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Kapitel 2: Voll logisch

Tatsächlich hatte Welf darauf bestanden, Tom auf den Armen in den Zirkuswagen zu tragen und ihn erst losgelassen, als sie an seinem Bett angekommen waren. Dort lag Tom nun herum, starrte an die Decke und kam sich aus mehreren Gründen blöd vor. Erstens, weil er so einen saudummen Fehler gemacht hatte, zweitens, weil er ausgerechnet an einem so gut besuchten Tag dafür gesorgt hatte, dass die Geisterbahn wieder einmal still stand und drittens, weil er so einen saudummen Fehler gemacht hatte. Das war zwar der gleiche Grund wie der Erste, aber der war eben nun mal so schwerwiegend, dass er locker die Plätze eins und drei belegte. Das änderte nicht einmal die plötzliche Stimme in seinem Kopf.

»Hallo Tom, hier ist Mimi. Ich spreche auf telepathischem Wege zu dir, um dir vorab anzukündigen, dass ich beabsichtige, in sehr naher Zukunft – also quasi jetzt gleich – durch die westliche Wand deines Zirkuswagens zu schweben. Solltest du damit einverstanden sein, so stöhne einmal genervt auf.«

Tom stöhnte und Mimi verstand: »Vielen Dank und bis gleich.«

Keine Sekunde später schwebte das grünlich schimmernde Geistermädchen durch die Wohnwagenwand und glitt lautlos genau bis vor Toms Bett.

»Und da bin ich«, sagte sie fröhlich und grinste über das ganze Gesicht. »Hallo.«

»Hallo.« Tom hatte sich besonders Mühe gegeben, zu diesem zweisilbigen Wort ein besonders einsilbiges Gesicht zu machen.

Das Lächeln des hübschen Geistermädchens war dafür umso strahlender.

»Warst du diesmal zufrieden mit meiner Vorwarnung?«

»Hmpf …«, grummelte Tom.

Er setzte sich auf und sah dabei aus den Augenwinkeln, wie Mimi beleidigt die Unterlippe vorschob. »Och menno, ich hatte die lange Anmoderation extra auswendig gelernt.«

Tom seufzte erneut. »Mimi, das ist total übertrieben. Ich wollte doch nur, dass du kurz Bescheid sagst, bevor du reinkommst, damit ich nicht halbnackt am Ofen stehe.«

»Willst du lieber ganz nackt am Ofen stehen?« Mimi kicherte.

»Mimiii, du weißt doch, was ich meine …« Tom verzog gequält die Mundwinkel. Dann griff er nach dem Kissen auf seinem Bett, presste es mit beiden Händen gegen sein Gesicht und stöhnte sehr genervt, sehr ausgiebig und sehr laut in selbiges.

Sanft zog Mimi das Kissen zur Seite und bedachte Tom mit einem liebevollen Blick. Dafür hatte sie extra ihre Hand für einen kurzen Moment feststofflich werden lassen.

»Klar weiß ich was du meinst. Aber jetzt erzähl mir lieber, wie es dir geht. Wir haben uns alle große Sorgen gemacht!«

An ihrem Blick sah Tom, dass sie das ernst meinte. Sofort bereute er seinen genervten Tonfall. »Tut mir leid, Mimi. Mir geht’s schon wieder besser. Also bis auf, dass ich … Ich hab aus Versehen Wasser über das Steuerpult gekippt …«

»… und dir einen Stromschlag abgeholt, das weiß ich schon. Warum hast du denn nicht auf Welf gehört, als er dir gesagt hat, dass du das Wasser besser auf den Boden stellst?«

»Ich … ich hab gedacht …«, stammelte Tom, schwieg aber dann. Mimi verschränkte die Arme vor dem Brustkorb und sah ihn mit schräg gelegtem Kopf an. »Du hast gedacht, dass dir sowas schon nicht passieren wird, stimmt’s?«

Tom brummte eine undeutliche Antwort, während er die Bilder an der Zirkuswagenwand betrachtete, nur um Mimi nicht ansehen zu müssen. Das Geistermädchen aber glitt zur Seite und hing nun direkt zwischen Toms Gesicht und den Fotos in der Luft. Die Bilder konnte Tom natürlich noch immer erkennen – nun aber mit einem grünlichen Geisterfilter.

»Du lebst und arbeitest ausschließlich mit Leuten zusammen, die nie gedacht hätten, dass ihnen passiert, was ihnen passiert ist«, erklärte Mimi eindringlich.

»Jaaa, ich weiß doch …«, erwiderte Tom genervt.

»Oh oh«, machte Mimi, runzelte die Stirn und schwebte ein wenig näher an Tom heran. Dann zuckte sie mit den Schultern und erklärte: »Naja, Welf hat uns schon gesagt, dass du lieber erstmal ein bisschen alleine sein willst.«

Tom blieb vor Erstaunen der Mund offenstehen. »Und das hast du zum Anlass genommen …«

»… um bei dir vorbeizuschauen. Genau.«, vervollständigte das Geistermädchen Toms Satz mit einem bestätigenden Nicken.

Tom zog verwirrt die Augenbrauen nach oben. »Weil ich allein sein will?«

»Richtig.«

»Aber das macht doch gar keinen Sinn!«

»Für mich schon.«

»Aber … aber …« Tom versuchte Mimis Logik zu verstehen und scheiterte hörbar kläglich.

Das Geistermädchen lachte und sah Tom mit einer Mischung aus Mitleid und Zuneigung an. »Aber das ist doch ganz einfach: Du freust dich IMMER, wenn ich vorbeischaue, oder?«

»Ja schon, aber …«

»Und wenn du sagst, dass du alleine sein willst – ich also NICHT vorbeischauen soll, dann ist das doch ein ganz klares Zeichen dafür, dass irgendwas ganz und gar nicht in Ordnung ist, richtig?«

»Ja schon, aber …«

Mimi schwebte noch ein Stückchen näher an ihn heran. »Aber-schmaber! Was macht die beste Freundin, wenn beim besten Freund etwas nicht in Ordnung ist, hm?«

Tom stöhnte. Er wusste schließlich längst, worauf Mimi hinauswollte und dass sie Recht hatte, konnte sich aber gerade nicht so recht dazu durchringen, das zuzugeben.

»Naaaaaaaaaa!?« Mimi war nun so nah, dass sie kurz davor war durch ihn hindurch zu schweben. Sie sah ihm tief in die Augen und Tom wand sich unter ihrem Blick.

»Sie … sie …«

»… schaaaaauuuuuuuut…«, half Mimi nach. Sie sah ihn gespielt durchdringend an wie ein zweitklassiger Kirmes-Hypnotiseur und wackelte erwartungsvoll mit den Augenbrauen, bis Tom nicht mehr anders konnte als zusammen mit seiner Geisterfreundin den Satz zu vollenden:

»… vooorbeiiiii.«

Mimi klatschte begeistert in die Hände, während sie sich um ihre eigene Achse drehte und jubelte: »Sie schaut vorbei! Richtiiiig!«

Da musste Tom lachen und Mimi stimmte erleichtert in sein Gelächter ein. »Na siehst du, das war doch gar nicht so schwer.« Sie war sichtlich zufrieden mit dem Ergebnis ihrer Bemühungen. Und tatsächlich fühlte sich Tom schon viel besser. Seine Geisterfreundin schaffte es doch immer wieder, ihn mit ihrer fröhlichen Art und dieser ganz speziellen, verqueren Logik aufzumuntern. »Also, das ist auf so viele Arten falsch und ignorant und übergriffig und frech und … alles, dass ich … dass ich dafür gar keine Worte finde.«

»Dafür waren das grade aber ganz schön viele Worte.« Mimi zwinkerte ihm grinsend zu.

»Pfff, wenn ich nicht wieder rumgestammelt hätte, wären es locker drei weniger gewesen«, warf Tom ein und räusperte sich. »In Zukunft wünsche ich mir aber, dass du meine Wünsche respektierst.«

Mimi kicherte. »Das waren ja fast schon zwei Wünsche, jetzt hast du nur noch einen frei.«

»Was?«, fragte Tom irritiert.

»Weltfrieden?«, bot Mimi an. Da musste Tom abermals lachen und Mimi grinste zufrieden. »Keinen Weltfrieden? Na gut. Wie wär’s stattdessen mit einem Kuss?«

»Wiewaswer … einkusswiesowarummmmmpf…«, brabbelte Tom völlig überfordert. Doch schon war Mimi ganz nah an ihn herangeschwebt, hatte sein Gesicht in beide Hände genommen und ihn sanft mitten auf den Mund geküsst. Dann sah sie Tom tief in die Augen. »Ich bin sehr froh, dass dir nicht mehr passiert ist, Tom. Bitte pass in Zukunft besser auf, ja?«,

»Wew. Habm. Fip. Äh.«

Für einen Moment herrschte Totenstille im Zirkuswagen. Hatte er gerade tatsächlich »Wew. Habm. Fip. Äh.« gesagt?

»Wenn das sowas heißen sollte wie ›Okay, ich passe in Zukunft besser auf, liebe Mimi‹ dann bin ich zufrieden!«, lachte Mimi und drehte eine Pirouette in der Luft. »So, und jetzt stell dir mal vor, ich hätt’ mich an deinen Wunsch gehalten und wär’ nicht reingekommen. Da hättest du aber was verpasst!«

»Ja, das stimmt. Trotzdem …«

»Trotzdem Schmotzdem«, unterbrach ihn Mimi fröhlich und schwebte hinüber zu Toms Schreibtisch, auf dem der Computer stand. Mit dem Finger tippte sie gegen den Monitor. »Was stellen wir jetzt an mit dem angebrochenen Abend, vielleicht eine Runde World Of WerWizards?«

Tom hatte sich noch immer nicht wirklich daran gewöhnt, dass das Geistermädchen seit ihrem letzten Abenteuer in der Lage war, für eine begrenzte Zeit feststofflich zu sein. Mimi konnte Dinge anfassen, hochheben, verschieben und äh … küssen. Die Dinge. Oder die Toms.

»Ja, gerne … ich muss nur …« begann Tom gerade als er von Vlarads telepathischer Stimme unterbrochen wurde.

»Raahhh! Treffen in sechzig Sekunden, bis gleich!«, dröhnte der Vampir laut in Toms Kopf und schon war der Kontakt wieder unterbrochen.

»Hui, das war heftig«, stöhnte Tom. »Und dann auch noch telepathisch, boah …«

»Ich hab’s auch gehört, Tom«, unterbrach ihn Mimi und zog die Stirn in Falten. »So ein Ausbruch ist voll untypisch für Vlarad.«

»Allerdings.« Wenn der Vampir derart die Fassung verlor, musste irgendetwas mächtig danebengegangen sein.

Aus der Geisterbahn hörten sie Schritte näherkommen. Schon öffnete sich die Zwischentür und nacheinander betraten die anderen Toms Zirkuswagen. Der Werwolf und die Mumie nickten Tom und Mimi ernst zu, Zombie Wombie tapste wie immer in seine Ecke, blieb dort einfach stehen, rückte aber seinen Kuschelhasen Odor so in seiner Armbeuge zurecht, dass dieser aussah, als würde er in Toms Richtung schauen.

»Hallo, Welf, hallo, Hop-Tep, hallo, Wombie, hallo … Oh Gott … hallo, Odor.«

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