Читать книгу S & M Dreams Inc. - Tomàs de Torres - Страница 9

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Julie Hurt weinte immer noch, oder vielleicht auch schon wieder. Nichts war, wie es sein sollte. Erst das Benehmen des Mannes im Lieferwagen, dann die endlose Fahrt. Vier oder fünf Stunden musste sie in dem Gefährt verbracht haben. Nun stand sie seit mindestens einer Stunde hier, blind, halb nackt und mit auf den Rücken gefesselten Händen. Überdies waren die Handschellen an der Wand hinter ihr befestigt, so dass sie nicht einmal einen Schritt zur Seite machen konnte, geschweige denn sich setzen.

Am schlimmsten jedoch waren die Augenbinde, die verhinderte, dass sie auch nur das Geringste sehen konnte, und der grässliche Knebel, der immer stärkere Schmerzen in ihren Kiefern verursachte. Wann kam endlich jemand, um ihr beides abzunehmen? Wann kümmerte sich endlich jemand um sie?

Dazu kamen die sich ständig steigernden Schmerzen in ihrer Blase, die bereits während der Fahrt begonnen hatten. Die Leute, die Julie ab und zu vorbeigehen hörte und die sie ignorierten, als wäre sie durchsichtig, konnten sich doch denken, dass sie irgendwann zur Toilette musste!

Julie versuchte verzweifelt, sich bemerkbar zu machen. Sie zerrte an ihren Fesseln und schrie in den Knebel. Aber dieser erstickte ihre Schreie, so dass kaum mehr als ein Stöhnen oder allenfalls ein lautes Wimmern zu vernehmen war.

Schließlich wurde der Schmerz in ihrer Blase so stark, dass ihr Körper reagierte, bevor es ihr Gehirn tun konnte. Heiße Flüssigkeit durchnässte ihre engen Jeans und rann an den Innenseiten der Beine hinab. Verzweiflung und Scham überwältigten Julie, doch mehr als ein ersticktes Schluchzen, das ihren Oberkörper durchschüttelte, brachte sie nicht mehr zustande.

Noch immer ignorierte man sie.

Endlich hörte sie wieder Schritte. Eine männliche Stimme sagte in barschem Tonfall: »Noch nicht! Die Haube wieder aufsetzen!«

Der Sprecher konnte nur wenige Meter entfernt sein. Aus seinen Worten ging hervor, dass sie an jemand anderen gerichtet waren. Julie versuchte erneut, sich bemerkbar zu machen, doch ebenso erfolglos wie zuvor.

Kurz darauf sagte dieselbe Stimme mit drohendem Unterton: »Das wird dir noch leid tun!« Julie hörte, wie sich mehrere Menschen entfernten. Es wurde still um sie herum, und der Aufruhr in ihren Gedanken legte sich allmählich.

Was war geschehen? Eine Verwechslung? Hatte irgendjemand einen Fehler gemacht und ihre Papiere mit denen einer anderen Urlauberin vertauscht – einer, die sich etwas völlig anderes gewünscht hatte als sie? Etwas Brutales, Demütigendes? Es musste einfach eine Verwechslung sein, oder …

Aber an das Oder wollte sie lieber nicht denken.

Julie versuchte, die schmerzenden Kiefer zu bewegen, doch der aufgeblasene Knebel ließ dazu keinen Spielraum. Sie versank in dumpfes Brüten, aus dem sie eine barsche Stimme riss.

»Ist es das?«

Der Sprecher musste unmittelbar neben ihr stehen. Es schien der gleiche Mann zu sein, der vor einiger Zeit jemand anderen angefahren hatte.

Die Stimme einer Frau antwortete ruhig und sachlich: »Ja, das muss es sein.« Papier raschelte. »Nummer 4279.«

Irgendein Gefühl sagte Julie, dass diesmal sie gemeint war. Sie zerrte an den Handschellen und versuchte, etwas zu sagen. »Ich bin nicht Nummer 4279!«, wollte sie schreien. »Ich bin kein ›es‹, keine Nummer! Ich habe einen Namen, Julie Hurt! All dies ist ein schreckliches Missverständnis!«

Doch aus ihrem geknebelten Mund drangen nur unartikulierte Laute.

Wieder die Stimme des Mannes: »Wurde es schon untersucht?«

»Noch nicht.«

»Dann holen wir das gleich nach.«

Jemand packte Julies Arm und löste die Handschellen von der Wand. Dennoch blieben ihre Hände weiter auf den Rücken gefesselt. Grobe Finger schlossen sich um ihren nackten Oberarm und zogen sie mit sich.

Julie folgte mehr stolpernd als gehend. Ihre Gedanken waren ein einziges Chaos. Wieso sprach man von ihr wie von einer Sache? Weshalb wollte man sie untersuchen? Und was würde das für eine Art von Untersuchung sein? Sie wusste nur eines: Sie wollte nach Hause, auf dem schnellsten Weg!

Sie riss sich aus dem Griff des Mannes los, den diese Handlung offensichtlich überraschte. Sie rannte zwei oder drei Schritte, dann knallte sie mit der Stirn gegen eine Wand. Der Anprall war so stark, dass sie schwankte und beinahe zu Boden gegangen wäre.

Im nächsten Moment war der Mann bei ihr und packte sie an den Armen, so schmerzhaft, dass Julie in den Knebel schrie.

»Das war sehr dumm von dir!«, zischte er und versetzte ihr eine schallende Ohrfeige. Julies Kopf flog herum. Wie betäubt blieb sie stehen. Das Schlimmste war nicht der Schmerz, sondern die Tatsache, dass man sie, Julie Hurt, geschlagen hatte. Ins Gesicht geschlagen! Niemals in ihrem bisherigen Leben war sie geohrfeigt worden, nicht einmal als Kind.

Sie spürte, wie sich der restliche Inhalt ihrer Blase in ihre Jeans entleerte, ohne ihr Zutun. Und ohne, dass sie so etwas wie Scham empfand.

Sie empfand überhaupt nichts mehr.

Der Unsichtbare ergriff erneut ihren Oberarm und führte sie weiter. Diesmal folgte Julie willenlos. Der unerwartete Schlag hatte ihren Widerstand gebrochen. Mechanisch setzte sie einen Fuß vor den anderen. Die Jeans klebten an ihren Beinen.

Sie mussten mindestens hundert Meter zurückgelegt haben, als sie endlich anhielten. Julie hörte eine weibliche Stimme: »Die übliche Untersuchung?«

Es erfolgte keine Antwort, wahrscheinlich nickte der Mann nur.

Die Frau sprach erneut: »Ziehen wir ihm erst mal die nasse Hose aus, dann schnallen wir es auf den Stuhl.«

Fremde Hände öffneten den Reißverschluss ihrer Jeans und zogen diese mitsamt dem Slip nach unten. Dann kamen Schuhe und Strümpfe an die Reihe. Gehorsam stieg Julie aus der Hose, als die Frau sie dazu aufforderte. Sie war nun vollständig nackt, doch seltsamerweise berührte sie das gar nicht mehr. Immer noch spürte sie ihre eigene Nässe auf ihren Schenkeln, doch auch dies war ihr mittlerweile gleichgültig.

Jemand schloss ihre Handschellen auf und zerrte sie rückwärts, bis sie etwas Glattes, Kühles an ihren Oberschenkeln spürte – die mit Plastik überzogene Sitzfläche eines Stuhls? Eine zierliche Hand, wärmer als Julies eigener Körper, presste sich auf ihren Bauch und drängte sie auf die Sitzfläche. Ihr Oberkörper sackte nach hinten weg auf eine Lehne, die in flachem Winkel von der Sitzfläche abstand. Ihre Arme wurden auseinandergezogen und mit Lederriemen an die Seiten des Stuhls gefesselt. Ihre Füße wurden in gespreizter Stellung hochgebunden.

Julie hörte das Rascheln von Papieren, dann wieder die Stimme des Mannes: »Es liegt noch keine Bestellung vor, wie ich hieraus ersehe. Also die übliche Prozedur.«

»Keine Verwandten?«, fragte die Frau mit, wie es Julie schien, gelangweilter Stimme.

»Keine. Und keine aktuelle Beziehung. Alles doppelt überprüft, nach Vorschrift. Es wird nicht vielen abgehen.«

Keine Verwandten …

Das Echo dieser Worte dröhnte durch Julies Gehirn. Ihr Vater war ein erfolgreicher Architekt gewesen, doch Julie kam eher nach ihrer Mutter. Den erzwungenen Collegebesuch hatte sie abgebrochen, halb aus eigenem Antrieb und halb gedrängt von ihren Lehrern. Kaum hatte sich der dadurch entfesselte Sturm in ihrem Elternhaus gelegt, traf sie eine Katastrophe in Form eines Autounfalls, dem beide Eltern zum Opfer fielen.

Es wird nicht vielen abgehen …

Jetzt, fünf Jahre später, mit zweiundzwanzig, arbeitete Julie als Küchenhilfe in einem italienischen Restaurant in einer der Vorstädte von Baltimore, Maryland. Es war ihr vierter Job innerhalb eines Jahres, und das Ende war auch hier bereits absehbar. Es war nicht so, dass sie nicht arbeiten wollte. Sie bemühte sich redlich, aber sie stellte sich ungeschickt an, zerbrach Geschirr, verwechselte Zutaten und verbrannte sich die Finger an heißen Backblechen. Ein Psychologe hätte wahrscheinlich auf eine unbewusste, aber tief sitzende Lebensangst geschlossen, doch Julie war nie einem Psychologen begegnet. Als ihre Eltern noch lebten, hätten sie die Hinzuziehung eines Psychiaters als einen Schandfleck auf der Familienehre betrachtet, und nach ihrem Tod wäre es Julie niemals eingefallen, einem Fremden von Ängsten zu erzählen, die sie nicht einmal in Worte fassen konnte.

Eine Hand streifte über ihren Hinterkopf, und die Augenbinde fiel. Der Raum, in dem sie sich befand, war von Neonröhren so hell erleuchtet, dass Julie blinzelte. Als sich ihre Pupillen angepasst hatten, stellte sie fest, dass sie auf einem gynäkologischen Stuhl saß. Vor ihr standen zwei Frauen und musterten sie. Der Mann, dessen Stimme sie gehört hatte, stand im Hintergrund, ein hochgewachsener Schwarzuniformierter. Möglicherweise handelte es sich um einen der Männer aus dem Lieferwagen. Julie hatte ein schlechtes Gedächtnis für Gesichter und Namen.

Die beiden Frauen waren ebenso nackt wie Julie selbst und von unnatürlich blasser Hautfarbe. Eine hatte blondgelockte Haare und trug eine altmodische Hornbrille; sie war vielleicht vierzig Jahre alt. Die andere war wesentlich jünger und hatte kurze schwarze Haare. Beide trugen Halsbänder aus Stahl, von denen jeweils eine Kette locker zwischen den bloßen Brüsten bis zum Schritt hinablief, wo sie in einem an den kahlrasierten Schamlippen angebrachten Ring eingeklinkt war. Die jüngere Frau, bemerkte Julie mit wachsendem Entsetzen, trug auch Ringe in ihren Brustwarzen.

Und beide hatten am rechten Ohr eine blaue Plastikmarke, auf der eine Nummer stand.

»Sollen wir es auch gleich sterilisieren?«, fragte die Frau mit der Brille den Schwarzuniformierten.

Verständnislos folgten ihr Julies Blicke.

Der Mann runzelte die Stirn und blätterte in den Papieren, die er in der Hand hielt. »Besser nicht. Möglicherweise ist es für die Aufzucht vorgesehen.«

Er steckte die Papiere wieder ein, wandte sich wortlos um und verschwand im Korridor.

Julie folgte der für sie völlig unverständlichen Unterhaltung mit geweiteten Augen. Wo war sie hier hingeraten? Und wovon sprachen diese Menschen – Sterilisation, Aufzucht …?

Endlich dämmerte ihr die Wahrheit, und der Schock, den diese Erkenntnis auslöste, ließ ihren Herzschlag für einen Moment aussetzen.

Sie sprechen von mir! Mich wird niemand vermissen, für mich liegt noch keine Bestellung vor, ich bin möglicherweise für die »Aufzucht« vorgesehen!

Aufzucht – wovon?

Die Frau mit der Brille nahm einen Wattebausch, tauchte ihn in einen Behälter mit klarer Flüssigkeit und rieb damit eine Stelle an Julies rechtem Arm ab. Dann nahm sie eine Spritze zur Hand.

Jetzt erst kam wieder Leben in Julie. Sie schrie in den Knebel und versuchte, sich von den Fesseln loszureißen, die sie am Stuhl hielten, natürlich vergeblich.

»Keine Angst«, sagte die ältere Frau, und ihre Stimme klang tatsächlich beruhigend, »wir müssen dir nur ein wenig Blut abnehmen. Wenn du dich nicht wehrst, wirst du kaum etwas spüren.«

Julie zwang sich, ruhiger zu atmen, und entspannte sich.

Die Frau nickte. »So ist es gut. Mach eine Faust. Es tut gar nicht weh …«

Natürlich tat es weh, aber es war nicht allzu schlimm. Weniger schlimm jedenfalls als die namenlose Furcht, die Julies Gehirn bis in den letzten Winkel ausfüllte.

Als die Frau fertig war und die Ampulle mit Julies Blut in ein Analysegerät gestellt hatte, warf sie einen vorsichtigen Blick hinter sich, zu der offenen Tür des Raums, dessen Einrichtung jener eines Arztzimmers glich.

»Du trägst den Knebel wohl schon lange?«, fragte sie mit gesenkter Stimme.

Julie nickte heftig.

»Und die Kiefer schmerzen stark?«

Wieder nickte Julie und warf ihr einen flehenden Blick zu.

»Ich kenne das.« Die Frau mit dem Benehmen einer Ärztin zögerte. »Wenn du versprichst, leise zu sein, nehme ich ihn dir für kurze Zeit ab. Wenn das aber bemerkt wird, werden wir beide«, sie deutete nacheinander auf sich und die jüngere Frau, »streng bestraft werden. Wirst du ruhig sein?«

Julie nickte abermals. Sie war bereit, alles zu tun, um wenigstens für kurze Zeit von dem schrecklichen Marterinstrument befreit zu werden.

Kurz darauf konnte sie zum ersten Mal seit Stunden wieder ihren Mund schließen. Sie machte Kaubewegungen, um die verkrampften und schmerzenden Muskeln zu entspannen, und hauchte: »Wasser!«

Die Frau mit der Brille gab der Jüngeren einen Wink, und diese brachte eine Tasse mit Leitungswasser aus einem Waschbecken an der Seitenwand. Julie trank so gierig, dass einiges über ihr Kinn lief und auf ihre Brüste tropfte.

»Danke«, flüsterte sie dann. Scheu warf sie einen Blick in den Korridor: Niemand zu sehen, nichts zu hören.

»Wir müssen dich nun untersuchen«, sagte die Frau mit der Brille. »Du brauchst keine Angst zu haben, ich habe Erfahrung in diesen Dingen. Ich war Ärztin – in einem anderen Leben.« Sie lächelte, und dieses Lächeln war frei von Wehmut oder gar Bitterkeit.

»Bitte«, flüsterte Julie, »das ist alles ein schrecklicher Irrtum! Ein Versehen! Ich hatte einen Urlaub gebucht, bei einer Firma mit dem Namen S & M Dreams Inc.!« Sie atmete tief ein und wieder aus. »Das hier … das ist eine Verwechslung!«

Die jüngere Frau schlug die Augen nieder und wandte sich ab. Die ehemalige Ärztin schüttelte den Kopf.

»Es ist kein Irrtum. Ja, S & M Dreams oder kurz SMD bietet solche Urlaube an und führt sie auch korrekt durch, in den meisten Fällen jedenfalls. Doch manche Frauen, die so einen Urlaub antreten, sind für andere Dinge vorgesehen. Sie verschwinden dann spurlos. Bevorzugt solche, die von niemandem vermisst werden, aber es gibt auch noch andere Kriterien.«

Neues Entsetzen flutete durch Julie und wusch alle Farbe aus ihrem Gesicht. Was sie vorher nur geahnt, nur befürchtet hatte, war auf einmal schreckliche Gewissheit geworden.

Sie sollte »verschwinden«!

Tränen füllten ihre Augen. »Bitte!«, flehte sie. »Sie müssen mir helfen! Sie müssen mich hier herausbringen! Irgendwie! Ich kann Ihnen Geld geben, ich habe einiges geerbt …«

Die Ärztin schüttelte den Kopf. »Völlig ausgeschlossen. Ich kann dir nicht helfen. Niemandem ist es jemals gelungen, von hier zu entkommen, dazu sind die Sicherheitsvorkehrungen viel zu streng – und die Strafen, die auf Fluchtversuch oder Auflehnung stehen.« Ein abermaliger Blick in Richtung Tür. »Genug jetzt, wir müssen mit der Untersuchung beginnen.«

Sie wandte sich um und Julie sah, dass ihr Po von einem dichten Netz aus roten Striemen überzogen war. Hatte sie eine jener »strengen Strafen« erhalten, die sie vorhin erwähnt hatte?

Die Untersuchung dauerte über eine Stunde und war die umfassendste, die Julie jemals erlebt hatte. So etwa musste sich ein Tier in der Praxis eines Veterinärs fühlen. Sogar eine Stuhlprobe wurde ihr mittels einer Sonde entnommen. Sie schämte sich dabei so sehr, dass ihr erneut Tränen über die Wangen liefen, doch die Ärztin zeigte sich ungerührt. Die jüngere Frau notierte alle Ergebnisse gewissenhaft in einem Protokoll.

Endlich signalisierte die Ärztin, dass man fertig sei, und Julie atmete auf. Doch dann sah sie, wie die andere neben sie trat, einen Rasierpinsel und eine Schale mit Seifenschaum in den Händen.

»Was … was haben Sie vor?«

»Dir die Schamhaare abzurasieren«, antwortete die Ärztin, als wäre es die normalste Sache der Welt. »Dein späterer Besitzer wird sich möglicherweise dafür entscheiden, die Haarwurzeln zu veröden, aber solange du hier bist, wirst du alle paar Tage rasiert. Entspann dich also, und halt vor allem still!«

Es blieb Julie nichts anderes übrig, als dem Rat zu folgen und zuzusehen, wie die Haare zwischen ihren Beinen verschwanden. Als die Helferin fertig war und die Reste des Schaums mit einem feuchten Tuch abwischte, fühlte sich Julie so nackt und schutzlos wie niemals zuvor in ihrem Leben.

Die Ärztin nahm den Knebel wieder zur Hand.

»Nein!«, flüsterte Julie erschrocken. »Bitte nicht wieder!«

»Es muss sein. Mund auf!«

»Sagen Sie mir wenigstens, was mich erwartet«, sagte Julie, dann sperrte sie gehorsam den Rachen auf.

»Das wissen wir nicht«, antwortete die Ärztin, während sie den Knebel in Julies Mund steckte. »Die Untersuchung ist eine Standardprozedur.« Sie verschloss den Knebel im Nacken. Dann nahm sie etwas zur Hand, das wie ein Gummiball aussah, steckte es an die Vorderseite des Knebels und begann, ihn rhythmisch zu drücken. Der Gummiball wuchs in Julies Mundhöhle an und presste ihre Kiefer auseinander. Immerhin blies die Ärztin den Knebel nicht so weit auf, wie es der Mann im Lieferwagen getan hatte.

»Die meisten werden, nach einer mehr oder weniger umfassenden Konditionierung, an den Meistbietenden verkauft.«

Julie keuchte. Das konnte nicht sein! Das war bestimmt alles nur ein schrecklicher Albtraum!

Die Ärztin entfernte den Gummiball wieder und beugte sich zu Julies Kopf herunter. »Nur Mut! Vielleicht kommst du zu einem guten Herrn oder einer guten Herrin, das gibt es durchaus. Dann hast du das Schlimmste hinter dir, wenn du erst einmal hier heraus bist und die Konditionierung abgeschlossen ist. Die allerdings …« Für einen Augenblick senkte sich Leid wie ein Schleier über den Blick der Ärztin. Dann zuckte sie mit den Schultern, als könnte sie damit eine schreckliche Erinnerung abschütteln. »Ich kann dir nur einen Rat geben, einen wirklich guten, ernst gemeinten Rat: Wenn man dir etwas befiehlt, tu es, was auch immer es sein mag! Sofort und ohne den geringsten Widerspruch!«

Schwärzeste Verzweiflung senkte sich über Julies Geist. Sie schloss die Augen.

Aufwachen!, dachte sie konzentriert. Du musst aufwachen! Das ist nur ein schlimmer Traum! Nur ein Traum, nur ein Traum …

Sie öffnete die Augen wieder.

Nichts hatte sich verändert. Die beiden Frauen wandten ihr die Rücken zu. Die Ärztin hatte immer noch einen verstriemten Po.

Julie war immer noch an den Stuhl gefesselt.

Das ist kein Traum! Das ist die Wirklichkeit. Schrecklicher als ein Traum jemals sein könnte!

Die Ärztin wandte sich wieder Julie zu. In den Händen hielt sie einen stählernen Ring, an dem mehrere Ösen befestigt waren. Sie klappte ihn auseinander. Nun waren es zwei Ringhälften, die an einer Stelle mit einem Gelenk verbunden waren. Julie erkannte, worum es sich handelte, als die Frau es um ihren Hals legte: Ein Halsband von genau der Art, wie die beiden es trugen! Es klickte, als das Schloss im Nacken einrastete. Es war so schnell gegangen, dass sie nicht einmal dazu gekommen war, sich zu wehren.

Nicht, dass ihr das etwas genutzt hätte.

»Ist es fertig?«, rief eine männliche Stimme.

»Alles fertig«, bestätigte die Ärztin und nahm der jüngeren Frau das Protokoll aus der Hand. »Hier die Ergebnisse. Keine Drogen, nicht einmal Nikotin. Trächtig ist es auch nicht.«

»Ausgezeichnet.«

Ein Mann trat in Julies Blickfeld. Angstvoll sah sie zu ihm auf, während er ihren nackten Körper mit unverhohlenem Interesse musterte. Er war etwa fünfundvierzig Jahre alt, hatte einen schwarzen Vollbart und ein wenig Vertrauen erweckendes, von einer Wangennarbe verunziertes Gesicht. Außerdem schien seine Nase einmal gebrochen gewesen zu sein. Wie die beiden Fahrer des Lieferwagens trug er eine schwarze Uniform.

Der Mann hielt etwas Rotes hoch. »Fehlt nur noch dies!«

Julie hielt vor Schreck den Atem an. Das Ding war eine Plastikmarke von der gleichen Art, wie die Ärztin und ihre junge Kollegin sie am Ohr trugen, allerdings rot anstelle von blau. Darauf stand eine Nummer: 4279. Hinter der Nummer war ein Chip in die Marke eingelassen, wie bei einer Kreditkarte.

Er will doch nicht etwa …?

Die Ärztin reichte ihm etwas, das einem Klammerapparat ähnelte. Er legte die Plastikmarke in das zangenähnliche Vorderteil ein, ging um den Stuhl herum und beugte sich zu Julie herab. Sie versuchte, den Kopf wegzudrehen, doch der Mann packte ihn mit einer Hand und hielt ihn damit so fest wie ein Schraubstock. Im nächsten Augenblick machte es »klack«, und ein scharfer Schmerz durchzuckte Julies rechtes Ohrläppchen. Sie jaulte in den Knebel. Der Mann lachte und ließ ihren Kopf wieder los.

Während die Schmerzen langsam nachließen und in ein dumpfes, aber stetes Pochen übergingen, wurde sie losgeschnallt. Als sie wieder auf den Beinen stand, nahm der Narbige ein Paar Handschellen von seinem Gürtel und fesselte damit ihre Hände abermals hinter ihrem Rücken zusammen. Anschließend erhielt sie auch noch eiserne Fußfesseln, die durch eine höchstens dreißig Zentimeter lange Kette miteinander verbunden waren, so dass sie nur kleine Schritte machen konnte.

»Erhält es die übliche Konditionierung?«, fragte die Ärztin.

Der Schwarzuniformierte grinste breit. »Die Käufer stehen darauf.« Er deutete auf Julies patschnasse Hose, die mittlerweile in einen Plastikbeutel gewandert war. »Außerdem scheint es nicht stubenrein zu sein. Auch dieses Problem wird durch die Konditionierung in der Regel beseitigt.«

Er packte Julie an der Schulter und schleifte sie aus dem Raum.

Julie Hurt wankte einer düsteren Zukunft entgegen.

S & M Dreams Inc.

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