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CHIRURGISCHE FAKTOREN ZUR STABILISIERUNG DES KRESTALEN KNOCHENS

Krestaler Knochenverlust

Die Bedeutung der krestalen Knochenstabilität an Implantaten für den Erfolg und die langfristige Bewährung des Behandlungsergebnisses kann nicht genug betont werden. Am besten lässt sich der Erfolg der Behandlung mittels Röntgen überprüfen. Die Röntgenaufnahmen in Abbildung 1-1 zeigen eine ideale Behandlung, deren hohe Qualität deutlich wird und sicherlich auf gute Therapieentscheidungen zurückzuführen ist. Es besteht allgemein Übereinstimmung darüber, dass ein stabiler Knochen mit einem jährlichen Remodeling von weniger als 0,2 mm eine langfristig erfolgreiche implantologische Behandlung anzeigt, genauso wie eine fehlende Blutung beim Sondieren und eine Sondierungstiefe von höchstens 5 bis 7 mm1. Fehlt jedoch stabiler Knochen, kann es zu Problemen kommen, sodass der Behandler nicht sicher vorhersagen kann, ob das Implantat für längere Zeit stabil bleiben wird (Abb. 1-2).


Abb. 1-1 (a und b) Beispiele für krestale Knochenstabilität.


Abb. 1-2 (a und b) Beispiele für krestalen Knochenverlust.

Der krestale Knochenverlust gehört schon so lange zu einer Implantatbehandlung, dass er zur Norm geworden ist und sogar in verschiedene Formen eingeteilt wurde. So ist der frühe krestale Knochenverlust definiert als eine Knochenresorption am Implantathals, die zwischen dem Zeitpunkt der Implantation und einjähriger Belastung stattfindet. Diese Definition basiert höchstwahrscheinlich auf den 1986 von Albrektsson et al.2 vorgeschlagenen Erfolgskriterien für Implantate, gemäß derer ein Knochenverlust von 1,5 mm innerhalb des ersten Jahres nach der Implantatbelastung als Erfolg gewertet werden kann, sofern der jährliche Knochenverlust später höchstens 0,2 mm beträgt. Entwickelt wurde dieses Konzept anhand von Beobachtungen mit den ursprünglichen Brånemark-Implantaten. Die heute verwendeten Implantate haben jedoch weitaus bessere Designs und Oberflächen, die den Erfolg und die Knochenstabilität erhöhen. Daher wurden die allgemein anerkannten Erfolgskriterien in einigen aktuellen Studien, in denen festgestellt wurde, dass Implantate nach einjähriger funktioneller Belastung einen geringeren Knochenverlust aufweisen können3,4, infrage gestellt. Für Implantate mit einem Mikrogewinde am Implantathals und konischer Implantat-Abutment-Verbindung ist nach 12 Monaten Belastung mit einem Knochenverlust von nur 0,33 bis 0,56 mm zu rechnen.

Gelegentlich wird der frühe krestale Knochenverlust in der zahnmedizinischen Literatur als untertassen-, krater- oder grubenförmig bezeichnet, um sein typisches Erscheinungsbild auf Röntgenaufnahmen zu beschreiben. Diese Form des Knochenverlusts galt früher als natürliches und unvermeidbares Ergebnis des biologischen Remodelings und der Unterschiede in der Knochenfestigkeit. Als Beitragsfaktor wurde ein Okklusionstrauma vorgeschlagen. Wenn jedoch eine funktionelle okklusale Belastung eine konstante Überlastung im Bereich des Implantathalses erzeugt, bleibt unklar, warum der Knochenverlust nach einiger Zeit zum Stehen kommt und nicht bis zum kompletten Implantatversagen fortschreitet. Ein Erklärungsversuch für dieses Phänomen geht davon aus, dass der Knochen zu Beginn der prothetischen Belastung weniger dicht ist und empfindlicher auf Belastungen reagiert, sodass eine Überlastung und damit eine Knochenresorption verursacht werden. Während des ersten Jahres mit funktioneller Belastung reift der Knochen jedoch und wird dichter. Daher sind die Okklusalkräfte, die zum initialen krestalen Knochenverlust geführt haben, nicht mehr stark genug, um eine weitere Knochenresorption auszulösen. Trotz der ständigen Innovation und Entwicklung neuer effektiver Techniken und Materialien sieht sich der Zahnarzt aber auch heute noch mit dem Problem des Knochenverlusts konfrontiert.

Der Autor ist davon überzeugt, dass die herkömmlichen Standards der dentalen Implantologie, nach denen ein Knochenverlust von 1 mm als normal gilt, nicht mehr zutreffend sind. Tatsächlich gibt es verschiedene Reaktionen des Knochens auf Implantate, wie (Abb. 1-3):

 kein Knochenverlust;

 stabiles Remodeling;

 progredienter Knochenverlust;

 Entmineralisierung und Remineralisierung des Knochens;

 Kortikalisierung;

 Knochenwachstum.


Abb. 1-3 Verschiedene Reaktionen des krestalen Knochens auf dentale Implantate. (a) Kein Knochenverlust. (b) Stabiles Remodeling. (c) Progredienter Knochenverlust. (d) Knochenwachstum.

Kein Knochenverlust

Kein Knochenverlust (Zero Bone Loss) oder krestale Knochenstabilität sind dadurch gekennzeichnet, dass der Knochen – unabhängig von der Ursache – nicht zurückgegangen ist oder resorbiert wurde. Der Autor hat sich dafür entschieden, dies als Zero Bone Loss anstatt von No Bone Loss zu bezeichnen, um dem Zahnarzt das anzustrebende Ziel klar vor Augen zu führen.

Stabiles Remodeling

Als stabiles Remodeling wird ein gewisser Knochenverlust bezeichnet, der nach einiger Zeit zum Stillstand kommt und von biologischen oder mechanischen Faktoren ausgelöst wird. Die betroffenen Implantate sind in der Regel stabil und der Knochenverlust gefährdet die Implantatfunktion nicht (Abb. 1-4). Trotzdem wäre es besser, ein geringeres Knochenniveau zu vermeiden, zumal der stabile Knochenverlust für einige Zeit bestehen kann, sodass eine anaerobe Umgebung entsteht, die schwer zu behandeln ist. Falls ein Patient plötzlich eine parodontale Infektion hat oder die Oralhygiene nicht mehr gut durchführen kann, neigt ein Implantat mit stabilem Remodeling später eher zu einer weiteren Knochenresorption als ein Implantat ganz ohne Knochenverlust. Der Knochen an Implantaten mit stabilem Remodeling hat damit in der Zukunft eher das Risiko einer unerwarteten Resorption. Da sich diese Resorption ohne eine Intervention nicht aufhalten lässt, gefährdet sie das Behandlungsergebnis insgesamt. Wird ein Behandlungskonzept ohne Knochenverlust gewählt, ist die Wahrscheinlichkeit einer Periimplantitis am geringsten.


Abb. 1-4 Beispiele für stabiles krestales Knochenremodeling. (a) Knochenniveau vor der Entwicklung der biologischen Breite. (b) Stabile Knochenposition mit Exposition des Implantathalses ohne Gefährdung des Implantatüberlebens. (c) In diesem Fall hatte das stabile Knochenremodeling keine Folgen für die Ästhetik.

Progredienter Knochenverlust

Wenn aus einem stabilen Knochenremodeling ein kontinuierlicher Knochenverlust wird, spricht man von einem progredienten Knochenverlust, einer Veränderung des krestalen Knochens, die das funktionelle und ästhetische Behandlungsergebnis gefährdet. Es ist jedoch nicht vorhersagbar, ob das Remodeling zum Stillstand kommt oder fortschreitet. Sofern der Knochenverlust nicht aufgehalten wird, können weitreichende Probleme auftreten, wie eine Periimplantitis oder sogar ein Implantatverlust (Abb. 1-5).


Abb. 1-5 (a) Knochenniveau nach Implantation. (b) Knochenposition unmittelbar nach dem Einsetzen der Versorgung. (c) Nach einem Jahr ist die Hälfte des Implantats nicht mehr von Knochen bedeckt. (d) Da sich im Knochen ein Krater gebildet hat, muss das Implantat entfernt werden.

Entmineralisierung und Remineralisierung des Knochens

Krestaler Knochen verhält sich in den verschiedenen Stadien von Heilung und Entwicklung unterschiedlich. In manchen Situationen kann es zu einer Remineralisierung oder Entmineralisierung von Knochen kommen (Abb. 1-6). Die Mineralisierung von Knochen kann über die Zeit zu- oder abnehmen, wenn Mineralstoffe in die organische Knochenmatrix einwandern oder sie verlassen. Der genaue Grund dafür ist unbekannt. Daher beruht der krestale Knochenverlust nicht immer auf einer Resorption von Knochengewebe; manchmal manifestiert sich eine entmineralisierte organische Matrix als Knochenverlust. Zum Nachweis des Knochenverlusts werden zweidimensionale Röntgenaufnahmen angefertigt, auf denen der entmineralisierte Knochen als Knochenresorption zu erkennen ist. Okklusionstraumen im Bereich der Zähne mit Verbreiterung des Parodontalligaments ähneln im Röntgen oft einem Knochenverlust am Alveolarkamm. Sobald das Trauma eliminiert wurde, normalisiert sich der Raum des Parodontalligaments jedoch wieder.


Abb. 1-6 Remineralisierung des krestalen Knochens an Implantaten (V3, Fa. MIS Implants Technologies). (a) Am Tag der Implantation. (b und c) Nach einem Jahr.

Dies lässt sich mit der Remineralisierung des alveolären Knochens am Zahn vergleichen. Rosling et al.5 zeigten, dass die Knochenregeneration bei Patienten mit konstant optimaler Mundhygiene in den Taschen unter dem Knochen stattfindet. Sobald Infektionen und Reizungen entfernt werden, remineralisiert die organische Knochenmatrix. Dies kann auch an Im-plantaten ohne Platform-Switching geschehen. Klinische Beobachtungen legen nahe, dass nach Abschluss der prothetischen Phase und in reizfreien Geweben eine Umgebung geschaffen wird, die für die Remineralisierung von Knochen günstig ist6.

Kortikalisierung

Bei der Kortikalisierung verdichtet oder mineralisiert sich die Kortikalisplatte des Alveolarknochens. Auf den Röntgenaufnahmen in Abbildung 1-7 ist zu erkennen, dass die Kortikalisplatte im Lauf der Zeit unter Belastung immer weißer und höher wird. Der Grund dafür ist nicht genau bekannt, eine mögliche Erklärung liefert das Modell von Frost (Mechanostat), wonach eine leichte Überlastung des Knochens dessen Masse erhöht. Dieser Prozess ähnelt dem vertikalen Knochenwachstum, manifestiert sich aber mit einer Vergrößerung und Verstärkung der kortikalen Mineralisationszonen. Sie findet auch statt, wenn die Kortikalis des Alveolarkamms entfernt und ein Implantat nur in Spongiosa gesetzt wurde. Die Integration des Implantats wird durch diesen Prozess nicht gefährdet. Manche stufen ihn sogar als günstig ein, weil die Spongiosa stärker durchblutet ist. Aufgrund der Mineralisierung der äußeren Spongiosaschicht kommt es zur angestrebten Kortikalisierung.


Abb. 1-7 Radiologische Darstellung der Kortikalisierung. (a) Normale Kortikalisplatte nach der Implantation. (b) Diese Platte wird medial nach der Belastung dicker. (c) Kortikalisierung und Verdickung der Platte nach dreijähriger Belastung.

Knochenwachstum

Bislang gibt es keine klinischen Studien, um einen vorhersagbaren Prozess zu belegen, mit dem nach dem Setzen eines Implantats und dessen restaurativer Versorgung ein Knochenwachstum erzielt wird. Allerdings wurde die Hypothese aufgestellt, dass eine konstante Implantatbelastung das Knochenwachstum stimuliert, da die Kraft vom Implantat auf den Knochen übertragen wird. Das Implantat hat im Knochen einen Spielraum von bis zu 10 µm. Diese Mikrobewegungen stimulieren den Knochen und lösen vermutlich sein Wachstum aus. Vertikales Wachstum lässt sich durch die Ossifikation von Periost oder Bindegewebe erklären, das sich direkt auf der Knochenfläche befindet (Abb. 1-8). Knochenremineralisierung und Knochenwachstum sind vielversprechend, da sie zeigen, dass selbst bei krestalem Knochenverlust über die Zeit eine gewisse Verbesserung möglich ist.


Abb. 1-8 (a und b) Im Lauf der Zeit wächst immer mehr Knochen um den Rand des Implantats. Was allerdings genau bei diesem Prozess geschieht, ist unbekannt. Mesiodistal am Implantat im Prämolarenbereich sowie mesial am Implantat im Molarenbereich ist ein vertikaler Knochengewinn zu erkennen.

Bedeutung von stabilem Knochen

Obwohl die Bedeutung der Knochenstabilität für manche Kliniker auf der Hand liegt, lohnt es sich trotzdem, die Begründung dafür zu betrachten: Die krestale Knochenstabilität ist vor allem deswegen wichtig, weil sie die Implantatfunktion sicherstellt. Daher sollte ein Knochenverlust grundsätzlich verhindert werden. Schließlich spiegelt die periimplantäre krestale Knochenstabilität die Fähigkeiten und Therapieentscheidungen derjenigen Behandler wider, die an der Implantation und Restauration beteiligt waren.

Aus der Literatur ist ersichtlich, dass der frühe krestale Knochenverlust die Osseointegration von Implantaten in der Regel nicht gefährdet. In manchen Fällen, wie bei dünner periimplantärer Kortikalis, kurzen Implantaten oder einer großen ästhetischen Herausforderung, werden das Überleben und der Erfolg des Implantats stark durch das Vorhandensein oder Fehlen von krestalem Knochen beeinflusst7. Die (kurzfristige) Primärstabilität und die Langzeitstabilität von Implantaten hängen entscheidend vom krestalen Knochen ab. Die Primärstabilität ist der Schlüssel für die Osseointegration, da gut beschrieben und belegt ist, dass sie den Übergang zur Sekundärstabilität sicherstellt, die durch die biologische Verflechtung von Knochen und Implantatoberfläche gekennzeichnet ist8. Auch bei der Restauration und funktionellen Belastung des Implantats ist ausreichend vorhandener krestaler Knochen einer der wichtigsten Faktoren, um einen Erfolg langfristig sicherzustellen. In mehreren Studien wurde mittels Finite-Elemente-Analyse gezeigt, dass in der Kortikalis beim Einwirken axialer und lateraler physiologischer Kräfte auf das Implantat hohe Spitzenbelastungen auftreten9–12.

Natürlich sollte der Zahnarzt grundsätzlich eine Knochenstabilität anstreben, aber es gibt zwei Situationen, in denen das Knochenniveau so stabil wie nur möglich sein sollte: (1) bei Implantaten im ästhetischen Bereich und (2) bei kurzen Implantaten.

Implantate im ästhetischen Bereich

Ein stabiles Niveau der periimplantären Mukosa hängt überwiegend von der Höhe des darunterliegenden Knochens ab. Die Migration der marginalen periimplantären Mukosa durch einen marginalen Knochenverlust hat vor allem im Frontzahnbereich erhebliche Auswirkungen auf die Ästhetik der Restauration. Eine periimplantäre Mukosarezession, die infolge eines krestalen Knochenverlusts auftreten kann, legt den Kronenrand frei und verursacht eine Weichgeweberezession und einen Papillenverlust13. Dies ist abhängig von der Knochenbreite, da bei einer horizontalen Resorption des krestalen Knochens auch die vertikale Knochenhöhe verloren geht (Abb. 1-9).


Abb. 1-9 (a) Der horizontale Knochenverlust kann bei schmalem Knochen eine vertikale Komponente aufweisen, die zu einem Kollaps der vestibulären Gewebe führt. (b) Auffallend ist die Grauverfärbung der Weichgewebe an der Restauration als Zeichen eines krestalen Knochenverlusts und dünnerer Gewebe.

Bei einer vertikalen Resorption des krestalen Knochens bilden die Knochenveränderungen ein kreisförmiges Muster um das Implantat. Dadurch verändert sich im Rahmen des Knochenremodelings der faziale Knochen. Bei sehr breitem Knochen entsteht am Implantat ein sogenannter Krater, wobei die äußere faziale Wand unversehrt bleibt. Ist der Knochen schmal, geht jedoch auch die faziale Wand verloren.

Der krestale Knochenverlust kann die Position der mesialen und distalen Papille sowie Niveau und Kontur der Weichgewebe beeinflussen. Dies alles sind Komponenten des Pink Esthetic Score zur objektiven Beurteilung des ästhetischen Behandlungsergebnisses. Bei einem niedrigen Score, wie er bei Knochenverlust zu erwarten ist, sind Restaurationen nicht ästhetisch, was die Patienten eher unzufrieden macht14. Da viele Autoren im ersten Jahr der funktionellen Belastung einen Mukosarückgang an implantatgetragenen Restaurationen beobachtet haben, wurde empfohlen, Implantate im Frontzahnbereich für mindestens 6 Monate mit provisorischen Kronen zu restaurieren.

Dies alles zeigt deutlich, dass die Knochenstabilität der Schlüssel für ein gutes ästhetisches Ergebnis war und ist. Die korrekte dreidimensionale Ausrichtung der Implantate ist allerdings für ein ausgezeichnetes ästhetisches Ergebnis ebenso wichtig wie krestale Knochenstabilität15.

Kurze Implantate

Die zweite Situation, in der die krestale Knochenstabilität besonders wichtig ist, sind kurze Implantate. Kurze Implantate (mit einer Länge von 4,0 bis 7,5 mm) erreichen nach 5 bis 10 Jahren mit 98,3 % eine gute Überlebensrate und können daher problemlos bei reduzierter Alveolarkammhöhe im Seitenzahnbereich verwendet werden, um die Implantatbehandlung zu vereinfachen16. Damit die reduzierte Implantatoberfläche ausgeglichen wird, besitzen sie einen größeren Durchmesser. Obwohl der Knochenverlust an kurzen Implantaten nicht stärker ausfällt als an Implantaten mit Standardlänge, verlieren sie einen größeren Anteil des KnochenImplantat-Kontakts als Implantate mit Standardlänge (Abb. 1-10), was sich auf die Langzeitergebnisse auswirken kann17. Tritt beispielsweise an einem 4 mm langen Implantat ein Knochenverlust von 1,5 mm auf, würde es zwar weiterhin die vorab definierten Erfolgskriterien erfüllen, aber fast 50 % seiner osseointegrierten Oberfläche verlieren, sodass es vermutlich als Misserfolg zu betrachten ist. Kurze Implantate neigen somit zwar nicht zu einem stärkeren krestalen Knochenverlust, aber der Knochenverlust ist bei ihnen gefährlicher, da durch die Knochenresorption ein größerer Anteil des Knochen-Implantat-Kontakts verloren geht.


Abb. 1-10 Ein krestaler Knochenverlust ist an kurzen Implantaten riskanter als an längeren, da jeder fehlende Millimeter einem größeren Anteil des Knochen-Implantat-Kontakts entspricht, der verloren gegangen ist. Beim Vergleich des kurzen Implantats (a) mit einem Implantat mit Standardlänge (b) ist der Unterschied des potenziellen Knochen-Implantat-Kontakts zu erkennen.

Selbst wenn sich das Implantat in dem vorgenannten Beispiel nicht komplett vom Knochen löst, liegt das Kronen-Implantat-Verhältnis höher als 2:1, wodurch das Risiko für prothetische und biologische Komplikationen steigt (Abb. 1-11). Das Kronen-Implantat-Verhältnis ist zwar nicht so wichtig wie das Kronen-Wurzel-Verhältnis, wenn es aber einen sinnvollen Wert übersteigt, kommt es zu mechanischen Komplikationen (z. B. Schraubenlockerung). Schließlich können kurze Implantate durch den krestalen Knochenverlust aus dem Knochen herausbrechen. Dies ist ein klassisches Beispiel dafür, wie der krestale Knochenverlust das Kronen-Implantat-Verhältnis so stark verändert, dass das Komplikationsrisiko steigt, während der Knochenverlust an längeren Implantaten die Situation weniger dramatisch beeinflusst.


Abb. 1-11 Klinisches Beispiel: Der initiale krestale Knochenverlust ist bei kurzen Implantaten gefährlicher. (a) Ein kurzes 4,8×6-mm-Implantat und ein 3,3×10-mm-Implantat mit etwa der gleichen Knochen-Implantat-Kontaktfläche (28 mm2 versus 33 mm2) sind vollständig integriert. (b) Am kurzen Implantat besteht ein Knochenverlust, nicht aber an dem längeren Implantat. (c) Das Kronen-Implantat-Verhältnis dieses Implantatmisserfolgs beträgt 2:1.

Faktoren, die zum krestalen Knochenverlust führen

Aus wissenschaftlicher Sicht ist das Verständnis der pathogenen Mechanismen des krestalen Knochenverlusts von Bedeutung. Für das Phänomen des frühen krestalen Knochenverlusts wurden viele Erklärungen vorgeschlagen, wie Überlastung, Mikrospalte, ein polierter Implantathals usw.6,16,17. Die Stabilität des krestalen Knochens wird jedoch weiterhin kontrovers beurteilt. Die Besprechung aller Faktoren, die zum Knochenverlust führen, würde den Rahmen dieses Buchs sprengen. Daher wird hier nur auf die Faktoren eingegangen, die für eine Behandlung ohne Knochenverlust wichtig sind und zu folgenden Kategorien gehören:

 vom Operateur abhängige Faktoren;

 Fehldiagnosen oder das Fehlen diagnostischer Faktoren;

 Faktoren, die den Knochenverwlust auf Null reduzieren.

Vom Operateur abhängige Faktoren

Vom Operateur abhängige Faktoren oder seine technischen Fähigkeiten sind wichtig, weil eine fehlerhafte Durchführung der Operation (z. B. nicht korrekte Implantatposition, Operationstrauma, Exposition des Implantats, ungenügender interimplantärer Abstand) zum Knochenverlust führt (Kasten 1-1 und Abb. 1-12). Selbst bei idealen klinischen Bedingungen kann eine mangelhafte Durchführung zu ungünstigen Ergebnissen führen. Üblicherweise vermindert sich der vom Operateur ausgelöste Knochenverlust im Lauf der Zeit, weil er immer mehr Erfahrungen sammelt.

Kasten 1-1 Vom Operateur abhängige Faktoren mit Einfluss auf Knochenstabilität und -verlust

 Implantatausrichtung

 Dünner Knochen

 Komplikationen bei der Augmentation

 Operationstrauma

 Interimplantärer Abstand

 Belastungsprotokoll

 Eindrehmoment

 Trauma

 Überlastung

 Ungenügender Implantat-Zahn-Abstand

 Falsches Bohrprotokoll

 Nahttechnik

 Immobile Lappen

 Bukkale Position


Abb. 1-12 Nicht korrekte dreidimensionale Position des Implantats. (a) Die Weichgewebe maskieren die Position des Implantats, das zu weit bukkal gesetzt wurde. (b) Bukkale Exposition des Implantats.

Zu dieser Gruppe von Faktoren gehört auch die Kompetenz des Operateurs beim Einsatz des gewählten Implantatsystems. So kommt es für gewöhnlich bei der Erstverwendung eines Implantatsystems zur Knochenkompression, die auch weiterhin als einer der wichtigsten Auslöser des frühen Knochenverlusts gilt. Man geht davon aus, dass beim Setzen des Implantats in sehr festen Knochen (Typ 1) Wärme entsteht und es zu einem deutlichen Knochenverlust kommt. Dieser Knochenverlust muss von anderen Formen der Knochenresorption unterschieden werden, da er bereits vor dem Einsetzen der Einheilkappe auftritt. Wird ein Implantat beispielsweise mit einem zu hohen Eindrehmoment gesetzt, sodass es zur Knochenkompression kommt, wird der Knochen nach der Implantation resorbiert, obwohl das Implantat mit Weichgewebe bedeckt und nicht exponiert ist (Abb. 1-13 und 1-14).


Abb. 1-13 Die chirurgische Knochenkompression des mesialen Implantats kann zum Knochenverlust führen. Der Implantathals ist verbreitert und dadurch stark komprimierend.


Abb. 1-14 Klassisches Beispiel eines Knochenverlusts aufgrund der Kompression. (a) Das Implantat im Unterkiefer mit Abdeckschraube. (b) Nach zweimonatiger Heilung und vor der Freilegung des Implantats besteht bereits ein krestaler Knochenverlust. (c) Beim zweiten Eingriff besteht ein starker Knochenverlust.

Einfluss von Fehldiagnosen

Eine weitere Gruppe von Faktoren mit Einfluss auf die krestale Knochenstabilität hängt mit Fehldiagnosen zusammen. Sofern beim Patienten bestimmte Krankheiten vorliegen, die nicht oder nur unzureichend behandelt wurden, ist eine periimplantäre Knochenresorption die Folge. Selbst wenn der Behandler ausgezeichnete Operationsfähigkeiten hat, sind dann die Ergebnisse ungenügend. Zu diesen Faktoren gehören der Parodontalstatus des Patienten, zu schmaler Knochen und fehlende befestigte Weichgewebe (Abb. 1-15). Eine Parodontitis muss beispielsweise vor einer Implantatversorgung behandelt werden. Werden Implantate bei einem Patienten mit unbehandelter Parodontitis gesetzt, tritt aufgrund der Infektion ein früher oder verzögerter krestaler Knochenverlust auf (Abb. 1-16).


Abb. 1-15 (a) Bei fehlender befestigter Gingiva an Implantaten sind die periimplantären Gewebe mobil. (b) Die Folge ist ein Knochenverlust.


Abb. 1-16 (a und b) Eine unbehandelte Parodontitis prädisponiert den Bereich – unabhängig von anderen Faktoren, die zum Knochenremodeling beitragen –, für einen ausgedehnten krestalen Knochenverlust.

Faktoren, die den Knochenverlust auf Null reduzieren

Die dritte Gruppe von Faktoren kommt in idealen klinischen Situationen zum Tragen. Diese Faktoren verursachen einen Knochenverlust, sind dem Operateur aber oft nicht bewusst. So kann eine ideale klinische Situation mit ausreichender Knochenhöhe und -breite, mindestens 2 mm befestigten Geweben und einem Implantat in korrekter dreidimensionaler Position bestehen und trotzdem ein krestaler Knochenverlust auftreten (Abb. 1-17). Wenn sich bei der ersten Kontrolle bereits Probleme zeigen, ist das wenig wünschenswert. Vielleicht erklärt der Zahnarzt dem Patienten dann, dass sich der Knochen oft anpasst und die Resorption zum Stillstand kommen wird, was jedoch nicht immer der Fall ist. Es gibt belegte Fälle, in denen das initiale Knochenremodeling fortschritt und zum Implantatversagen führte. Es wäre angenehmer, wenn sich bei der Kontrolle eine uneingeschränkte Knochenstabilität zeigen würde, sodass sich weder Behandler noch Patient Sorgen machen müssen. Die angestrebte klinische Situation ähnelt derjenigen, die in Abbildung 1-18 gezeigt ist. Wie im vorherigen Beispiel sind die Grundvoraussetzungen perfekt, um Knochenstabilität zu entwickeln: eine Knochenbreite von mehr als 7 mm, sodass bukkolingual mindestens 1,5 mm Knochen neben dem Implantat verbleiben, ausreichende befestigte Gewebe, ein Implantat mit Platform-Switching und konischer Verbindung sowie eine verschraubte Restauration. Nun ist die Knochenstabilität fantastisch – aber warum?


Abb. 1-17 (a bis h) Dieser Fall zeigt eine ideale klinische Situation: breiter Knochen, ausreichende befestigte Gewebe, eine korrekte apikokoronale Position des Implantats und eine direkt verschraubte Restauration. Allerdings zeigt die Röntgenaufnahme (h), die beim Einsetzen der Restauration angefertigt wurde, bereits einen krestalen Knochenverlust. Wie hätte er sich vermeiden lassen?


Abb. 1-18 (a) Initiale klinische Situation. (b) Das in das Implantatbett gesetzte Implantat. (c) Einzeitige Operation mit Einheilkappe in situ. (d) Perfekte Heilung vor der prothetischen Behandlung. (e) Definitive direkt verschraubte zirkonoxidbasierte Krone. (f) Röntgenaufnahme nach der Implantation. (g) Die Röntgenaufnahme nach der Restauration zeigt keinen Knochenverlust.

In diesem speziellen Fall und ganz allgemein stehen zwei Gruppen von Faktoren im Vordergrund, die für den krestalen Knochenverlust verantwortlich sind: das Implantatdesign und biologische Faktoren. Zu den Faktoren des Implantatdesigns gehören (1) die Implantat-Abutment-Verbindung mit Mikrospalt und (2) ein polierter Implantathals. Die biologischen Faktoren sind (1) die vertikale Weichgewebedicke und (2) die befestigten Gewebe. Diese Faktoren sind Gegenstand der nachfolgenden Kapitel in Teil I dieses Buchs.

Schlussfolgerung

Die wichtigste Botschaft dieses Buchs lässt sich am besten mithilfe einer Metapher beschreiben. Stellen Sie sich einen Korb voller Äpfel vor. Jeder Apfel entspricht einem Faktor mit Einfluss auf die krestale Knochenstabilität. Ziel der Forschung ist es, einen Apfel aus dem Korb zu nehmen und nur ihn zu untersuchen, während die anderen beitragenden Faktoren ausgeschlossen werden. Klinische Studien müssen so angelegt sein, dass der fragliche Faktor (der einzelne Apfel) möglichst objektiv untersucht werden kann. Schwierig wird es, wenn der Apfel nach Abschluss der Studie wieder in den Korb gelegt wird, weil in der klinischen Realität alle Faktoren gleichzeitig einwirken. So könnte zwar eine Studie belegt haben, dass Implantate mit Platform-Switching die krestale Knochenstabilität besser erhalten als Implantate ohne Platform-Switching. Daraus folgt aber nicht, dass alle Implantate mit Platform-Switching besser abschneiden als alle Implantate ohne Platform-Switching. Dies ist kein absolutes Dogma, da auch andere Faktoren vorliegen. Ist beispielsweise keine befestigte, unbewegliche Gingiva vorhanden, wird der Knochen höchstwahrscheinlich auch bei einem Implantat mit Platform-Switching resorbiert.

Knochenerhaltende Behandlungskonzepte berücksichtigen alle diese Faktoren. Dazu ist es jedoch notwendig, die einzelnen Faktoren und ihre Korrelation miteinander gut zu verstehen. Die größte Stärke dieses multifaktoriellen Verständnisses ist, dass der Zahnarzt eine erfolgreiche Behandlung vornehmen kann und versteht, warum in der Vergangenheit von ihm gesetzte Implantate zu unerklärlichen Misserfolgen wurden. Dieses Verständnis schützt den Zahnarzt davor, dieselben Fehler zu wiederholen. Fehler machen übrigens alle. Der wahre Fehler besteht aber darin, sehenden Auges denselben Fehler erneut zu machen, ohne das eigene Verhalten zu korrigieren.

Zusammenfassung

Der krestale Knochenverlust ist ein multifaktorielles Geschehen, für das es keinen Hauptauslöser gibt.

Wichtige Faktoren des Implantatdesigns sind das Vorhandensein oder Fehlen eines polierten Implantathalses und die Implantat-Abutment-Verbindung.

Zu den biologischen Faktoren gehören die vertikale Weichgewebedicke und die befestigte Gingiva.

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Zero Bone Loss: Knochenerhaltende Behandlungskonzepte

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