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ОглавлениеBetriebliches Bildungsmanagement
Uwe Elsholz
Zielsetzung
■ Sie finden einen Einstieg in das Thema und können beschreiben, was betriebliches Bildungsmanagement ausmacht.
■ Sie können betriebliches Bildungsmanagement vom Bildungsmanagement in Bildungseinrichtungen unterscheiden.
■ Sie können verschiedene Ebenen des betrieblichen Bildungsmanagements (strategisch, normativ und operativ) unterscheiden.
■ Sie können Teilaspekte und die wichtigsten Aufgaben der verschiedenen Ebenen benennen.
1 Einleitung
Betriebliches Bildungsmanagement ist als eigenständige Thematik bisher in wissenschaftlicher Hinsicht nur unzureichend erschlossen. Es dominieren einerseits Praxisbeiträge aus einzelnen Unternehmen, die zwar meist Beispiele guter Praxis dokumentieren, aber in der Regel sowohl kritische als auch theoretische Aspekte vernachlässigen. Anderseits fokussieren Publikationen zum Bildungsmanagement vielfach das (Bildungs-)management in und von Bildungsorganisationen und nur sekundär das von Unternehmen. Bildungsinstitutionen weisen jedoch besondere Charakteristika aus (vgl. Knust/Hanft in diesem Band), sind also deutlich von klassischen Unternehmen zu unterscheiden. Auffällig ist zudem eine starke Heterogenität der Beiträge, die sich mit explizit wissenschaftlichem Anspruch dem betrieblichen Bildungsmanagement widmen. Es ist zu konstatieren, dass es bis dato je nach disziplinärem Ansatz – stärker ökonomisch oder berufs- und betriebspädagogisch geprägt – zu ganz unterschiedlichen Beschreibungsformen der Thematik gekommen ist. Es gibt damit keine einheitlichen Begrifflichkeiten, was die Verständigung über unterschiedliche Ansätze und deren systematische Betrachtung erschwert.
In diesem Beitrag erfolgt zunächst eine begriffliche Annäherung, die insbesondere dazu dient, das betriebliche Bildungsmanagement vom Bildungsmanagement in Bildungseinrichtungen abzugrenzen. Die folgende Analyse vorhandener Literatur, dessen wichtigste Werke kurz vorgestellt werden, weist theoretisch recht unterschiedliche Zugänge aus. Mit Bezug auf einen Rückgriff auf das stärker verbreitete St. Gallener Managementmodell werden im Weiteren drei Ebenen des betrieblichen Bildungsmanagements voneinander unterschieden. Diese drei Ebenen des normativen, strategischen und operativen Bildungsmanagements werden weiterhin charakterisiert und wesentliche Aspekte beschrieben. Dabei wird auch auf Schwerpunktsetzungen eingeangen, die die vergangenen Jahre geprägt haben. In einem abschließenden Abschnitt werden Entwicklungstendenzen betrieblicher Bildung der letzten Jahrzehnte nachgezeichnet und daran anknüpfend zukünftige Herausforderungen skizziert.
2 Begriffliche Annäherung
Der Terminus „Betriebliches Bildungsmanagement“ besteht aus drei sehr unterschiedlich konnotierten begrifflichen Bestandteilen, die jeder für sich erklärungs- und abgrenzungsbedürftig sind. Insbesondere auf den Fokus des Betriebes als Ort des Bildungsmanagements ist hier genauer einzugehen.
Hinsichtlich der spezifischen Eingrenzung des betrieblichen Bildungsmanagements fällt auf, dass Veröffentlichungen zum Thema Bildungsmanagement damit vornehmlich das Management von Bildung in Bildungsinstitutionen, insbesondere von Schulen, Hochschulen und (Weiter-)bildungsdienstleistern adressieren (vgl. u.a. Griese/Marburger 2011) – allerdings ohne dies immer hinreichend klar auszuweisen. Betriebliches Bildungsmanagement findet unter anderen Rahmenbedingungen statt, als das Bildungsmanagement in Bildungseinrichtungen. In Bildungseinrichtungen ist das Bildungsmanagement zugleich das Kerngeschäft der Institution. Es ist damit zentrales Thema der jeweiligen Geschäftsführung und von ihr strategisch anzulegen und zu gestalten, um den Erfolg und langfristigen Bestand der Bildungseinrichtung zu sichern. Auch das Personal als wesentlicher Adressat des Bildungsmanagements ist in diesem Fall überweigend pädagogisch ausgebildet. In Unternehmen jenseits des Bildungssektors stellt das betriebliche Bildungsmanagement jedoch in der Regel lediglich eine Teilfunktion dar zur Erfüllung des eigentlichen Kerngeschäfts (z.B. der Herstellung von Verbrauchsgütern oder der Erbringung von Dienstleistungen). Das Bildungsmanagement in Unternehmen ist in der Regel Aufgabe einer eigenen, untergeordneten Unternehmenseinheit. Diese Einheit ist als Fachabteilung, als Cost- oder Profit-Center organisiert und besitzt je nach Unternehmensphilosophie eine unterschiedliche Ausrichtung. Die Aufgaben des Bildungsmanagements können auch mehr oder weniger (de-)zentral im Unternehmen verortet sein und beinhalten eine unterstützende Funktion als Berater oder Dienstleister von Fachabteilungen bzw. des Gesamtunternehmens. Je nach vorherrschender Managementphilosophie verändern sich diese Parameter auch im Zeitverlauf. Exemplarisch ist dies an der VW Coaching abzulesen, die 2005 gegründet wurde mit eigenem Rechtsstatus als GmbH und acht Jahre später wieder in den Konzern eingegliedert wurde.
Damit ist das Aufgabengebiet betrieblichen Bildungsmanagements deutlich abzugrenzen im Vergleich zum Bildungsmanagement in Bildungseinrichtungen. Zugleich ist das Möglichkeitsspektrum der Akteure aber enger begrenzt, d.h. das betriebliche Bildungsmanagement kann nur im Rahmen der unternehmensspezifisch vorgegebenen Rahmenbedingungen und Aufgabenzuweisungen agieren.
Mit der Betrachtung des zweiten Bestandteils des betrieblichen Bildungsmanagements wird deutlich, dass die Weiterentwicklung und das Lernen einzelner Subjekte zentraler Fokus der Aktivitäten sind. Mit dieser Begrifflichkeit wird eine Nähe zum Bildungsbegriff hergestellt. Der Bildungsbegriff – über den es in den Erziehungswissenschaften eine lang andauernde Debatte gibt – betont die Selbst-Bildsamkeit des Einzelnen. Damit korrespondiert auch der Wandel von der Qualifizierung zur Kompetenzentwicklung in der beruflichen und betrieblichen Bildung (vgl. Dehnbostel 2015a), der prägend ist für die Betrachtung dieser zweiten Bestimmungsgröße betrieblichen Bildungsmanagements. Der Bezug zur Bildung kennzeichnet zugleich eine Differenz zu vorrangig ökonomisch geprägten Zugängen zum Themenfeld unter dem ähnlich klingenden Terminus Personalmanagement (z.B. Holtbrügge 2018; Nicolai 2017).
Bildungsmanagement verweist schließlich darauf, dass es um eine längerfristige Sichtweise und einen aktiven Prozess der Beeinflussung und Führung geht. Betriebliches Bildungsmanagement ist immer strategisch angelegt und verankert sowie mit den Unternehmenszielen in Einklang zu bringen (vgl. hierzu auch Müller in diesem Band).
Zusammenfassend zeigt sich, dass Betriebliches Bildungsmanagement stets in einem Spannungsverhältnis zwischen kurz- und langfristigen ökonomischen sowie berufs- und betriebspädagogischen Ansprüchen, zwischen individuellen Interessen der Beschäftigten und den Belangen und Zielstellungen des Unternehmens steht (vgl. u.a. Molzberger 2012). Hinzuweisen ist bei der begrifflichen Einordnung auch darauf, dass wesentliche Themen und Herausforderungen des betrieblichen Bildungsmanagements vielfach unter anderen Termini verhandelt werden. Begriffe wie Kompetenzmanagement oder strategisches Ressourcenmanagement beinhalten bei genauerer Analyse nahezu identische Inhalte.
3 Heterogene Zugänge
In den vergangenen Jahren sind einige wenige Monografien und Lehrbücher erschienen, die sich explizit dem betrieblichen Bildungsmanagement widmen. Ein Überblick über die Literaturlage zeigt sehr disparate Zugänge zum betrieblichen Bildungsmanagement. Die einzelnen Schwerpunktsetzungen sind dabei vor allem durch die disziplinäre Perspektive der Autoren geprägt, die entweder stärker erziehungswissenschaftlich oder stärker ökonomisch ausgerichtet ist.
In seinem aus dem Jahr 2000 stammenden Werk betrachtet Falk das betriebliche Bildungsmanagement aus einer explizit berufspädagogischen Perspektive. Er bezieht daher in seine Darstellung, die für Studierende und Praktiker konzipiert ist, Fragen der Entstehung von Beruf und Beruflichkeit ebenso ein wie den Rechts- und Ordnungsrahmen des Berufsbildungssystems. Erst vor diesem Hintergrund werden wesentliche Aspekte der betrieblichen Berufsausbildung und der Weiterbildung dargestellt. Bildungscontrolling und Qualitätsmanagement werden ebenfalls als Teilbereiche des betrieblichen Bildungsmanagements thematisiert und haben seit Erscheinen des Bandes weiter an Bedeutung gewonnen (vgl. Schöni 2009; Dehnbostel 2015b).
Gonschorrek (2003) fokussiert im Unterschied zu Falk (2000) seine als Lehrbuch konzipierte Betrachtung vornehmlich auf die betriebliche Weiterbildung. Betriebliche Ausbildung und Umschulung als weitere von ihm benannte Bereiche gelten in dieser Perspektive als nachrangig. Großes Gewicht wird bei der Darstellung auf den individuellen Lernprozess selbst gelegt. Dabei wird ausführlich auf lernpsychologische und lerntheoretische Erkenntnisse und Ansätze rekurriert. Bildungsmanagement wird schließlich in Abgrenzung und als Erweiterung zur traditionellen betrieblichen Bildung konzipiert. Mit dieser Fortentwicklung ist die Vorstellung verbunden, dem in Holzkampschen Kategorien beschriebenen expansiven Lernen statt dem vormaligen defensiven Lernen zu größerem Gewicht zu verhelfen. Die in sich schlüssige Darstellung ist allerdings durch ein sehr voraussetzungsreiches Verständnis von Lernen und Bildung geprägt, was eine Übertragbarkeit erschwert.
Ebenfalls als Lehrbuch hat Stender (2009) seinen Band „Betriebliches Weiterbildungsmanagement“ konzipiert, das sich vornehmlich an Studierende der Wirtschaftspädagogik richtet. Darin wird der Versuch unternommen, sowohl einer ökonomisch-betriebswirtschaftlichen Perspektive als auch einer pädagogischen Sichtweise gerecht zu werden. In dem Band werden neben begrifflichen Grundlagen auch ein Rahmenmodell zum betrieblichen Weiterbildungsmanagement vorgestellt. Dieses Rahmenmodell unterscheidet u.a. die Aufbauorganisation und Ablauforganisation betrieblichen Weiterbildungsmanagements.
Hinsichtlich der Aufbauorganisation zeigen sich unterschiedliche unternehmerische Organisationsmöglichkeiten betrieblichen Bildungsmanagements, bei denen betriebswirtschaftliche Überlegungen zentral sind. Insbesondere die Frage einer potenziellen Externalisierung von Weiterbildungs- und Personalentwicklungsaufgaben wird dabei intensiv diskutiert. Hinsichtlich der Ablauforganisation werden unterschiedliche Formen von Bildungsbedarfsanalysen sowie individuelle Potenzialanalysen und entsprechende Instrumente vorgestellt. Hier werden auch Fragen des Kompetenzmanagements und der Förderung des Transfers betrieblicher Weiterbildung thematisiert. Zudem werden die konkrete Programmplanung, die Durchführung und das Qualitätsmanagement betrieblicher Weiterbildung vorgestellt. Eingeordnet wird die konkrete Ebene schließlich durch die Beschreibung der gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen sowohl der betrieblichen als auch der beruflichen Weiterbildung. Dabei werden der Unternehmensrahmen und der unternehmensexterne gesellschaftlich-rechtliche Rahmen sinnvollerweise getrennt voneinander behandelt.
Da sich die genannten Werke stark auf die Praxis richten und als Lehrbücher dienen, stellt Diesner (2008) folgerichtig ein theoretisches Defizit bei der wissenschaftlichen Durchdringung betrieblichen Bildungsmanagements fest. In einer von ihr vorgelegten Dissertation unterscheidet sie mit Bezug auf das St. Gallener Managementmodell insbesondere zwischen einer normativen und einer strategischen Ebene betrieblichen Bildungsmanagements, für die sie eine Grundlegung erarbeitet. In der Ausarbeitung erfolgt zunächst eine begriffliche Klärung, indem das Bildungsmanagement von verwandten Gegenstandsbereichen wie der Personalentwicklung oder dem Personalmanagement abgegrenzt wird. Verschiedene theoretische Zugänge auf der normativen und der strategischen Ebene werden ausführlich dargestellt und damit ein Bezugsrahmen für die Analyse betrieblichen Bildungsmanagements entwickelt. Auf dieser Basis wurden vier Fallstudien durchgeführt, diese auf Grundlage des zuvor entwickelten Bezugsrahmens strukturiert dargestellt und die Ergebnisse wieder auf das entwickelte Vorverständnis rückbezogen. In der Zusammenführung von Theorie und Praxis entwickelt die Autorin einen analytischen Blick auf das betriebliche Bildungsmanagement und es wird eine „kognitive Landkarte des Bildungsmanagements“ (ebd., S. 417) für Unternehmen bereitgestellt. Das gesamte Vorgehen wird transparent geschildert und die Ergebnisse überzeugend dargestellt. Offen bleibt allerdings, inwieweit die in Großunternehmen gewonnenen Erkenntnisse auch für das Bildungsmanagement in kleineren Unternehmen zutreffend sind. Handlungspraktische Hinweise sind ebenfalls nur in geringem Maße enthalten – doch galt der operativen Ebene auch nicht die Aufmerksamkeit der Autorin.
Seufert (2013) vertieft unter einer auf gleicher theoretischer Basis die Arbeit von Diesner. Sie nimmt dabei eine explizit wirtschaftspädagogische Perspektive ein, fokussiert jedoch weniger stark auf Unternehmen, sondern beansprucht in ihrem Lehrbuch wiederum, das gesamte Bildungsmanagement – und damit eben auch und gerade in Bildungsorganisationen – darzustellen.
In der Gesamtschau ist als Zwischenfazit zu konstatieren, dass es kein einheitliches Verständnis davon gibt, was betriebliches Bildungsmanagement ausmacht, wie es definiert ist und welche wesentlichen Aspekte es enthält. Alle Werke bieten unterschiedliche Zugänge für eine angemessene Fassung und Beschreibung betrieblichen Bildungsmanagements an, keines erschließt Theorie und Praxis betrieblichen Bildungsmanagements im umfassenden Sinn.
4 Ebenen des Bildungsmanagements
Vor dem Hintergrund der vielen stark praxisorientierten Publikationen ist die zuvor angeführte Arbeit von Diesner (2008) verdienstvoll, da sie beginnt, die evidente theoretische Forschungslücke zu schließen. Eine umfassende Betrachtung betrieblichen Bildungsmanagements verbindet dabei sowohl eine theoretische Anbindung als auch praxisbezogene Sichtweise. Beide Perspektiven und Bezüge sind essenziell, um dem Gegenstand gerecht zu werden. Betriebliches Bildungsmanagement lässt sich analytisch in unterschiedliche Ebenen fassen, die jeweils aufeinander bezogen sind und zusammenwirken (vgl. Seufert 2013, S. 39ff.). Auf einer operativen Ebene ist das „Tagesgeschäft“ des Bildungsmanagements angesiedelt. Die operative Ebene ist dabei identisch mit der konkreten betrieblichen Bildungsarbeit. Auf der strategischen Ebene ist die längerfristige Ausrichtung der Betrieblichen Bildungsarbeit zu verorten, die mittelfristige Schwerpunktsetzungen verdeutlichen. Die strategische Ebene ist zugleich die Verbindung zur normativen Ebene, die das Betriebliche Bildungsmanagement mit der Unternehmensphilosophie in Bezug setzt.
Abbildung 7: Ebenen des betrieblichen Bildungsmanagements
Quelle: Eigene Darstellung
Die Aufgaben und wesentlichen Inhalte der einzelnen Ebenen werden nachfolgend genauer dargestellt.
4.1 Normative Ebene
Auf der normativen Ebene sind die Verbindungen des Bildungsmanagements mit der Unternehmensphilosophie und Unternehmenskultur anzusiedeln. Die Unternehmensphilosophie wird u. a. durch die Geschichte und damit der gewachsenen Kultur eines Unternehmens geprägt. Die Größe, das Alter und die Branchenzugehörigkeit eines Unternehmens spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Gesellschaftsform und die Struktur der Anteilseigner. SAP, Siemens oder die Drogeriemarktkette dm – um drei prominente Beispiele zu nennen – sind hinsichtlich ihrer Unternehmenskultur sehr heterogen.
Die konkrete Verfasstheit des Bildungsmanagements und die Entwicklung strategischer Ziele und prioritärer Handlungsfelder können daher nur in Abhängigkeit von der Unternehmensverfassung erfolgen. So spiegelt auch die von Stender (2009, S. 79ff.) intensiv bearbeitete Frage, inwiefern das Weiterbildungsmanagement externalisiert werden soll und kann, die Unternehmensverfassung wider. Die normative Ebene des Bildungsmanagements muss dabei den Werten und der Unternehmensphilosophie des Gesamtunternehmens entsprechen. Das dabei – häufig implizit – zu Grunde liegende Menschenbild beeinflusst maßgeblich das Verständnis des Bildungsmanagements. Sichtbar wird dies etwa in unterschiedlichen Kompetenzmodellen, die in einzelnen Unternehmen entwickelt wurden und werden. Diesner (2008, S. 431f.) schlägt in diesem Zusammenhang vor, dass sich in den Unternehmen unter anderem folgende Fragen vorgelegt werden sollten:
■ Welches Bild haben wir vom Menschen im Unternehmen?
■ Welche Konsequenzen hat dieses Bild für unsere Tätigkeit?
■ Welche Werte legen wir unserem Handeln zugrunde?
■ Welche Rolle spielt Bildung für unser Unternehmen?
■ Wie gehen wir mit den Entwicklungsansprüchen unserer Mitarbeitenden um?
■ Ist Bildung in unseren Leitbildern als Thema aufgenommen?
■ Bieten unsere Leitbilder eine Anschlussfähigkeit für das Bildungsmanagement im Unternehmen?
Die Beantwortung dieser Fragen macht die normative Ebene und die Werte eines Unternehmens transparent. Häufig werden solche Fragen allerdings nicht explizit beantwortet, die Antworten sind nur implizit vorhanden und werden in der Ausrichtung und den Handlungen des Bildungsmanagements auf den anderen Ebenen inkorporiert.
4.2 Strategische Ebene
Auf einer strategischen Ebene sind im Bildungsmanagement längerfristige Ziele und Handlungsfelder in Abhängigkeit von der normativen Ebene festzulegen. Nicht alle möglichen Themenfelder können dabei gleichzeitig bearbeitet werden, daher sind die (Personal-)ressourcen immer gezielt einzusetzen. Die Themenfelder auf dieser strategischen Ebene sind mittelfristig angelegt, sie können sich organisatorisch in definierten Aufgaben oder Stabsstellen manifestieren. Bei der Betrachtung relevanter Literatur der letzten Jahre lassen sich einige Themenfelder identifizieren, die in vielen Unternehmen große Aufmerksamkeit erhalten haben:
4.2.1 Demografische Entwicklung und Fachkräftemangel
Eines der wichtigsten strategischen Themen des betrieblichen Bildungsmanagements stellt der Umgang mit der demografischen Entwicklung dar. Jedes Unternehmen ist davon auf je eigene Weise betroffen und gefordert, eigene Konzepte und Antworten darauf zu finden. Während in manchen Unternehmen eher die konkrete Alterung des Personals die größte Herausforderung sein kann, sind andere Unternehmen etwa in strukturschwachen Regionen stärker gefordert, die Sicherung junger Nachwuchskräfte sicherzustellen. Dabei ist auch das veränderte Bildungsverhalten der Jugendlichen zu berücksichtigen – Stichwort: Akademisierung – und damit spielen zunehmend neue Bildungsformate wie das duale Studium eine Rolle. Diese werden nicht zuletzt wegen ihrer Attraktivität bei Jugendlichen auch zur Nachwuchskräftesicherung eingesetzt (vgl. Elsholz/Neu 2018).
Für den unternehmensinternen Umgang mit der demografischen Entwicklung haben sich einige Instrumente etabliert wie bspw. die Altersstrukturanalyse (vgl. u.a. Langhoff 2009, S. 53ff.). Mit der Altersstrukturanalyse kann Transparenz über aktuelle oder zukünftige Personalrisiken und qualifikatorische Engpässe hergestellt werden. Dazu wird die Zusammensetzung der Belegschaft hinsichtlich der Altersverteilung dargestellt und in die Zukunft fortgeschrieben. Mit einer solchen systematischen Vorgehensweise zur Früherkennung bietet die Altersstrukturanalyse eine Entscheidungsgrundlage für konkrete personalpolitische Maßnahmen auf der operativen Ebene. Maßnahmen und personalpolitische Handlungsfelder auf Grundlage einer Altersstrukturanalyse betreffen insbesondere
■ die Förderung von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung
■ die Gesundheitsförderung und der Abbau von Belastung und Stress
■ die Entwicklung einer motivationsförderlichen Arbeitsgestaltung und Arbeits-organisation
■ sowie ein verändertes Führungsverhalten im demografischen Wandel (vgl. u.a. Schöpf/Geldermann 2007; Mühlenbrock 2016).
Darüber hinaus kann mit Hilfe einer Altersstrukturanalyse ein drohender betrieblicher Fachkräftemangel frühzeitig sichtbar gemacht werden. Als mögliche Reaktionen hierauf sind sowohl innerbetriebliche Maßnahmen wie z.B. die Nachqualifizierung bisher ungelernter MitarbeiterInnen oder die Förderung von Aufstiegsqualifizierungen durchzuführen. Darüber hinaus sind nach außen wirkende Strategien zur Nachwuchssicherung und –gewinnung zu ergreifen, bspw. durch verstärkte Kooperationen mit allgemeinbildenden Schulen.
4.2.2 Talent Management
Im Unterschied zur in Deutschland intensiv geführten Diskussion um den Fachkräftemangel, der sich häufig auf gut ausgebildete Mitarbeiter auf Facharbeiterebene bezieht, wird die internationale Debatte um das Talent Management stärker auf akademisch ausgebildetes Führungspersonal fokussiert - wenngleich es auch hier wie bei den meisten Begrifflichkeiten keine eindeutigen Angrenzungen gibt.
Viele Unternehmen haben den den vergangenen Jahren ihre Anstrengungen verstärkt, frühzeitig gut qualifizierte Mitarbeiter zu rekrutieren. Dabei werden weniger kurzfristige Maßnahmen ergriffen als vielmehr mittelfristige Schwerpunktsetzungen vorgenommen (vgl. Nagler/Löffler 2017; Hehn 2016). Gezieltes Employer Branding, um das Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber darzustellen und zu etablieren, wurde damit auch Thema des betrieblichen Bildungsmanagements. In diesem Zusammenhang haben viele Unternehmen z.B. engere Kooperationen mit Universitäten entwickelt und verstetigt, die über die Beteiligung an Absolventen-Messen weit hinausgehen (vgl. u.a. Beck 2012). Imageorientierte Kampagnen – wie Sie bspw. von Consulting-Unternehmen, aber auch großen Banken oder der Bahn in der Öffentlichkeit präsent sind – unterstützten Prozesse des Employer Branding, gehen zum Teil aber über den Aufgabenbereich betrieblichen Bildungsmanagements hinaus. Zunehmend spielen hier auch soziale Medien eine wichtige Rolle in der Ansprache potenzieller Mitarbeiter.
Neben der Personalgewinnung ist auch die Personalbindung gut qualifizierter Mitarbeiter essentieller Bestandteil des Talent Managements. Die Identifikation besonders leistungsfähiger und leistungsbereiter Mitarbeiter („High Potentials“) im Unternehmen bspw. mit Hilfe von Assessment-Centern besitzt ein großes Gewicht. Eine wichtige Rolle spielen zudem beim Talent Management auch Trainee-Programme (vgl. Ritz/Thom 2011). Den Nachwuchsführungskräften wird in diesen Prozessen große Aufmerksamkeit gewidmet, um ihnen Karriere- und Entwicklungswege aufzuzeigen und sie frühzeitig in Führungsverantwortung zu bringen. Die Zielsetzung beim Talent Management besteht letztlich darin, die Kompetenzen der Mitarbeiter so zu entwickeln, dass sie in erfolgskritischen Positionen dem Unternehmen dienlich sein können (vgl. Enaux et al. 2011).
4.2.3 Verankerung und Integration von E-Learning
Die Verbreitung von E-Learning und der Einsatz digitaler Medien spielt bisher je nach Unternehmen eine unterschiedlich große Rolle (vgl. Gensicke et al. 2016). Auch bei Großunternehmen, die eher als Vorreiter beim E-Learning gesehen werden können, gibt es eine große Bandbreite hinsichtlich der Bedeutung (vgl. Michel 2011, S. 448). Zukünftig wird eine entscheidende Frage betrieblichen Bildungsmanagements sein, welche Bedeutung die unterschiedlichen Formen des E-Learning im Unternehmen besitzen bzw. besitzen sollen. Die zunehmend kostengünstigere Möglichkeit des Einsatzes von Wikis, Weblogs und weiterer Social Software (vgl. Back et al. 2012) führen zu der Annahme, dass künftig auch verstärkt Klein- und Mittelbetriebe Konzepte des ELearning einsetzen. Insbesondere die Möglichkeiten, mit diesen neuen Technologien und der Social Software auch informelles Lernen stärker integrieren zu können, erweitert die Potenziale enorm. Das gleiche gilt für den zunehmend mobilen Einsatz durch neue Endgeräte wie Tablets und Smartphones, so dass viele neue Beschäftigtengruppen erreicht werden können.
In Zeiten des Web 2.0 und von Social Software sollte das E-Learning eine neue Dimension erreichen. Die Nutzer bleiben dabei nicht Konsumenten vorgefertigter Inhalte, die sie als Content auf nunmehr digitalen Distributionswegen erreicht. Dies war und ist das Paradigma der verbreiteten Learning-Managemement-Systeme (LMS). Mitarbeiter können vielmehr z.B. durch Wikis zu Mitproduzenten von Lerninhalten werden und sie können durch den Einsatz sozialer Medien Arbeiten und Lernen eng miteinander verknüpfen (vgl. Sauter/Staudt 2017). Damit besteht die Möglichkeit der Verbindung technologischer, pädagogischer und auch betriebswirtschaftlicher Ansätze, die es durch das betriebliche Bildungsmanagement zu nutzen gilt. Dabei wird es für den erfolgreichen Einsatz darauf ankommen, neue Medien und Tools nicht additiv, sondern integrativ in das Bildungsmanagement einzubinden.
4.3 Operative Ebene
Betriebliches Bildungsmanagement auf der operativen Ebene beinhaltet die konkrete Durchführung sowohl der Ausbildung als auch der Weiterbildung im Unternehmen. In diesem Sinne ist diese Ebene weitgehend synonym mit dem Terminus Betriebliche Bildungsarbeit.
Das operative betriebliche Bildungsmanagement, das sich in Abhängigkeit von den anderen beiden Ebenen entwickelt, lässt sich in einem einfachen Regelkreis darstellen, der die wichtigsten Aufgaben abbildet.
Abbildung 8: Prozesskreislauf des operativen betrieblichen Bildungsmanagements
Quelle: Eigene Darstellung
4.3.1 Bildungsbedarfsanalyse
Bildungsbedarfsanalysen stehen idealiter am – stetig wiederkehrenden – Beginn des operativen betrieblichen Bildungsmanagements. Dabei sind zum einen unternehmensseitig die Anforderungen, Werte und Vorgaben seitens des normativen und strategischen Bildungsmanagements zu berücksichtigen, zum anderen aber auch die Bedürfnisse der Mitarbeiter selbst.
In der Regel geht es bei der Bildungsbedarfsanalyse um den Abgleich zwischen einem Soll-Zustand und einem Ist-Zustand. Mittlerweile werden dabei weniger formale Qualifikationen, sondern vorrangig reale Kompetenzen der Mitarbeiter in den Blick genommen. Im Detail gibt es unterschiedliche Verfahren, die sich unter anderem durch ihren Zeithorizont aber auch durch ihre Erhebungsmethoden unterscheiden. Zalenska (2009) stellt hierzu bspw. Delphi-Methode, Szenario-Technik, Personal-Portfolios, Befragungen von Vorgesetzten und Führungskräften, Mitarbeitergespräche, Assessment-Center, Anforderungsanalysen und Arbeitsplatzanalysen sowie kooperative Bildungsbedarfsanalysen vor.
Stender differenziert insbesondere zwischen drei Arten von Ansätzen, die in verschiedener Weise die Mitarbeiterinteressen und die Unternehmensziele gewichten. Während bei einem mitarbeiterzentrierten Ansatz sich der Bildungsbedarf vor allem aus den Bedürfnissen der Beschäftigten ergibt, wird bei einem unternehmenszentrierten Ansatz der Bedarf strikt aus den Unternehmenszielen abgeleitet. Ein vermittelnder Konstruktionsansatz sieht die iterative Abstimmung zwischen Unternehmenszielen und Mitarbeiterinteressen vor (vgl. Stender 2009, S. 111ff.).
4.3.2 Planung und Organisation von Bildungsmaßnahmen
Hinsichtlich der konkreten Programmplanung und Organisation von Bildungsmaßnahmen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein Paradigmenwechsel von einer Angebotsorientierung zu einer verstärkten Nachfrageorientierung vollzogen. Die klassische Angebotsorientierung zeigt sich insbesondere in Form von Weiterbildungskatalogen, in denen unterschiedliche Inhalte und Formate von Weiterbildung angeboten werden. Den Beschäftigten bleibt dann die Wahl zwischen diesen angebotenen Kursen und Seminaren.
Eine verstärkte Nachfrageorientierung zeigt sich insbesondere in der intensiveren Ausrichtung einzelner Bildungsanagebote auf die individuelle oder betriebliche Nachfrage. Damit treten vielfach einzelne Unternehmensbereiche und Abteilungen als Nachfrager nach Bildungsdienstleistungen auf. Mit dieser verstärkten Nachfrageorientierung ist vielfach auch ein verändertes Verständnis der betrieblichen Weiterbildung verbunden. Sie besitzt damit weniger z.B. eine Belohnungsfunktion für verdiente Mitarbeiter, wie dies früher häufiger der Fall war, sondern eher Dienstleistungsfunktion für die nachfragenden Akteure.
Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass in der Praxis der Betriebe die Angebote weiterhin dominieren und es eher zu einer Ergänzung konkreter Bildungsmaßnahmen durch die stärkere Nachfrageorientierung gekommen ist. Eine vollständige innerbetriebliche Nachfrageorientierung und Vermarktlichung hat sich zudem als dysfunktional erwiesen, da damit kurzfristige Abteilungsinteressen und Cost-Cutting-Strategien über die langfristige Unternehmensentwicklung gestellt werden.
4.3.3 Durchführung betrieblicher Bildungsmaßnahmen
Hinsichtlich der Durchführung betrieblicher Bildungsmaßnahmen ist einerseits ein Trend festzustellen, der in einer Abkehr der Fokussierung auf Seminare und Kurse stärker zu Gunsten arbeits- und prozessorientierter Lernformen besteht. Andererseits werden die klassischen Lernformen aber nicht einfach abgelöst, sondern ergänzt und erweitert durch eine Vielzahl weiterer Lernformen. Es liegen zwar unterschiedliche Systematisierungsansätze für betriebliche Lernformen vor, doch gibt es keine einheitlichen Definitionen oder Abgrenzungen. Unterschiedliche Ansätze charakterisieren die Lernformen nach den Kriterien Arbeitsbezug, Lernorte oder dem Formalisierungsgrad (vgl. u.a. Schiersmann/Remmele 2002; Kohl/Molzberger 2005).
Eine instruktive Unterscheidung, die aus der Analyse von Formen betrieblichen Lernens in kleinen und mittleren Unternehmen generiert wurde, geht auf Pfeiffer et al. (2005) zurück. Darin werden in Form einer Matrix zwei Dimensionen als Kriterien zu Grunde gelegt. In der Dimension ‚Arbeitsbezug des Lernens’ wird Lernen in seinem inhaltlichen Bezug zum Arbeitsprozess als arbeitsimmanent, arbeitsgebunden und arbeitsbezogen unterschieden. In der zweiten Dimension ‚Gestaltung des Lernens’ wird Lernen über die maßgebliche Verantwortlichkeit für die Gestaltung des Lernprozesses unterschieden, und zwar als individuelles, angeleitetes oder kooperatives. Damit ergibt sich eine Neun-Felder Tafel, denen die verschiedenartigen Formen des Lernens zugeordnet werden (vgl. Pfeiffer et al. 2005).
Tabelle 3: Lernformen betrieblicher Bildung
Quelle: Pfeiffer et al. 2005, S. 9
Die von Pfeiffer et al. (2005) gewählten Dimensionen in arbeitsimmanentes, arbeitgebundenes und arbeitsbezogenes Lernen treten neben die bereits zuvor entwickelte Systematisierung in arbeitsgebundenes, arbeitsverbundenes und arbeitsorientiertes Lernen (vgl. Dehnbostel 2015a, S. 33). Das breite Spektrum unterschiedlicher Lernformen ist in unterschiedlicher Weise im Rahmen betrieblichen Bildungsmanagements plan- und gestaltbar (vgl. Elsholz 2016). Die Ergebnisse der Bedarfsanalysen können vor dem Hintergrund der hier angedeuteten Vielfalt der Lernformen interpretiert werden. Dabei ist auch die gezeigte Übersicht weiter zu ergänzen durch moderne prozessbegleitende Formen des Coachings und Mentorings sowie den verschiedensten Spielarten des E-Learning. Eine diesbezüglich integrierende Gesamtübersicht ist derzeit jedoch nicht verfügbar.
4.3.4 Evaluation und Transferförderung
Evaluation und Transferförderung sind in den letzten Jahren eigenständig zu betrachtende Handlungsfelder des operativen betrieblichen Bildungsmanagements geworden. Hintergrund hierfür sind vor allem vielfältige Erfahrungen und Studien zur mangelnden Effektivität von Weiterbildung, so dass die Betriebe ein verstärktes Interesse daran entwickelt haben, den Kosten der Bildungsmaßnahmen auch einen sichtbaren Nutzen gegenüberzustellen.
Der Lerntransfer beinhaltet dabei vor allem den Transfer vom Lernfeld in das Funktionsfeld. Je weiter entfernt das Lernfeld vom Funktionsfeld – also dem eigentlichen Arbeitsprozess - entfernt ist, desto komplexer wird der Transferprozess. Voraussetzung für einen Transfer in den Arbeitsprozess ist, dass überhaupt ein Lernzuwachs stattgefunden hat. Stender (2009, S. 189f.) unterscheidet vier Arten von Transfererfolg: Beim negativen Transfer behindert das Erlernte den weiteren Arbeitsablauf, weil es sich nicht integrieren lässt und der vergebliche Versuch der Anwendung nur Arbeitszeit verbraucht. Beim Null-Transfer erfolgt schlicht keinerlei Anwendung in den Arbeitsprozess. Ein echter Transfererfolg stellt sich nur beim horizontalen und vertikalen Transfer ein. Während es beim horizontalen Transfer zur konkreten Anwendung des zuvor im Rahmen einer Bildungsmaßnahme Gelernten kommt, geht der vertikale Transfer noch darüber hinaus. Er liegt vor allem dann vor, wenn Gelerntes auch in neuen Situationen übertragen werden kann und die entwickelten Kompetenzen damit längerfristig zur Verbesserung des Arbeitsprozesses eingesetzt werden.
Als zentrale Einflussfaktoren auf den Transferprozess haben sich Teilnehmermerkmale, die Kursgestaltung und die Arbeitsumgebung herausgestellt. Aufgabe des Bildungsmanagements ist es daher, auf diese Faktoren einzuwirken, bspw. durch Teilnehmerauswahl, durch Einfluss auf die Lerninhalte und Lerngestaltung sowie die Unterstützung bei der späteren Anwendung im Funktionsfeld (vgl. ebd.).
Kauffeld (2010) plädiert im Zusammenhang mit der Transferförderung für eine stärker prozessbezogene Evaluation statt einem lediglich ergebnisorientierten Vorgehen. Damit geht sie über den Evaluationsansatz von Kirkpatrick hinaus – der mit seinem bereits 1959 entwickelten viertstufigen Modell den klassischen Bezugspunkt der Diskussion bildet. Nach Kirkpatrick/Kirkpatrick (2006) sind die vier Ebenen Reaktion, Lernen, Verhalten und Ergebnisse, die aufeinander aufbauen, zentrale Evaluationsaspekte (vgl. auch Müller/Soland in diesem Band).
4.3.5 Bildungscontrolling und Qualitätsmanagement
Während sich die Evaluation im hier vorgestellten Verständnis auf einzelne Bildungsmaßnahmen bezieht, begleitet das Bildungscontrolling auch die vor- und nachgelagerten Prozesse und stellt damit eine Entscheidungs- und Steuerungsfunktion dar. Es umfasst auf Grundlage messbarer Daten verschiedene Funktionen der Informationsfunktion Planung, Steuerung und Kontrolle von Bildungsprozessen (vgl. Schöni in diesem Band; Dehnbostel 2015b, S. 432). Realiter finden sich in Betrieben jedoch häufig Verengungen des Bildungscontrollings auf eine Kostenkontrollfunktion. Wie empirische Untersuchungen zeigen, stellt sich das Bildungscontrolling in den Unternehmen allerdings in sehr unterschiedlicher Weise dar (vgl. Käpplinger 2012, S. 13).
Die reale Ausrichtung und Zielstellung betrieblichen Bildungscontrollings ist daher in Abhängigkeit sowohl der Betriebsgröße und Branchenzugehörigkeit, insbesondere aber auch in Bezug auf die Aspekte des strategischen und normativen Bildungsmanagements zu bestimmen.
Während das Bildungscontrolling fast ausschließlich auf quantitative Daten und Ergebnissen setzt zur Verbesserung des Bildungsmanagements, zielt das Qualitätsmanagement stärker auf die Gestaltung von Prozessen. Starke Verbreitung finden hierbei Ansätze des Total-Quality-Management (TQM). Die größte Verbreitung als TQM-Konzept in Deutschland besitzt das EFQM-Modell für Excellence der European Foundation for Quality Management. Die Ansätze des Qualitätsmanagements zielen vielfach auf das Gesamtunternehmen. Die Übernahme dieser Ansätze für das betriebliche Bildungsmanagement wird jedoch kritisch betrachtet, u.a. da die Perspektive des Lerners – als dem eigentlich wichtigsten Entscheider darüber, ob eine Bildungsmaßnahme erfolgreich war – zu kurz kommt (vgl. Schlömer 2011). Ansätze wie die Lernerzentrierte Qualitätsentwicklung (LQW), die vielfach in Weiterbildungseinrichtungen zum Einsatz kommen (vgl. Zech 2014), sind im Rahmen des betrieblichen Bildungsmanagements bisher kaum verbreitet.
Einzugehen ist an dieser Stelle noch auf den Begriff „betriebliche Bildungsarbeit“, der in berufspädagogisch konnotoierten Publikationen Verwendung findet. Trotz der Nähe des operativen Bildungsmagement zur „betriebliche Bildungsarbeit“ verortet Dehnbostel diese quer zu den Ebenen des Bildungsmanagments. „Sie integriert einerseits nur Teilbereiche der Personal- und Organisationsentwicklung, weist aber andererseits in ihrer berufs- und betriebspädagogischen Anbindung an Qualitäts- und bildungsstandards, berufliche Aus- und Weiterbildungsgänge sowie an das öffentlichrechtliche Bildungssystem über diese hinaus“ (Dehnbostel 2015a, S. 29). Insbesondere das letzgenannte Hinausweisen über das Einzelunternehmen erfolgt im Rahmen des betrieblichen Bildungsmanagements nur begrenzt.
5 Entwicklungstendenzen und Ausblick
Um neben der Beschreibung des Ist-Standes betrieblichen Bildungsmanagements Aussagen über zu erwartende Entwicklungen treffen zu können, ist ein Blick auf die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte hilfreich. Veränderungen auf der Ebne der strategischen Ausrichtung von Unternehmen, der betrieblichen Arbeitsorganisation und auch der Bildungsformate wirken auch auf die Verfasstheit des betrieblichen Bildungsmanagements zurück.
Die Bildungsformate hängen wiederum eng mit der betrieblichen Arbeitsorganisation zusammen. Lange Jahre waren Lehrgänge und Seminare die vorherrschenden Lernformen in der betrieblichen Bildung. Lernen und betriebliche Bildung fand vornehmlich in externen Bildungseinrichtungen oder Seminarräumen abseits der Arbeitsorte statt. Die häufig stark repetitiven Arbeitsplätze selbst wurden im Rahmen tayloristischer Arbeitsorganisation als wenig lernförderlich angesehen. Informelle Lernformen, wie bspw. das Lernen von Kollegen oder betrieblichen Experten sowie das Lesen von Fachzeitschriften, wurden nicht als Lernen begriffen und damit auch nicht als Aufgabe betrieblicher Bildung angesehen.
Der Betrieb und der Arbeitsplatz als Lernort haben im Rahmen der arbeitsprozessorientierten Wende in der beruflichen Bildung seit Anfang der 1990er Jahre erhöhte Aufmerksamkeit erfahren. Eine entscheidende Rolle bei dieser Wiederentdeckung des Lernorts Arbeitsplatz haben veränderte betriebliche Produktionskonzepte gespielt (Kern/Schumann 1984). Studien belegten den Trend zu einer postfordistischen Arbeitsorganisation, die neue und erweiterte Qualifikations- und Kompetenzanforderungen für Facharbeiter in den Unternehmen mit sich brachte (vgl. Schumann et al. 1994, Baethge/Baethge-Kinsky 2006). Der Strukturwandel von einer berufs- und funktionsorientierten Weiterbildung zu einer stärker prozessorientierten Weiterbildung (vgl. Schiersmann 2007) hat auch die Aufgaben des Bildungsmanagements und des Bildungspersonales. Es wurden verstärkt dezentrale Lernformen entwickelt und gefördert, da nunmehr neue Tugenden wie Selbstständigkeit und Teamfähigkeit gefordert waren und sind.
Mit der Digitalisierung der industriellen Produktion verändert sich in den Unternehmen die Arbeitsorganisation erneut. Es ist jedoch noch unklar, welche Auswirkungen dies auf die Arbeitsorganisation und die Qualifikationen haben wird. Sowohl die Verbesserung der Qualifikationen als auch eine stärkere Polarisierung zwischen den Beschäftigten werden daher diskutiert (vgl. Hirsch-Kreinsen/ten Hompel 2017). Die Anforderungen von Industrie 4.0 legen noch stärker arbeitsplatznahe Qualifizierungsformen nahe (vgl. Spöttl/Windelband 2017). Digitalisierung der Arbeit ist zwar nicht deckungsgleich mit der Digitalisierung von Bildung, doch muss die betriebliche Bildungsarbeit als Teil des Bildungsmanagements auf die Veränderungen reagieren. Betirebliche Bildung kann immer weniger ohne digitale Medien gedacht und praktiziert werden. Allerdings wird unter Industrie 4.0 in vielen Unternehmen jeweils etwas Anderes verstanden. Außer dem gemeinsamen Label und dem Schlagwort der Digitalisierung finden sich sehr unterschiedliche Ausprägungen.
Vor diesem Hintergrund ist daher anzunehmen, dass das betriebliche Bildungsmanagement weniger einem einheitlichen Paradigma folgen wird – wie dies etwa in den 1990er Jahren im Zuge der Debatte um Lean production und die Einführung von Gruppenarbeit war – sondern dass in jedem Unternehmen die geeignete Form des Bildungsmanagements gefunden werden muss. Dies ist und bleibt die Herausforderungen für die damit betrauten betrieblichen Bildungsmanager jeweils in Rückkopplung zur strategischen Ausrichtung des Unternehmens.
Literatur
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