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EINLEITUNG EINE GANZ NEUE WELT

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In der griechischen Mythologie wird erzählt, wie Prometheus sich dem Willen der Götter widersetzte, indem er den Menschen das Feuer brachte. Er wurde von Zeus hart bestraft, doch das Feuer galt bei den Griechen als Ursprung aller Künste und Wissenschaften. Die Geschichte ähnelt der vom biblischen Sündenfall, in der die Frucht vom Baum der Erkenntnis einen hohen Preis hat, jedoch gleichzeitig eine Voraussetzung dafür ist, uns Menschen so werden zu lassen, wie wir sind.

Ein paar Tausend Jahre später, 1818, erschien Mary Shelleys Roman Frankenstein, mit dem Untertitel Der moderne Prometheus. Der Inhalt zeigt, wohin es führen kann, wenn der Mensch in seinem hochmütigen Ehrgeiz zu weit geht und versucht, Gott nachzueifern. Als das Buch geschrieben wurde, hatten Wissenschaftler gerade herausgefunden, dass man tote Frösche zum Zappeln bringen kann, wenn man Stromstöße in ihre Körper leitet. Einige Leute glaubten, dass man möglicherweise eine göttliche, lebenserschaffende Kraft entdeckt hatte. Shelley ging von jüdischen Mythen und Golems aus und kreierte das Schreckensszenario eines Wissenschaftlers, der Kräfte anwendet, ohne sie richtig zu verstehen und ohne zu wissen, wie er damit umgehen soll. Im Roman geht es auch darum, dass ein Wissenschaftler nicht wagt, Verantwortung für sein Werk zu übernehmen, und sein neuerwachtes Ungeheuer seinem Schicksal überlässt. Es wird deutlich, dass die Katastrophe vermeidbar gewesen wäre, wenn Viktor Frankenstein die Stellung gehalten und seinem Geschöpf Einhalt geboten hätte.

Hundertfünfundsiebzig Jahre später, 1993, kam der Film Jurassic Park in die Kinos, in dem wiedererschaffene Dinosaurier Amok laufen, weil Wissenschaftler nicht in der Lage sind, ihre Begeisterung und Neugierde zu zügeln. Die Botschaft lautet, dass umwälzendes Wissen und gottähnliche Fähigkeiten uns teuer zu stehen kommen können. Gleichzeitig wird die Vorstellung verdeutlicht, dass wir ohne diese treibende Kraft keine Menschen wären.

Es erscheint vielleicht albern, sich in der heutigen Zeit von alten Mythen beeinflussen zu lassen, doch ich glaube, diese Geschichten waren der Grund dafür, dass ich mit ziemlich gemischten Gefühlen reagierte, als ich zum ersten Mal von wissenschaftlichen Versuchen hörte, ausgestorbene Tiere mithilfe moderner Gentechnik wieder zum Leben zu erwecken.

Zuerst war ich vollkommen begeistert. Ich fühlte mich wie ein aufgekratzter Teenager bei der Vorstellung, ein lebendiges Mammut, einen Dinosaurier oder irgendein anderes Tier, das im Laufe der Geschichte verschwunden war, zu Gesicht zu bekommen. Mit eigenen Augen zu sehen, wie sie sich bewegen und zu hören, welche Geräusche sie machen. Wie riecht ein Mammut eigentlich? Wippen Dinosaurier beim Gehen vor und zurück wie die heutigen Vögel? Muhen Auerochsen genauso wie Kühe?

Wissenschaftler versuchen, zahlreiche weniger spektakuläre aber mindestens genauso interessante Tiere zurückzuholen. Beispielsweise den australischen Magenbrüterfrosch. Das Weibchen schluckte seine befruchteten Eier herunter, die sich in seinem Magen zuerst zu Kaulquappen und dann zu kleinen Fröschen entwickelten. Schließlich spuckte es die quakenden Jungen aus, die bereit waren, die Welt zu erkunden. In den 1980er-Jahren starb die Art aufgrund einer Pilzerkrankung aus, die weiterhin viele andere Froscharten bedroht. Der Versuch, den Magenbrüterfrosch wieder zum Leben zu erwecken, trägt den Namen Lazarus, nach der Geschichte, in der Jesus einen Mann von den Toten erweckt.

Alle Projekte in diesem Buch begannen mit dem Gedanken „Wow! Das hier könnte tatsächlich funktionieren. Natürlich werden wir es versuchen!“ Im Grunde werden die Wissenschaftler von derselben Neugierde angespornt, die zehnjährige Kinder dazu bringt, die Namen sämtlicher Dinosaurier, die es jemals gegeben hat, auswendig zu lernen, und die Entdeckungsreisende zu immer ferneren Horizonten treibt. Man lässt sich leicht mitreißen und von der überschäumenden Energie anstecken.

Mein zweites Gefühl war jene uralte Furcht: Ist das Ganze wirklich eine gute Idee? Wer weiß, welche ungeahnten negativen Konsequenzen es nach sich ziehen könnte? Wird es womöglich Kräfte entfesseln, die sich nicht mehr zügeln lassen? Diese Befürchtungen gründen sich einerseits auf mythologische Quellen, andererseits gibt es zahlreiche reale Beispiele dafür, dass wohlgemeinte menschliche Absichten verheerende Folgen für die Natur haben können.

Ein aus heutiger Sicht absurdes, aber anschauliches Beispiel ist der Amerikaner Eugene Schieffelin, der im Jahre 1890 begann, europäische Vögel in New York auszusetzen, mit dem Ziel, alle in Shakespeares Werken genannten Vogelarten in den Vereinigten Staaten heimisch zu machen. Schieffelin gehörte zu einem hochangesehenen wissenschaftlichen Komitee, das seinem Projekt große Unterstützung zukommen ließ. Es war ein Teil der sogenannten Akklimatisationsbewegung, die sich dafür einsetzte, europäische Tierarten auf anderen Kontinenten auszuwildern.

Die meisten dieser Vogelarten starben nach ein paar Jahren aus, aber die hundert Stare, die im Central Park freigelassen wurden, vermehrten sich rasch. Sie verdrängten viele amerikanische Vögel, während sie sich auf dem gesamten Kontinent ausbreiteten. Heute gibt es in den USA ungefähr zweihundert Millionen europäische Stare, die ein großes Problem für Natur und Landwirtschaft darstellen. All dies mit dem hehren Ziel biologischer und kultureller Bereicherung.

Als Wissenschaftsjournalistin sehe ich jeden Tag Beispiele dafür, wie das Leben fast aller Menschen durch wissenschaftliche Neugier und Energie verbessert wird. Dabei geht es beispielsweise darum, welche Technologien wir anwenden, welche Medikamente wir einnehmen, welche Nahrung wir essen und welche Kleider wir tragen. Ich bin ernsthaft davon überzeugt, dass die Welt immer besser wird und dass dies vor allem der modernen Forschung zu verdanken ist. Doch Optimismus und Vertrauen in die Zukunft können mein ungutes Gefühl im Magen nicht ganz vertreiben.

Heute entwickeln sich Gen- und Biotechnik etwa genauso rasant wie die digitale Technik in den Neunzigerjahren, vielleicht sogar noch schneller. Dies bedeutet, dass Wissenschaftler bereits Dinge tun können, die man noch vor wenigen Jahren für unmöglich gehalten hat. Es bedeutet andererseits auch, dass sie sehr bald Dinge tun können werden, die heutzutage noch als unmöglich gelten, und dass es vielleicht möglich sein wird, Mammuts wiederzuerschaffen.

Neue Methoden, das Erbgut verschiedenster Organismen, von Bakterien bis hin zu Menschen, umzubauen, haben eine Unzahl neuer Möglichkeiten geschaffen, jedoch auch eine Unzahl von Ängsten. Dies wirkt besonders furchterregend, da es alles so neu ist. Wie damals, als die Computer kamen, fehlt uns der Zusammenhang, in den wir die Entwicklung einordnen können, etwas, das uns hilft, sie zu verstehen und vorauszusehen, wohin sie führen wird.

Ich glaube, dass unsere Gesellschaft durch Gen- und Biotechnik genauso grundlegend verändert werden wird wie durch die Digitalisierung. Ich bin auch überzeugt davon, dass der Großteil dieser Veränderungen positiv sein wird. Gleichzeitig werden vermutlich enorme Probleme entstehen. Meiner Auffassung nach bringt es uns nicht weiter, wenn wir uns weigern, die Angst ernst zu nehmen, sie zu analysieren und zu erwägen, in welchen Fällen sie ihre Berechtigung hat. Es geht um die praktischen Aspekte: Wie können wir vermeiden, dieselben Fehler zu machen wie Viktor Frankenstein oder Eugene Schieffelin? Doch es geht auch um die philosophischen Aspekte: Wie wird die Fähigkeit, das Leben zu manipulieren, uns Menschen, unsere Kultur und unsere Gesellschaft beeinflussen?

Als ich von diesen Projekten erfuhr, war mein dritter Gedanke, dass es sich bei der Wiedererweckung ausgestorbener Tiere um Nostalgie handelt, um die Sehnsucht nach einer verlorenen Welt. Ich begegnete alten Männern, die von Unsterblichkeit zu träumen scheinen. Vier der enthusiastischsten Wissenschaftler innerhalb dieses Feldes sind alle älter als sechzig. Ich lernte auch Ben Novak kennen, der noch keine dreißig ist und beschlossen hat, sich für den Rest seines Berufslebens mit der Wiedererweckung einer ausgestorbenen Taube zu beschäftigen. Alle verbindet das tiefe Gefühl, dass die Welt und die Menschheit etwas Wichtiges verloren haben und dass dieses Etwas vielleicht zurückgeholt werden kann. Auf die Fragen, was genau wir verloren haben, und wann es verschwunden ist, haben sie alle unterschiedliche Antworten.

Begeisterung, Furcht und Nostalgie waren bei der Arbeit an diesem Buch ständig präsent. Doch ich habe auch eingesehen, dass es sehr viel mehr über die Wissenschaftler zu berichten gibt, die versuchen wollen, Tiere von den Toten zurückzuholen. Bei den Versuchen geht es außerdem noch um etwas anderes, das vielleicht noch wichtiger ist.

Die Wissenschaftler, mit denen ich geredet habe, streben alle danach, die Welt reicher, wilder und besser zu machen. Sie sind überzeugt davon, dass wiedergeborene Tierarten zu dieser Zukunft beitragen können. Henri Kerdijk-Otten, der einen Auerochsen erschaffen will, George Church, der versucht ein Mammut zusammenzupuzzeln, William Powell, der die majestätischen amerikanischen Kastanienbäume wiedersehen möchte und so weiter. Sie alle streben danach, nicht nur ein einzelnes Exemplar zu erschaffen, sondern eine ganze Art, die in die Natur zurückgeführt werden kann.

Die einzige Ausnahme bildet Jack Horner, der versucht, einen Dinosaurier wiederzuerschaffen. Dieses Experiment unterscheidet sich von allen anderen und wenn Sie nur zu diesem Buch gegriffen haben, weil es Sie interessiert, ob es tatsächlich möglich wäre, einen Jurassic Park zu kreieren, empfehle ich Ihnen, umgehend das Kapitel 13 aufzuschlagen. Hoffentlich finden Sie es dann so spannend, dass Sie hierher zurückkehren. Wenn Sie mehr über alle Projekte erfahren wollen, finden Sie Quellen und Anmerkungen im Anhang.

Es bleibt abzuwarten, wie die Wiederauferstehung einer Art eigentlich funktionieren soll. Im Prinzip sind all die verschiedenen Projekte in diesem Buch auf mindestens einen großen wissenschaftlichen Durchbruch angewiesen, damit sie gelingen. Auf der anderen Seite geschehen derartige Durchbrüche heutzutage so schnell, dass dies kein besonders großer Stolperstein sein dürfte.

Die Idee, ausgestorbene Tiere neu zu erschaffen, ist für mich so faszinierend, weil allein die Vorstellung meine Welt größer macht und schwindelerregende neue Möglichkeiten eröffnet. Dennoch gibt es eine grundlegende Frage, die wir uns gemeinsam stellen müssen: Wie stark soll der Mensch die Natur kontrollieren? Wenn wir jetzt an der Schwelle stehen, ausgestorbene Tiere erneut zum Leben zu erwecken, wilde Arten umzuformen, ganz neue Lebensformen zu erschaffen, die niemals von selbst entstanden wären – was sollen wir mit diesem Wissen anfangen?

Ist es eine gute Idee, ausgestorbene Tiere wiederzuerschaffen? Ich werde mein Bestes tun, um zu erklären, wie es vonstattengehen könnte, und dann müssen Sie selbst eine Antwort auf diese Frage finden.

Wie klone ich ein Mammut?

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