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Berts Wohnung

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Ich soll Bert in seiner Wohnung abholen, da er seine Rakete gleich um die Ecke geparkt hätte. Mitbringen bräuchte ich nichts. Bert wollte nur einen kurzen Trip machen, mal hierhin, mal dahin, vielleicht mal ganz kurz aus unserem Sonnensystem hinaus und gleich wieder zurück.

Er ist schon ein bemerkenswerter Typ. Vom optischen her eher unscheinbar. Ich glaube, er ist so mittleren Alters, was immer das heißen mag, von schmächtiger Figur mit fast gelblicher Haut. Durch seine recht große Nase näselt er etwas beim Sprechen. Nicht zu übersehen: seine dichten, tief-schwarzen Augenbrauen. Ich kenne niemanden, der dermaßen ruhig und besonnen ist wie er. Zudem klug und situationsbejahend. Bei Sachen, die ihn interessieren, kann er sich leicht in Details verlieren.

Er wohnt ein bisschen außerhalb der Stadt, was ihm zwar nicht sooo gefällt, doch hier erregen seine Raketenstarts nicht sooo viel Ärgernis, wie zum Beispiel damals, als er am Hafen startete und die berühmte Schauspielerin Lollo Zickenbein sich dabei dermaßen erschreckte, dass sie, statt das neue Schiff zu taufen, die Flasche Schampus in einem Zug austrank; sagte sie jedenfalls.

Ich stehe vor Berts Eingangstür und will gerade nach dem offensichtlich neuem, schweren Messingtürklopfer greifen, als diese wie von Zauberhand aufspringt. Verduzt stehe ich auf der Fußmatte.

„Bewegungsmelder“, höre ich Berts Stimme von drinnen, „komm rein. Und mach die Tür wieder zu.“

Ich komme herein und mache die Tür wieder zu.

„Guten Morgen, Bert, hast du gut geschlafen?“

„Nein, überhaupt nicht. Also, nicht überhaupt nicht gut, sondern überhaupt nicht geschlafen. Weißt du, vor einem Start gibt es viele Dinge zu tun und zu beachten. Das zieht sich. Aber ich bin jedes Mal dermaßen freudig erregt, dass die Zeit wie im Fluge, ha ha, wie im Fluge, ich bin aber auch ein Schelm, vergeht.“

Aus dem Nebenzimmer hört man es klappern und rascheln.

„Möchtest du frühstücken?“, fragt er.

„Nein, danke, hab schon.“

„Okay, ich komme gleich, setz dich doch.“

Ich schaue mich im Zimmer um. Seit meinem letzten Besuch scheint sich nichts verändert zu haben. Der Raum ist fast leer. Neben dem großen, grünen Ohrensessel steht links ein Buchständer mit einem dicken Buch darauf. Auf der anderen Seite steht auf einem kleinen, zierlichen Tisch ein Plattenspieler. Die offensichtlich einzige Schallplatte in diesem Haushalt liegt bereits auf dem Plattenteller. Ich riskiere mal einen Blick.

DIE BELIEBTESTEN FEUERWEHRKAPELLEN DER NEUZEIT

Okay, jedem das Seine.

Gegenüber, an der rosa gestrichenen Wand, hängt ein kleines Bild. Es hat einen dünnen, roten Rahmen und zeigt einen gut gelaunten, die Fröhlichkeit springt ihm quasi aus dem Gesicht, jungen Mann mit extrem wuscheligem Haupthaar.

„Sag mal, Bert, wer ist denn der Typ auf dem Foto, hier an deiner Wand?“

„Welches Foto meinst du?“, kommt aus dem Nebenraum.

Ich schaue mich noch einmal im Zimmer um.

„Hier hängt nur ein Bild!“

„Ach, das meinst du. Das ist Emil, einer meiner besten Freunde. Aber der lebt in einem anderen Universum. So oder so gesehen.“

Bert kommt mit einem sorgfältig gefaltetem Päckchen Stoff in das Zimmer.

„So, ich denke ich habe jetzt alles.“

„Was ist das, Bert?“

„Oh, das ist ein Fallschirm.“

Ich fühle, dass mein Gesicht gerade ganz grün wird.

Bert schaut mich an.

„Nein, nein, keine Sorge. Im All könnte man so etwas sowieso nicht benutzen. Das ist nur ein Talisman; quasi.“

Er stopft den Fallschirm in einen Rucksack und murmelt dabei: „Fallschirm, Gummiboot, … Dosenöffner … Milton, holst du mir bitte mal den Dosenöffner. Aus dem Küchenschrank.“

Ich gehe in die Küche und stehe fragend vor dem Küchenschrank.

„Wo?“

„In der Schublade.“

Drei sehr große Schubladen, jedenfalls für Schubladen, sehen mich an. Ich öffne die linke. Büroklammern. Nicht eine oder ein paar. Tausende! Tausende blitzende, blinkende Büroklammern blitze-blinken mich an! Kopfschüttelnd schließe ich die Schublade wieder und öffne die mittlere. Nicht einige oder ein paar. Randvoll gefüllt offenbart sich mir die Schublade mit, schwer zu schätzen, ebenfalls tausenden Kronenkorken. Und keiner sieht aus wie der andere.

„Kronenkorken“, entfährt es mir laut und verwundert.

„Oh, ja! Du hast meine Kronenkorkensammlung gefunden? Bring die bloß nicht durcheinander. Ich habe sie erst gestern sortiert.“

Berge von Fragezeichen türmen sich über meinem Kopf.

„Und außerdem sammle ich auch noch Büroklammern. Die müssen da auch irgendwo sein.“

Ich öffne die rechte Schublade. TRARA! Ein Dosenöffner. Sonst nichts.

Kennen Sie Raketenbert?

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