Читать книгу Voll verkackt ist halb gewonnen - Tom Limes - Страница 14

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Liza

8 »Ey, Scheiße … hat einer Hotspot für mich? Mein Handy ist tot!«, kreischte Obertussi Elvira. Ich verdrehte die Augen, musste jedoch genau wie alle anderen direkt verstohlen mein eigenes Handy checken. So wie alle ächzten, schien keiner von uns Empfang zu haben.

»Ah … hatte ich das vergessen zu sagen?«, meldete sich Herr Pfeiffer. »Wir befinden uns hier in einem Funkloch.«

Dieses hier war eine Lichtung mitten in einem Wald, der sich wiederum inmitten des Nichts befand. Es war das Ziel unserer Dreitagesfahrt in die Pampa, deren Termin Julian anscheinend komplett verdrängt hatte – so verschreckt, wie er mir am Montag aus der Werkstatt entgegengestolpert war.

Jedenfalls bedeutete das nun: vierundfünfzig Stunden weg von zu Hause. Fünfzehn praktisch wildfremde Leute. Absolut keine Auszeiten für mich. Kein Handyempfang. Wie, bitte schön, sollte ich diesen Dauerstress aushalten?

»Ach, komm schon, das wird dir guttun«, hatte Ma noch gestern Abend auf mein Gejammer hin wenig überzeugend behauptet.

»Guttun?«, war meine gereizte Antwort gewesen. »Sollst du mir vielleicht noch schöne Grüße von Dr. Moiré bestellen?«

Dr. Moiré war die Therapeutin, zu der ich zuletzt nur noch unregelmäßig gegangen war, weil sie mich mit ihren ganzen unbequemen Fragen und Mutmachspielchen ziemlich stresste. Ma rief sie allerdings immer noch dann an, wenn sie mit mir nicht mehr weiterwusste. Und so einem Anruf hatte ich bestimmt auch die Tatsache zu verdanken, dass ich partout zu dieser Maßnahmenfahrt musste. Dabei war meine Mutter heute Morgen, als sie mit mir am Reisebus auf die Abfahrt wartete, eindeutig noch aufgeregter als ich.

»So, die Bande. Jetzt mal raus mit euch und schleppen!«, rief Hugo fröhlich, der natürlich auch mit dabei war, und ich beschloss widerstrebend, meinen düsteren Gedanken später weiter nachzuhängen. Die anderen hatten zwar genauso wenig Lust auf das Ganze wie ich, aber wie sich nun zeigte, würde der Bus selbst bei heftigstem Protest nur ohne uns umkehren. Also stiegen wir murrend aus und holperten mit Rollkoffern über feuchte, wurzelüberwucherte Wege zu einem Haus, das mitten auf einer Waldlichtung stand.

»Voilà … die Villa Foresta!«, rief Hugo und wies uns mit einer schwungvollen Verbeugung den Weg. Das war die Villa? Villa Foresta – das hatte so edel geklungen. Nicht wie dieses düstere, mit Efeu überwucherte, dreigeschossige Haus, auf das wir nun zugingen.

»Scheiß Villa! Scheiß Wald! Scheiß Idee!«, fluchte Elvira wenig überraschend – sie verdammte pausenlos alles, was ihren Minirock-, High-Heels- und Gelnagelkosmos bedrohte, und fühlte sich für ein anderes Leben berufen. Dass die Arme nun auch noch eine lebensbedrohliche Survivaltour mitmachen musste, schien sie endgültig zu überfordern. Endlich verschwand sie im Haus.

Ich atmete erleichtert aus.

»Chica, steht dir jemand im Weg oder warum bleibst du stehen?«, fragte Tariq, der direkt hinter mir stand. Nachdem er mittlerweile immer öfter die Quali schwänzte, hatte ich ja gehofft, dass er mir auch hier erspart bleiben würde, aber leider hatte er es wohl ausnahmsweise mal einrichten können.

»Oh, sorry«, murmelte ich. Jetzt erst fiel mir auf, dass ich den Eingang zum Haus versperrte.

»Komm, mach mal Alarm und bell sie alle aus dem Weg«, schlug er vor. »Darin bist du doch Pro.«

Er freute sich über seinen Spruch, ich verdrehte wieder einmal die Augen, betrat dann aber endlich den Flur, einen engen, holzvertäfelten Schlauch mit hirschgeweihbehangenen Wänden.

Suchend sah ich mich nach unseren Zimmern um und schon kam Elvira wieder wütend in den Flur zurückgerannt.

»Die Zimmer sind total klein«, hechelte sie, »und muffig und«, sie legte eine kurze Atem- und Kunstpause ein, »… es gibt Spiiiinnen!«

Wenig später stand ich in einem kleinen Dreibettzimmer, in das Elvira mich zur Veranschaulichung der Spiiinnen gezerrt hatte, und musste ihr leider recht geben. Aber es gab echt Schlimmeres als eine leicht marode »Villa« im Retrostil. Zum Beispiel, überhaupt hier zu sein.

»Wie schön, dass wir ein Zimmer zusammen haben!«, freute sich Ayse hingegen, die sich nun auch zu uns ins Zimmer gequetscht hatte.

»H-h-haben wir das?«, erkundigte ich mich verblüfft.

»Klar.« Ayse und Elvira nickten energisch und deuteten auf den unmissverständlichen Namenszettel an der Zimmertür.

»O-o-okay«, murmelte ich zögerlich und versuchte, mir mein Entsetzen nicht anmerken zu lassen.

»Komm, lass uns die Betten beziehen!«, trällerte Ayse, nachdem sie schlauerweise erst mal das Fenster aufgerissen hatte. »Und dann gehen wir runter zu den anderen. Die Knöpfle heckt was aus.« Sie warf mir ein Kopfkissen zu und sang lauthals einen Namika-Song, den ich kein bisschen mochte, jedoch zu meinem eigenen Erstaunen plötzlich mitsummte.

Ayse hatte recht gehabt. Frau Knöpfle hatte tatsächlich etwas vor mit uns.

Mit vier Hütchen markierte sie auf der Wiese neben der Villa Foresta ein Rechteck und wandte sich dann zu uns um. »Stellt euch hier nebeneinander in einer Reihe auf«, piepste sie. »Wir werden gleich mit einem Wettlauf starten.«

Unser mehrheitliches Stöhnen ignorierte Frau Knöpfle.

»Oh, und der Gewinner bekommt einen Preis!«, schlug Ayse fröhlich vor. »Zwei mal Befreiung vom Küchendienst, Frau Knöpfle, okay?«

Knöpfle lachte. »Gut, lasst uns das machen.« Und dann erklärte sie die Spielregeln, während sich Julian und Ayse rechts und links neben mich drängelten. »Stellt euch alle mal an der Startlinie auf«, befahl sie. »Ich lese jetzt etwas vor«, erläuterte sie dann »und jeder, auf den es zutrifft, darf einen Schritt in Richtung Ziel vorwärtsgehen. Also: Du hast eine Schule besucht.«

Alle gingen vor.

»Du bist nie sitzen geblieben.«

Keiner ging vor.

»Du hast die siebte Klasse besucht.«

Einige, unter ihnen erstaunlicherweise auch Max, blieben stehen.

»Du lebst mit beiden Eltern zusammen.«

Ein paar machten einen Schritt vorwärts, Max blieb auch diesmal stehen.

»Deine Eltern haben einen Schulabschluss …«, und so weiter.

Nach dem zwölften Punkt stand nur Julian kurz vor dem Ziel, ich und ein paar andere im Mittelfeld und der Rest – die »Verlierer« – immer noch fast am Anfangspunkt. Dann gab Frau Knöpfle den Startschuss: Den ersten Platz des nun folgenden Wettlaufs mit ungerechten Startpositionen räumte natürlich Julian ab.

Grinsend nahm er seinen Gutscheinpreis entgegen.

»Das ist doch voll unfair!«, protestierte dieser ätzende Skinheadtyp Justin und ausnahmsweise stimmten wir anderen ihm zu.

»Wow … selbst unser Glatzköpfchen hat es kapiert«, brachte es Max auf den Punkt. Er drehte sich zu Frau Knöpfle um. »Und jetzt?«

Voll verkackt ist halb gewonnen

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