Читать книгу Ende gut, alles gut - Katja Freeh, u.a. - Страница 7

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Ihr privates Handy klingelte. Obwohl Michelle nicht gestört werden wollte, hatte sie wohl vergessen, es stummzuschalten. Eigentlich kannte ja auch kaum jemand die Nummer.

Cindy natürlich. Seit sie in Florida war, hatte sie schon mehrmals angerufen. Aber sie telefonierten normalerweise abends, denn Cindy wusste, wie sehr Michelle es hasste, unerwartet aus der Arbeit gerissen zu werden, wenn es nicht um etwas Geschäftliches ging.

»Soll ich Ihnen das abnehmen?«, fragte Mrs. Lebowski und trat einen Schritt zur Tür von Michelles Büro herein, als Michelle das Gespräch nicht annahm.

Sie war wirklich wie eine Mutter, die immer wusste, was ihr Kind brauchte, dachte Michelle. Weit mehr als eine Sekretärin. »Nein, ist schon gut. Danke, Mrs. Lebowski.« Den Blick immer noch auf die Geschäftsunterlagen am Bildschirm gerichtet angelte Michelle geistesabwesend mit der linken Hand nach dem Smartphone, das auf dem Tisch lag. »Das ist bestimmt nur –« Ihre Augen öffneten sich erstaunt und sie brach ab, als sie endlich auf das Display sah. Cindy, hatte sie sagen wollen, aber was sie wirklich sagte, war: »Candice?«

»Hallo Michelle.« Die liebliche und für das Verkünden auch schlimmster Nachrichten perfekt ausgebildete Stimme von Candice drang zwischen ihren Lippen beziehungsweise aus dem Lautsprecher des Handys hervor. »Wie geht’s dir?«

»Gut«, antwortete Michelle automatisch. Obwohl sie noch nicht einmal wusste, ob das in der Tat so stimmte. Aber es war eben die mechanische Antwort, die man gab, wenn man so etwas gefragt wurde. »Und dir?«

»Oh, sehr gut.« Candice’ Mundwinkel schienen ein wenig zu zucken. »Cindy, Mel und ich haben schon das eine oder andere unternommen, seit Cindy hier ist.«

»Ach?« Michelles Augen wanderten von dem Display mit Candice’ schönem Gesicht zu ihrem PC-Bildschirm hinüber. Aber da sie nicht unhöflich sein wollte, schwenkte sie sie wieder zurück.

»Gut, dass sie allein hier ist«, bemerkte Candice in diesem Augenblick anzüglich.

Diesen Ton kannte sie doch. Michelle hob die Augenbrauen. »Sie ist verheiratet, Candice. Sie ist meine Frau.«

»Ich weiß. Schließlich war ich auf eurer Hochzeit.« Candice nickte locker und betrachtete dann ihre Fingernägel. »Aber du weißt, dass mich solche Bagatellen noch nie gestört haben.«

Von dieser ihr zwar bekannten, im Moment aber unerwartet ausgesprochenen Ansicht schwer auf dem falschen Fuß erwischt schnappte Michelle nach Luft, und gleichzeitig fiel ihr fast die Kinnlade herunter. »Candice!«

»Siehst du«, stellte Candice mit dem berauschenden Fernsehlächeln fest, das auch über den kleinen Bildschirm des Handys gut rüberkam. »So ist das. Früher hat dich das nie gestört, wenn ich dir von irgendwelchen Affären mit verheirateten Frauen oder Männern erzählt habe. Du fandst das ganz normal. Jetzt bist du verheiratet, und schon . . .«, sie machte eine wegwerfende Geste mit ihren perfekt lackierten langen Fingernägeln, sodass man sich fragte, was sie zuvor dort so prüfend betrachtet hatte, »legst du ganz andere Maßstäbe an. Kommst mir mit irgendeiner Moral. Das hat uns früher nie interessiert, als wir beide noch –« Sie brach genauso süffisant ab, wie sie begonnen hatte. »Also jedenfalls . . . diese Probe, die ich gesehen habe . . . in dem Lokal, wo deine Frau«, sie betonte das sehr, »gesungen hat –«

»Sie hat was?« Michelle fiel fast vom Stuhl. »Ich wusste nicht, dass sie singen kann.«

»Da kannst du mal sehen . . . Das ist doch ein Beweis dafür, dass du dich zu wenig um deine Frau kümmerst. Weshalb ich da jetzt ausgesprochen gern einspringe, wenn du keine Zeit dafür hast.« Candice’ Lächeln war nicht wirklich mehr ein Lächeln. Es war das, was sie sich in der Öffentlichkeit als Äußerstes in Richtung Grinsen erlaubte, um ihr Image nicht zu gefährden. »Denn ich kann dir sagen . . . dieses Kleid, das sie da trägt . . . mit diesem Schlitz bis zum Bauchnabel . . .«, fuhr sie genüsslich fort. »Und hauteng. Darin ist sie wirklich . . .«, sie führte ihre Fingerspitzen an die Lippen und machte ein Kussgeräusch, »absolute Sahne. Ich kann überhaupt nicht begreifen, wie du sie so vernachlässigen kannst.« Ihre Mundwinkel zuckten nun endgültig amüsiert. »Gut, dass sie jetzt hier ist. Und ich auch. Während du . . . lieber arbeitest.« Sie machte eine kleine, auf Wirkung angelegte Pause. Wie vor der Kamera, wenn sie die Zuschauer auf das, was jetzt kommen würde, neugierig machen wollte. »So ein Weihnachtsgeschenk kriegt man selten.«

»Weihnachtsgeschenk?« Michelle war baff. »Sie ist doch nicht –«

Candice ließ sie gar nicht erst ausreden, sondern hob nur die Hand, um die Verabschiedung einzuläuten. »Also dann . . . mach’s gut. Viel Spaß in Anaheim. Wir . . .«, sie blickte zur Seite, als wäre da etwas, das sie sehen konnte und worauf sie sich sehr freute, ihr Gesicht leuchtete geradezu auf, »werden hier bestimmt viel Spaß haben. Das kann ich dir versprechen. Kannst es dir ja dann von . . . deiner Frau erzählen lassen, wenn sie zurückkommt.« Sie machte eine kurze Pause. »Ich meine . . . wenn sie zurückkommt.« Der Bildschirm wurde dunkel.

Perplex sank Michelle wie ein nasser Sack in ihren Bürosessel zurück, denn sie hatte sich zuvor während des Gesprächs von Sekunde zu Sekunde angespannter aufgerichtet. Was war denn hier auf einmal los?

»Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«, fragte Mrs. Lebowski von der Tür her.

Es war eine Art stille Verabredung zwischen ihnen, dass sie Michelle jederzeit ansprechen konnte, wenn die Tür offenstand. Wollte Michelle das nicht, schloss sie die Tür.

Tief durchatmend schüttelte Michelle den Kopf. Wahrscheinlich sah das immer noch so fassungslos aus, wie sie sich fühlte. »Nein, danke, Mrs. Lebowski.« Sie richtete sich wieder auf und saß kerzengerade in ihrem Stuhl, wie ein braves Schulmädchen.

Dennoch trat Mrs. Lebowski einen Schritt ins Büro hinein. Ihre Miene wirkte besorgt. »Ist irgendetwas mit . . . Cindy?«

Könnte man vielleicht so sagen, dachte Michelle. Obwohl ich ja selbst noch nicht einmal genau weiß, was es ist. »Wussten Sie, dass sie singen kann?« Fragend wandte sie ihr Gesicht ihrer Vorzimmerdame zu.

»Ja.« Mrs. Lebowski nickte. »Sie hat eine sehr schöne Stimme. Sheryl und sie haben einmal Happy Birthday für mich gesungen.« Sie schmunzelte. »Ich weiß gar nicht, wie sie meine Tochter dazu gebracht hat. Sie macht so etwas normalerweise nicht.«

»Cindy kann«, Michelle räusperte sich, »sehr überzeugend sein.«

»Sie ist ja auch eine außergewöhnlich nette junge Frau«, antwortete Mrs. Lebowski lächelnd. »Aber das muss ich Ihnen ja nicht sagen. Sie kennen sie besser als ich.«

Da bin ich gar nicht mehr so sicher, dachte Michelle.

»Wie geht es ihr?«, kehrte Mrs. Lebowski wieder zu dem etwas besorgten Gesichtsausdruck zurück, mit dem sie hereingekommen war. »Ist in Florida etwas passiert?«

Wenn ich das nur wüsste. Michelle konnte sich immer noch keinen richtigen Reim auf das Gespräch mit Candice machen. Sie kannten sich schon sehr lange, und eigentlich war Candice nie jemand für Intrigen gewesen. Auch wenn sie in ihrem Job mehr als genug damit konfrontiert wurde. Sie ignorierte das einfach und beteiligte sich nicht daran. Intrigen machen Falten, sagte sie immer. Und die wollte sie natürlich nicht haben.

»Nein, es ist nichts passiert«, beruhigte sie Mrs. Lebowski mit einem weiteren Kopfschütteln. »Sie scheint sich dort unten sehr gut zu unterhalten.«

Mrs. Lebowskis Gesicht hellte sich auf. »Dann ist es ja gut. Heutzutage weiß man ja nie . . .«

»Nein, nein.« Michelle wusste nicht genau, was sie tun sollte. Das war ein Zustand, den sie zwar durchaus kannte, aber noch nicht sehr oft erlebt hatte. Und mögen tat sie ihn noch viel weniger. »Sie ist ja bei ihrer Mutter.« Warum hatte sie das gesagt? Sollte sie das jetzt beruhigen?

»Sie sollten auch runterfliegen. Zu Weihnachten bei der Familie sein. Das ist doch immer das Schönste.« Begütigend hob Mrs. Lebowski die Hände. »Ich weiß, ich weiß. Sie können hier nicht weg. Aber wenn ich alle meine fünf Kinder zu Weihnachten um mich habe inklusive Anhang und Enkelkinder, bin ich einfach glücklich. Eine andere Art Weihnachten kann ich mir nicht vorstellen.«

»Ich habe keine fünf Kinder«, erwiderte Michelle ziemlich brüsk. Was sie gar nicht hatte sein wollen, aber diese Situation überforderte sie etwas. Geschäftliche Situationen taten das nie, private jedoch oft. »Und schon gar keine Enkel.«

»Was nicht ist, kann ja noch werden.« Mrs. Lebowski zwinkerte unbeeindruckt von Michelles Reaktion eindeutig herausfordernd. »Cindy ist ja noch jung.«

Das vertrieb die aus alter Gewohnheit so brüske Reaktion in Michelle und sie musste lachen. »Da trauen Sie ihr aber einiges zu. Dennoch ist es sehr nett von Ihnen, dass Sie wenigstens nicht davon ausgehen, dass ich die Kinder kriegen muss.«

»Erstens«, entgegnete Mrs. Lebowski trocken, »sind Sie«, sie hüstelte, »nicht mehr ganz so jung, und zweitens«, mit einem anerkennenden Blick musterte sie Michelle, »haben Sie hier eine Aufgabe, die sich schwer mit einer Schwangerschaft vereinbaren lässt. Und die kaum jemand anderer so gut erledigen könnte wie Sie.« Sie lächelte. »Ich bin froh, dass Sie da sind.« Damit drehte sie sich um und kehrte in ihr Vorzimmer zurück.

Woraufhin Michelle wieder mit ihren Gedanken allein war. Ihre Mundwinkel zuckten, dann lächelte sie leicht kopfschüttelnd. Mrs. Lebowski ließ manchmal so ganz nebenbei Sachen fallen . . . Oder die ganze Familie Lebowski. Ihre Tochter war ja genauso. Und vermutlich ihre restlichen Kinder auch. Die hatte Michelle noch nicht kennengelernt.

Normalerweise hätte sie sich jetzt einfach erneut ihrer Arbeit gewidmet, aber irgendwie erschien es ihr so, als wäre nichts an der aktuellen Situation normal. Also lehnte sie sich in ihrem Sessel zurück und dachte darüber nach. Sollte sie Cindy anrufen, um sich zu vergewissern, was da los war? Es konnte doch nicht sein, dass das stimmte, was Candice da angedeutet hatte. Aber warum hatte sie es dann angedeutet? Das war nicht gerade typisch für Candice.

Sicher, sie war keine Kostverächterin. Eine schöne junge Frau wie Cindy wäre ihr jederzeit ins Auge gefallen und hätte ihr Interesse erweckt. Mit Ehefrauen hatte sie auch kein Problem, wie sie selbst richtig gesagt hatte. Wenn die eine Affäre wollten oder sich auf eine einließen, war das eindeutig ihr Problem, nicht das von Candice. Aber mit Cindy?

Michelle fühlte, wie sich wieder Spannung in ihr aufbaute. Sie konnte Cindy vertrauen, das wusste sie. Wusste sie das? Auf einmal erinnerte sie sich daran, wie enttäuscht Cindy gewesen war, als sie nicht mit ihr über ein gemeinsames Weihnachtsfest sprechen wollte. Sie hatte gar nicht weiter darüber nachgedacht. Es war so selbstverständlich für sie, dass Weihnachten Arbeit bedeutete, nicht Vergnügen. Jedenfalls nicht für sie selbst. Und schon gar nicht privat.

Und schließlich hatte sie Colorado angeboten nach Weihnachten. Oder nicht? Sie runzelte die Stirn. Wahrscheinlich hatte sie die Tatsache unterschätzt, dass manche Leute dachten, Weihnachten müsste genau an dem Tag stattfinden, der dafür im Kalender vorgesehen war.

»Michelle?« Fragend blickte Chris zur Tür herein, die noch immer offenstand. »Hast du gerade Zeit?«

Hier komme ich ja sowieso nicht weiter, seufzte Michelle innerlich. Ist wie ein Taubenschlag heute. »Ja, komm rein.« Sie winkte mit der Hand und schaute ihrer Sicherheitschefin entgegen.

»Es geht um die besonderen Sicherheitsmaßnahmen für Weihnachten«, sagte Chris, kam auf Michelles Schreibtisch zu und legte ein Tablet darauf. »Hab’s noch nicht hochgeladen. Ich wollte erst, dass du es anschaust.«

»Ist das nicht dasselbe wie jedes Jahr?«, fragte Michelle, warf aber einen Blick auf den Bildschirm des Geräts.

Chris grinste. »Da bin ich in gewisser Weise überfragt. Ist mein erstes Weihnachten als Sicherheitschefin von Disneyland

»Ja natürlich.« Michelle nickte. »Das hatte ich schon fast vergessen.« Auf einmal hatte sie das Bedürfnis, Chris anzulächeln. Sie mochte sie wirklich sehr gern, auch wenn sie darüber nicht sprach. Aber Christine Stacey war die Art bodenständige Amerikanerin, die wie das Salz der amerikanischen Erde war, das diesem Land die Würze gab und die Stabilität. Man konnte sich immer auf sie verlassen, in jeder Situation. »Manchmal habe ich das Gefühl, du bist schon ewig da.«

»Nicht so lange wie du. Du bist ja schon fast eine Institution.« Freundlich lächelte Chris von ihrer muskulösen Höhe auf Michelle hinunter.

»Nicht in Disneyland.« Mit einer Art korrigierender Missbilligung hob Michelle die Augenbrauen. »In Disney World war ich ein paar Jahre.«

»Ist das so ein großer Unterschied?«, meinte Chris locker. »Dein Ruf ist dir vorausgeeilt.«

»Lassen wir das«, sagte Michelle, weil sie sich nicht ganz sicher war, was Chris mit diesem Ruf meinte, und nicht darüber diskutieren wollte. »Was ist nun mit den Sicherheitsmaßnahmen?«

»Wer wird hier übernehmen, solange du in Florida bist?« Chris beugte sich herunter und zeigte auf einen Punkt auf dem Bildschirm, als hätte er irgendetwas mit ihrer Frage zu tun.

»Solange ich in Florida bin?« Das war Michelle ja ganz neu. Wo kam denn diese Vermutung her?

»Na ja, Cindy ist ja schon unten. Und ihre Mutter lebt doch dort. Also . . . ihr seid doch . . . eine Familie.« Ganz erstaunt blickte Chris sie an. »Deshalb bin ich natürlich davon ausgegangen –«

Ungläubig schüttelte Michelle den Kopf. »Anscheinend geht jeder davon aus. Aber das habe ich nie gesagt. Ich bin immer bei der Arbeit an Weihnachten. Das war noch nie anders.«

»Du warst vorher aber auch noch nie verheiratet.« Diese nüchterne Feststellung machte Chris so, wie sie auch schon als Polizistin die Dinge immer von der Faktenseite her betrachtet hatte. Wenn es nicht gerade um Sheryl ging . . .

»Das scheint ein entscheidender Punkt zu sein.« Michelle seufzte.

»Siehst du das nicht so?« Nun runzelte Chris verständnislos die Stirn. »Willst du nicht mit Cindy zusammensein an Weihnachten?«

So hatte Michelle sich die Frage eigentlich noch nie gestellt. Ob sie das wollte. Nach ihren Wünschen ging es hier nicht. Es ging darum, was getan werden musste.

»Der Flug nach Miami ist eine Tagesreise«, sagte sie. »Einmal quer über den Kontinent von der Westküste in den äußersten Südosten.«

Chris zuckte mit einer einzelnen Augenbraue. »Soll das jetzt ein Argument sein?«

Nein, es war nur eine Ausrede, das wusste Michelle selbst. Aber das hätte sie nie laut gesagt. Sie war sich vieler Dinge bewusst, ohne sie auszusprechen. Auch wenn es keine Geheimnisse waren, behielt sie vieles lieber für sich. Eine alte Gewohnheit aus Kindertagen, als es ohnehin keinen Sinn gehabt hatte, etwas zu sagen, um etwas zu bitten oder sich zu beklagen.

Und ehrlich gesagt hatte ihr das im Geschäftsleben auch schon sehr oft geholfen. Je weniger das Gegenüber wusste, desto besser. Je weniger irgendjemand wusste . . .

Wutanfälle – ja, so konnte man seine Gefühle schon zeigen. Das schüchterte die Leute ein und brachte sie dazu, das zu tun, was man wollte. Was auch immer sie in so einem Wutanfall von sich gegeben hatte, das bedeutete gar nichts. Und das verriet auch nichts von ihren innersten Gefühlen. Von ihren wirklichen Gefühlen. Es war ungefährlich.

»Und wieder zurück«, setzte sie hinzu. »Das sind schon zwei Tage. Aber nur«, sie verzog das Gesicht, »wenn ich gleich wieder umkehre.«

»Das heißt, da ist die Weihnachtsfeier noch nicht drin.« Chris gab es auf, das Thema Sicherheitsmaßnahmen noch einmal auf den Tisch zu bringen, und stützte sich neben Michelle ab, um ihr in die Augen zu sehen. »Disneyland wird nicht zusammenbrechen, Boss, wenn du nicht hier bist.« Sie grinste. »Auch wenn du das denkst. Vertrau uns doch mal ein bisschen.«

»Uns?« Verständnislos hob Michelle die Augenbrauen.

»Sheryl und mir zuerst mal«, erklärte Chris geduldig. »Wir sind auf jeden Fall da und passen auf. Sheryl wird im Feuerwehrhaus schlafen, wenn es sein muss, das weißt du.«

»Dann habt ihr aber auch kein schönes Weihnachtsfest«, wandte Michelle ein.

»Ist das wichtig?« Chris richtete sich auf und schüttelte den Kopf. »Wir sind zusammen. Das ist alles, was zählt.« Sie schmunzelte. »Dann schlafe ich eben auch im Feuerwehrhaus.«

Auf einmal wurde Michelle misstrauisch. »Warum wollen mich alle hier weghaben?«, fragte sie.

Das brachte Chris dazu, die Augen zu rollen. »Niemand will dich hier weghaben«, widersprach sie. »Aber kannst du dich erinnern, was du mir damals gesagt hast, als wir dieses . . . Gespräch hatten?«

So taff sie war, die große Chris, sie wurde fast ein wenig rot. Solche ›Frauengespräche‹ lagen weder ihr noch Michelle, und doch war es damals nötig gewesen. Genauso wie Chris es offenbar jetzt für nötig befand, obwohl es ihr sichtlich peinlich war. Aber ein Feigling war sie nicht. Ganz im Gegenteil.

»Manchmal muss man über seinen Schatten springen«, fuhr sie deshalb fort. »Wo wäre ich jetzt, wenn ich damals nicht deinen Rat befolgt hätte? Ich weiß noch nicht einmal, ob ich je wieder mit Sheryl gesprochen hätte.« Sie ließ das so im Raum stehen, als wollte sie, dass Michelle darüber nachdachte und selbst zu dem für sie richtigen Schluss kam.

Statt etwas zu sagen, nahm Michelle jedoch nur das Tablet auf und betrachtete Chris’ Vorschläge. »Das ist gut so«, sagte sie dann. »Ich wüsste nicht, was man besser machen könnte.« Sie blickte zu Chris hoch und reichte ihr das Tablet. »Ich verlasse mich auf dich.«

Das war ein großer Vertrauensbeweis, und das wusste Chris auch. Sie zögerte noch kurz, dann nickte sie Michelle zu und ging hinaus.

Ende gut, alles gut

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