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Auserwähltes Werkzeug in seiner Hand

Andreas Blaser

Meine Story

„Ich bin nichts wert, es hat alles keinen Sinn und zu klein geraten bin ich auch, mich braucht’s wirklich nicht auf dieser Welt.“

Das waren so meine Gedanken und mein innerer Zustand zwischen 17 und 20 Jahren. Alles sinnlos. In mir war es leer und diese Leere habe ich oft mit Alkohol und Partys aufzufüllen versucht. Ich habe versucht, die Leere und meinen Minderwert aufzupolieren mit Leistung. Ich wollte glänzen, egal wie. Gott meinte ich aus der Kindheit zu kennen, mein Bild und meine Meinung von ihm waren alles andere als lobenswert. Schließlich war er ja schuld an meinem Zustand und ich war ihm ja sowieso egal. Der Glaube, den ich von meinem Elternhaus mitbekommen hatte, war geprägt von „du musst“ und „du darfst nicht“. Als ich dann von Zuhause weg ging, kehrte ich auch der Kirche den Rücken zu.

Mit 20 Jahren kam zu meiner eigenen Krise eine noch viel schlimmere Not dazu. Eine mir sehr nahestehende Person fiel in eine tiefe Depression und war selbstmordgefährdet. Da diese Person immer bei der Jugend in der Gemeinde mitgemacht hatte, war für mich auch sofort klar, wer nun schuld war an ihrer Not, natürlich die Gemeinde. Ich wollte mich aber selber davon überzeugen und begleitete diese mir nahestehende Person einmal zu einer Jugendveranstaltung ihrer Gemeinde.

Von diesem Jugendabend weiß ich nur noch eines: Am Ende wurden wir alle zu einer Gebetsgemeinschaft aufgefordert, also alle, die wollten, durften laut beten – und das in kleinen 3er- oder 4er-Gruppen. Schrecklich für mich. Als ich dann aber beobachten und miterleben konnte, wie diese junge Menschen, viele noch jünger als ich, zu diesem Gott im Himmel beteten, verschlug es mir den Atem. Bei diesen Gebeten merkte ich, dass es da etwas gab, das ich noch nicht hatte, das ich aber haben wollte. Wenn man mit Gott so reden konnte, so vertraut und in diesem Wissen, geliebt und angenommen zu sein, dann wollte ich diese Beziehung auch.

Zu Hause angekommen, kniete ich noch am selben Abend auf meinem Bett nieder und schrie zu Gott, gab ihm die Herrschaft über mein Leben und bat ihn, mich doch auch spüren zu lassen, dass er mich wirklich liebt. Was dann geschah, ist nicht zu erklären. Ich wusste tief in mir drin einfach plötzlich, dass er mich schon immer geliebt hat und ich unerhört wertvoll bin. Das war der Beginn meiner bewussten Abenteuerreise mit Gott.

Ja, ein Verlorener hat nach Hause gefunden. Ich werde nie vergessen, wie ich nach meiner Hinwendung zu Gott den 1. Gottesdienst besucht und das erste Mal in meinem Leben eine Predigt verstanden habe. Die Worte der Wahrheit flossen in mich und ich sog sie auf wie ein trockener Schwamm. Von diesem Zeitpunkt an war der Gottesdienstbesuch für mich der Höhepunkt der Woche.

Bald wurde ich angefragt, in der Jungschar mitzuhelfen, das war für mich ein Geschenk, da blühte ich auf und konnte in der Jüngerschaft wachsen. Kurze Zeit später kam neben dem Engagement in der Jungschar auch die Mitarbeit im Teenieclub und in der Jugendgruppe dazu.

In diesen ersten drei Jahren meines Christseins durfte ich ein paar Mal erleben, wie Gott übernatürlich in Menschenleben eingegriffen hat, sei es durch Überführung von Sünde und nachfolgende Buße und Bekehrung junger Menschen oder durch Krankenheilung oder Befreiung von dämonischen Mächten. Diese Erlebnisse haben meinen Glauben gestärkt und meine Freude am Herrn vermehrt. Selber in der Gemeinde mitzuarbeiten und gleichzeitig Gott bei seiner Arbeit zuzuschauen, weckte meine Faszination an diesem Wunderwerk „Gemeinde“ und an dem, der das Haupt der Gemeinde ist: Jesus Christus.

Nach vier Jahren intensiver Mitarbeit in der Gemeinde stellte sich mir die Frage: Wie geht es weiter? Sollte ich mich beruflich weiterbilden oder wollte Gott mich möglicherweise vollzeitlich in der Gemeindearbeit? Ich besuchte eine 11-monatige Jüngerschaftsschule, um meine Berufung zu klären. Schnell wurde mir klar, dass ich eine theologische Ausbildung machen möchte, um mich anschließend vollzeitlich in der Gemeindearbeit zu engagieren. Diese Klarheit bekam ich aber nicht durch ein spezielles Reden Gottes oder durch Eindrücke oder Bibelverse. Vielmehr war es so, dass ich bei diesem Gedanken eine große Freude und tiefen Frieden verspürte. Als besonderes Highlight kam dazu, dass ich in dieser Zeit eine Frau kennen lernte, die diesen Weg mit mir gerne teilen wollte. Also begann ich, mich über verschiedene theologische Ausbildungsstätte zu informieren – und traf dann meine Wahl.

Die nächsten vier Jahre besuchte ich die berufsbegleitende Ausbildung am IGW in Zürich und Bern. Parallel dazu wurde ich in einer Ortsgemeinde des Evangelischen Gemeinschaftswerks zu 50 % als Praktikant angestellt. Hier konnte ich mich von der Kinder- und Jugendarbeit über den Verkündigungsdienst bis hin zur Seniorenarbeit einbringen und Erfahrungen sammeln. Im Rückblick staune ich über die große Gnade, die Gott mir, dem geistlichen Greenhorn, erwiesen hat. Gott hat mich bewahrt vor schwierigen Gemeindesituationen, ein kompetentes, liebevolles und verständnisvolles Leitungsteam hat mich getragen und meine manchmal wohl etwas unreifen und stürmischen Ideen ertragen. Mit einem großen Schatz an guten Erfahrungen folgte nach der theologischen Ausbildung und dem Praktikum die Vollzeitanstellung als Pfarrer in einer anderen Ortsgemeinde des Evangelischen Gemeinschaftswerks.

Ich durfte viele positive prägende Erfahrungen machen, bevor ich den vollzeitlichen Gemeindedienst antrat. Ich habe erfahren, wie Gott mich selber verändert hat – vom Gemeindefeind zum Gemeindefan. Ich durfte miterleben, wie sich Kinder, Jugendliche und Erwachsene bekehrt haben. Ich durfte dabei sein, als sich Gott mit Zeichen und Wundern offenbart hat. Ich erlebte, wie ich durch die Gemeindemitarbeit geistlich wachsen konnte und meine Beziehung zu Jesus vertieft wurde. Ich habe erfahren, wie leidenschaftliche Teamarbeit ungeahnte Kräfte mobilisiert und im Reich Gottes (und in der Welt) viel in Bewegung setzen kann. Und ich habe immer wieder erfahren, wie Gott selber Unter- und Einordnung in bestehende Leitungsstrukturen gesegnet hat und ich dadurch gefördert und freigesetzt wurde.

Meine Faszination

Die Gemeinde ist ein faszinierendes Schöpfungswerk Gottes. Meine Faszination wird nebst vielen guten Erfahrungen, die ich machen durfte, auch immer wieder genährt durch Bilder und Geschichten im Wort Gottes.

Ein Text hat schon vor Jahren einen starken Eindruck in mir hinterlassen:

„Und sie sollen mir ein Heiligtum machen, damit ich in ihrer Mitte wohne.“ (2Mo 25,8) Daraufhin bauten die Israeliten die Stiftshütte. Die Stiftshütte ist ein aufschlussreiches Abbild der wahren Wohnung Gottes und sie spiegelt die Sehnsucht Gottes wider, unter uns Menschen zu wohnen. In 2Mo 26,15–30 lesen wir die Anleitung zum Stiftshüttenbau. Die Kurzfassung: Sie sollen Bretter machen aus Akazienholz, je Brett zwei silberne Füße, alle Bretter zusammenfügen und mit Gold überziehen.

Akazienholz: Dieses Brett aus Akazienholz, dieser Holzladen ist das Abbild eines Christen.

Es ist ein Wüstenholz, winzige Blätter und viele lange Dornen. Typisch Mensch, wie er in der Wüste dieser Welt wächst und in seiner Schwachheit und Unvollkommenheit existiert, mit vielen Dornen und kleinen Blättern. Der vergängliche, schwache und selbstsüchtige Mensch dieser Welt. Du und ich. Und dieses Holzbrett nimmt Gott und will es brauchen für seine Wohnung. Faszination pur!

Die silbernen Füße: Dieses Silber steht für all das, was Jesus für uns bezahlt hat, um uns zu erlösen, das heißt freizukaufen aus der Sklaverei. Aus der Sklaverei des schlechten Gewissens. Aus der Sklaverei der Sünde. Aus der Sklaverei Satans, bzw. der dunklen Mächte. Jesus hat für alle bezahlt. Genug Silber ist vorhanden, es reicht für alle! Faszination pur!

Ein weiterer Text, der mich immer wieder neu in meiner Arbeit beflügelt, stärkt und motiviert, steht in Eph 1,22f: „Gott hat alles der Herrschaft von Christus unterstellt und hat Christus als Herrn über die Gemeinde eingesetzt. Die Gemeinde aber ist sein Leib, und sie ist erfüllt von Christus, der alles ganz mit seiner Gegenwart erfüllt.“

Sie, die Gemeinde, ist der Leib von Jesus. Sie ist sein Organ, mit dem er in dieser Welt handeln kann. Er braucht diesen Leib (hat sich so entschlossen), um durch diesen Leib in der Welt als Erlöser zu handeln. Christus ist nicht vollständig ohne diesen Leib, ohne seine Gemeinde.

Es gibt Christus nicht außerhalb seiner Gemeinde! Und es gibt nicht die Gemeinde ohne Christus. Wo sie ist, ist er, wo er ist, ist sie. Faszination, ja Ehrfurcht pur!

Er sendet seine Pläne, Ideen, Anweisungen, Entscheidungen und auch seine Kraft und Herrlichkeit in seine Glieder, damit diese seinen Willen in dieser Welt verwirklichen und verleiblichen. Ohne mich fehlt Christus da, wo ich jetzt bin.

Wenn sein Leib (Gemeinde) an einem Ort ist, dann ist ER da, vielleicht mehr oder weniger verborgen, je nach Zustand seiner Glieder, aber ER ist da. Durch seinen Leib, die Gemeinde, will Christus die ganze Welt erfüllen: „Die Gemeinde aber ist sein Leib, und sie ist erfüllt von Christus, der alles ganz mit seiner Gegenwart erfüllt.“ Dies ist ein Prozess, der begonnen hat, aber noch nicht vollendet ist. Erfüllen meint: Prägen, mit seinem Wesen durchdringen, sich ähnlich machen. Durch die Gemeinde kommt die ganze Fülle Christi in die ganze Welt. Sie, die Gemeinde, ist seine Fülle – und eine andere hat er nicht. Wenn sie dort nicht rauskommt, kommt sie nirgends raus.

Welch ein gewaltiges Vorrecht, mich als Pfarrer hier gebrauchen zu lassen, mich hinzugeben und einen bescheidenen Beitrag zu leisten, damit SEINE Fülle sowohl in der Gemeinde wie auch darüber hinaus fließt.

Meine Motivation

„Die Effektivität vieler Pastoren erwächst aus ihrem Charakter.“1

Ich möchte nicht explizit sagen, dass junge (im Glauben und/oder altersmäßig) Pastoren weniger reif oder weniger charakterstark wären als ältere Pastoren. Trotzdem dürfen wir in der Regel mit dieser „Alterserscheinung“ rechnen und davon ausgehen, dass die Reife zunimmt und der Charakter positiv verändert wird. Immerhin ist dies im Plan Gottes mit seinen Kindern vorgesehen.2 In Römer 8,29 heißt es: „Sie alle, die Gott im Voraus ausgewählt hat, die hat er auch dazu bestimmt, seinem Sohn gleich zu werden.“3 Und Rick Warren schreibt: „Gott will nicht, dass Sie ein Gott werden – er will, dass Sie heilig werden, das heißt, dass Sie seine Werte, seine Einstellungen und seinen Charakter übernehmen.“4 Das ist eine so entlastende und befreiende Wahrheit. Niemand muss ein Gott werden oder Gott spielen, sondern einfach ihm ähnlicher werden. Das braucht Zeit – und Geduld. Das geschieht nicht von heute auf morgen – und in der Regel auch nicht auf übermorgen …

Damit ich diese grundlegende Wahrheit nicht aus den Augen verliere, habe ich in meinem Büro, vor meinem Schreibtisch, ein Bild vom Gleichnis aus Johannes 15 aufgehängt – der Weinstock und die Rebe. Wenn ich diese tiefe Beziehung lebe, kann ich mit großer Gelassenheit vielen Herausforderungen des Gemeindealltags entgegensehen. Jesus ist auf meiner Seite – noch besser, er fließt in mir. Es geht um ihn und nicht um mich! Ich muss nicht mich selber verwirklichen – ER will sich durch mich verwirklichen.

So dürfen wir auserwählte Werkzeuge in seiner Hand sein – in einer Reihe mit Paulus und Millionen anderen Christen. Und seine Kraft wird mit Bestimmtheit in unserer Schwachheit wirksam werden, wenn wir uns in kindlichem Vertrauen ihm hingeben.

BIOGRAFISCHES


Andreas Blaser, Jg. 1966, ist verheiratet mit Anita, drei Kinder. Andreas ist Pfarrer im Evangelischen Gemeinschaftswerk Hasle-Rüegsau. Berufslehre zum Landwirt, Theologiestudium am IGW in Zürich und Bern, Abschluss Master of Arts (IGW).

andreas.blaser@egw.ch

1Robert Logan, Praxis Nr. 89, Thema: Geeignet oder nicht? S. 28

2Wird deutlich z. B. in Röm 12,2; 1Kor 3,1–4; 2Kor 7,1; Eph 4,14; 1Thes. 4,3 u. v. a.

3Nach Gute Nachricht, Deutsche Bibelgesellschaft, 1984

4Rick Warren, Leben mit Vision, Projektion J, Deutsche Ausgabe 2003, S. 170

Der beste Job der Welt

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