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Kapitel 4: Der Wunsch

Der Vampir war der erste, der seine Sprache wiederfand. Doch seine Stimme klang ungewöhnlich kraftlos. »Es passiert selten, aber … ich weiß nicht, was ich sagen soll.«

Dafür hatte sich Tom schnell wieder im Griff. Er deutete auf die Mumie und sah ihr direkt in die dunklen Augen zwischen den Bandagen: »Ich aber schon! Hop-Tep, du solltest uns alle gut genug kennen, um zu wissen, dass wir die Hoffnung niemals aufgeben und jedem helfen, der unsere Hilfe braucht. Auch wenn er vielleicht denkt, dass er das im Moment gar nicht will.«

Mimi bedachte Tom von der Seite mit einem bedeutsamen Blick und murmelte leise schmunzelnd: »Hört, hört …«

Tom wusste natürlich genau, worauf sie anspielte. Schließlich hatte Mimi ihn vor wenigen Minuten nur mit penetrant freundlicher Ignoranz dazu gebracht zu erkennen, dass er gar nicht sooo allein sein wollte, wie er zunächst geglaubt hatte. »Ja, das … das … kann nämlich schon mal vorkommen, dass jemand denkt, er will was nicht, was er aber … also, was er halt doch braucht und …«

Vlarad unterbrach Toms Gestammel. »Darf ich ein Beispiel nennen?«

»Nur, wenn es nichts mit Wasserflaschen und Stromkreisen zu tun hat.«

»Keine Sorge, Tom«, winkte der Vampir ab. »Ich habe eine andere Sache im Sinn. Hop-Tep, erinnere dich an unser Abenteuer mit dem Jokulodontus im Spiegelkabinett. Ich war dort eingesperrt und wusste um die große Gefahr, die euch allen vor diesem Clown-Monstrum drohte. Darum befahl, nein, flehte ich Tom an, mich auf keinen Fall zu befreien!«

»Genau!«, stieg Tom sofort darauf ein. »Und was haben wir gemacht, Hop-Tep? Erinnere dich bitte.«

»Wir ließen selbstverständlich nichts unversucht, um unseren lieben aristokratischen Freund zurückzuholen«, gab Hop-Tep zögerlich zu.

»Genau!«, triumphierte Tom.

Vlarad nickte ernst. »Exakt. Und so sehr ich ursprünglich dagegen war, so viel mehr bin ich euch heute … dankbar für die Rettung.«

Doch Hop-Tep schüttelte kaum merklich den Kopf.

»Ich verstehe natürlich, was ihr mir damit sagen wollt. Trotzdem muss ich in aller Entschiedenheit ablehnen.«

»WAS?!«, rief Mimi empört dazwischen und plusterte sich zu doppelter Größe auf. Doch der ägyptische Prinz sprach unbeeindruckt weiter: »Bitte respektiert meinen Wunsch. Es ist mir sehr ernst. Guten Abend.« Und mit diesem Worten verbeugte er sich und hatte offensichtlich vor, den Zirkuswagen durch die Zwischentür zu verlassen. Doch Tom stellte sich ihm entschlossen in den Weg. »Weißt du, was ich nicht verstehe, Hop-Tep? Warum du jetzt, nach mehreren tausend Jahren, ganz plötzlich unbedingt unter die Erde willst. Das ergibt für mich überhaupt keinen Sinn.«

»Ich … kann dir das erklären …«, antwortete Hop-Tep und Tom bemerkte sofort den seltsamen Unterton.

»Weißt du was?«, erklärte er selbstsicher. »Ich glaube, das kann ich für dich übernehmen.«

Mimi schwebte zu ihm herüber. »Wie meinst du das, Tom?«

»Genau, wie ich es sage.«

»Nun denn, ich bin ganz Ohr, Junge«, schaltete sich Vlarad ein. Auch Welf drückte sich von den Türen des Kleiderschrankes ab und kam näher. »Da bin ich jetzt aber gespannt.« Wombie machte »GMMMMH …« und Tom holte tief Luft.

»Also …«, begann er und sah dem ägyptischen Prinzen abermals in die Augen. »Ich habe den Verdacht, dass es dir, Hop-Tep, gar nicht darum geht, dass du demnächst die Radieschen von unten düngen willst. Ich glaube, der wahre Grund ist das Lazarus-Serum selbst!«

»Aber … das ist doch Quatsch!«, rief Mimi dazwischen.

»Wart’s ab, Mimi«, erwiderte Tom und fuhr dann entschlossen fort: »Wie oft haben wir Hop-Tep schon sagen hören, dass das Lazarus-Serum in den falschen Händen eine schreckliche Gefahr darstellt. Und er hat natürlich recht damit: Ein Zaubertrank, der den Tod besiegt …«

»Hinauszögert – nicht besiegt«, korrigierte Vlarad trocken.

»Ja, das weiß ich doch«, sagte Tom ungeduldig. »Aber solange man etwas von dem Zeug hat, stirbt man nicht, so weit sind wir uns einig?«

Vlarad nickte. »Es … ist eine Form untoten Lebens, aber ja, darauf lasse ich mich der Einfachheit halber ein.«

»Vielen Dank.« Tom atmete einmal tief durch und begann, im Zirkuswagen auf und ab zu gehen. Dabei verschränkte er die Hände hinter dem Rücken, so wie es auch der Vampir stets tat, wenn er seine Schlussfolgerungen präsentierte.

»Also, dieses mächtige Wundermittel ist seit unserem letzten Abenteuer mit Zoracz endgültig aufgebraucht. Und da nur Hop-Teps Vater das Rezept kannte und mit ins Grab nahm, kann auch kein Nachschub hergestellt werden. Richtig soweit?«

»Ja, leider«, bestätigte Vlarad. »Eigentlich hätte ich schon längst zumindest einen Teilerfolg erzielen müssen, aber …«

»… es ist wie verhext, hast du gesagt«, führte Tom den Satz zu Ende.

»Ganz richtig. Es ist wie verhext.«

Tom blieb stehen, machte eine bedeutungsvolle Pause und dann ließ er die Bombe platzen: »Oder … sabotiert?«

Der Vampir schnaufte empört. »Sabotiert? Wie …?« Mimi sauste aufgeregt zwischen Tom, Vlarad und Hop-Tep hin und her. »Tom, was willst du denn damit sagen?«

Tom hob die Hände wie ein Verkehrspolizist und Mimi blieb vor ihm in der Luft stehen.

»Ich will damit sagen«, sagte Tom mit fester Stimme, »das Lazarus-Serum ist aufgebraucht und Hop-Tep will dafür sorgen, dass es nie wieder in die Welt zurückkommt.«

Für einen kurzen Moment wirkte es, als wäre in dem Zirkuswagen die Zeit stehen geblieben. Niemand regte sich, bis Vlarad die Stille durchbrach. »Bei den drei dräuenden Dämonen und ihren dritten Zähnen, das ist ein starkes Stück!«

Unwillig schüttelte Mimi den Kopf. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich das wirklich nicht verstehe oder ob ich das gar nicht verstehen will.«

Tom nickte. »Genauso ging’s mir auch die ganze Zeit, Mimi. Aber die Hinweise sind leider eindeutig.« Tom schaffte es nicht, den Vorwurf in seiner Stimme zu unterdrücken, als er sich wieder an die Mumie wandte. »Du möchtest, dass wir dein … dein Ableben hinnehmen und aufhören, nach dem Serum zu forschen. Weil du verhindern willst, dass es das Lazarus-Serum jemals wieder gibt.«

»… und immer, wenn ich bei meinen Forschungen einen Schritt weiter zu kommen ›drohte‹ …«, sprach Vlarad leise wie zu sich selbst.

»Hat Hop-Tep das heimlich vereitelt«, vervollständigte Tom den Satz.

Vlarad starrte ins Leere. »Ich bin … sprachlos.«

»Also ich bins nicht!«, fauchte Mimi und ballte ihre grünlich schimmernden Fäuste. »Ich bin jetz’ nämlich SAUER! Hop-Tep, das ist so … Das ist sooo … Das ist sooo … BOAAAH! Weißt du was, das kannst du voll vergessen, dass wir dich da einfach vergammeln lassen, nur weil du den edlen Superprinzen machst mit deinem ›Ohh, das Serum darf nicht existieren, oh jeminee, ich opfere mich!‹ Vergiss es!«

Mimi hatte wieder begonnen, im Zirkuswagen herumzusausen und sprach immer schneller und lauter. »Du wirst gefälligst weiterleben und du wirst gefälligst bei uns bleiben und du wirst den Vlarad gefälligst in Ruhe daran forschen lassen und deine bandagierten Finger aus seinem Topf raushalten! ICH GLAUB ES HACKT!!«

Das Geistermädchen holte tief Luft, um mit ihrer Schimpftirade fortzufahren, doch Vlarad nutzte Mimis Atempause. »Ich hätte möglicherweise weniger Gossensprache benutzt, aber rein inhaltlich möchte ich Mimi beipflichten.«

»Ich bin aber noch nicht fertig, weil ich bin immer noch sooo SAUER!«, schnaubte Mimi wütend.

Beruhigend hob Tom die Hände. »Mimi, bitte … atmen … atmen …«

Das Geistermädchen atmete ein, stieß einen wütenden Grunzlaut aus, atmete noch einmal ein … und schwieg. »Danke«, sagte Tom und wandte sich an die Mumie. »Also, ich finde, jetzt wär’ der Moment, wo du vielleicht mal was dazu sagen könntest, Hop-Tep.«

Hop-Tep straffte kaum merklich die Schultern und sagte in seiner typischen ruhigen Art: »Vielen Dank, mein Junge. Ich hatte die Hoffnung fast aufgegeben, auch etwas beitragen zu dürfen, obgleich es doch um mein Leben geht …«

»Es geht auch um unseres«, unterbrach ihn Mimi gereizt. »Weil wir dann nämlich hier weiterleben müssen ohne dich und das ist doof und ganz, ganz, ganz blöd und deswegen …«

»Mimi …« Tom warf dem Gespenstermädchen einen flehenden Blick zu.

»Verbindlichsten Dank.« Hop-Tep nickte Tom zu. »In der Tat bist du mir auf die Schliche gekommen, junger Prinz. Und es ist zweifellos nur Vlarads beispielloser Freundschaft zu verdanken, dass er mich nie der Sabotage seiner Versuche verdächtigte.«

»Um ehrlich zu sein, ich kann es immer noch nicht glauben, alter Freund,« sagte Vlarad kopfschüttelnd.

Hop-Tep ging auf ihn zu und legte dem Vampir entschuldigend die Hand auf die Schulter. »Und doch hat der Junge recht. Das Lazarus-Serum ist verbraucht und es soll nie wieder zurückkehren. Erst recht nicht, damit die Füße eines über dreitausend Jahre alten Königssohns weiter täglich den Boden dieser Erde küssen können. Die Gefahr, die von der Lazarus-Mixtur ausgeht, ist unendlich größer als der vermeintliche Segen. Und darum … erkenne ich an, welch wunderbare und einzigartige Freundschaft ich durch euch erfahren durfte. Dennoch bleibe ich bei meiner Entscheidung. Vlarad, mein treuer Freund … bitte … lass ab von deinen Versuchen. Wenn nicht für mich, dann für den Erhalt der Welt, so wie wir sie kennen und lieben.«

Vlarad seufzte tief, schloss für einen kurzen Moment die Augen und sagte: »Ich … ich füge mich deinem Wunsch.«

»Was!? Vlarad, nein!«, brauste Mimi auf. Doch Vlarad stoppte sie mit einem ernsten Blick.

»Ich sage es ungern und es schmerzt sogar mich als überwiegend rational denkendes Wesen bis ins Mark meiner untoten Gebeine, aber ich kann mich den Argumenten Hop-Teps nicht verschließen.«

»Danke, Vlarad«, sagte Hop-Tep ergriffen und reichte seinem Freund die bandagierte Hand. Der Vampir ergriff sie und seufzte tief. »Dies ist der traurigste Anlass für einen Dank, seit ich denken kann …«

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