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ZU RISIKEN UND NEBENWIRKUNGEN …

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Ich traue keiner Wettervorhersage mehr. Stimmt sowieso meistens nicht.

Wie gut, dass ich schon fortgeschrittenen Alters bin. Dann ist man nämlich sein eigener Wetterprophet. Unabhängig von Wetterfröschen jeglicher Couleur kann man seine persönlichen Vorhersagen treffen. Allerdings klappt das nur bei denjenigen, deren Propheten-Gene von Großvater auf den Vater und von diesem auf einen selbst weitergereicht wurden. Mein Opa konnte zum Beispiel wegen seiner Gicht sagen, wann das Wetter umschlug. Mein Vater hatte dafür seine Kriegsverletzung. Ich benutze jetzt dafür mein Knie. Seit sich das Rheuma darin eingenistet hat, kann ich wunderbar das Wetter prognostizieren: Stufe 1 für leichte Wetterumschwünge, Stufe 2 für Orkane und Blizzards und Stufe 3 tritt bei Erdbeben und Tsunamis in Aktion. Die Stufen 2 und 3 sind mir allerdings bisher erspart geblieben. Aber Stufe 1 ist doch schon mal ein netter Einstieg.

Tagsüber habe ich ja nichts gegen diese Art Wettermeldungen. Nur nachts würde ich gern ein paar Stündchen schlafen. Wie gut, dass ich im Wartezimmer vom Doktor über das Wundermittel „Schmerz ade“ oder „vale dolores“ – wie die Lateiner sagen – las. Ich also hin zur Apotheke, das Zeug gekauft und ab ins heimische Badezimmer.

Als ich die Dolores-Flasche öffnete, strömte mir ein wahrhaft umwerfender Geruch von Knoblauch-Kampfer-Ammonial-Wein- und Himbeergeist mit einem Schuss Petroleum entgegen. Mir wurde leicht schwindelig. Aber ich wollte das Gebräu ja weder trinken noch inhalieren, sondern nur mein Knie damit einreiben. Da darf man nicht immer zimperlich sein. Was soll ich sagen? Drei Tage später war ich schmerzfrei! Gut, die Haut warf Blasen und die Fliesen im Badezimmer fielen durch den penetranten Geruch herunter. Aber die Wandbekleidung wollte ich sowieso schon lange auswechseln.

Da entdeckte ich, dass Hannibal, mein Kater, voller Zecken saß. Warum sollte ihm das Mittel nicht auch helfen? Er sträubte sich zwar, aber Dolores würde auch bei ihm Wunder wirken. Und richtig: Jetzt ist er völlig von Zecken befreit. Allerdings auch vom Fell. Als süßer gregorianischer Nacktkater räkelt er sich nun in seinem Körbchen. So ist er ohnehin viel pflegeleichter.

Einige Tage später erzählte mir Frau Müller aus dem Nachbarhaus, ihre Tochter habe sich aus der Schule Läuse mit nach Hause gebracht, aber das Anti-Läuse-Mittel habe nichts genützt. Ich empfahl ihr Dolores und überließ ihr den halben Flascheninhalt.

Bereits zwei Tage später sah ich das kleine Mädchen fröhlich durch den Garten hüpfen. „Meine Läuse sind alle tot!“, erzählte es mir freudestrahlend. „Zusammen mit den Fliegen in unserer Wohnung, der Maus unter der Waschmaschine und den Blattläusen auf den Topfpflanzen konnte Mutti alles zusammenkehren. Zur Schule brauche ich im Moment auch nicht. Seit ich mit meinem Dolores-Kopf dort war, leidet unsere Lehrerin an Atemnot. Jetzt habe ich zusätzlich noch ein paar Tage Ferien!“ Sprach’s und hopste vondannen. Ich war hoch zufrieden mit meinem Mittel und wartete darauf, dass mir Frau Müller den Rest von Dolores zurückgab.

Eine Woche später knallte es fürchterlich in der Nachbarschaft. Feuerwehr und Krankenwagen rückten an. Ich stürzte auf die Straße, um nach der Ursache des Aufruhrs zu forschen. Da stürmte mir Frau Müller völlig aufgelöst entgegen, in der Hand die Dolores-Flasche mit dem Rest der Flüssigkeit. „Sie!“, schrie sie mit überkippender Stimme, „Sie mit Ihrem Teufelszeug!“ Sie schwenkte die Flasche vor meinen Augen und keifte weiter: „Ich dachte, ich könnte vielleicht den Maulwurf, der seit Wochen meinen Rasen ruiniert, auch damit beseitigen! Aber das Zeug hat die ganze Grünfläche gesprengt! Ich verklage Sie auf Schadensersatz!“ Wütend warf sie mir die Flasche vor die Füße. Sie zerbrach. Die Flüssigkeit sickerte auf die Betonplatten. Ich verstand die Welt nicht mehr. Bisher war doch alles so gut gelaufen! Allerdings hatte ich von „Maulwurfbekämpfung“ in der Gebrauchsanweisung auch nichts gelesen.

Während ich noch über den völlig überzogenen emotionalen Ausbruch meiner Nachbarin nachdachte, zerbröselten durch Dolores’ Einwirkung die Betonplatten unter meinen Füßen. Ich stürzte ins Haus und riss den Beipackzettel von „Schmerz ade“ aus der Verpackung. Vor meinen Augen tanzten die Buchstaben, als ich las: „Zu den riesigen Nebenwirkungen befragen Sie weder Ihren Arzt noch Ihren Apotheker, sondern alarmieren Sie umgehend Umweltschutz, GSG 9, THW, Katastrophenschutz und die nächstgelegene Hubschrauberstaffel …“

Dann umfing mich eine gnädige Ohnmacht.

Rette mich wer kann!

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