Читать книгу Nebeltann - Ulrike Wolf - Страница 11

Оглавление

Zilli verzehrte einsam ihr Mittagessen, einen Eintopf, den sie schon vorgestern gemacht hatte und der inzwischen gut durchgezogen war. Danach ging sie nach draußen, um die fünf Hasen, vier Hühner und den Hahn zu versorgen. Das war alles, was noch an Tieren da war. Früher, als hier noch viele Leute lebten, gab es etwa fünf Milchkühe, ein paar Schweine sowie Enten, Gänse, Karnickel und Hühner. Fünfzehn Hektar Feld und Wiesen waren zu bewirtschaften und nie kam man zur Ruhe, weil die Arbeit immer zu viel und zu schwer war. Besonders wenn man fast noch ein Kind war. Aber das war vorbei. In Gedanken steckte sie den Hasen etwas Heu in den Stall und den Hühnern streute sie Körner und Haferflocken hin. Erneut schob sie den Katzensteig frei, denn seit dem Frühstück waren schon wieder ein paar Zentimeter Schnee gefallen.

Dann buk sie einen einfachen Kuchen für morgen. Wilhelm mochte ihre Kuchen. Die alte Katze strich ihr um die Beine, als sie den Teig zusammenrührte. Zilli füllte ihr etwas Milch in die Schüssel, die die Katze gierig in sich hinein trank. Dann stolzierte sie nach draußen. Ihr Junges lag in der Kiste und schlief. Während der Kuchen im Ofen buk, saß Zilli auf der Eckbank und las Zeitung. Aber sie konnte sich nicht konzentrieren. Sie sah in die Wurfkiste und dachte bei sich: Wenn ich doch wenigstens EIN Kind hätte…

*

Schreie, Schüsse und überall lagen tote und verletzte Menschen. Pferdefuhrwerke waren umgefallen, tote Tiere lagen zwischen den Menschen. Und die Panzer rollten über alles hinweg, ohne Rücksicht.

*

Zilli fuhr hoch. Sie war über ihrer Zeitung eingenickt und hatte wieder mal von der Flucht geträumt. Es war fast das Schlimmste, was ihr jemals passiert war, noch schlimmer war es ihr nur ergangen, als sie auf den Hof gekommen war. Jetzt nicht daran denken, sie konnte es immer noch nicht ertragen. Der Kuchen war fertig gebacken, ein köstlicher Duft zog durch die Küche. Das Rezept stammte noch aus ihrer masurischen Heimat, sie hatte es nicht vergessen, so wie sie viele Sachen einfach nicht vergessen konnte. Die Eltern, der kleine Bruder, die Großeltern, alle tot. Erfroren, verhungert, von der vorrückenden Roten Armee niedergemetzelt. Die Bilder stürzten auf Zilli ein und sie konnte sich nicht dagegen wehren. Weinend saß sie am Tisch und trauerte um alle, die ihr jemals etwas bedeutet hatten. Keiner war mehr übrig und alles Leid hatte sie tief in ihrem Innern vergraben, nur manchmal brach es an die Oberfläche und ließ sie verzweifeln. Resolut stand sie auf, wischte sich mit einem Zipfel ihrer Schürze über die Augen und sagte laut zu sich selber:

„Schluss mit der Heulerei, davon wird es auch nicht besser.“

Nebeltann

Подняться наверх