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1.7.2Modernisierung als Rationalisierung und Industrialisierung

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Mit dem allmählichen Durchsetzen der Ideen der Aufklärung im 18. Jahrhundert veränderte sich auch das Verhältnis zum Raum. Der Umgang mit dem Raum war zunehmend von dem Ziel der Rationalisierung geprägt: So erfolgte im 18. und frühen 19. Jahrhundert die Entwicklung von Städten – getragen von den Ideen der Aufklärung – nach den Schönheitskriterien „Regelmäßigkeit, Proportion, Ordnung“ (Hauser & Kamleithner 2006: 105). Diese Rationalisierung betraf sowohl die Erweiterung wie auch Umgestaltung mittelalterlicher Städte. Die rationalistische Planung sollte „der europäischen Stadt […] das Dschungelhafte, Labyrinthische, das Mythische und Bedrohliche austreiben“ (Siebel 2004: 20).

Die Agrarliberalisierungen der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert bedeutete die Freisetzung billiger und eigentumsloser Arbeitskraft (Rodenstein 1974), schließlich fiel mit der Leibeigenschaft auch die Verpflichtung des Lehensherrn, Sicherheit für die Bauern zu schaffen. Im Zusammenhang mit einer steigenden Bevölkerungszahl infolge einer verbesserten Hygiene und der Liberalisierung der Heiratsvorschriften entstand so ein wesentlicher Grund für stadtwärtige Wanderungen, die dort einen starken Bevölkerungsanstieg bedeuteten (Bernhardt 2001). Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert stieg entsprechend der Raumbedarf für Wohnen, für Industrieanlagen sowie für die Infrastrukturen (zunächst insbesondere Straßen, Krankenhäuser, Schulen usw., später dann Eisenbahnlinien, Kraftwerke, Schlachthöfe, Rieselfelder u. a.). Damit wuchsen die Zahl und der Umfang der Städte (Verstädterung) und es breiteten sich städtische Lebensweisen (Urbanisierung) aus. Die Zuwanderung spitzte soziale, politische und ökologische Probleme der Städte zu. Die Städte der frühen Industrialisierung hatten weder eine professionelle Verwaltung (was auch die Polizei betraf), noch eine systematische Frischwasserver- und Abwasserentsorgung: „Die europaweiten Choleraepidemien sind in diesem Zusammenhang zu sehen, genauso wie Konflikte um konkurrierende innerstädtische Raumnutzungsinteressen (Wohnsiedlungen contra Ansiedlung der aufstrebenden, aber oft emissionsintensiven Industriebetriebe)“ (Winiwarter & Knoll 2007: 191). Erst spät begannen die Städte Mitteleuropas mit dem Bau von Abwasserkanälen, von Straßenbeleuchtungssystemen (zunächst noch mit Gaslampen), mit der Etablierung von Polizeibehörden, und später auch mit der Institutionalisierung von räumlicher Planung als einer systematischen Befassung mit diesen Herausforderungen.

Die Modernisierung vollzog sich auch auf politischer Ebene: Raumvermessung, der Aufbau einer schlagkräftigen Armee, der Bau von Eisenbahnen, modernen Häfen usw. erforderte den Aufbau einer effizienten Verwaltung, hier wiederum waren größere Staaten bevorteilt (Weber 2008: 220–221): „Mit der bürokratischen Durchdringung ihrer Gebiete waren die kleinen Herrschaften oft ebenso überfordert wie mit dem Aufbau militärischer Macht oder höfischer bzw. adeliger Repräsentation“.

Die rationalisierte Raumentwicklung im Zuge der gesellschaftlichen Modernisierung beschränkte sich nicht auf städtische Räume. In ländlichen Räumen wurde die traditionelle Dreifelderwirtschaft erst intensiviert, später aufgelöst (Kühbauch 1993). Diese zweite agrarische Revolution war mit Maßnahmen der Bodenverbesserung verbunden, wie der Trockenlegung von Feuchtgebieten. Diese Entwicklungen führten zu einer Vereinheitlichung der Landnutzung: Vormalige Standortunterschiede wurden durch systematisierte Auswahl von Saatgut nivelliert (Häcker 1998, Job 1999, Gudermann 2005).

Infolge der zunehmenden Bedeutung fossiler Energieträger seit Ende des 18. Jahrhunderts veränderte sich der Umgang mit Energie fundamental: Die scheinbar unbegrenzte Verfügbarkeit des billigen Brennstoffs Kohle, der zunächst für Heizung, später auch Transport (Eisenbahn, Dampfschiff) und Güterproduktion (Roheisenherstellung ab der Mitte des 19. Jahrhunderts mit Holzkohle statt Kohlekoks; Uekötter 2007) verringerte den Nutzungsdruck auf den Wald. Mit dem Übergang der Nutzung regenerativer zu fossiler Energie veränderten sich auch die räumlichen Folgen der Energiegewinnung und -verteilung. Die Förderung von Kohle erfolgte in großer lokaler Konzentration (z. B. im Ruhrgebiet, im Saarrevier, in Oberschlesien) und musste – sofern sie nicht lokal weiterverarbeitet wurde (z. B. in der Roheisenerzeugung) – zu den Nutzern transportiert werden. So entstanden, insbesondere in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Eisenbahnlinien zwischen bedeutsamen Förderstandorten und bedeutsamen Abnahmestandorten (Winiwarter & Knoll 2007). Der Bau der Eisenbahn förderte wiederum die Nachfrage nach Eisen, was wiederum dessen Produktion beförderte. In dieser Zeit wuchsen viele Industriestädte in wenigen Jahren auf ein Vielfaches ihrer vorindustriellen Größe (wie Kattowitz, Gleiwitz, Bochum, Essen). Verbunden mit dem Auf- und Ausbau emissionsstarker industrieller Anlagen war jedoch auch eine bislang unbekannte Form der Umweltbelastung mit chemischen Substanzen (Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid, Stickoxide, Kohlenwasserstoffe), während die ökologische Belastung der vormodernen Städte eher mikrobieller Natur war (Radkau 2000).

Tab. 4 Landwirtschaft in wirtschaftlichen Kennziffern in Deutschland 1900, 1950 und 2013 (die Angaben für 1950 beziehen sich auf das frühere Bundesgebiet; nach: Deutscher Bauernverband 2014)
KennzifferEinheit190019502013
Nutzflächeje Einwohnerha/Einwohner0,630,290,21
ErwerbstätigenanteilProzent38,224,31,5
Anteil an der BruttowertschöpfungProzent29,011,30,9
ArbeitskräftebesatzArbeitskraft/100 ha30,629,23,3

Die Modernisierung der Gesellschaft, insbesondere seit den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, bedeutete einen regelrechten Bruch. Industrieanlagen wurden immer größer, um Waren billiger herstellen zu können. Zwischen Stadt und Land entwickelte sich (in Westdeutschland seit den 1950er-Jahren, in den USA schon früher) ein suburbaner Raum, der weder als eindeutig städtisch noch als eindeutig ländlich zu charakterisieren ist. Die Wirtschaftsweise in ländlichen Räumen wurde entsprechend wirtschaftlicher Effizienzmuster umgestaltet. Architektur und Städtebau folgten dem Prinzip „Form follows Function“, gemäß dem das „zu bauen ist […], was funktional ist; Schmuck ohne Funktion ist Kitsch“ (Welsch 1993: 13). Mit dem Funktionalismus entsteht in den 1920er-Jahren ein global weitgehend einheitlicher Baustil, der lokal- oder regionaltypische architektonische oder städtebauliche Aspekte ignoriert (Imbert 2007, Löw 2010, Kühne & Franke 2010). Das Wohngebäude dient allein dem Wohnen und steht in einem reinen Wohngebiet, in dem nur Wohnen zulässig ist, nicht etwa das Betreiben eines Gewerbes. Diese sind von den Räumen der Arbeit (Gewerbe- oder Industriegebiete), den Räumen der Versorgung (Innenstädte) wie auch jenen der Freizeit (z. B. Sportanlagen) getrennt errichtet. Die Trennung dieser sogenannten Daseinsgrundfunktionen bedeutet eine Zunahme von Verkehr, denn Menschen müssen schließlich zu den einzelnen Orten gelangen.

Mit der Massenmotorisierung und dem Streben nach der Trennung von Wohnen und Arbeit verstärkt sich die Suburbanisierung, also die Verlagerung von Nutzungen aus der Kernstadt an den Rand oder darüber hinaus. Die Urbanisierung findet nicht allein in der Umgestaltung städtischer und der Entwicklung suburbaner Räume ihren Niederschlag, sie verändert auch ländliche Räume fundamental (siehe z. B. Ipsen 2006, Kühne 2013). In der Landwirtschaft werden zudem Rationalisierungen, weitere Intensivierungen und Spezialisierungen vorgenommen, dennoch kann sie mit dem raschen Wachstum der anderen Wirtschaftssektoren nicht mithalten und verliert im Laufe des 20. Jahrhunderts an ökonomischer Bedeutung (Tab. 4, Job 1999, Ipsen 2006, Dreibrodt & Bork 2006, Streifeneder 2010).

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