Читать книгу Der beste Job der Welt - Tobias Faix - Страница 12

Meine Story

Оглавление

Um es gleich vorweg zu sagen: Ich hatte nicht vor, „Pastor“ zu werden, weil es in meiner vom württembergischen Pietismus geprägten Welt nur „Pfarrer“ gab. Und Pfarrer zu werden in der evangelischen Landeskirche war nicht auf meinem Radar.

Ich bin in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen. Mein Vater leitete den örtlichen Posaunenchor und die ganze Familie war im CVJM und der dazu gehörenden evangelischen Kirche engagiert.

Nach dem Abschluss der Realschule machte ich erstmal eine Ausbildung zum Mechaniker. Am Ende meiner Ausbildung sagte ein älterer Kollege zu mir: „Beck, dich sehen wir nach dem Zivildienst auch nicht wieder.“ Das war meinen Kollegen zu dieser Zeit wesentlich klarer als mir. Nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht: Ich habe nicht „zwei linke Hände“, sondern bin ein handwerklich sehr begabter Mensch. Auch mein Abschluss war gut. Aber sie ahnten wohl schon etwas von meiner Berufung, die eher im Dienst an den Menschen als am Material lag.

So machte ich also erst malmeinen Zivildienst im CVJM Tübingen. Ich lernte dabei neben der sozialen Arbeit unter jungen Ausländern auch das „akademische Leben“ einer Unistadt kennen. Ich hatte ja keine Ahnung, wie viele wichtige Bücher es gab, die andere – im Gegensatz zu mir – schon gelesen hatten.

Nach dem Zivildienst entschloss ich mich, eine vierjährige Ausbildung an der „Evangelistenschule Johanneum“ in Wuppertal zu machen. Ich habe das bewusst etwas nüchtern formuliert, weil ich kein außerordentliches Berufungserlebnis „mit glühenden Kohlen auf meiner Zunge“ verspürte. Ich fühlte mich auch nicht wie die Menschen aus meiner Heimatgemeinde, die als Missionare ausgesandt wurden, und hatte auch nicht den Eindruck, dass man für mich mehr beten muss, als für alle anderen jungen Menschen, die in eine fremde Stadt zogen, um zu studieren oder einen Beruf zu erlernen. Ich machte eine Ausbildung, Punkt! Und doch war es auch mehr. Aber viel von diesem „Mehr“ habe ich erst im Rückblick erkannt und verstanden.

Die Entscheidung, „auf’s Johanneum“ zu gehen, gehört zu den besten Entscheidungen, die ich im meinem Leben getroffen habe. Denn in dieser Schule habe ich eine solide theologische Grundausbildung bekommen und – was vielleicht noch wichtiger ist – den nötigen Schliff durch die Menschen, die in mich investiert haben. Allen voran möchte ich hier den damaligen Direktor Fritz Gaiser nennen. Er hat mich herausgefordert, als ich unreif und verwöhnt in den Tag hinein gelebt habe. Er hat mich ausgehalten, als ich auf Ab- und Umwegen war. Er hat mich ertragen, als ich für manch andere ziemlich unerträglich war. Und er hat sich mir manchmal wie ein Baum in den Weg gestellt, wenn ich auf meinem Irrweg nicht zu stoppen war. Das war nicht immer schmerzfrei, aber ich bin ihm heute noch dankbar dafür.

Dann kam natürlich die Frage, wie und wo es jetzt weitergeht. Ich halte die sogenannte „erste Stelle“ für eine besonders wichtige Stelle, denn in diesen Jahren entscheidet sich viel. Ich habe eine Stelle gefunden, die zu mir gepasst hat, die aber auch eine ganz schön große Nummer für den Anfang war. Im September 1991 begann ich meine Arbeit als Jugend- und Musikreferent im CVJM Landesverband Baden. Ich war zu 50 % für die Begleitung der TEN-SING-Arbeit in Baden zuständig (und für viele andere Dinge im Landesverband). Für die anderen 50 % war ich in einem örtlichen CVJM in Baden als Jugendsekretär angestellt. Ich wollte es so, aber es war ganz schön schwierig, alles unter einen Hut zu bekommen. Oft kam ich an meine Grenzen.

„Warum eigentlich im CVJM Baden?“, könnte man jetzt fragen. „Weil ich im Gebet von Gott gehört habe, dass ich …“, könnte jetzt die Antwort sein. Und ich habe auch gebetet, klar, wie jeder. Aber es gab auch viele ganz menschliche Gründe. Diese Stelle passte zu mir und meinen Gaben. Die haben gerade jemanden wie mich gesucht und gebraucht. Und meine Frau Sibylle, damals noch an der Pädagogischen Hochschule, studierte in Heidelberg und von daher war klar, es wird wohl auch in diese Region gehen. Die Entscheidung, wo ich „meinen“ ersten Dienst beginne, war ja nicht nur meine Entscheidung, sondern auch die eines frisch verheirateten Paares.

Das klingt so einfach, ist aber mitunter das Spannendste am Thema Berufung und Dienst, wenn man wie ich zu denen gehört, die verheiratet sind. Meine Frau und ich gehören zu den Ehepaaren, die sehr ähnlich begabt sind, das gleiche Leiterpotenzial haben und doch, wer hätte es gedacht, verschieden sind. Uns war von Anfang an klar, dass wir so viel wie möglich gemeinsam machen wollen. Meine Frau arbeitete als Lehrerin, war aber ehrenamtlich leitend in der Jugendarbeit vor Ort und auch landesweit in der TEN-SING-Arbeit tätig.

Für manche Ehepaare wäre so viel Gemeinsamkeit im beruflichen Bereich sicher das Letzte, was sie sich vorstellen könnten. Für uns war es das Einzige, was wir uns vorstellen konnten. Es hat einfach mit dem zu tun, wozu Gott uns beide berufen hat, auch als Paar. Und natürlich damit, dass wir beide ähnliche Begabungen und keine Kinder haben. Letzteres hat uns ermöglicht, sehr viel parallel und nicht getrennt zu tun und zu erleben.

Zwar haben wir gelernt, dass es nicht alle so machen müssen wie wir, aber wir sind bis heute davon überzeug, dass die Berufung eines Ehepartners für den geistlichen Dienst (oder wie sagt man eigentlich dazu?) immer auch den anderen Partner betrifft. Zumindest mehr betrifft, als in anderen Berufen. Es geht einfach um mehr als nur um einen Beruf. Es geht um das ganze Leben im Blick auf diese Berufung. Und darüber, glaube ich, muss man sich im Vorfeld Gedanken machen.

Vielleicht gehöre ich mit dieser Ansicht auch zur alten Schule. Das kann sein. Und ich lasse mich gerne von einer neuen Generation überzeugen, dass es auch anders geht. Aber die meisten Gespräche, die junge Leiter mit meiner Frau und mir führen, zeigen, dass da etwas dran ist.

So, nun geht es ja hier um die Frage, wie es zu meiner Berufung als Pastor kam. Denn bis 2011 arbeitete ich als Jugendreferent/Sekretär beim CVJM Baden. Und jetzt kommt das Geheimnis: Streng genommen bin ich gar kein Pastor! Ich leite zwar mit meiner Frau eine Gemeinde, die am Wochenende von mehr als 1200 Menschen besucht wird. Die Menschen sehen in uns auch die leitenden Pastoren dieser Gemeinde. Und das steht auch auf unseren Visitenkarten. Aber streng genommen sind wir beide nie als Pastoren ordiniert worden. Das geht übrigens jedem so, der wie wir eine unabhängige Freikirche gründet. Dafür ordiniert dich aus verständlichen Gründen einfach niemand.

Dass ich kein ordinierter Pastor bin, wurde mir klar, als sich eines Tages ein Staatsanwalt bei mir und anderen Pastoren in Karlsruhe per E-Mail meldete. Er machte uns ziemlich eindrücklich deutlich, dass es sich bei der Bezeichnung „Pfarrer“ oder „Pastor“ um eine geschützte Berufsbezeichnung handelt, die man nur durch eine Verbindung von Ausbildung und Ordination erlangen kann. Dies hat mich veranlasst, mich mit dem Thema näher zu befassen und einen langwierigen Weg durch kirchliche Institutionen zu gehen, um hier zumindest für die Generation nach mir eine Klärung herbeizuführen.

Wie kam es, dass ich heute „Pastor im ICF Karlsruhe“ (in Anlehnung an obigen Absatz sei die Anmerkung erlaubt, dass ich nicht sagte: „Pastor all over the World“) bin?

1999 besuchte ich mit meiner Frau und 6000 weiteren Menschen den Willow-Creek-Leitungskongress in Karlsruhe. Dort malte Bill Hybels ein Bild von einer Kirche, die in ihren Gottesdiensten am Sonntag in erster Linie die Menschen im Blick hatte, die Gottesdienste sonst eher selten besuchten. Das hat unser Herz unglaublich bewegt und uns gleichzeitig ein Bild von Gemeinde oder Kirche gegeben, wie wir es bislang noch nicht mal erträumt hatten. Wir dachten: Wenn Kirche so ist, dann würden wir nicht nur selber gerne hingehen, sondern auch unsere Freunde einladen. Und von da an konnten wir uns Kirche nicht mehr anders vorstellen.

Ich war damals noch angestellt beim CVJM Baden. Darum haben wir erst mal das Gespräch mit dem CVJM und der evangelischen Kirche im Raum Karlsruhe gesucht. Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Wir wollten zu viel, zu früh und zu schnell innerhalb der evangelischen Kirche verändern. Eigentlich wollten wir, getrieben von der Motivation, unsere kirchendistanzierten Freunde zu gewinnen, eine Kirche in der Kirche gründen und das noch, ohne dass einer von uns beiden ordinierter „Pfarrer“ (da ist das Zauberwort wieder) war. Gut, wir waren jung und mit 33 darf man, wenn die Motivation stimmt, ja auch mal naiv sein. So haben wir (gemeint ist die evangelische Landeskirche im Dekanat Karlsruher Land und der eingetragene Verein, den wir initiativ, wie wir sind, schon mal gegründet hatten) uns am Ende darauf geeinigt, dass es wohl besser ist, wenn wir unseren Weg selbstständig gehen.

Da stand ich nun, wohl ahnend, dass ein landeskirchlich geprägter CVJMer, wenn er eine evangelische Freikirche gründet, wohl bald schon zu den ehemaligen „Landeskirchlern“ gehört. Konsequenterweise habe ich daraufhin auch meine Anstellung beim CVJM Baden gekündigt. Wir haben von dem Teilzeitgehalt meiner Frau und einigen Nebenjobs gelebt und das ging eigentlich auch gut, weil wir ja, wie schon erwähnt, keine Kinder haben und darum beide arbeiten konnten. An dieser Stelle möchte ich mit großem Respekt diejenigen erwähnen, die so eine Phase in ihrem Leben mit Familie und Kindern durchlaufen. Liebe Leserinnen und Leser: Wenn ihr von so einer Familie einen Freundesbrief mit detaillierter Bankverbindung bekommt, dann wisst ihr, was zu tun ist, denn es sind mutige Helden, die euch schreiben. Also war ich nun auf einmal … ja was war ich denn jetzt? Denn „Pastor“ wollte ich mich noch nicht nennen, denn ein Pastor sollte ja eine Gemeinde haben. Doch wir hatten damals weder eine Gemeinde noch eine Location. Was wir hatten, war eine große Vision, 25 Menschen im Wohnzimmer und 200 Kinositze, die wir in einer Nacht- und Nebelaktion aus einem Kino im Karlsruhe ausgebaut hatten.

Also, Pastor war ich noch nicht. Aber ich war auch nicht mehr CVJM-Sekretär und nicht mehr Jugend- oder Musikreferent des CVJM Baden. Ich war ein Mann, der zusammen mit seiner Frau wusste, wo er her kam und wo er hin wollte und sollte. Aber meine berufliche Identität konnte ich nicht mehr auf eine Visitenkarte drucken. Und ich wünsche jedem Menschen eine solche Phase in seinem Leben. Denn unsere Identität darf sich nicht allein aus dem ergeben, was wir tun. Unsere Berufsbezeichnung ist weit weniger wichtig als unsere Berufung und unsere ganz eigene von Gott geschaffene Persönlichkeit. Aber, um ganz ehrlich zu sein, ein bisschen hilfreich ist es dann schon, wenn man nach dieser Phase wieder etwas auf die Visitenkarte schreiben kann.

Also haben wir einfach angefangen. Schritt für Schritt sind wir in die Richtung gegangen, in der unser Ziel lag. Und unser Ziel war zu der Zeit wohl das einzige, was ganz klar war: Wir wollten eine Gemeinde gründen, in die wir unsere kirchendistanzierten Freunde einladen konnten. Eine Gemeinde, in der unsere Freunde „Kirche neu erleben“ können. Eine Gemeinde, die ihnen hilft, eine persönliche Beziehung mit Jesus Christus aufzubauen. Und dieses Ziel hat sich bis heute nicht verändert.

Und was dann passierte, stimmt uns bis heute dankbar. Unsere Gemeinde wuchs nach vier mühsamen Jahren mit kleinen Besucher- und Budgetzahlen von 80 auf 200, von 200 auf 400 und dann mit mehreren Gottesdiensten auf inzwischen über 1200 Menschen an drei Standorten an.

Wir empfinden es jede Woche neu als ein Privileg, ICF Karlsruhe leiten zu dürfen. Wie soll man das Gefühl beschreiben, wenn etwas „funktioniert“ hat, was man einerseits nie ganz in der Hand hat und wofür man auf der anderen Seite schon etwas kann. Es ist eine Mischung aus dem Gefühl, dass wir wohl nicht alles verkehrt gemacht haben, und GNADE. Gott hat meiner Frau und mir ein starkes Leiterpotenzial anvertraut. Und sicher haben sich uns darum auch viele begabte Leiterinnen und Leiter angeschlossen. Und Gott hat uns die Gabe geschenkt, so zu predigen, dass Menschen berührt und bewegt werden. Und sicher sind darum dann auch immer mehr Menschen in unsere Gottesdienste gekommen. Und Gott hat uns eine große und klare Vision gegeben, die wir auch kommunizieren konnten und die Menschen angezogen hat.

Aber der Aspekt der Gnade ist auch nicht zu unterschätzen. Woran lag es, dass nach vielen Versuchen und Irrtümern, zur rechten Zeit die richtigen Menschen kamen? Was konnten wir dafür, dass einer von den Richtigen just in dem Moment kam, wo wir eine alte Industriehalle zur ICF-Eventhall ausbauen mussten und genau der davon nicht nur etwas verstand, sondern einer der Besten ist, die es gibt? Womit haben wir es verdient, dass aus unserer Zusammenarbeit eine wertvolle Freundschaft geworden ist und aus der Freundschaft eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit im Leitungsteam von ICF Karlsruhe? Womit haben wir es verdient, dass in unserem engsten Mitarbeiterteam Menschen sind, die zu uns passen; Menschen, die unglaublich stark begabt sind, mit einer ausgeprägten Persönlichkeit, und die gleichzeitig einen sehr demütigen und geschliffenen Charakter haben? Womit haben wir es verdient, dass unser Team eine Gemeinschaft aus Freunden ist, die sich vorstellen können, auch mit 85 noch Kirche neu zu erfinden? Was konnten wir dafür, dass Menschen zur richtigen Zeit das Geld spendeten, das wir bitter nötig hatten? Was können wir dafür, dass meine Frau und ich uns heute mehr lieben als je zuvor und zu den „stabilen Ehepaaren“ gehören, die nicht gleich weglaufen und aufgeben, wenn’s hart wird? Es hätte viele Gründe gegeben, an denen unsere Ehe wie so manch andere hätte zerbrechen können. Und so könnte ich noch ganz viele Beispiele anführen, die sich für mich sehr stark nach Gnade anfühlen.

In einer Ecke unserer Eventhall steht ein Kreuz, wo unser Team nach den Gottesdiensten für Menschen betet und auch das Abendmahl feiert. Jeden Sonntag, wenn alle Gottesdienste rum und alle Besucher und auch die meisten Mitarbeiter gegangen sind, knien meine Frau und ich uns vor diesem Kreuz nieder und nehmen noch gemeinsam das Abendmahl zu uns. Immer sind es ähnliche Worte und Sätze, die wir mit einem dankbaren Herzen am Ende eines langen Tages formulieren:

„Danke Jesus, dass du uns das Privileg gegeben hast, diese Gemeinde zu leiten. Es ist uns eine Ehre, als Sohn und Tochter dir und deiner Familie zu dienen. Danke für die vielen begabten und wunderbaren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die heute wieder einen wunderbaren Dienst getan haben. Wir legen jetzt alle Menschen und Mitarbeiter und die ganze Gemeinde in deine Hände. Wir lassen sie los, alle Menschen und auch alle Sorgen, weil wir nicht deinen Job machen wollen. Du hast gesagt, dass du dich sorgst. Und wir freuen uns jetzt auf den Abend (ich füge in Gedanken hinzu: und auf den guten Wein und den Käse) und auf den freien Montag. Gute Nacht Herr Jesus! Amen.“

Das ist meine Geschichte. Und nicht nur meine, sondern auch die meiner Frau Sibylle Beck, mit der ich ICF Karlsruhe seit gut zehn Jahren leite.

Der beste Job der Welt

Подняться наверх