Читать книгу Liebe deinen Esel, wie dich selbst - Ulrich Hilgenfeldt - Страница 6
ОглавлениеKapitel 2
Heute ist Freitag, ein Tag vor unserer Abreise. Vorgestern, der Mittwoch, war chaotisch. Am Morgen gab es drei Termine. Erstens ein Arzttermin und eine elektrische Therapie meines lädierten Schultergelenks, dann hatte ich in der Universität eine Promotionsprüfung, bei der die Kandidatin sehr aufgeregt war. Das war eine knifflige Situation, in der man eigentlich nicht prüfen kann und als Prüfer nur froh ist, wenn der Prüfling ohne große emotionelle Ausfälle die Prüfung übersteht, wobei ich anmerken muss, dass es fast unmöglich ist, bei einer Promotionsprüfung durchzufallen. Dann gab es noch eine Klausurbesprechung, die noch das angenehmste Ereignis für mich war, denn die Studenten wurden für voll genommen und hatten gezeigt, dass sie etwas gelernt hatten. Schließlich kam noch Martina in meinem Büro vorbei, meine ehemalige Assistentin, die bei mir promoviert hatte, und bat mich um ein Gutachten. Was macht man so alles als Professor im Ruhestand?
Zwischendrin war dann immer auch noch Nobby an der Reihe, der in meiner Abwesenheit immer geduldig in meinem Büro auf mich wartete, um mich anschließend bei meiner Rückkehr stürmisch zu begrüßen. Mit ihm zog ich dann immer aus der Universität und den Kliniken auf die Neckarwiese, wo es ein Stelldichein mit allen Heidelberger Hunden gab, ein Ereignis, das mein kleiner Hund immer freudig herbeisehnte. Anschließend fuhr ich auf dem Heimweg noch bei meinem Weinberg vorbei, dem Ort, an dem ich mich in den vergangenen Jahren immer körperlich austoben konnte, wenn ich meinen Schreibtisch verlassen hatte.
Gestern kam ich erst gegen Mittag aus dem Universitätsinstitut, nachdem ich morgens mit Nobby über die Neckarwiese getollt war. Er hatte ein Windspiel als Sparringpartner gefunden, mit dem er ausgelassen über die Wiese rannte. Zurück in meinem Büro musste ich noch Martinas Gutachten fertigstellen. Es war ein mörderisch heißer Tag mit Temperaturen über 30 °C. Anschließend ging es nochmals zum Weinberg, denn ich war tags zuvor mit meinen Arbeiten nicht fertig geworden. Vor der Abreise mussten noch Laubarbeiten gemacht werden, damit bei der Hitze genug Luft an die Reben kommt, um den Infektionsdruck zu verringern. Im Zusammenhang damit stand auch noch ein Reduktionsschnitt auf dem Programm, bei dem die überzähligen Trauben abgeschnitten werden, um die Qualität des Weins zu steigern.
Heute also musste ich noch auf dem Weinberg die Bodenarbeiten zu Ende bringen. Also rannte ich hinter meinem Mulcher her, um das Gras und das Unkraut zwischen den Rebenzeilen des Weinbergs auf eine akzeptable Höhe zu reduzieren. Nobby konnte in dieser Zeit frei in den Weinbergen streunen. Er fand immer etwas, das ihn interessierte, sei es ein Mausloch, das er aufgrub und hineinpustete, die Spur eines Hasen und solange bei mir eine Maschine ratterte, ließ er sich nicht blicken. Nicht, dass er davor Angst gehabt hätte, Lärm machte ihm im Prinzip nichts aus, aber er wusste, dass ich nicht mit ihm spielen konnte, wenn ich irgendein lärmendes Gerät betätigte. Gelegentlich sah ich auch einen Hasen im Zickzack durch die Weinberge rasen, den mein Hund aufgestöbert hatte, aber so richtig gejagt hat er ihn dann doch nicht.
Schließlich mussten die Reben noch gespritzt werden. Mit dem 50 kg schweren Spritzgerät auf dem Rücken ging es dann die Reihen hoch und runter. Das nennt man im normalen Sprachgebrauch: Ordnung machen, denn der Weinberg würde mich jetzt eine Woche nicht mehr sehen. Es war 20:15 Uhr, als ich endlich nach Hause kam.
Mit meiner Frau konnte ich kaum ein Wort wechseln, weil ich meine Sachen noch packen musste. Es war 23:30 Uhr, als ich endlich ins Bett kam.
Heute begann der Tag um 6 Uhr. Meine Reise wollte ich in meinem alten Porsche antreten, der noch gepackt werden musste. Dann war es schließlich 8 Uhr, als die Abfahrt angesagt war. Eine liebe Umarmung meiner Frau, „alles Gute und kommt heil und gesund wieder nach Hause und sieh zu, dass Nobby nicht unter die Räder kommt.“ Dann waren wir weg. Ein bisschen schlechtes Gewissen hatte ich schon, aber ich wusste, für das, was ich vorhatte, konnte ich Gabi nicht begeistern und sie war klug genug, mir das nicht mies zu machen. Die Fahrt war kalt und regnerisch. Ich fuhr über die A5 nach Karlsruhe und von hier aus über die Landstraße nach Lauterburg.
Da sitze ich nun mit Nobby in einem Porsche 911, Bj. 1991, einem Auto, das mir in den vielen Jahren meines Lebens nicht gefehlt hat. Eigentlich wollte ich mir als „Rentnerbeschäftigung“ einen alten englischen Oldtimer kaufen, so einen, wie den eines Freundes, einen Triumph Stag. Ein Blick ins Internet eröffnete mir eine Reihe von erschwinglichen Angeboten in verschiedenen Variationen. Also befragte ich meinen Freund nach seiner Meinung. Seine Frau war begeistert, wenn ich das machen würde. Dann müsste sie nicht mehr alleine zu den langweiligen Stag-Treffen fahren und hätte nette Gesellschaft, wenn meine Frau und ich mit dabei wären.
„Muss es denn ein Stag sein?“, fragte mein Freund lakonisch. Es gäbe in Deutschland noch 30 solcher Autos und sein Modell wäre zurzeit das einzige fahrtüchtige Auto dieser Marke. Teure Ersatzteile und die zunehmende Inkompetenz entsprechender Werkstätten, ein solches Auto auch zu reparieren, waren ein weiterer Einwand. Das war er also, ein richtiger Freund, der mich vor einer lausigen Fehlentscheidung bewahren wollte. „Aber“, meinte er, „meine Cousine Konstanze ist gerade in Scheidung und besitzt ein altes Mercedes Benz Cabrio, 190 SL, schwarz mit roten Ledersitzen, den sie sicher verkaufen würde.“ Ja, das wäre eine schöne Alternative zu einem englischen Oldtimer, dachte ich. Man hätte keine Probleme mit englischer Autotechnik und Ersatzteile und kompetente Werkstätten gäbe es auch noch ein halbes Jahrhundert für dieses Auto.
Bei näherer Rücksprache mit Konstanze ergab sich allerdings, dass sie keinen Mercedes Benz Cabrio 190 SL, schwarz mit roten Ledersitzen besaß, sondern ein Mercedes Benz Cabrio SL 560, Bj. 1981 in grün, das mir überhaupt nicht gefiel. Es war eine echte Enttäuschung. „Wenn du schon einen Sportwagen haben willst, warum kaufst du dir keinen Porsche?“ Es war meine Frau, die mir diese Frage gestellt hatte.
„Ja, warum eigentlich nicht?“, sagte ich mir. Für gewöhnlich kostet ein Porsche ein Vermögen. Dieser hier wurde im Internet angeboten und war gebraucht so teuer wie ein neuer VW Golf, ein schwarzer Porsche 911 Carrera 2, Cabrio mit schwarzen Ledersitzen. Der Verkäufer hatte sich das Auto gerade erst drei Wochen zuvor gekauft. Das hätte mich stutzig machen müssen. Aber er versicherte mir, dass der Vorbesitzer ein Automechaniker gewesen sei. Das Auto würde etwas Öl verlieren, was bei einem älteren Porsche nicht ungewöhnlich sei, denn er fährt in Verbindung mit dem luftgekühlten Motor mit 12 Litern Öl spazieren. Ansonsten sei das Auto aber in Ordnung und er würde es nur verkaufen, weil er gemerkt hat, dass er ihn nicht braucht. Wer braucht schon einen Porsche? Nachdem ich ihn gekauft hatte, wurde mir bei genauer Inspektion klar, worauf ich mich eingelassen hatte. Es zeigte sich, dass an den vier Rädern Reifen von drei verschiedenen Herstellern montiert waren, der vordere Querlenker musste erneuert werden, abgesehen von den Bremsblöcken und Belägen. Der Wagen hatte einen starken Ölverlust, weil ein ursprünglich gebogener Ölschlauch durch einen geraden ersetzt worden war, der dadurch geknickt war und einen Ölstau verursachte. Ein Zylinderkopf war lausig repariert worden. Man hatte eine Hülse in eine Ventilführung eingebaut und eine Ventilfeder war gebrochen, wobei sich das gebrochene Endteil in das Federgewinde eingespult hatte, zum Glück, sonst wäre der Motor ein Totalschaden gewesen. Es war auch, wie man der Schilderung entnehmen kann, die reinste Eselei, ein solches Auto einfach so blauäugig zu kaufen. Aber so etwas gehört gelegentlich auch dazu, „Lehrgeld“ zu bezahlen, etwas, das in der Berufswelt unterdessen völlig aus der Mode gekommen ist. Jetzt, nachdem alles sachgemäß in Ordnung gebracht wurde, ist das Auto die reinste Lebensfreude, auch wenn es bis zu diesem Punkt eine finanzielle Herausforderung war und auch ich dieses Auto eigentlich gar nicht brauche.
In Karlsruhe, auf der Durchgangsstraße in Richtung Wörth, vor der Rheinbrücke wurde ich zum ersten Mal geblitzt. Ich hätte es eigentlich wissen müssen, denn das ist mir hier schon einmal passiert. Aber so ist es nun einmal. Man sitzt in einem schnellen Auto und fährt in den Urlaub und träumt vor sich hin. Das wissen auch die Stadtväter und lassen immer an den schnellen Ein- und Ausfahrtsstraßen die Blitzer aufstellen, an Orten, an denen man automatisch schneller fährt, weil einem keine Fußgänger in die Quere kommen. Mit dem festen Vorsatz, jetzt doch etwas kontrollierter autozufahren, fuhr ich auf der A35 über die Grenze und weiter in Richtung Straßburg. In Straßburg mündete die Autobahn direkt in eine Schnellstraße, die durch die Stadt führt. Hier wurde ich das zweite Mal geblitzt. Na, das ging ja schon gut los. Mir schwante, dass mich meine Reise zu dem Start und Ausgangspunkt einer Wanderung mit meinem Hund und einem Esel durch die Cevennen für längere Zeit zu einem Fußgänger degradieren würde. Ich war mir plötzlich nicht sicher, ob ich meinen Führerschein nach Beendigung der Reise noch haben würde, wenn ich wieder zu Hause angekommen bin.
Das ist das Los eines Porschefahrers. Man ist immer ein paar km/h zu schnell auf der Straße, ohne es zu merken. Nobby machte während der Fahrt das einzig Richtige: Er schlief und störte mich nicht ein einziges Mal. Gelegentlich dachte ich, anhalten zu müssen, und ihm die Gelegenheit zu geben, sein Geschäft zu machen, aber Nobby war zufrieden. Er hatte die Angewohnheit, während der Fahrt weder zu trinken noch etwas zu essen. Bei meinen Tankpausen lief er mit mir zwar spazieren und fand auch gelegentlich den einen oder anderen Punkt, an dem er seine Duftmarke hinterlassen musste, ich hatte aber den Eindruck, dass es für ihn nicht unbedingt zwingend war.
Irgendwann während der Fahrt merkte ich, dass ich sehr müde geworden war. Die vergangenen Tage und die körperlichen und mentalen Strapazen waren nicht spurlos an mir vorbeigezogen. Sei’s drum, dachte ich mir. Besser ich komme später an, als gar nicht und so habe ich auf dem nächstbesten Rastplatz vor Besançon angehalten und bin sofort über dem Steuer eingeschlafen. Keine halbe Stunde später wachte ich mit einem panischen Schrecken auf. Ich hatte geträumt, während der Fahrt eingeschlafen zu sein. Jetzt war ich wieder richtig wach.
Um 16 Uhr war ich in Lyon. Es regnete. Vor der Mautstelle hatten sich lange Schlangen gebildet. Es dauerte etwa eine halbe Stunde, bis ich an der Zahlstelle war. Ich wollte gerade die Mautstelle verlassen, als mich ein Polizist anhielt und mich in geschliffenem Deutsch fragte: „Wohin fahren Sie?“ Scheiße, dachte ich, schon wieder zu schnell gefahren. „In den Urlaub“, sagte ich. „Wohin?“, fragte der Polizist erneut. Was wollte er von mir? Was sollte ich sagen? „Nach Frankreich“, sagte ich. So einen Schwachsinn habe ich tatsächlich geantwortet. Ich bin in Frankreich und erzähle einem französischen Flic, dass ich nach Frankreich fahren werde. „In welche Stadt?“, wollte er dann wissen. Ich muss zugeben, ich war etwas irritiert. „In die Nähe von St. Étienne“, fiel mir dann gerade noch ein. Es folgte ein „partirez“. Ich fuhr weiter und war erlöst, aber immer noch verwirrt. Mag sein, dass diese Frage nichts mit meinem Auto zu tun hatte, sondern mit dem Verkehr. Da es Freitag war und ich meinem Navigator folgte, der mir vorschlug, durch Lyon zu fahren, war damit ein Stauerlebnis verbunden, auf das ich gerne verzichtet hätte. Vielleicht war ich tatsächlich zu schnell gefahren und der Flic wollte sich nur davon überzeugen, dass ich nicht mit Drogen im Kofferraum auf der Flucht war. In diesem Fall muss die Art, wie ich reagiert habe, auf ihn einen so unprofessionellen Eindruck gemacht haben, dass ich als argloser Deutscher mit einem kleinen Hund als Beifahrer für ihn plötzlich völlig uninteressant war.
Hinter Lyon ließ der Regen etwas nach und dann zeigte sich stellenweise sogar die Sonne. In St. Étienne dachte ich, ich müsse das Verdeck meines Cabrios öffnen. Bis Le Puy bin ich offen gefahren. Der Himmel zog sich wieder zu und die Temperatur sank von 20 auf 11 °C. Das war dann doch kein ungetrübtes Cabrio-Feeling mehr. Verdeck wieder zu und ab ging’s nach Langogne.
Gegen 19 Uhr kamen wir an und als ich von der Höhe hinunter in die Stadt fuhr, erkannte ich, dass ich in meinem Leben schon einmal in Langogne gewesen war. Das musste vor mehr als 25 Jahren in Verbindung mit einem Urlaub in der Bretagne gewesen sein. Wir waren damals dem Ruf eines befreundeten Wieslocher Ehepaars gefolgt, das uns diese wunderschöne Landschaft und ein verfallenes Steinhaus abseits des Ortes in einem Tal in der Nähe des Sees zeigen wollte. Sie hatten es vor geraumer Zeit entdeckt und träumten davon, es zu kaufen und zu renovieren. In Verbindung mit unserer Anreise damals entwickelte sich ein chaotisches Ferienerlebnis. Um das Haus zu besichtigen, waren wir auf einem schmalen Wanderweg in dieses Tal gefahren, in einem Citroen CX Familiale, einem riesigen Kombi mit drei Sitzreihen und zwei hintereinander liegenden Glasdächern, das damals in Autozeitschriften als „Raumschiff Orion“ bezeichnet wurde. Jetzt befanden wir uns fernab von einer befestigten Straße, mit vier Kindern und Kegel im Auto. Auf dem Dach hatte ich ein Segelboot festgemacht und dann gab es noch einen Wohnwagen als Anhänger. Nur, wie kommen wir hier wieder heraus? Die logistische Herausforderung bestand darin, dieses Gespann jetzt wieder auf eine normale Straße zu bekommen. Wenden war nicht möglich, denn der Weg wurde zunehmend schmaler und führte direkt in den See. Schließlich haben wir es dann doch hinbekommen mittels einer gehörigen Portion Adrenalin und der Hilfe unseres Gelände-erfahrenen Freundes. Von Langogne ging es damals an die Atlantikküste, nach La Rochelle und weiter in die Bretagne, nach St. Anne la Palud, wo wir noch bezaubernde Urlaubstage verbrachten. Das alles hatte ich längst vergessen und kam mir jetzt bei unserer abendlichen Einfahrt in dieses kleine Städtchen wieder in Erinnerung.
Heute, ein halbes oder auch dreifünftel Leben später, hatte mich der Zufall wieder nach Langogne geführt, um von hier aus meine Eseltour zu starten. Zunächst aber hatte ich ein Problem damit, unser Hotel zu finden. Nach einigem Hin und Her und Leutefragen fand ich es und merkte, dass ich schon dreimal daran vorbeigefahren war. Le Grill du Gaillard lag am Eingang des Städtchens gleich hinter der Pont d’Allier. Auf einem kleinen Platz davor befanden sich eine Tankstelle und ein kleiner Supermarkt. Der Begriff „Hotel“ war wohl etwas zu hoch gegriffen. Es war eine Gaststätte mit Zimmern und zwei Étoiles. Jetzt, nachdem ich im Internet danach suche, kann ich es nirgends finden. Man sollte also eher „Etablissement“ dazu sagen.
Das Zimmer war sehr spartanisch eingerichtet, um nicht zu sagen ärmlich. Aber das ist für mich in der aktuellen Situation nicht so wichtig. Eigentlich sind mein Hund und ich recht anspruchslos. Ein Bett, ein Stuhl, ein Bad mit Dusche und Klo, mehr brauche ich nicht und mein Hund begnügt sich mit einem Stuhl, auf dem eine Decke liegt, einem Schälchen Wasser, ein paar Krümeln Hundefutter und der Gewissheit, dass sein Herrchen, also ich, ihn bei dringenden Anlässen ins Freie führt. Vor dem Abendessen machte ich mit meinem unglaublich einfühlsamen Hund noch einen Abendspaziergang und lief mit ihm aus dem Dorf hinaus, über die Brücke und längs des Flusses Allier, vorbei an Fabrikruinen und Feldern. Die Sonne kam heraus und entschädigte mich in kurzer Zeit für einen verregneten Reisetag. Mein Hund rannte vergnügt vor mir her und ich beschloss, mich meinem Schicksal als Porschefahrer zu fügen und an den abgelaufenen und verkorksten Reisetag keine weiteren Gedanken mehr zu verschwenden. Jetzt begann unser Urlaub.
Zurück im Hotel brachte ich Nobby ins Zimmer, um zum Abendessen zu gehen. Das ist einer der besonderen Charaktereigenschaften meines intelligenten Hundes. Das erste Mal, als wir ihn bei früheren Hotelbesuchen alleine im Hotelzimmer zurückgelassen hatten, meldete er sich nach Schließen der Zimmertür mit einem Protestgebell. Damals bin ich zurückgegangen und habe meinem Hund erklärt, dass ich, oder wir, meine Frau und ich, jetzt etwas essen würden und bald wieder zurück wären. Von diesem Zeitpunkt an war Ruhe und er hat uns ziehen lassen und geduldig auf unsere Rückkehr gewartet. Auch heute habe ich das so gemacht, als ich zum Abendessen in die Wirtsstube ging.
Das Menü bestand aus einem Viertelliter Rotwein, Vin de pay de Ardeche, einer Quiche aus Blätterteig und Würstchen, nicht besonders hochwertig, aber schmackhaft. Der Hauptgang bestand aus gefüllten überbackenen Tomaten mit Reis. Das war ganz ordentlich und als Dessert gab es drei verschiedene Sorten Käse. Das war ebenfalls ganz ordentlich, ein Blauschimmelkäse, ein harter Bergkäse und ein weicher Ziegenkäse. Das Lokal war gut besucht und die meisten Gäste waren mit dem Essen sehr zufrieden. Es dauerte dann doch etwas, bis die Rechnung kam, oder man hatte mich in dem Trubel vergessen. Als ich später wieder zurück aufs Zimmer kam, begrüßte mich mein Hund überschwänglich. Die Nacht war gelegentlich von Autogeräuschen unterbrochen, denn das Hotel lag genau an der Einfahrtsstraße nach Langogne, aber es war o. k. In Erwartung des kommenden Tages und meiner Ungewissheit, was mich genau erwarten würde, schlief ich trotzdem mehr oder weniger gelassen ein.