Читать книгу Na? Gestempelt? - Ulrich Wenzel - Страница 3
1. Nichts wie weg hier!
Оглавление„Also, ich hau bald ab und dann sieht mich hier keiner mehr“, sagte mir neulich der Typ mit dem kahl rasierten Kopf und fixierte mich mit seinen stahlblauen Augen.
„Verstehe“, sagte ich und nickte bedächtig, während meine Hände zu kribbeln begannen. Irgendetwas stimmte nicht.
Der Typ fixierte mich noch immer: „Wenn die Leute blöd sind, kann ich auch nichts machen.“
„Klar“, sagte ich und nickte, wieder bedächtig, denn ich gehörte natürlich zu den Blöden. Aber offensichtlich genügte ihm meine Reaktion nicht. Er wandte sich einer jungen Frau mit bräunlichen, gelockten Haaren zu: „Nichts wie weg hier!“
„Stimmt“, sagte sie. „So schnell wie möglich! Andorra, oder so.“
„Richtig. Andorra oder so“, sagte der Typ. „Da hast du noch ’ne reale Chance. Hier kannst du nur noch vom Handel leben – oder als Manager.“
„Genau das ist der Punkt“, sagte die Frau mit den bräunlichen, gelockten Haaren und zündete sich eine Zigarette an, die sie nachsinnend in das Licht der Nachmittagssonne hielt.
Die beiden schienen mich zu vergessen. Noch immer kribbelten meine Hände.
Am Abend wurde das Kribbeln stärker. Meine Hände wurden immer nervöser und fingen richtig an zu zittern, bis die linke Hand plötzlich zu reden begann: „Der Typ hat recht. Wir gehören zu den Blöden. Hier gibt’s nichts mehr zu tun. Ich will weg hier.“
„Pscht“, sagte ich, denn ich wollte nicht, dass meine linke Hand schlechte Stimmung verbreitete. Ich winkte mit der rechten Hand ab.
Was ein Fehler war, denn nun begann auch sie zu schimpfen: „Alle gehen weg. Nur du bist ein Langweiler. Mir reicht’s, ich pack’s!“
Ich konnte gar nicht so schnell schauen, da hatte die rechte Hand die linke Hand an der Hand genommen und Hand in Hand liefen sie aus dem Zimmer. Ich musste ohne Hände schlafen.
Am nächsten Morgen kribbelten meine Füße. Ich wusste natürlich schon, wie der Hase läuft, und rollte schnell die Bettdecke um mich. Doch ehe ich mich versah, standen meine Füße schon neben mir. „Halt wartet!“, riefen die Beine und stellten sich gleich auf die Füße. Im nächsten Augenblick waren sie verschwunden.
Ein paar Wochen später kam eine Postkarte aus China: „Hier kann man viel besser arbeiten. Hier gibt’s keine Köpfe, die uns bei der Arbeit stören. Viele Grüße, Deine Hände.“
Und meine Beine schickten mir eine Karte von der australischen Wüste: „Hier kann man wenigstens laufen, ohne darüber nachzudenken. Viel Spaß zu Hause. Ps.: Wie geht’s denn den Händen?“
Mir kam eine Idee. Mein Bauch war in Italien wegen der Nudeln, mein Kopf in Korea wegen der Hightech, und der Rest war irgendwo in der Welt zerstreut.
Macht nichts, dachte ich mir und holte zuerst meine Stimme zurück, die mich ständig aus den USA anrief und mir penetrant gut gelaunt ins Ohr säuselte.
„Soll sie doch die anderen Körperteile damit belästigen“, dachte ich und versorgte Hände, Füße, Kopf und Bauch mit Handys. Danach machte ich einen Kurs zur Führungskraft. Seitdem habe ich zwar nichts mehr, bin auch nichts mehr, aber endlich arbeite ich als Manager.