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Leben an der Wupper

Die Wupper prägt das Leben am alten Wehr: Hans Karl Rodenkirchen kämpfte in den 50er Jahren um den Wipperkotten. In dem Haus wohnt heute seine Witwe.

Von Uli Preuss

Die Wupper rauscht am Wipperkotten. Tag und Nacht. Das tat sie immer schon. Ein wenig lauter, seit es das Wehr gibt. Das wurde frühestens im 17. Jahrhundert aufgeschichtet, um den Doppelkotten und die hölzernen Schaufelräder mit Wasserkraft zu versorgen.

Die Anwohner heute, allen voran Lotte Rodenkirchen, stört das Geräusch des Wassers schon lange nicht mehr. „Im Gegenteil“, sagt die gebürtige Leichlingerin, „wenn es hier einmal nicht rauscht, machen wir uns Sorgen“. Dann nämlich, etwa nach Starkregen oder Unwettern, steigt das Wasser rund um den inneren Kotten bedrohlich, nimmt dem alten Wehr seine akustische Stärke und ersetzt bei zu hohem Pegelstand das Rauschen durch ein dumpfes, bedrohliches Gurgeln.

Hochwasser, daran sind sie hier gewöhnt im Haus aus dem 17. Jahrhundert. Mindestens zweimal im Jahr gibt es das Problem. Die Feuerwehr aus dem nahen Rupelrath liefert Sandsäcke. Die kommen zum Einsatz, wenn die Wupper über die Ufer tritt und die Anwohner in ihre Gummistiefel schlüpfen müssen. Die Feuerwehr schichtet dann die Säcke auf, pumpt Räume aus und wird dankbar mit Kaffee versorgt. Ein wiederkehrendes Ritual am Wipperkotten, das man gerne in Kauf nimmt, wenn man im Paradies wohnen will. Denn rundherum ist intakte Natur, seit aus der chemischen Kloake wieder ein fast sauberer Fluss mit hoher Gewässergüte geworden ist.

Begonnen hat alles, als der Wupperverband Deutschlands einzigartigen Doppelkotten Anfang der 50er Jahre abreißen lassen wollte. Der befand sich in einem maroden Zustand und störte – aus damaliger Sicht – den ungehinderten Lauf des bergischen Flusses. Gegner und Befürworter von einst müssen heute anerkennen: Den idyllisch gelegenen, bauhistorisch wertvollen Doppelkotten gibt es nur deshalb noch, weil Designer und Künstler Hans Karl Rodenkirchen ihn kaufte, umbaute und zusammen mit den Schleifern des Kottens solange um ihn kämpfte, bis die seltene Kottenanlage unter Denkmalschutz gestellt wurde. Noch heute sagt seine Witwe über den Umweltkämpfer: „Er war der mutigste Mann, den ich kannte.“

Was folgte, waren Jahre der Blüte für Kunst und Kultur im schönen Haus an der Wupper. Zahllose Film- und Magazinbeiträge machten den Kotten bis nach Neuseeland bekannt. Zu Lesungen, Konzerten und Ausstellungen gaben sich bergische Feingeister die Klinke in die Hand.

Die mussten anfangs die Nase rümpfen. „Es roch oft nach Chemie und irgendwie seifig“, erinnert sich die 82-jährige Lotte Rodenkirchen. Ihr Mann starb 2007. An den Kämpfer für Wupper und Kotten erinnert in Leichlingen ein Uferweg, in Solingen gar nichts mehr. In diesem Jahr wäre HaKaRo, wie er sich als Künstler nannte, 90 Jahre alt geworden.

Ein paarmal im Jahr wird der äußere Teil des Kottens belebt – nur durch Schaufelräder und Wassergraben vom Wohnhaus getrennt, in dem auf vier Etagen Lotte Rodenkirchen und eine der beiden Töchter nebst Familie leben. Im anderen Teil des Doppelkottens sind es wie in Urzeiten die Schleifer und Heimarbeiter und hin und wieder Bewunderer der gewaltigen Transmission, die die alte Schleiferanlage beleben. Ein Förderverein unter Führung des Solinger Journalisten Lutz Peters sorgt für den finanziellen Unterbau.

WIPPERKOTTEN

KOTTEN Der einzigartige Doppelkotten stammt aus dem 17. Jahrhundert, diente früh als Wohn- und Arbeitshaus.

CAFÉ Die Familie Rodenkirchen betreibt in den ehemaligen Galerieräumen ein kleines Café.

SCHLEIFEN Im äußeren Kotten kann man den Schleifern beim Frühlingsfest oder Herbstfest bei der Arbeit zuschauen und eigene Messer schärfen lassen.


Lotte Rodenkirchen lebt im Wipperkotten mit einer der beiden Töchter nebst Familie – in kleinen Räumen auf vier Etagen. Ihrem verstorbenen Mann ist der Erhalt des Kottens zu verdanken.

Geliebte Heimat Wupper

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