Читать книгу S & M Dreams Inc. - Tomàs de Torres - Страница 7
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»Mister Hunter.«
Das Gesicht des Polizisten war ausdruckslos, als er den Führerschein zurückgab.
»Was kann ich für Sie tun?«
Walt Hunter sah zum Nachbarschreibtisch. Der Stuhl war herangerückt, die Arbeitsplatte leer. Sogar das Namensschild fehlte.
»Bisher hatte ich mit Officer Mattingly zu tun …«
»Officer Mattingly wurde nach Wisconsin versetzt. Sie müssen mit mir vorliebnehmen. Worum geht es?«
Walt klappte die Brieftasche auf, die er noch nicht wieder eingesteckt hatte, und zeigte Leutnant Wilberforce – so das Namenschild – das Foto. »Um meine Vermisstenanzeige für diese Frau. Angela Gilbert.«
Der Leutnant warf nicht einmal einen Blick auf das Bild. Er zog die Computertastatur heran und betätigte ein paar Tasten. »Angela Gilbert. Wann war das?«
»Vor über zwei Monaten. Officer Mattingly hat mir versprochen …«
»Ich sehe schon. Alter 22, Haarfarbe blond, Augenfarbe braun, Größe 1,71 Meter, keine besonderen Kennzeichen. Keine Verwandten.« Er warf Walt einen kalten Seitenblick zu. »Und keine Vermisstenmeldung von anderer Seite, nur von Ihnen.«
»Ihre Eltern sind tot, und die Leute in dem Modegeschäft, in dem sie arbeitet …«
»Mister Hunter.« Leutnant Wilberforce schob die Tastatur an ihren angestammten Platz vor dem breiten Flachbildschirm zurück und verschränkte die Arme auf der Schreibtischplatte. »Miss Gilbert ist volljährig, und es gibt keinerlei Hinweise auf ein Verbrechen. Kein Gesetz verbietet es jemandem, einfach zu verschwinden, wenn ihm oder ihr danach ist. Gab es irgendwelche … Unstimmigkeiten zwischen Ihnen?«
Aufwallende Wut ließ Walts Finger zittern, als er die Brieftasche einsteckte. »Wenn Sie sich die Mühe machen würden weiterzulesen, würden Sie sehen, dass Angela aus einem einwöchigen Urlaub nicht zurückgekehrt ist.«
»Wo wollte sie denn hin?«
Walts breite Schultern sanken herab. Der Dialog kam ihm bekannt vor, er hatte ihn schon ein paarmal hinter sich gebracht. »Das weiß ich nicht.«
Leutnant Wilberforce hob die linke Augenbraue. Sonst regte sich kein Muskel in seinem breiten Gesicht. »Das wissen Sie nicht?«
»Sie hatte den Urlaub offensichtlich schon länger geplant. Sie tat sehr geheimnisvoll.« Warum, zum Teufel, verschwende ich meine Zeit hier?
»Ich verstehe. Mister Hunter, haben Sie bitte Verständnis dafür, dass die Polizei nur nach solchen Vermissten suchen kann, die minderjährig oder dement sind. Wenn es Hinweise auf ein Verbrechen gibt, werden wir natürlich auch tätig. Aber so …«
»Sie wäre niemals freiwillig verschwunden!«, brach es aus Walt heraus. Die Beamten an den anderen beiden Schreibtischen im Raum hoben die Köpfe und blickten herüber. »Die Wohnung in der Clinton Street läuft immer noch auf ihren Namen, und der Briefkasten quillt über!«
»Ich verstehe. Hat sie Mietrückstände?«
Walts Lippen bebten. Sekundenlang konnte er nicht antworten. Er schluckte das Brennen in seiner Kehle hinunter und stieß hervor: »Vergessen Sie’s! Ich werde Sie nicht mehr belästigen!«
Mit einem wuterfüllten Ächzen wirbelte er auf dem Absatz herum und stampfte aus dem Raum. Die Tür knallte hinter ihm ins Schloss. Seine Schritte hallten auf den Fliesen des leeren Flurs.
Draußen blinzelte er in die Nachmittagssonne. New York City im August konnte heißer als die Hölle sein, und dies war ein solcher Tag.
Was nun?, fragte er sich, während er zum Parkplatz ging.
Er stieg in den schwarzen und nur drei Monate alten Acura TL, ließ den Motor an und rangierte aus der Parkbucht. Ziellos quälte er sich durch den Freitagnachmittagsverkehr, aber erst als er von der Madison Street auf die Clinton Street abbog und den Acura zwischen den kreuzförmigen Hochhäusern hindurchsteuerte, bemerkte er, dass ihn sein Unterbewusstsein zu Angelas Wohnung geführt hatte. Dabei war er erst vorgestern hier gewesen, mindestens zum zwanzigsten Mal seit ihrem Verschwinden.
Egal, dachte er. Wenn ich schon mal hier bin …
Er fand einen Parkplatz und ging zwischen Birnbäumen zum Eingang jenes Wohnblocks, der an die Cherry Street grenzte. Sein erster Blick galt der endlosen Reihe der Briefkästen.
Walt erstarrte.
Angelas Briefkasten war in den vergangenen Wochen stets ins Auge gestochen aufgrund der aus dem Schlitz quellenden Werbeprospekte, doch heute störte nichts die militärische Ordnung der Reihe.
Langsam paradierte Walt an den Metallkästen entlang, den Blick auf die Schilder geheftet. Zwischen den verblichenen Namen »M. Graves« und »K. Guthke«, wo eigentlich »A. Gilbert« hätte stehen müssen, befand sich nun ein glänzendes neues Schild: »J. Cisneros«.
Angela …
Walt starrte auf den fremden Namen. Seine Gedanken, seine Gefühle – alles schien mit einem Mal erloschen wie eine Flamme, der der Brennstoff ausgeht. Wo soeben noch Hoffnung gewesen war, zumindest ein winziger Funke, gab es nur noch Leere.
»Entschuldigung …«
Walt zuckte zusammen und trat hastig beiseite. Ein Mann mittleren Alters mit einem schütteren Haarkranz warf ihm einen misstrauischen Blick zu und schob einen Schlüssel in den Kasten mit der Aufschrift »M. Graves«. Walt wandte sich ab.
Erst im Wagen war er wieder in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Offensichtlich hatte man die Wohnung, nachdem die monatlichen Zahlungen ausgeblieben waren, geräumt und anderweitig vermietet. Das gab Angelas Verschwinden etwas Endgültiges. Er konnte seine Augen nicht länger vor den Tatsachen verschließen und weiterhoffen.
Die einzige Frau, die mir jemals etwas bedeutet hat. Und die Polizei will nichts tun! Ich muss mir selbst helfen.
Aber wie?
Ihm dröhnte der Kopf.
Morgen, dachte er. Morgen wird mir etwas einfallen!