Читать книгу Der Mörder bringt das Alibi Berlin 1968 Kriminalroman Band 62 - Tomos Forrest - Страница 7
Оглавление3
Johannes Mannig bemühte sich, das lästige Zittern abzustellen, aber er wusste, dass sein Aufbäumen sinnlos war. Sein Körper ging seine eigenen Wege, er ließ sich nicht beherrschen.
„Ich bin kein Mörder“, sagte Mannig.
„Ich weiß“, erwiderte Noah Franzen. „Du bist ein schlichter Prof von der Uni. Du hast versucht, ein guter Familienvater zu sein. Dann kamen deine Krankheit und die Erkenntnis, dass du nur noch wenige Monate zu leben hast. Dazu der tägliche Ärger mit den Studenten. Auch dir hat man mit den üblichen Sprüchen, die man täglich auf der Straße hört, vom Muff der tausend Jahre unter den Talaren, das Leben schwergemacht. Dabei bist du damals noch ein Junge gewesen, als die Nazis an die Macht kamen. Ein kranker Körper kann sich nicht mehr gut wehren. Der Alltag und deine Krankheit brachten dich zum Ausflippen. Du wolltest deiner Frau die Qual ersparen, dein langsames Sterben mitzuerleben. Ein ehrenwerter Entschluss, ich respektiere ihn. Du hast dir Drogen besorgt, um deine Schmerzen zu betäuben - die seelischen und die körperlichen. Habe ich recht?“
Johannes Mannig schwieg. Was sollte er darauf erwidern? Der Tod war nur ein Wort, solange er sich auf andere bezog, aber sobald das eigene Sterben in den Vordergrund rückte, sahen die Dinge anders aus.
„Was soll das alles?“, fragte Mannig.
Franzen nahm eine alte Zeitung, rollte sie zusammen und klopfte damit den Staub von einer Kiste. Er setzte sich und benutzte die Zeitung wie einen Dirigentenstab, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.
„Was das soll? Du musst dich entscheiden. Entweder du krepierst als Stadtstreicher wie eine Ratte, oder du raffst dich zu einer letzten Energieleistung auf, die dir und deiner Familie Nutzen bringt.“
Johannes Mannig schüttelte den zitternden Kopf.
„Sie wollen mich für einen Mord engagieren. Sie denken, dass ich nichts zu verlieren habe, weil ich vor dem Sterben stehe. Sie irren sich. Ich mag ein Penner geworden sein, den andere nicht mal mit der Kneifzange anfassen würden, aber ich kann von mir behaupten, niemals einem anderen geschadet zu haben. Es liegt nicht in meiner Absicht, daran etwas zu ändern. Ich kann nicht töten, selbst wenn ich es wollte.“
Franzen lachte leise.
„Das weiß ich selbst.“
Johannes Mannig runzelte die Stirn und gab sich keine Mühe, seine Verwirrung zu unterdrücken. „Aber Sie sagten ...“
Franzen fiel ihm ins Wort.
„Ganz recht. Ich sagte, dass ich dich zum Mörder machen werde. Daran halte ich fest. Trotzdem brauchst du nicht zu töten. Es genügt, dass du einen Mord gestehst, den ein anderer begangen hat. Dieser Mann ist mein Klient. Er sitzt im Gefängnis, seine Aburteilung ist beschlossene Sache. Ich habe vor, diesen Burschen herauszupauken - mit deiner Hilfe und deinem ‚Geständnis‘.“
„Wie stellen Sie sich das vor?“, murmelte Mannig.
„Du hast von dem Mordfall Grimm gehört?“
„Natürlich! Dora Grimm war meine Schülerin, meine Lieblingsschülerin, möchte ich behaupten ...“
Noah Franzen lachte.
„Sie war eine Kanaille. Elmar Schmidtke hat sie abserviert, weil er von ihr erpresst wurde. Es gibt zwei Zeugen, die ihn am Tatort erkannt haben, und mindestens ein Dutzend Hausbewohner, die beschwören können, dass er Dora regelmäßig besuchte. Schmidtke gilt der Tat als überführt, der Fall ist so gut wie abgeschlossen.“
„Was hat das mit mir zu tun?“
„Wenn ich Schmidtke heraushaue, kassiere ich einen Haufen Geld dafür. Ich bin bereit, eine Viertelmillion davon für dich abzuzweigen. Du kannst das Geld deiner Familie zukommen lassen. Oder hast du vor, deine Frau und die beiden Kinder arm und mittellos zurückzulassen? Mein Vorschlag ist fair. Du erklärst, den Mord an Dora Grimm begangen zu haben und gehst für Schmidtke ins Gefängnis. Der Prozess und das Sterben können dich nicht schrecken, aber du kannst dem Tod ruhiger entgegenblicken, wenn du weißt, dass die Zukunft deiner Familie gesichert ist. Du machst dich damit zum Helden.“
„Aber ich bin kein Mörder! Schmidtke hat die Tat begangen, dafür muss er bestraft werden“, stieß Mannig hervor. Er zitterte stärker. Der Vorschlag des Besuchers war nicht ohne Faszination. Er hatte eine düstere, schillernde Anziehungskraft, gleichzeitig erschien Mannig das Ganze abstoßend und undurchführbar.
„Schmidtke wird ja bestraft“, höhnte Franzen. „Er muss mehr als eine Million Dollar an mich berappen.“
„Ich kann keinen Mord auf mich nehmen, den ein anderer begangen hat“, sagte Mannig. „Was sollen Madeleine und die Kinder von mir denken? Der Plan ist rein technisch nicht realisierbar. Schon bei meiner ersten Befragung im Zeugenstuhl käme heraus, dass ich unmöglich der Täter gewesen sein kann.“
Noah Franzen seufzte geduldig und legte die Zeitung aus der Hand.
„Ich bin ein Mann, der gründlich recherchiert“, erklärte er. „Hätte ich dich sonst in dieser tristen Bleibe aufgespürt? Du bist genau zu dem Zeitpunkt von der Bühne verschwunden, als Schmidtke handelte. Ich habe mir die Aufgabe gestellt, jemanden zu finden, der sich für ihn von der Justiz durch die Mangel drehen lässt. Ich habe gut ein Dutzend Möglichkeiten überprüft. Du bist übriggeblieben. Dora war deine Lieblingsschülerin, das können die anderen bestätigen. Du behauptest, ein Verhältnis mit ihr gehabt zu haben. Dora drohte deiner Frau mitzuteilen, was los ist, da hast du das Mädchen getötet. Du wurdest mit dem Verbrechen nicht fertig, deshalb flipptest du aus und bist untergetaucht. Es war eine Flucht, ein Eingeständnis deiner Schuld.“
„Sie haben an alles gedacht, was?“, fragte Mannig bitter.
„Das ist mein Job. Für den Mordfall Grimm bist du die Idealbesetzung, Lehrer tötet Schülerin, mit der er ein Verhältnis hatte! Die Schlagzeilen werden Schmidtke im Handumdrehen aus dem Knast bringen.“
Johannes Mannig presste die blutleeren Lippen zusammen. Er überlegte kurz, dann sagte er kopfschüttelnd: „Es geht nicht. Ich kann nicht über meinen Schatten springen. Sie vergessen die anderen. Meine Familie, meine Freunde, das Kollegium, die Schüler. Alle würden sofort erkennen, wie konstruiert das Ganze ist.“
„Ich biege das schon hin“, meinte Franzen. „Und was das Urteil der anderen betrifft, so wären sie keine normal reagierenden Typen, wenn sie nicht sofort umfallen und sagen würden: ,Na, bitte!‘ So einer war das also. Da sieht man’s wieder einmal. Diesem scheinheiligen Schuft habe ich nie so recht über den Weg getraut.'“
Mannig starrte dem Besucher in die Augen.
„Der entscheidende Punkt ist Madeleine. Schon ihretwegen brächte ich es nicht fertig, mich als Mörder auszugeben.“
„Du hast es immerhin fertiggebracht, sie mit den Kindern sitzenzulassen“, meinte Franzen scharf. „Ich mache dir einen Vorschlag. Hinterlege ein Testament, das erst fünf Jahre nach deinem Tod geöffnet werden darf. Darin gestehst du deiner Frau die Wahrheit, darin teilst du ihr mit, weshalb du das Verbrechen auf dich genommen hast. Das wird dich in ihren Augen rehabilitieren - falls sie nicht schon früher begreift, welche Bewandtnis es mit der Viertelmillion haben muss, die du der Familie hinterlässt. Madeleine wird danach an deinem Grab weinen und ihren toten Helden betrauern.“
„Das ist teuflisch“, murmelte Mannig.
„Ich sehe das anders“, widersprach Franzen. „Es ist ein Zweihundertfünfzigtausend-Mark-Angebot.“