. die Zahl der Meister reglementierte, sodass auch ohne den Zwang zur Innovation das Auskommen gesichert war. Auch der seinerzeit starke Fokus der Kirche auf das Jenseits schränkte den Wunsch nach Veränderungen im Diesseits tendenziell ein. Die sich aus einem solchen Regime ergebende Landnutzung war kleinteilig und vielfältig, da auch die Transportmöglichkeiten im Vergleich zu heute stark eingeschränkt waren. Nahezu alle Konsumgüter stammten aus regionaler Produktion. Die Regionalentwicklung war geprägt durch starke Anpassungen an die regionalen Gegebenheiten, z. B. in der Energiegewinnung, aber auch – sobald sich die Bevölkerungszahl der regionalen Tragfähigkeit näherte – durch Übernutzung der ökologischen Ressourcen und ein starkes Beharrungsvermögen (aufgrund der geringen Innovationsfähigkeit). Der weit verbreiteten Idealisierung vormoderner Landschaften hält Radkau (1994: 28) entgegen: „Der erste umwelthistorische Lernschritt besteht darin, dass man sich die romantische Vorstellung einer noch bis in die Moderne ziemlich unberührten, erst durch die Industrialisierung beschädigten Natur aus dem Kopf schlägt“.