Читать книгу Totenwache 2.Teil - Tonda Knorr - Страница 7
Kapitel 5
Оглавление„So, wir sind da.“
Der Chauffeur lehnte sich nach hinten. Es schien, als suchte er auffällig unauffällig das, was Frank in der Hand hielt. Nichts da, was es zu sehen gab.
„Noch einmal, herzlich willkommen in Bern. Sie sind Gäste der Banque pour l’art. Genießen Sie ihren Aufenthalt.“ Sarahs Danke hörte sich etwas gequält an und musste der Höflichkeit genügen. Noch während sie so verharrten öffnete sich die Tür. Da war er endlich, Sarahs alter und gediegener Mann mit Nickelbrille, Zylinder, weißen Handschuhen und sogar einer Uniform. Höflich hob er den Zylinder und hieß die Beiden Willkommen. Eine Hand streckte sich Sarah entgegen.
„Bitte Madam, seien Sie vorsichtig, stoßen Sie sich nicht.“
Sarah genoss es sichtlich, hofiert zu werden. Ein Chauffeur, ein Wagenmeister - der zwar so alt war wie ihre Eltern, aber sehr herzlich rüberkam, Frank - der sowieso immer höflich und zuvorkommend mit ihr umgeht - so lässt sie sich das gerne mal gefallen. Mal sehen, als was sich die junge vornehme Frau da am Hoteleingang herausstellt. Bestimmt die Concierge.
„Herzlich Willkommen in Bern. Darf ich mich Ihnen vorstellen, mein Name ist Monique Devuille, ich vertrete die Banque pour l’art.“
Soviel zum Thema Concierge. Devuille…, Devuille…, bei Sarah ratterte es. Da war doch was? Sie überlegte nicht lange. Alle die in der Bank etwas zu sagen haben, heißen Devuille. So war die Info von Lisa. Na immerhin wird nicht irgendein Angestellter zur Begrüßung geschickt, nein, die Führungsetage schickt eine Gesandte.
„Angenehm, ich bin Kommissar Frank Wagner aus Berlin“, stellte Frank sich vor um dann gleichsam, unter der akribischen Beobachtung von Monique Devuille, Sarah behutsam an den Arm zu nehmen. „Und das hier ist Sarah Fender…“
Frank zögerte kurz. Wie oder als was sollte er Sarah vorstellen? Sarah kam ihm zuvor.
„Ich vertrete die Sonderkommission zur Aufklärung von Kriegs- und Nachkriegsverbrechen auf deutschem Territorium.“
Scheiße. Sarah kam sich mit ihrer Vorstellung blöd vor. Hätte sie sich nicht einfach nur als Sarah Fender vorstellen können? Als ob dieser Schweizer Bankerin die Vertretung irgendeiner Sonderkommission imponiert.
„Gut. Das klingt wichtig. Aufklärung, Sonderkommission, Kriegs- und Nachkriegsverbrechen - alles wichtig!“
Heuchlerin. Sarah erwischte sich dabei, wie sie der jungen Dame nicht mal ansatzweise eine Chance gab, ihr Wohlwollen zu erlangen. Sie drehte sich zu Frank, und zack…, schon wusste sie warum. Wieso lächelt der sie so nett an? Das war doch das für sie reservierte Lächeln. Nur für sie. Wieso lächelt der jetzt eine andere Frau so an?
„Gab es Probleme an Flughafen?“
Sarah und Frank suchten kurz Blickkontakt, ehe sie ein gemeinsames Nein verkündeten.
„Sicher?“
„Ja, wieso?“
„Auch Bern hat ein Milieu. Drogen, Gewalt, da kann immer mal was passieren, gerade an Flughäfen.“
„Nichts dergleichen…“, beschwichtigte Frank, während sein Augenmerk dem Chauffeur galt.
„…und wenn, ist ja für uns kein Neuland.“
Der Buschfunk schien also zu funktionieren und es beantwortete sich die Frage von selbst, wen der Chauffeur am Flughafen umgehend über den mysteriösen Anrempler informierte.
„Da wir gerade hier stehen…“, wurde Frank aus seinen Gedanken gerissen. „dort drüben, das ist unsere Bank, die Banque pour l’art.“
„Unscheinbar…, alt…“, kommentierte Sarah.
„Was haben sie erwartet? Einen Glaspalast? Lassen Sie sich nicht täuschen, dass Äußere ist nicht immer maßgebend.“
Aha, ein bisschen zickig, die junge Dame. Gerne hätte Sarah sie gefragt, warum sie sich denn dann so aufgetakelt hat. Ehrlicherweise musste sie aber zugeben, dass diese Monique Devuille einen bleibenden Eindruck machte. Trotz der streng nach hinten gekämmten Frisur und des dunkelblauen spießigen Blazers, der natürlich farblich absolut mit dem für ihr Alter viel zu langen Rock abgestimmt war, sah diese Frau, die wahrscheinlich noch nicht mal 30 war, einfach mal umwerfend hübsch aus.
„Ich würde vorschlagen, dass Sie sich erst mal ihre Zimmer ansehen. Dort haben wir für Sie Getränke und ein paar Snacks vorbereitet. Wenn Sie es wünschen, können Sie sich gerne frisch machen und so in ca. ein zwei Stunden treffen wir uns dann in der Lobby der Bank. Wir würden Ihnen dann gern die Schreiben vorlegen, die unsere Bank dazu berechtigen, die von uns erwarteten Unterlagen einzusehen. Falls Sie die Schreiben noch einmal nach Berlin schicken müssen, auf Ihrem Zimmer befindet sich alles was sie brauchen, unter anderem auch ein Faxgerät. Aber eigentlich liegen Berlin diverse Abschriften und Unterlagen durch unsere Anwälte bereits vor, sonst wären Sie vermutlich auch nicht hier. Wenn Sie dann einigermaßen angekommen sind, würde ich mit Ihnen gern den Ablauf der nächsten Tage besprechen.“
„Den Ablauf der nächsten Tage? Sollen wir die Unterlagen, die Sie einsehen wollen, gleich mitbringen?“
„Ja, das wäre sehr gut. Wir wollen keine Zeit verlieren. Der Maître Devuille und die Vertreter der Ruben Compagnie bzw. deren Anwälte würden die Unterlagen dann umgehend in Empfang nehmen wollen.“
„Maître Roman Devuille? Ihr Vater?“
Ein kurzsilbiges Ja und der Gesichtsausdruck der Bankerin ließ Sarah erahnen, dass das wohl ein wunder Punkt bei Miss Makellos ist. Wer ist beruflich schon gerne die Tochter vom Chef. Einen wollte Sarah aber noch nachlegen, obwohl sie die Antwort ja dank Lisa schon kannte.
„Ich vermute mal, er ist der Chef?“
Wider dieses kurzsilbige Ja. Für Sarah ein innerlicher Durchmarsch. Ein kleiner, aber immerhin. Trotzdem hatte Sarah ein Einsehen.
„Machen Sie sich nichts draus, mein Vater ist auch so ein reicher Geldsack. Ich bin auch die Tochter von. Da gewöhnt man sich dran.“
Ungläubig musterte die Bankerin Sarah. Ein kurzes Räuspern und das Thema war für sie beendet.
„Gut, also sehen wir uns dann. Sagen Sie dem Concierge Bescheid, man wird Sie dann zu uns hinüber begleiten. Vielleicht bin ich auch noch hier, dann werde ich Sie…“
„Oh, bloß keine Umstände“, unterbrach sie Sarah. „Ich denke mal von hier nach da drüben…“, Sarah holte tief Luft um dann mit voller Inbrunst den Satz zu beenden: „…das schaffen wir.“
„Gut, wie Sie wollen. Ach noch was. Hier, das sind Ihre Autoschlüssel. Dort drüben, das ist Ihr Wagen für die Zeit, in der Sie unsere Gäste sind.
So sind Sie mobil, können sich die Gegend anschauen…, falls Sie wollen. Ihnen soll es an nichts fehlen. Sie können dort auch parken.“
Sarahs Blick folgte den Fingerzeig der jungen Frau.
„Wow…, wieder so ein schwarzes Ungeheuer? Geht’s bei Ihnen auch mal eine Nummer kleiner?“
„Was hätten Sie gerne, einen Polo? Tut mir Leid, wir haben nur die. Ich denke mal, Herr Wagner wird damit zurechtkommen.“
Aha. Retourkutsche. Als ob sie so ein Ding nicht fahren könnte. Na das kann ja was werden.
„Sagen Sie mal, Sie reden von Tagen, geben uns einen Wagen…“
„Machen Sie sich keine Sorgen. Sie sind unsere Gäste“, wurde Sarah unterbrochen. „Genießen Sie Ihren Aufenthalt. Den Rest besprechen wir nachher. Wenn ich Sie dann bitten darf.“
„Geben Sie uns noch einen Moment.“
Mit einem kurzen zustimmenden Nicken entschwand Monique Devuille. Sarahs Blick folgte ihr. Scheiße, von hinten sieht die genauso gut aus. Sie drehte sich wieder Frank zu. Auch er schaute ihr - wieder mit diesem verfluchten Lächeln - hinterher.
„Hey? Was machst du da?“
„Ich? Was meinst du? Ich schau doch nur.“
„Dein Gesicht. Was ist das da?“
„Was meinst du?“
„Deine Augen…, steck sie wieder rein. Das Lächeln…, was soll das?“
„Na ich lächle halt. Was ist so schlimm daran? Ich denke du magst mein Lächeln?“
„Ja eben! Das ist mein Lächeln. Nicht vergessen, warum wir hier sind!“
Frank ließ sich nicht beirren. Sarah musterte ihn. Sie versuchte seine Gedanken zu lesen, was ihr nicht besonders schwerfiel. Sie musste sich durchaus widerwillig eingestehen, dass sie in dem Jahr, solange sie sich mittlerweile kennen, nie auf den Gedanken gekommen ist, dass es ja noch andere Frauen auf diesen Planeten gibt. Und schon gar nicht, dass denen der Kerl, der ihr da gegenüberstand, auch noch hinterherstiert. Jüngere Frauen, hübschere Frauen und vor allem einfachere Frauen. Wie hatte Gustav gesagt, Männer wie der, liegen nicht am Straßenrand. Sie war die Erste nach der langen Zeit seiner Trauer, aber das heißt doch nicht automatisch, dass sie auch die Letzte sein muss. Vielleicht hatte er durch sie ja wieder Blut geleckt. Scheiße! Schon wieder kämpfen. Sarah war sich nicht sicher, ob sie noch ganz dicht war. Fünf Minuten mit dieser Tussi und sie wird…, nein, sie ist eifersüchtig.
„Na, die gefällt dir wohl? Jung, knackig, schlau, bildschön…“
„Die Schönheit einer Frau besteht in dem Verlangen, dass sie in einem Mann auslöst.“
„Und? Hast du Verlangen?“
Mit einem verschmitzten Grinsen strahlte Frank sie an, während Sarah sich erwartungsvoll auf das Autodach lehnte.
„Nach dir, ja. Nach ihr…, weiß nicht? Der erste Eindruck…, mich fröstelst ein bisschen, wenn ich ihr zuhöre.“
„Spinner. Für Frauen, die so aussehen, wurden Wörter erfunden. Stell dir mal vor, du kommst nach Hause und so eine Frau steht da am Kühlschrank, schön zurecht gemacht, das kleine Schwarze an, die Strapse lugen ein bisschen vor, vielleicht noch ein eiskaltes Bier in der Hand…? Was dann?“
Franks Grinsen wurde immer breiter. Wie es schien, stellte er sich die Sache bildlich vor.
„Dann…, dann bin ich in der falschen Wohnung. Du kannst mich aber gerne mal vom Gegenteil überzeugen.“
„Aber du musst zugeben, dass sie äußerlich auf alle Fälle makellos ist. Ich habe gesehen wie du sie beobachtet hast.“
„Keiner ist makellos. Perfektion ist unerreichbar. Ich glaube die Menschen haben Angst, ihre Makel zu zeigen, merken aber nicht, dass das bereits einer ist. Doch du hast nicht Unrecht, bei ihr muss man wahrscheinlich eine ganze Weile suchen.“
Sarah machte sich daran, der Bankerin ins Hotel zu folgen, hielt aber kurz noch mal inne.
„Glaub mir mal, die sucht morgens auch die Katze.“
„Welche Katze?“
„Na die ihr in den Mund geschissen hat.“
Mit einem Lachen wollte es Frank Sarah gleichtun und ihr folgen. Während sie versuchte mit einem überlegenen Blick Frank wieder auf den Boden der Realität zurückzuholen, amüsierte er sich noch immer über ihre Bemerkung.
„Sag mal, bist du eifersüchtig?“
Sarah blieb stehen, zog Frank mit einem Griff an sein Jackenrevers zu sich heran.
„Hör mir mal zu Freundchen. Ich bin nicht blöd. Wehret den Anfängen. Mein Papa hat immer gesagt: Erste Priorität - schütze dein Eigentum! Ihr Männer wollt doch…“ „Warte, warte…, ich bin also dein Eigentum?“
„Klar. Habe ich dir das nicht gesagt? Ich habe schon genug damit zu tun, dass ich so eine verdammt hübsche Freundin habe. Eigentlich haben hübsche Frauen immer eine hässliche Freundin. Noch besser ist, wenn sie noch ein bisschen pummelig ist. Das sind dann die, die in der Disko immer die Handtaschen halten müssen. Aber bei mir ist das nicht so, Ich habe leider eine hübsche Freundin. Da muss man immer auf der Hut sein, wo der eigene Macker hin stiert. 36% aller Liebschaften gehen kaputt, weil die beste Freundin mit dem eigenen Mann vögelt.“
„36%? Woher weißt du das?“
„Habe ich mir ausgedacht. Klingt doch imposant. Ist auch egal. Wenn es mich betrifft, ist mir schon 1% zu viel.“
Frank schien nachzudenken. Erst für sich und dann laut.
„Lisa…, hm…, habe ich so noch gar nicht gesehen. Aber eigentlich…“
„Was?“
Zärtlich strich Frank über Sarahs Gesicht.
„Mach dir mal keine Sorgen. Dass ich ein zweites Mal so ein Glück habe, ist für mich schon Erfüllung genug. Ich bin ein ganz altmodischer Mann. Ich mach so was nicht. Vielleicht mal ein bisschen gucken, aber mehr auch nicht. Nur ab und zu, ein bisschen.“
Sarah küsste Frank, ließ ihn los und lehnte sich zurück.
„Dein Glück.“
Mit einem Kopfschütteln und einem Lächeln im Gesicht wollte Frank losgehen, drehte sich aber dann doch nochmal zu Sarah.
„Lisa? Hm…, warum ist mir das noch nicht eingefallen?“
„Hör auf jetzt!“
Frank schien sich zu amüsieren.
„Glaubst du wirklich, ich würde mich mit Philipp anlegen? Zwei Meter menschgewordener Granit! Ich bin doch nicht wahnsinnig!“
„Ach du, wir Frauen mögen zwar nicht, wenn ihr Männer euch prügelt. Aber wenn ihr euch um uns prügelt, dann…“
„Auf alle Fälle sollten wir auf der Hut sein.“ Franks Ton wurde skeptischer.
„Vor dieser Frau?“
„Vor dieser Frau, vor diesem Chauffeur, vor dieser Bank…. Wer weiß, was uns hier noch alles erwartet?“
„Na auf alle Fälle ein Leihwagen, der so um die 80 Riesen kostet, mit dem du bestimmt klarkommst. Lass uns das Beste draus machen. Du bist bei mir, ich bin bei dir, was soll uns schon passieren?“
Während die beiden langsam in Richtung Eingangstür gingen, grübelte Frank vor sich hin.
„Was? Was hast du?“
Frank blieb stehen und starrte Sarah an.
„Woher wusste der Mann am Flughafen, dass ich derjenige bin, dem er das Foto zustecken muss?“
Sarah ließ die Frage unbeantwortet, schon deshalb, weil sich der alte gediegene Mann mit Nickelbrille, Zylinder, weißen Handschuhen und sogar einer Uniform höflich an sie wandte.
„Bitte…, folgen Sie mir.“
Frank nutzte die Gelegenheit. Schaute sich nochmal um und fragte nach.
„Sagen sie, was heißt: il etait la?“ „Er war da.“
*
Während Sarah und Frank von vorne bis hinten hofiert wurden, ging ihr Franks letzter Satz nicht aus dem Kopf. Woher wusste der Mann, dass Frank derjenige ist, dem er das Foto zustecken musste? Sie drehte sich nach allen Seiten, um die Umgebung zu mustern. Ehrlicherweise musste sie zugeben, dass sie keinen richtigen Nerv hatte, das ganze Ambiente der Hotellobby und den ihnen zukommenden Service zu genießen. Es fiel ihr schwer, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Nein, mit Urlaub hat das hier nichts zu tun, aber es war angenehm, wenn sich jemand um alles kümmert. Sie kam ja nicht mal dazu, ihre Tasche selber zu tragen, geschweige denn eine Frage zu stellen. Der Page, der schon fast wie ein Butler agierte, machte alles richtig. Er tat das, was wohl zu seinen Aufgaben gehörte, ohne aufdringlich zu sein. Er hielt Abstand, aber war aber trotzdem immer zugegen. Im Fahrstuhl stand er dezent so, dass man denken könnte, er gehört nicht dazu. Wahrscheinlich hätte er auch diskret weggehört, wenn denn Frank und Sarah sich unterhalten hätten. Aber man weiß ja, dass genau das die Kunst der Bediensteten ist. Zuhören, wenn man eigentlich weghören soll. Und später, wenn die Rente dann nicht reicht, kommt das große Enthüllungsbuch. Mein Leben als Page im Hotel..., Scheiße, Sarah wusste nicht mal wie das Hotel heißt, indem sie hier abgestiegen sind. Sie drehte sich zu Frank. Auch der schien das ganze Brimborium nur beiläufig mitzukriegen. Ein kurzes Augenzwinkern bestätigte Sarah aber darin, dass er sie wenigstens noch zur Kenntnis nahm.
Es kam natürlich wie es kommen musste. Ihr Zimmer war kein Doppelzimmer auf irgendeinem Flur in der irgendeiner Zwischenetage. Der Page öffnete in der obersten Etage eine etwas größere Doppeltür zu einer etwas größeren Suite. Natürlich könnte es sein, dass das ganze Hotel aus solchen Suiten bestand. Wahrscheinlich war dem auch so. Sarah wollte es aber nicht glauben. Das hier war extra für sie, die Präsidentensuite! Das innerliche Wow kam genau bis zu ihrer Zunge, aber ihr Mund weigerte sich es herauszulassen, auch weil wie durch Zauberei Monique Devuille bereits in der Suite auf sie wartete. Sarah tat gleichgültig, als wäre es das normalste der Welt, in so einer Suite abzusteigen.
Mit einem „Herzlich Willkommen“ wurde sie aus ihren Gedanken gerissen.
„Ich hoffe es ist Ihnen so recht. Dort drüben stehen, wie versprochen, ein paar Snacks und ansonsten bedienen Sie sich. Der Kühlschrank ist voll, alles zu Ihrer freien Verfügung. Wenn es Ihnen wider Erwarten an etwas fehlen sollte, sagen Sie Bescheid.“
Sarah musterte Monique Devuille. So recht konnte sie die Frau, die ihr da gegenüberstand, nicht einordnen. Welche Rolle spielte sie in dem Ganzen? War sie wirklich nur die Tochter vom Chef, oder spielt sie eine doch ernster zu nehmende Rolle in der ganzen Angelegenheit? Vor allem konnte Sarah nicht durchschauen, warum eine Frau, die mit Kunst und vermutlich auch mit Geldgeschäften zu tun hat, sie hier persönlich in einem gebuchten Hotel schräg gegenüber von ihrer Bank in Empfang nahm. Auf alle Fälle nahm sich Sarah vor, auf der Hut zu sein und ihr Gegenüber nicht zu unterschätzen, schon deshalb, weil diese Monique Devuille ihrem Blick keine Sekunde lang auswich, als könnte sie ihre Gedanken erraten. Vielleicht fragte sie sich aber gerade jetzt genau dasselbe. Wie auch immer, wenn ihre berufliche Zukunft ins Stocken gerät, würde sie eine 1A Hotelmanagerin abgeben. Sie wusste genau, was sie wann und wie zu sagen hat, damit der Gast erst gar nicht auf die Idee kommt, dass es ihm an irgendetwas fehlen könnte.
„Alles gut“, entgegnete ihr Sarah. An ihrer Stimmlage konnte auch der letzte Idiot merken, dass Sarah beeindruckt war. Das ganze Brimborium, wie Kuntz es nannte - es wirkte!
„Gut, dann lass ich Sie jetzt alleine, und wenn Sie dann bereit sind, erwarte ich Sie drüben in unserer Bank. Lassen Sie sich Zeit, aber denken Sie bitte an die Unterlagen.“
„Machen wir! Ununterbrochen, deshalb sind wir ja hier.“
Scheiße, schon wieder im Ton vergriffen. Sarah ärgerte sich über das, was sie da von sich gab, und vor allem, wie sie es von sich gab.
„Ich meine, selbstverständlich und vielen Dank. Ich vermute mal…“, Sarah hielt kurz inne und musterte die Suite. „Sie werden nicht Jedem so viel persönliche Fürsorge zukommen lassen? Oder doch?“
Ein kurzes Lächeln war Monique Devuilles Reaktion.
„Ich muss Sie enttäuschen. Doch, bei uns wird jeder so hofiert, aber falls es Sie beruhigt, das Level, in dem wir uns bewegen, ist schon oberste Kategorie. Also dann, bis später.“
Sprach es, drehte sich auf dem Absatz um und entschwand. Alles war gesagt. Professionalität- volle Punktzahl. Jetzt war Sarahs großer Augenblick gekommen. Der Page stand wie in Stein gemeißelt an der Tür, um diese dann auch gleich schließen zu wollen. Sarah berührte zaghaft seinen Arm, um dann endlich die ihr auf der Seele brennenden Frage loszuwerden, welche Rolle diese Frau hier spielt, die da elegant den Flur entlang von dannen schritt. Sie kam aber nicht dazu, da eben diese Frau genau in diesem Augenblick innehielt und sich wartend dem Pagen zuwandte. Wieder Scheiße. Was nun? Sarah kramte schnell in ihrer Hosentasche, wissentlich, dass da nichts zu finden sei. Sie drehte sich Frank zu, der das ganze genüsslich vom Fenster aus beobachtete.
„Frank? Hast du mal…?“
Und wieder war auf ihn Verlass. Ein kurzer Griff und er zerrte einen zerknitterten Geldschein aus seiner Hosentasche.
„Hier, ist aber leider nur in Euro. Wir konnten noch nicht…“
Er kam gar nicht dazu weiterzureden, da sich der Page mittlerweile in eindrucksvoller Weise mit einem ablehnenden Handzeichen und einem Lächeln auf den Lippen - in einer dezent gebückten Körperhaltung die Türflügel gleichzeitig mit beiden Händen schließend - zurückgezogen hatte.
Da standen sie nun. Sarah starrte mit ausgestreckter Hand fassungslos auf die geschlossene Zimmertür.
„Hast du das gesehen?“
„Was, dass er das Geld nicht haben will?“
„Hast du gesehen, wie er die Tür zugemacht hat? Ich habe noch nie gesehen, wie so ein Dreikäsehoch so elegant eine Tür zu machen kann.“
„Na dann solltest du ihn bei jeder möglichen Gelegenheit anfordern, dann kannst du dich daran sattsehen, wie er jedes Mal die Tür schließt.“
„Warum sind die Hotelpagen dieser Welt bloß alle so klein?“
„Ganz einfach, damit sich der Gast größer fühlt, und wenn du so eine kleine stinkreiche Oma bist, dann muss der Page halt noch kleiner sein.“
„Ist das dein Ernst.“
„Klar!“
„Und warum hat der das Geld nicht genommen? Was hast du da? War ihm das zu wenig?“
„Ein Zehner.“
„Ein Zehner? Der hat doch nur meine Tasche hochgetragen und die Tür aufgemacht.“
„Und…, zugemacht! Vielleicht trainiert der dafür und so wie du das bewunderst, ist das wahrscheinlich der Bringer. Ich glaube aber vielmehr…, wer weiß…, vielleicht hätte er das Geld genommen, wenn deine neue Freundin nicht argwöhnisch im Flur gewartet hätte?“
„Meinst du? Das kann ihm doch egal sein, ob die da im Flur wartet.“
„Naja, vielleicht hatte er Angst, es abgeben zu müssen. Ist mir aber eigentlich scheiß egal. Ich gebe es ihm später, wenn es dich beruhigt.“
Während für Frank die Sache erledigt schien, hakte Sarah nochmal nach.
„Neue Freundin? Was meinst du mit neue Freundin?“
„Na, neue Freundin halt. Ich habe doch Augen im Kopf. Ich denke ihr werdet tolle Freundinnen. Wenn man euch so beobachtet…, warum seid ihr Frauen eigentlich so?“
„Wie sind wir denn?“
„Na so!“
Sarah tat sich schwer, mit dem was Frank da von sich gab. Aber wie es schien, war es genau das was er wollte. Sein lausbübisches Lächeln deutete jedenfalls darauf hin.
„Na so? Wie denn?“, hakte Sarah nochmal nach.
„Machen wir! Ununterbrochen, deshalb sind wir ja hier.“
„Na man, was hätte ich denn sonst sagen sollen? Als ob wir nicht wüssten, dass wir die Unterlagen mitbringen müssen. Deshalb sind wir doch hier.“
„Ja, aber die nimmt uns wahrscheinlich nicht für voll. Der ganze Zirkus hier…, die wollen uns einlullern und da dachte sie sich, wird sie uns lieber nochmal dran erinnern, weshalb wir eigentlich hier sind.“
„Aber da hat sie sich geirrt“, kommentierte Sarah schnippisch. „Du magst sie also auch nicht?“
„Siehst du, da ist es wieder. Das meine ich. Wieso seid ihr Frauen so?“
„Wie denn?“
„Stutenbissig!“
„Stutenbissig? Ich bin doch nicht eifersüchtig…? Oder sollte ich?“
„Darum geht’s doch gar nicht…“
„Doch, doch, sag schon.“
Sarah tat gleichgültig, schlenderte zum Fenster, riss die Vorhänge auf, aber eigentlich brannte sie auf eine Antwort.
„Sie ist nett, höflich, versucht uns jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Sie hat doch noch gar nichts falsch gemacht.“
„Oh doch! Sie hat schon ne Menge falsch gemacht. Das habe ich dir doch schon gesagt. Sie ist jünger als ich…, hat vermutlich auch noch was in der Birne…, sieht gut aus und das schlimmste ist…“
Sarah hielt inne während sie am offenen Fenster den Blick über den Marktplatz von Bern streifen ließ und tief einatmete.
„…sie hat noch nichts falsch gemacht!“
„Was? Ist das Frauenlogik? Alles was sie falsch gemacht hat ist, dass sie noch nichts falsch gemacht hat?“
„Ja genau! Das strengt an. Wir Frauen stehen im ewigen Wettkampf.“
„Also doch stutenbissig?“
Sarah schmiegte sich an Franks Schulter während sie ganz leise ein Ja hauchte.
„Hast du gerade Ja gesagt?“
„Ich?“
„Ja du! Sarah Fender gibt ihre Stutenbissigkeit zu?“
„Na sage mal, ist das jetzt dein Lieblingswort?“
Frank umschlang dabei Sarahs Hüfte, um sie dann problemlos auf den Arm zu nehmen. Sie genoss es, kuschelte sich an seinen Hals, während er sie hinüber zum Bett trug und vorsichtig in die Kissen legte.
Ohne ein Wort zu sagen legte er sich zu ihr, schlang seine Arme um sie und küsste ihren Hals ohne auch nur eine Stelle auszulassen. Sie schloss die Augen, genoss die Liebkosungen bis ihr ein leiser Seufzer über die Lippen kam. Frank hielt inne.
„Was machen deine Hände da?“
Sarah riss die Augen auf.
„Meine Hände?“
„Ja! Deine Hände!“
„Du meinst die hier…“
„Ja! Die da an meiner Hose rumfummeln.“
„Ach die…, na die fummeln an deiner Hose rum.“
„Jetzt?“
„Jetzt! Vermutlich wollen die das Revier der Stute markieren.“
„Ausgerechnet jetzt?“
„Die Natur ist zeitlos. Wann denn sonst?“
„Später…, vielleicht?“
„Oh nein! Jetzt und hier! Du hast doch gehört was meine neue Freundin gesagt hat, wir sollen uns Zeit lassen.“ „Das hat sie doch nur so gesagt.“ „Und das wiederum, ist mir jetzt scheißegal. Jetzt ist noch alles schön und frisch. Wer weiß, was uns hier noch alles erwartet? Du hast doch gesagt, ich soll es nur machen, wenn es sich gut anfasst, und das hier, das fasst sich gut an.“
„Aber das ist weder mein Arsch, noch sind es meine Arme.“
„Schon klar, aber ich wollte dir in Berlin auch nicht aufzählen, was sich alles an dir gut anfasst. Dann würden wir nämlich jetzt noch dastehen.“
„Und du bist dir ganz sicher, dass du das jetzt hier willst?“
Sarah wackelte gespielt unschlüssig mit dem Kopf.
„Na ja, wir können auch erst noch eine Supervision abhalten.“
„Ach…, kommt jetzt auch noch das Psychosoziale in dir durch?“
„Ja genau, ich komme jetzt meinen psychosozialen Pflichten nach. Davon abgesehen, wenn meine neue Freundin dich da drüben in der Bank um den kleinen Finger wickelt, dann habe ich ihr eins auf alle Fälle voraus. Hier in ihrem Revier.“
Frank erhob sich so, dass er auf Sarahs Hüfte saß. Langsam knöpfte er sein Hemd auf ohne sie aus den Augen zu lassen. Sarahs Hände, die ihn dabei unterstützen wollten, wies er ein aufs andere Mal zurück.
„Finger weg. Wenn ich mich vor dir schon ausziehen muss, dann will ich das alleine machen.“
„Och…, du Armer.“
Frank war fertig und beugte sich abgestützt über sie. Sein Blick nicht von ihr lassend streichelte er sanft über ihr Gesicht.
„Du bist echt ´ne Verrückte.“
„Ich weiß…, aber jetzt ist es zu spät. Du wolltest, dass ich mitkomme. Du hast dich nun mal auf mich eingelassen.“
„…ja…, das habe ich. Ich liebe dich.“
„Das will ich dir auch geraten haben. Vergiss das bitte nicht! Gut das wir das noch geklärt haben.“