Читать книгу Die Flucht des Feuerteufels - Tom Aspacher - Страница 4
Tag 2
Оглавление»Hey du Gesetzloser, ich habe Frühschicht, muss los«, nuschelte Blondie mit einem giftgrünen Gummiband zwischen den Lippen, während sie versuchte, ihre Haare irgendwie in den Griff zu bekommen.
»Okay«, stöhnte Holsbein. Er kam nur ganz langsam in der Realität an, bemühte sich, die Bruchstücke seiner Erinnerung zu einem Ganzen zusammenzufügen.
Blondie warf sich lachend neben ihn auf das Bett. »Ja, wir haben gestern gefickt.«
»Wie schön«, strahlte Holsbein.
»Und ja, wir haben verhütet, also ich.«
»Brav.«
»Und soviel ich weiß, bin ich HIV-negativ. Das zumindest hat mein Arzt vor drei Wochen gesagt.«
»Ich auch, dann passt das ja.« Holsbein mochte ihren Pfefferminzatem und versuchte sie an sich zu ziehen. »Wie heißt du eigentlich?«
Doch sie schälte sich aus der Umarmung, stand auf und schaltete die Stereoanlage ein. Ramones. Verdammt, die Frau hatte Stil. Bevor sie das Zimmer verließ, drehte sie sich nochmals um. »Ach ja, vergiss nicht unten die Rechnung zu begleichen.«
Holsbein stutzte.
Sie lachte. »Idiot, ich bin doch keine Nutte. Dein Essen und die Getränke von gestern, die hast du vergessen zu bezahlen.«
* * * * *
»Bitte setz dich.«
Aline setzte sich. Ihr war klar gewesen, dass der Artikel Konsequenzen haben würde. Doch sie war bereit, einen hohen Preis zu zahlen. Wie hoch er tatsächlich sein würde, das zeigte sich nun.
»Erst einmal möchte ich wissen, wie du den Text noch auf die Seite gekriegt hast«, sagte Reto Camenzind. Der Redaktionsleiter der »Nordost-Nachrichten« war äußerlich cool, aber Aline wusste, dass es in ihm drin ganz anders aussehen musste. Eigentlich gab es ja nur eine Möglichkeit, etwas am Abend-Dienstchef vorbeizuschmuggeln. Sie hatte gewartet, bis die Seite aus dem Korrektorat kam und die Revision erledigt war. Kurz nachdem der Dienstchef noch einmal Titel, Lead und Bildlegenden kontrolliert und die Seite in die Druckerei zur Belichtung geschickt hatte, rief sie dort an unter dem Vorwand, einen gravierenden Fehler korrigieren zu müssen. Bei einem echten Notfall blieben dafür meistens ein paar Minuten. Diese Zeit nutzte sie, um den Artikel auszutauschen. Dann brauchte sie nur noch zu warten. Unmittelbar vor dem Abschluss war der Dienstchef dauernd auf Achse, hetzte von einem Büro zum anderen. Es war ein Kinderspiel, sich unbeobachtet kurz an seinen Computer zu setzen, die Seite auf »revidiert« zu stellen und nochmals an die Druckerei zu schicken.
Camenzind faltete die Hände, als wollte er gleich zu einem Gebet ansetzen. »Heute Morgen hat mich Urs Widmer, das ist der Hauptkommissar der Kriminalpolizei, zu Hause angerufen und mir den Kopf gewaschen. Ich denke mal, du kannst dich an unser Gespräch gestern in diesem Büro erinnern?«
»Jawohl, Herr General«, spielte Aline die Unterwürfige. »Du hast mir gesagt, dass wir große Probleme mit der Polizei bekommen werden, wenn wir den Namen publik machen – selbst wenn ich mir sicher sei, die Identität des Täters zu kennen.«
»Ganz genau, und haben wir den Namen publik gemacht?«
»Ja, das haben wir.«
»Nicht ganz.« Camenzind stand auf und stützte sich mit beiden Händen auf die Tischplatte. »Du hast ihn publik gemacht, du ganz allein. Und ich als dein Vorgesetzter sitze deswegen in der Scheiße. Ich muss mich wegen Behinderung polizeilicher Ermittlungen verantworten. Widmer hat gemeint, es sei von eminenter Bedeutung, dass ein Täter nicht weiß, welche Informationen die Polizei über ihn besitzt.«
»Du wirst deswegen schon nicht in den Knast wandern.«
»So sicher wäre ich mir da nicht. Und deshalb musst du mir sagen, woher du die Identität des Täters kennst. Widmer will diese undichte Stelle stopfen. Wenn du den Namen lieferst, wird er unseren Fall mit etwas mehr Zurückhaltung behandeln.«
Jetzt stand auch Aline auf, ihre Augen blitzten Camenzind böse an. »Vergiss es, ich werde meine Quelle niemals nennen. Ohne Quellenschutz können die Medien nicht als vierte Gewalt agieren. Klingelt da etwas? Das hast du mir doch immer eingetrichtert.«
»Du lässt mir keine andere Wahl, ich muss dich per sofort von deiner Arbeit suspendieren. Bis die Angelegenheit geklärt ist, wirst du unsere Redaktion nicht mehr betreten, erhältst aber leider gemäß Arbeitsvertrag den vollen Lohn.«
Aline ließ sich auf den Stuhl fallen. Sie war verwirrt. Warum hatte er sie nicht fristlos entlassen? Und wieso hatte sie den Eindruck, dass er sich ein Schmunzeln verkneifen musste?
Camenzind fischte eine Zigarette aus der Schachtel und zündete sie sich an. Er inhalierte tief und wartete mit geschlossenen Augen, bis die Wirkung des Nikotins sich in seinem Körper ausbreitete. Er war der Einzige, der in diesem Gebäude rauchen durfte. Sein Recht auf den Glimmstängel stand sogar im Arbeitsvertrag. »Weißt du, wo er sich gerade befindet?«
»Ja«, sagte Aline zögerlich. Sie fragte sich, weshalb die Unterhaltung an diesem Punkt noch nicht zu Ende war.
»Und weißt du auch, wohin er gehen wird?«
»Da bin ich mir ziemlich sicher, ja.«
»Was denkst du: Wird das die Polizei auch rauskriegen?«
»Wohl eher nicht, oder jedenfalls nicht so bald.«
»Wie wäre es denn, wenn du dich an seine Fersen heftest? Erst einmal nur ein paar Tage, wir warten ab, was passiert und sehen dann weiter. Der Name ist draußen, viel mehr Ärger kann ich nicht mehr kriegen. Machen wir eine Sommerserie daraus: ›Die Flucht des Feuerteufels‹.«
* * * * *
Die Fahrt über den Col de la Givrine und dann auf der scheinbar endlosen, kurvigen Route Blanche durch den Wald zurück in die Zivilisation erlebte Holsbein wie in Trance. Die Erlebnisse der letzten Stunden wirbelten in seinem Schädel herum und befeuerten das Dauergrinsen in seinem Gesicht. Er konnte nicht aufhören, an Blondie zu denken. Sie hatte nicht einmal seinen Namen oder seine Handynummer wissen wollen. Und als er ihr beim Rausgehen zugezwinkert hatte, war ihre einzige Reaktion ein flüchtiges Lächeln gewesen, bevor sie sich wieder ihrer Arbeit zuwandte. Er kam sich benutzt und missbraucht vor. Und er musste sich eingestehen, dass das ein wirklich gutes Gefühl war.
Holsbein war zufrieden mit sich und der Welt. Sogar sein Französisch war erstaunlich geschliffen gewesen. Okay, vielleicht war er ein bisschen schnell gekommen. Aber hatte er in seiner Situation Zeit für ausufernden Tantra-Sex? Natürlich nicht! Er war ein verdammter Revolverheld auf der Flucht vor dem Gesetz. Und nun würde er denen zeigen, was für ein gerissener Typ er sein konnte. Frankreich musste warten, jetzt ging es erst einmal nach Basel.
* * * * *
Urs Widmer saß an seinem Schreibtisch, rührte im Automatenkaffee und zerbrach sich den Kopf darüber, woher die »Nordost-Nachrichten« dieses ganze Insiderwissen und vor allem den Namen dieses Scheißkerls hatten. Dass Leimbacher der Konkurrenz einen Tipp gegeben haben könnte, schloss er aus. Die beiden Zeitungen bekämpften sich schließlich bei jeder Gelegenheit. Zudem hatte der Dicke viel zu viel Schiss, deswegen belangt zu werden. Und die Praktikantin schien für jegliche selbstständige Handlung deutlich zu beschränkt zu sein. Für Kathrin Speicher würde er seine Hand ins Feuer legen. Sie war die einzige Journalistin, die er kannte, die fair und ausgewogen und auch mit einer gewissen Zurückhaltung berichtete. Das Leck musste sich irgendwo in seinem Revier befinden. Denn die Spezialisten hatten das Überwachungsvideo erst um sechs Uhr abends so weit aufbereitet, dass Holsbein zweifelsfrei als Täter identifiziert werden konnte. Diese Information war den »Nordost-Nachrichten« gezielt zugespielt worden, da war er sich sicher, denn sonst hätte es das Ganze nie mehr in die heutige Ausgabe geschafft. Seine einzige Hoffnung war, dass Camenzind einlenken und den Informanten bekannt geben würde. Aber für diese Journalisten war der Quellenschutz eine heilige Kuh; dafür kämpften sie, wie wenn es um ihr Leben ginge. Falls die Staatsanwaltschaft einen guten Tag hatte, konnte man vielleicht mit einer superprovisorischen Verfügung die Herausgabe des Namens erwirken. Doch aufgrund der Einsprachemöglichkeiten erhielten die Ermittler die gewünschten Angaben in den meisten Fällen erst, wenn es eh schon zu spät war und der Täter entweder über alle Berge oder aber gefasst war. Dass die Medien die Arbeit der Polizei mit dem Segen des Gesetzgebers dermaßen behindern konnten, machte ihn mit jedem Mal wütender.
Allerdings musste Widmer sich eingestehen, dass er sich auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert hatte. Die ersten Fälle von Brandstiftung waren für ihn Streiche von jugendlichen Vandalen gewesen, denen man seiner Meinung nach nicht zu viel Bedeutung zukommen lassen durfte. Die Ermittlungen überließ er deshalb nur zu gerne der Stadtpolizei. Und der Großbrand sah für ihn zuerst wie ein technischer Defekt und eine Verknüpfung unglücklicher Umstände aus. Als dann der Hausmeister ankam und erzählte, er habe Richard Holsbein beim Feuerlegen beobachtet, nahm er das ebenfalls nicht besonders ernst. Der Alte war als Sprüche klopfender Quartalssäufer bekannt und Dauergast in der Ausnüchterungszelle. Wenn so einer behauptete, um ein Uhr nachts etwas gesehen zu haben, wie glaubwürdig war das? Zudem konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Holsbein als Feuerteufel sein Unwesen trieb. Das war zwar ein hinterhältiger Dreckskerl, der ihn schon mehrmals in seinem Käseblatt bloßgestellt hatte. Doch wieso sollte er Abfalleimer und Hühner anzünden?
Immerhin: Als die Kollegen mit dem Videobeweis ankamen, hatte er sofort gehandelt und dem Zwangsmaßnahmengericht eine Handyortung und die Herausgabe der Verbindungsdaten durch die Telefongesellschaft beantragt. Der Entscheid musste nun jeden Moment bei ihm eintreffen.
* * * * *
Am frühen Nachmittag erreichte Holsbein Basel. In Kleinhüningen kurz vor der deutschen Grenze fuhr er von der Autobahn ab und hielt vor dem nächstbesten Lokal an. Es hatte angefangen zu regnen, und er ließ sich die dicken warmen Tropfen einige Sekunden lang ins Gesicht fallen, bevor er das Restaurant Schiff betrat. Ein paar Gäste saßen am Stammtisch vor ihrem Bier, ansonsten war das Lokal leer. Holsbein nahm an der Bar Platz und bestellte einen Kaffee. Er schaltete sein Handy ein. Als er die Website der »Nordost-Nachrichten« aufrief, wurde er mit einem Schlag kreidebleich. Wieso zum Geier war da ein Bild von ihm? Er las die Überschrift: »Lokaljournalist R. H. ist der Feuerteufel von Amsheim«. »Wollen die mich verscheißern?«, fluchte Holsbein in sich hinein. R Punkt H Punkt? Lokaljournalist? Und dann dieses Bild mit diesem lächerlichen, kleinen schwarzen Balken? Da erkannte ihn ja jeder bescheuerte Idiot! Er las, dass er dank der Überwachungskamera auf der Sportanlage zweifelsfrei als Täter identifiziert worden sei. Und dass die Polizei den Schaden auf sechs bis acht Millionen Franken bezifferte, die Beseitigung der Umweltschäden nicht eingerechnet. Der Zustand der Frau war offenbar nach wie vor kritisch, aber stabil. »Immerhin«, brummte Holsbein.
Mit dem Artikel verlinkt war ein Video, das ein Interview mit dem Stadtpräsidenten zeigte. »Stadtpräsident Hans Ehrbar regt sich fürchterlich über die Umweltverschmutzung auf«, stand in der Überschrift. Auf dem Standbild war zu sehen, wie der Alte mit hochrotem Kopf und Zornesfalten in ein Mikrofon schimpfte. Holsbeins Laune verbesserte sich gleich merklich. Er speicherte den Artikel mitsamt dem Video auf seinem Handy ab; das würde er sich später in aller Ruhe zu Gemüte führen.
Holsbein trank den letzten Schluck Kaffee, knallte fünf Franken auf den Tresen, ging noch schnell pissen und verließ dann das Lokal. Sein Handy piepte, eine SMS. Püppy wollte wissen, wo er war und was er vorhatte. Er schrieb zurück: »Bin in Basel und überquere jetzt dann gleich die deutsche Grenze. Versuche mich nach Rotterdam durchzuschlagen. Dort werde ich auf einem Frachter anheuern und erst einmal untertauchen. Aber sags nicht weiter. Melde mich wieder.«
Am Geldautomaten um die Ecke zog er mit seiner EC-Karte die restlichen 1850 Euro von seinem Konto und hob dann mit seiner Kreditkarte das Monatslimit von 5000 Euro ab. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal so viel Geld mit sich herumgeschleppt hatte. Holsbein setzte sich ins Auto und wählte die Nummer seines Mitbewohners. Doch der Idiot spielte offenbar toter Mann und ging wieder nicht ran. Also schaltete er sein Handy aus und zog sicherheitshalber auch gleich noch die SIM-Karte aus dem Schlitz. Die paar Minuten hatten bestimmt gereicht für eine Ortung.
* * * * *
»Die Rechnung bitte.« Widmer wischte sich den Bart mit der Papierserviette sauber. Ganz zufrieden war er nicht mit dem gebratenen Dorschfilet, zu trocken, zu fad. Nun aber war es an der Zeit, mal einen Blick in Holsbeins Wohnung zu werfen und sich dabei auch diesen Kowalski etwas genauer anzuschauen. Mittlerweile hatte das Gericht die Handyortung abgesegnet, und vor zwanzig Minuten war zudem eine erste Auswertung der Verbindungsdaten eingetroffen. Der zufolge hatte Holsbein seinen Mitbewohner seit der Tat mehrere Male angerufen. Das letzte Signal wurde im Bereich der Autobahnraststätte Grauholz registriert, ganz genau ließ sich das nicht lokalisieren. Das war vor rund zweiundzwanzig Stunden gewesen, und seither herrschte Funkstille, weshalb auch die Handyortung bisher ohne Erfolg verlief. Der durchtriebene Hund hatte das Gerät offenbar ausgeschaltet, vermutete Widmer und hoffte auf das Update in einer Stunde. Vielleicht würde sich bis dahin auch auf Holsbeins Redaktionscomputer etwas finden lassen, das Aufschluss über sein Motiv oder einen möglichen Aufenthaltsort geben konnte. Aber die IT-Heinis waren noch nicht in die passwortgeschützten Bereiche vorgedrungen. Und bis die Bank und die Kreditkartenfirma jeweils die Bezüge meldeten, dauerte es immer ewig.
Kowalski schien nicht zu Hause zu sein.
»Den habe ich das letzte Mal vorgestern Nacht gesehen«, geiferte die Alte, die Widmer reingelassen hatte und ihm nun nicht mehr von der Seite wich. »Er und dieser Holsbein kamen nachts um halb vier nach Hause, die haben gegrölt und gelacht, deshalb bin ich wach geworden.«
Widmer klingelte erneut. »Haben die beiden was Bestimmtes gegrölt?«
»Sie haben sich unterhalten, aber ich habe nicht verstanden, um was es ging. Die sind Arm in Arm die Treppe raufgelaufen. Was denken Sie, sind das zwei Schwule? Sind Sie deswegen hier, Herr Wachtmeister?«
»Nein.« Widmer ließ den Finger nun beharrlich auf der Klingel. »Haben Sie die heutige Zeitung nicht gelesen?«
»Ich lese doch keine Zeitung«, schnauzte sie. »Das ist sowieso alles gelogen, was da drin steht.«
Widmer rief auf dem Revier an. »Hallo Erwin, ich brauche hier einen Türöffner, Amwandstraße 25a, eine Mietwohnung.«
»Kommt nicht infrage«, motzte Dienstchef Suter, »das ist die Wohnung von Holsbein, und ich habe schon genug Stress mit dem Staatsanwalt, weil einer von euch Idioten allein aufgrund der Aussage eines stadtbekannten Alkoholikers den Computer und den anderen Kram dieses Wichsers aus der Redaktion beschlagnahmt hat.«
»Immer langsam, mein Bester«, sagte Widmer beschwichtigend. »Am Ende lagen wir ja richtig mit unserem Verdacht.«
»Das schon, aber dem gehts ums Prinzip, das kennst du ja. Und darum, dass die Beweise vor Gericht standhalten. Also warte gefälligst, bis wir den Durchsuchungsbefehl haben.«
»Das kann noch Stunden dauern, und so viel Zeit habe ich nicht«, moserte Widmer. »Also schick jetzt unsere Leute her, es handelt sich um einen Notfall. Code 28, akute Suizidgefahr.«
»Ich weiß, was Code 28 bedeutet, du alter Hurenbock. Dann lass dir doch von der Hausverwaltung einen Schlüssel geben und halt mich da raus.«
»Geht nicht, die haben vor einem halben Jahr ein neues Schloss einbauen lassen und nirgendwo einen Schlüssel hinterlegt. Nicht wahr, Frau …« Er schaute rüber zu der Alten, die vor Aufregung fast platzte und mit ihren schrumpeligen Händen pausenlos über ihre Schürze strich.
»Das ist richtig, ja«, sagte sie laut, damit man sie am anderen Ende der Leitung auch bestimmt hören konnte. »Ich heiße Hasenbühl, Linda Hasenbühl, geborene Hunziker.«
Widmer grinste. »Und Frau Hasenbühl ist der Meinung, dass man Karl Kowalski alles zutrauen muss. Das stimmt doch, Frau Hasenbühl?«
»Aber sicher«, sagte die. »Bei dem ist alles möglich. Vorletzte Woche, an einem Dienstagvormittag, es war zehn Uhr zwanzig, da …«
Eine Viertelstunde später traf der Schlüsseldienst der Kriminalpolizei ein, in Begleitung eines weiteren Beamten und zweier Sanitäter. Für Außenstehende war das womöglich ein bisschen viel personeller Aufwand, aber bei Code 28 eben Pflicht. Nach einer halben Minute war der Schlosszylinder durchbohrt und Widmer betrat die abgedunkelte Wohnung. Er fand Kowalski auf dem Boden vor dem Fernseher sitzend, eine Schüssel Cornflakes vor sich.
»Ich weiß von gar nichts«, sagte Kowalski mit dem Gesichtsausdruck eines Mannes, der gerade ganz woanders sein wollte.
»Wie schön, dass es Ihnen gut geht, Herr Kowalski. Wir haben uns Sorgen gemacht«, sagte Widmer laut. Dies war das Zeichen für die Sanitäter, dass ihre Anwesenheit nicht mehr länger nötig war. Wenn Widmer den Code 28 ausrief, wurden sie eigentlich nie gebraucht. Deshalb hatten sie sich schon gar nicht die Mühe gemacht, den schweren Notfallkoffer und den Defibrillator in den dritten Stock zu schleppen.
Noch selten in seiner 25-jährigen Karriere als Polizist hatte Widmer erlebt, dass ein Verdächtiger so schnell einknickte. Schon auf der Rückfahrt ins Revier war es aus Kowalski herausgesprudelt. Er gab zu, in der besagten Nacht mit Holsbein auf Sauftour gewesen zu sein und berichtete detailliert, wie sie den Automaten angezündet hatten. Und auch, dass sie dabei von dem Alten mit seinem Hund beobachtet worden waren. Dieser habe gedroht, alles der Polizei zu verraten, wenn sie ihm nicht 5000 Franken bezahlen würden, jammerte Kowalski. Er versuchte es als Akt der Selbstverteidigung darzustellen, dass sie wiederum dem erpresserischen Hausmeister gedroht hatten, ihm mit einem rostigen Messer die Zunge rauszuschneiden, falls er jemanden von der Sache erzählen sollte oder auch nur die Feuerwehr rufen würde. Kowalski war dermaßen im Erzählfluss, dass er sogar noch zwei kleine Ladendiebstähle aus seiner Jugendzeit beichtete.
Nun saß er wie ein Häufchen Elend auf der Rückbank und schaute teilnahmslos aus dem Fenster.
Die Einsatzzentrale meldete sich über Funk.
»Schieß los, was gibt es?«, wollte Widmer wissen.
»Wir haben ihn«, verkündete Suter triumphierend. »Sein Handy wurde in Kleinhüningen in Basel lokalisiert.«
»Der will sich nach Deutschland davonmachen«, stellte Widmer fest.
»Die Beamten an der deutschen Grenze sind alarmiert«, sagte Suter, »und die Kollegen in Basel positionieren sich gerade an den wichtigsten Zufahrtsstraßen zum Zoll.«
Widmer schaute auf sein Handy. 16.24 Uhr. Er hoffte, dass sie nicht zu spät waren.
* * * * *
Holsbein ließ Kleinhüningen hinter sich und fuhr nach Westen zurück Richtung Zentrum. Nach etwa eineinhalb Kilometern bog er rechts ab, um den Rhein auf der Dreirosenbrücke zu überqueren. In Basel St. Johann schwenkte er in die frisch asphaltiere Elsässerstraße ein.
»Ich Idiot«, schrie er plötzlich und schlug auf das Lenkrad ein. Es war sechzehn Uhr. Um diese Zeit gab es am Übergang Saint Louis wegen der französischen Pendler jeweils kaum ein Durchkommen. Und einen Stau konnte Holsbein jetzt gar nicht gebrauchen. Er überlegte fieberhaft, ob er einen anderen Grenzübergang nach Frankreich nehmen konnte. Aber in Basel kannte er sich nicht gut aus, und außerdem war es fraglich, ob es woanders besser aussehen würde.
Zu Holsbeins Erstaunen war die Warteschlange vor dem Zoll relativ kurz, das musste an den Ferien liegen. Ein Beamter ließ die Autofahrer zügig passieren. Zwei weitere Grenzbullen standen breitbeinig und mit der Maschinenpistole im Anschlag ein paar Meter weiter hinten. Noch fünf Autos, dann war er an der Reihe. Holsbein ließ das Seitenfenster runter, versuchte einen gelangweilten Gesichtsausdruck aufzusetzen. Noch drei Autos. Sein Herz hämmerte wie verrückt. Jeder noch so debile Grenzbeamte würde auf fünfzig Meter Entfernung sofort erkennen, dass er Dreck am Stecken hatte, da war er sich ganz sicher. Jetzt war der weiße Fiat Punto mit Glarner Kennzeichen vor ihm dran. Der Grenzbeamte bückte sich zum Fenster runter, sagte etwas, wartete, sagte wieder etwas, und der Fiat fuhr weiter. Holsbein rollte an, suchte den Blick des Grenzers. Doch der nahm scheinbar weder vom Auto noch vom Fahrer richtig Notiz und winkte ihn durch. Und von den Franzosen einige Meter weiter schien sich gar niemand für den Grenzverkehr zu interessieren. Holsbein befürchtete schon, vor lauter Erleichterung zu kollabieren. Aber er riss sich zusammen, atmete ein paarmal tief durch und fuhr einfach immer weiter geradeaus.
Das gute Gefühl hielt jedoch nicht lange an. Denn nun beschlichen ihn ernsthafte Zweifel, ob ihn die Sache mit der internationalen Fahndung wirklich nichts anging. Im Prinzip war es möglich, dass ihn die Schweizer Bullen mit einem einzigen Knopfdruck ins Schengener Informationssystem hochluden. Dann reichte eine kleine Routinekontrolle – und schon hatten sie ihn. Holsbein hoffte zwar, dass ihn die Fahnder aufgrund seiner kleinen Finte und der Nachricht an Püppy erst einmal in Deutschland suchen würden. Aber er wollte kein Risiko eingehen und fuhr an der Autobahneinfahrt vorbei. Schließlich gab es an den Zahlstellen immer wieder Großkontrollen. Und die vielen Kameras alle paar Kilometer auf freier Strecke waren ihm auch nicht geheuer, dann theoretisch konnten die die Kennzeichen sämtlicher vorbeifahrender Autos registrieren. Den Franzosen traute er grundsätzlich alles zu.
Also fuhr er auf der Landstraße Richtung Westen, vorbei an Feldern, kleineren Waldgebieten und Wiesen mit Kühen, alle paar Minuten unterbrochen von einem langweiligen Kaff. »Scheißgegend«, grummelte Holsbein und kramte im Handschuhfach herum. Ihm war nach etwas Fröhlichem zumute, also zog er das neue Album der Interrupters heraus. Ska würde ihn ein wenig aufmuntern, und er liebte die Stimme dieser Frau. Doch die CD-Hülle war leer. Also keine Musik.
Nach gut einstündiger Fahrt hatte Holsbein Belfort erreicht. Erst einmal musste eine Autowerkstatt her, die sein Rücklicht reparierte. Er konnte es nicht riskieren, deshalb nochmals von den Bullen angehalten und kontrolliert zu werden. Am liebsten wäre ihm eine kleine Hinterhofschrauberei gewesen, denn er befürchtete, dass Vertragsgaragen die Kunden registrierten und bei Schäden, die zweifelsfrei durch Unfälle verursacht worden waren, automatisch Meldung machten. So langsam würde er noch paranoid.
Die Suche zog sich hin, denn da Holsbein das erste Mal in Belfort war, fuhr er einfach kreuz und quer durch die Stadt. Als er gleich neben dem Friedhof endlich eine Werkstatt fand, war die bereits geschlossen. Lautstark fluchend lenkte er seine Karre wieder in die Richtung, in der er das Zentrum vermutete. Er wollte sich erst einmal eine Bleibe suchen. Keinen halben Kilometer stadteinwärts entdeckte er in einem Straßenzug mit vier- und fünfstöckigen Wohn- und Geschäftshäusern ein kleines, leicht angestaubtes Dreisternehotel.
Als die stark parfümierte und ebenfalls leicht angestaubte Dame des Hauses die Nummer seines Ausweises in den Computer eintippte, meldete sich der Verfolgungswahn erneut. Was wäre, wenn die Personalien in Echtzeit von einem Fahndungscomputer abgeglichen wurden? Dann stürmten hier in fünf Minuten zwanzig Flics rein, die ihm mit ihren Schlagstöcken den Schädel zertrümmern und ihn schließlich in Auslieferungshaft werfen würden.
Holsbein setzte ein Lächeln auf, das er für ziemlich unschuldig hielt. »Und, bin ich auf der Terror-Liste?«
»Wie bitte?«
»Meine Personalien …«, er zeigte auf den Computerbildschirm, »gehen die Daten nicht direkt an die Polizei zur Überprüfung?«
»Das ist ein ernstes Thema, mein junger Herr«, sagte sie, und winkte dann ab. »Es gab immer wieder Versuche, das durchzusetzen. Doch erst scheiterte das Ganze am Widerstand der Hoteliers, die einen Imageschaden fürchteten. Dann hat sich gezeigt, dass es technisch nicht ganz einfach ist und auch nicht wirklich günstig würde. Momentan ruhen die Pläne jedenfalls, soweit ich weiß. Aber nach dem nächsten Terroranschlag wird das Anliegen sicher wieder aus der Schublade geholt.«
»Aha«, murmelte Holsbein. Er hatte erfahren, was er wissen wollte und hoffte nun, dass sie zu quasseln aufhören würde und er sich endlich ein wenig ausruhen konnte.
»Wie läuft das denn bei Ihnen in der Schweiz?«, erkundigte sich die Dame.
»Ach, das ist von Region zu Region verschieden«, sagte Holsbein schulterzuckend. »An einem Ort werden die Daten automatisch an die Polizei weitergeleitet, dann fährt man fünf Kilometer, und dort müssen die Personalien lediglich registriert und aufbewahrt werden. Und natürlich wird überall darüber gestritten, die Vorschriften in die eine oder andere Richtung zu ändern.«
Sie schüttelte nur den Kopf: »Was euch Schweizern fehlt, ist ein starker Zentralstaat, der sagt, wo es langgeht. Das geht doch nicht, dass jeder machen kann, was er gerade will.«
* * * * *
Halb sieben Uhr abends, und die Kollegen aus Basel hatten noch immer keinen Treffer gemeldet. Widmer stand in der Einsatzzentrale herum, wo die Meldungen zusammenliefen.
»Ich sags dir, der ist uns entwischt«, sagte Suter, der sich wieder in seiner angestammten missmutigen Stimmung suhlte.
»Wer weiß«, entgegnete Widmer, »vielleicht hat er das Land ja gar nicht verlassen.«
»Oder er hat uns reingelegt und ist gar nicht in Basel über die Grenze.«
»Die Meldung ging ja aber an alle Schweizer Grenzwachkorps«, warf Widmer ein. »Jedenfalls haben wir nun lange genug gewartet. Jetzt können sich die Kollegen im Ausland mal ein bisschen an der Suche beteiligen.«
Widmers Diensthandy jammerte »La Paloma«.
»Echt jetzt?«, grinste Suter. »Du alter Romantiker.«
Widmer zeigte ihm den Stinkefinger und nahm den Anruf entgegen. »Ja bitte?«
Es war Armin Leimbacher vom »Amsheimer Boten«. »Herr Widmer, gut, dass ich Sie noch erwische. Wir haben gesicherte Hinweise, dass sich der Feuerteufel nach Deutschland abgesetzt hat und sich nun nach Rotterdam durchschlagen will. Dort versucht er als Matrose auf einem Frachter anzuheuern und will dann untertauchen.«
Widmer verdrehte die Augen. »Ja und?«
»Wissen Sie was darüber? Was ist Ihr Kenntnisstand? Und weshalb ist er Ihnen entwischt?« Leimbacher schien förmlich zu hecheln.
»Immer langsam, mein Guter. Erst einmal möchte ich wissen, von wem Sie das nun wieder haben.«
»Informanten, Widmer, wir haben In-for-man-ten!«
»Und deren Namen wollen Sie natürlich nicht nennen, wegen des Quellenschutzes, nicht wahr?«
»Ganz genau«, geiferte Leimbacher. »Nur unabhängige Medien können ihre Verantwortung als vierte Gewalt wahrnehmen.«
Widmer hätte ihm auf der Stelle den Hals umdrehen können.
»Also«, hakte Leimbacher nach, »wissen Sie jetzt etwas darüber? Sonst schreibe ich, dass die Polizei im Dunkeln tappt. Das möchten Sie doch nicht, oder?«
»Das ist mir so was von egal«, schnauzte Widmer ins Telefon. »Schreiben Sie, was Sie wollen.«
* * * * *
Holsbein hatte ein wenig geschlafen, dann im TV erfolglos den Pornokanal gesucht und sich schließlich mit Gedanken an Blondie schön einen runtergeholt. Wieso bloß verliebte er sich immer so schnell in die Frauen?
Ihm war nach etwas Zerstreuung und drei oder vier Bier zumute. Weit gehen musste er dafür nicht, gleich gegenüber dem Hotel gab es eine Bar namens Princesse. Der Laden sah so aus, als hätte ihn ein überambitionierter Regisseur für seinen Film als Treffpunkt für Kleinkriminelle und Nutten ausstatten lassen. Der Boden, die kleinen Pressholztische, die Plastikstühle, die dunkle Holzverkleidung – alles wirkte abgewetzt und schmuddelig. Der Messingüberzug des Tresens war matt und voller Flecken. An der durch den Rauch Zehntausender Zigaretten dunkelgelb gefärbten Decke hingen halbrunde orange Plastiklampen aus den Siebzigerjahren. Im hinteren Bereich gab es einen Spielautomaten, auf dem der einzige Gast herumdrückte.
Mittendrin stand der Patron, ein riesiger, dicker Kerl mit Stiernacken und Glatze, und starrte ihn ausdruckslos an. Er hatte sich eine mintgrüne Schürze um die Hüfte gebunden. Mit seinem weißen T-Shirt und den Hosenträgern sah er aus wie ein gigantischer Skinhead. Holsbein bestellte im Vorbeigehen ein Bier und setzte sich an der Bar auf den Hocker, der am wenigsten zerschlissen war. Er holte sein Handy mitsamt Kopfhörern hervor, denn nun war es Zeit für das Video von Stadtpräsident Ehrbar. Holsbein freute sich wie ein kleines Kind, als der Alte mit hochrotem Kopf über den Täter schimpfte und dabei dermaßen in Rage geriet, dass die Redaktion die übelsten Worte wegpiepen musste: »Unsere Region hat sich gerade eben von der Sache mit dem Dioxin erholt, Millionen von Franken haben wir in die Renaturierung investiert, und da kommt so ein mieses kleines – piep! – auf die – piep! – Idee, hier ein bisschen mit dem Feuerzeug rumzuspielen und uns alles kaputtzumachen.« Holsbein war schon klar, weshalb Ehrbar sich so aufregte. Als Besitzer eines großen Landgasthofs mit Hotelbetrieb war er auf die Touristen angewiesen, welche besonders im Sommer das Naturschutzgebiet rund um den Elsingersee genossen. Ansonsten hatte die Gegend ja nicht viel zu bieten.
In den Beitrag reingeschnitten waren Sequenzen von Feuerwehrleuten, die verendete Seevögel und Fische – darunter viele Welse, die sich in letzter Zeit stark vermehrt hatten – aus dem Wasser schaufelten und auf Anhängern wegkarrten. Das mussten mehrere Tonnen Kadaver sein, dachte Holsbein, dem alles andere als wohl war bei der Sache. Schließlich sah er sich selbst als eine Art Tierfreund. Wenn auch mit Ausnahmen. Den verdammten Hahn von Bauer Müller, der ihn jeden gottverfluchten Morgen um fünf Uhr aus dem Tiefschlaf riss, den hätte er nur zu gerne brennen sehen. Leider war das Viech als Erstes aus dem in Flammen stehenden Hühnerstall gerannt gekommen.
Holsbein nahm einen großen Schluck Bier und fragte den Patron, was denn die Küche zu bieten habe. Das war das Schöne an Frankreich: In jedem noch so versifften Loch konnte man etwas zu essen kriegen, das dann oft auch noch erstaunlich gut schmeckte.
»Die Spezialität des Hauses ist Croque Monsieur, mein Herr«, sagte der Dicke und deutete eine Verneigung an.
»Ausgezeichnet, ich nehme gleich zwei.« Holsbein schaute dem Patron nach, wie der in den Nebenraum ging und kurz darauf zurückkehrte, in der Pranke zwei tiefgefrorene Toasts, die er umständlich aus der Verpackung klaubte und in einen Ofen legte.
»Wünschen der Herr noch ein Hors d’oeuvre?«
»Gerne ein Bier«, sagte Holsbein und rief nochmals den Zeitungsartikel auf. Woher hatten die bloß dieses Foto? Er war nicht die schlechteste Aufnahme, auch wenn wegen des Balkens seine blau-grünen Augen nicht zu sehen waren. Die hatte er von seinem Großvater geerbt, einem Schwerenöter und notorischen Weiberhelden. Auch Holsbein waren die Glubscherchen immer mal wieder hilfreich gewesen, und das nicht nur bei den Frauen. Schöne Menschen wurden von der Welt nun einmal besser behandelt als hässliche Gnome. Lediglich mit der Frisur war er nicht ganz zufrieden. Das Bild musste kurze Zeit nach einem Coiffeurbesuch entstanden sein. Wobei, »Coiffeurbesuch« war vielleicht ein etwas zu großes Wort. Sein Kumpel Can konnte gerade mal einen Haarschnitt: die Seiten und im Nacken kurz, oben fünf Zentimeter lang, mit fließendem Übergang. Das sah die ersten drei, vier Tage nach Fünfzigerjahre-Biedermannfrisur aus. Danach ging es, wenn man ein bisschen Haargel zu Hilfe nahm. In Amsheim gab es einige Leute, die sich in Cans kleinem Badezimmer die Haare schneiden ließen. Sie alle hatten ihm einst einen Gefallen tun wollen, nachdem er seinen Job als Automechaniker verloren und einer Depression nahe im Bekanntenkreis seine Dienste als Coiffeur angeboten hatte. Und sie blieben irgendwie dabei. Holsbein jedenfalls hatte Skrupel, sich einen anderen Friseur zu suchen. Denn Can war alles andere als das, was man landläufig als »psychisch stabil« bezeichnet und konnte nur schlecht mit Rückweisungen umgehen.
Der Patron servierte das Essen, diesmal mit einer echten Verbeugung. Doch Holsbein schob den Teller beiseite. Soeben war ihm aufgefallen, welche Journalistin ihn hatte auffliegen lassen. »Verdammt, Aline«, wisperte er kaum hörbar, »wieso tust du mir das an?«