Читать книгу Der Mörder bringt das Alibi Berlin 1968 Kriminalroman Band 62 - Tomos Forrest - Страница 6
Оглавление2
Karsten Jansen drückte die Knöpfe des Autoradios, einen nach dem anderen, aber er fand nicht die Musik, die er brauchte. Vielleicht gab es sie gar nicht. Nicht in einer Situation wie dieser, nicht, wenn man unterwegs war, um einen Menschen ins Jenseits zu befördern.
Jansen stellte den Apparat ab, wandte den kahlen Schädel und musterte durch die dunklen Gläser seiner Sonnenbrille die Hausfassade auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Vor dem Gebäude parkte Noah Franzens roter Citroen. Diese Straße bot einen Spiegel der geteilten Stadt. Trostlose Häuserfassaden zeigten deutlich noch die Kriegsschäden. Am anderen Ende waren die unteren Teile und die Holzverschalungen der zumeist glaslosen Fenster zugeschmiert mit allen möglichen Parolen, und ein riesiges Peace-Zeichen reichte bis zur ersten Etage hinauf. Quer über den Hauseingang verkündete ein selbst gemaltes Banner: „Dieses Haus ist besetzt!“, und aus den zerschlagenen Fenstern des zweiten Stockwerks hing ein weiteres Banner: „Keine Räumung!“
Der Müll häufte sich am Straßenrand, und man bekam den Eindruck, dass sich selbst in dem besetzten Haus niemand aufhielt.
‚Eine Mondlandschaft‘, dachte Jansen. ‚Die passende Kulisse für einen Mord‘.
Er griff nach seinem karierten Sporthütchen und setzte es auf, weil er sich nicht durch seine Glatze verraten wollte. Seine Kinnladen bewegten sich träge. Er nahm den Kaugummi aus dem Mund, klebte ihn hinter die Sonnenblende und stieg aus, überquerte die Straße ohne Eile und hatte dabei das seltsame Gefühl, völlig allein auf der Welt zu sein.
Lieber Himmel, das war also auch West-Berlin. Jansen pumpte Luft in seine Lungen, ohne sich damit zu erfrischen. Es war schwül. Er hatte keine Angst vor dem, was ihm bevorstand. Im Gegenteil. Aber die toten Fensterhöhlen machten ihn nervös. Man konnte nicht sagen, ob sich jemand dahinter verbarg und ihn beobachtete.
Wenn schon!
Er hatte den Wagen erst vor einer Stunde gestohlen. Das Fahrzeug konnte ihm also nicht zum Verhängnis werden.
Karsten Jansen war 58, hünenhaft und durchtrainiert. Er bewegte sich mit dem wiegenden Gang eines gedienten Matrosen. Tatsächlich hatte er im Krieg auch Dienst bei der Marine geleistet und wurde für einige Zeit ein sehr erfolgreicher Schiffsmakler. Mit 55 Jahren hatte er sich millionenschwer zur Ruhe gesetzt. Zum Ausgleich war er als Börsenjobber tätig geworden. Eigentlich hatte er damit nur sein Vermögen erhalten und vermehren wollen, aber bis zu dem Tag, da man ihn unter Mordanklage gestellt hatte, war es ihm gelungen, auch in dieser Sparte höchst erfolgreich zu wirken.
Karsten Jansen hatte außerhalb des Krieges nur ein einziges Mal in seinem Leben getötet, berechnend und mit der Kaltblütigkeit eines Roboters, aber doch mit dem Gefühl, etwas unbedingt Notwendiges und sogar Gerechtes tun zu müssen. Heute war es genauso.
Noah Franzen hatte den Tod verdient. Er musste sterben, noch in dieser Stunde.