Читать книгу Leben in Kommunen - Tristan Nolting - Страница 10
ОглавлениеVisionen einer Gemeinschaft
„Es sagte ein Philosoph zu einem Straßenfeger: Ich bedaure dich. Hart und schmutzig ist dein Tagewerk. Und der Straßenfeger sagte: Vielen Dank, Herr. Aber sage mir, was für eine Arbeit hast du? Und der Philosoph antwortete: Ich studiere des Menschen Geist, seine Taten und sein Verlangen. Da fuhr der Straßenfeger fort, zu fegen, und sagte mit einem Lächeln: Ich bedaure dich auch.“
―Khalil Gibran
So sehr ich auch die Philosophie liebe und sie als einen wichtigen Teil meines Lebens erachte, so bin ich mir auch im Klaren darüber, dass die Disziplin im politischen Handlungsfeld keine Lösungen schaffen kann. Das vorrangige Ziel der Philosophie ist es, sprachliche Verbindungen zwischen Elementen des Innen- und Außenlebens herzustellen, um ein logisches Bild von der Wirklichkeit zu ermöglichen. Überall dort, wo die sprachliche Logik versagt, sprich im Irrationalen (Emotionalen) und in ihrer eigenen grammatikalischen Begrenzung (für manche Dinge gibt es weder Wörter noch passende Beschreibungen, sondern nur Erfahrungen, wie beispielsweise bei den Begriffen Gott, Liebe, Orgasmus oder Bewusstsein), findet sie keine Lösungen. Sie kann also lediglich Metaphern zur Aufarbeitung bekannter Phänomene bieten. Alles, was sich dem Bekannten entzieht, ist der Spekulation unterworfen. Diese Grundannahme, welche auch Platon in seinen freien Künsten beschrieb, habe ich in meinem ersten Werk (Odyssee im 21. Jahrhundert) als Relationsprinzip der Sprache bezeichnet und wie folgt erklärt:
„Alles, was wir denken können, muss immer Bezug auf unsere Außenwelt haben. Sprache setzt somit als Kommunikationsmittel immer einen eindeutigen Bezug zwischen verschiedenen Wörtern voraus. Besonders deutlich wird es, wenn man die Bedeutung der Wörter Sinn und unsere fünf Sinne(sorgane) oder auch Stimme und Stimmung vergleicht. Dieses (von mir als) «Relationsprinzip der Sprache» bezeichnete Phänomen zeigt auf, dass Sprache immer nur durch Metaphern und Gleichnisse funktioniert. Ganz wichtig zu verstehen: Schwierig wird es, sobald Metaphern als allgemeingültig aufgefasst werden. Wer unterschiedliche Metaphern und Gleichnisse gelernt hat, bei dem führt die Kommunikation automatisch zum Diskurs über die Objektivität. Der Kommunikationspartner hat während seiner Erziehung eine andere Umwelt erlebt, und kann nicht auf die jeweilige Situation genau gleich angepasst sein. Eine Allgemeingültigkeit ist (durch Sprache) praktisch ausgeschlossen.“16
Im Sinne der allgemeinen Überprüfbarkeit kann die Philosophie in dem emotional aufgeladenen Spannungsfeld der Politik nicht weiterhelfen. Vielmehr kann Sie erst dann richtig angewandt werden, sobald die Menschheit eine emotionale und rationale Ausgeglichenheit erlangt hat und tolerant über die gelernten Metaphern wird. Wer beispielsweise nicht versteht, dass der Islam den heiligen Kampf als Metapher zur Aufforderung des inneren Lernens auffasst, sondern ihn als tatsächlich äußerlich auszuführenden Kampf versteht, der erkennt nicht seine eigene Begrenzung durch die Metaphorik (Relationsprinzip der Sprache). Metaphorik selbst bedeutet somit in meinem Kontext die Schaffung von Toleranz. Erst die Toleranz ermöglicht einen Konsens verschiedener Gleichnisse über dasselbe Prinzip. Und selbst die Toleranz ist nur eine Metapher, ein Sinnbild. Denn alles unterliegt nur dem höchsten Prinzip („Gott“), für das wir keinen Begriff und somit auch keine Metapher kennen. Hier versagt die menschliche Vorstellungskraft. Die Philosophie kann zwar versuchen, immer neue Metaphern zu schaffen, allerdings wird durch die Sprache lediglich eine neue Auslegung geschaffen, eine neue Perspektive auf dasselbe bereits bekannte Phänomen. Die Beschreibung des Phänomens selbst sollte jedoch nur zur Annäherung ihrer Gestalt führen, nicht zu ihrer objektiven Deutung. Denn die Lösung liegt nicht nur im erstrebenswerten Appell, der idealistischen Auslegung ihrer Gestalt, sondern auch in der realistischen Handlung, der pragmatischen Seite ihrer Gestalt, ob Liebe, Gott, Bewusstsein oder wie man es nennen mag. Nach jenem Prinzip sollte jedes Ziel ausgerichtet sein, so auch das von mir nun auf die Praxis ausgerichtete Modell. Diese vorgestellte Gesellschaftsform sollte möglichst unabhängig von philosophischen Theorien und Konzepten sein, wie sie in den letzten Jahrhunderten von vermeintlichen Aufklärern erarbeitet wurden. Sie sollte vielmehr auf den erfahrbaren Gesetzmäßigkeiten der Innen- und Außenwelt beruhen und verständlich gemacht werden. Hierzu ist es hilfreich, das erklärte Relativitätsprinzip der Sprache und die Bedeutung der Metaphorik zu verstehen. Ich bitte also um weitere Recherche und Überprüfung meiner Thesen. Als Bedingung für den weiteren Verlauf und die Erläuterung des Gesellschaftsmodells werden nun im nächsten Kapitel die Gesetzmäßigkeiten (Hermetischen Gesetze) als Ausgangspunkt für unsere persönliche Wahrnehmung definiert. Und wer seine eigene Wahrnehmung versteht, der kann auch erkennen, wie er leben möchte.